WORLD WITHOUT END: DRITTER BAND

 

Originaltitel: World Without End: Book Three

Autor: Rachel Anton < RAnton1013@aol.com >

Übersetzung: Kristin ( tini243@crosswinds.net )

Rating: NC-17

Kategorie: Post Kolonisation, Scully/Krycek

Zusammenfassung: Wohin wendet man sich, wenn alles was man kannte nicht mehr existiert?

Disclaimer: Jeder, den ihr wiedererkennt gehört nicht mir.

Spoiler: Keiner, der mir einfällt.

Autorenbemerkung: Dieses ist der Dritte Band einer aus drei Bänden bestehenden Serie. Ich empfehle, die ersten beiden Bände zu lesen, bevor ihr mit diesem beginnt.

Anmerkung des Übersetzers: Oder auf dieser Seite in der deutschen Übersetzung.

 

 

WORLD WITHOUT END
Dritter Band

 

 

Kapitel 1

Die Welt ist jetzt sehr viel kleiner, als sie es früher war.

Zumindestens scheint es so zu sein. Wenn ich unsere dezimierte Bevölkerung ansehe, alle an einem Ort versammelt, habe ich das Gefühl, als wäre das halbe Universum verschwunden.

Alex hat entschieden, sehr weise wie ich meine, das Meeting in einem anderen Vorlesungssaal abzuhalten als früher. Einem kleineren. Es gibt nicht sehr viele freie Plätze, aber es ist trotzdem ein bisschen angsteinflößend als ich mich umsehe und denke, dass es das jetzt ist, dass das alles ist, was übrig ist.

Ich habe versucht, meine Identität nicht zu sehr mit diesem Ort zu verflechten. Ich war vorher Teil einer Gruppe, zusammen mit den anderen, die wie ich waren, den anderen Klonen. Als ich sie verlor, fühlte ich mich ausgeschlossen und orientierungslos. Ich möchte das nicht noch mal fühlen. Aber wenn man so lange mit Menschen zusammen lebst, wie ich schon hier lebe, wird es schwierig, sich zu distanzieren. Es ist schwierig, unbeteiligt zu bleiben, wenn es schlecht läuft.

Es läuft sehr schlecht. Es ist schwer zu sagen, wie schlimm es noch werden wird, weil die unglücklichen Ereignisse nur ein paar Wochen her sind, aber es sieht nicht gerade sonderlich vielversprechend aus.

Es ist nicht nur, das wir so viele Leute verloren haben. Es ist noch nicht mal, dass wir unsere Verbündeten verloren haben, uns vielleicht neue Feinde gemacht haben. Das sind schlechte Zeichen, sicher, aber ich spüre, dass die wahre Bedrohung nicht von außen kommt, sondern von innen.

Ich habe eine Freundin, Laurie. Laurie ist Sklavin gewesen und bei ihr wurde vor sechs Monaten Krebs diagnostiziert. Sie hatte einen Geliebten, der Jordan hieß. Jordan starb bei dem Kampf im Hauptquartier der Rebellen. Wir haben ein Heilmittel für Laurie, aber sie will es nicht einnehmen. Sie hat mir vor ein paar Tagen gesagt, dass sie lieber sterben würde, als in dieser beschissenen Welt ohne Jordan weiter zu machen. Sie sagte, dass das einzige, was sie davon abhält, sich umzubringen die Hoffnung ist, Alex eines Tages für das bezahlen zu lassen, was er getan hat.

Es gibt viele Lauries. Und unglücklicherweise gibt es nicht sehr viele Leute wie Dana oder Brian, die loyal sind, nicht nur unserer Sache gegenüber, sondern auch ihm gegenüber.

Die Teilung ist heute noch offensichtlicher als sonst. Alex sitzt in der Mitte eines großen, rechteckigen Tisches im vorderen Teil des Raumes, Dana sitzt zu seiner Rechten und Brian zu seiner Linken. Es sitzen noch ein paar andere an diesem Tisch, Alex' Berater, die Chefs der Farm, der Nahrungsmittelverteilung und des Haushaltskomitees, aber der Rest von uns sitzt auf der anderen Seite des Tisches. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich hierher gehöre. Jeder auf dieser Seite scheint sehr, sehr wütend zu sein.

Das Meeting hat noch nicht offiziell angefangen, aber die Leute reden schon miteinander. Bittere, gemeine Worte fliegen durch den Raum und stärken sich an sich selbst. Ich hoffe, dass Alex nicht das Potential an Dummheit unterschätzt, das großen Gruppen innewohnt. Wenn sich der Mob erst einmal fest in die Köpfe eingenistet hat, dann fangen unsere Probleme richtig an.

Ich versuche Augenkontakt zu Dana zu bekommen, um ihr aufmunternd zuzulächeln, aber sie sieht nicht von ihrem Notizblock auf. Sie sieht blass aus, fast krank. Alex sieht so cool aus wie immer. Manchmal denke ich, dass es ihm Spaß macht, ein Objekt des Hasses zu sein.

"Entschuldigen Sie, Miss. Ich habe eine Einladung zum Lynchen für heute morgen erhalten. Bin ich hier richtig?"

Mulder. Ich lächle halbherzig zu ihm hinauf und biete ihm mit ausgestreckter Hand den leeren Platz neben mir an.

"Eigentlich nicht, das ist ein Zirkus. Warum bleibst du nicht trotzdem?"

"Denkst du, dass Brian heute seine Löwenbändigernummer aufführt?"

"Vielleicht, wenn du ihn nett darum bittest."

Er setzt sich seufzend hin und fährt sich mit den Fingern durch die Haare. Er scheint selbst ein wenig nervös zu sein. Ich bin froh, dass er sensibel genug ist, um besorgt zu sein und dass er sich nicht wegen seiner persönlichen Probleme den anderen anschließt. Ich bin froh, aber nicht überrascht.

"Wie denkst du wird es laufen, Roseanne?"

"Nicht gut."

"Die Leute sind ziemlich wütend, richtig?"

"Scheint so."

Er rutscht auf seinem Stuhl hin und her und schaut über seine Schulter. Dann sieht er wieder zu mir und lehnt sich nah zu mir, leise sprechend. Ich kann mir nicht helfen. Es bringt mir ein billiges kleines Vergnügen.

"Ich kann nicht anders, als mich für all das ein wenig verantwortlich zu fühlen," murmelt er mit einer so sexy Stimme, dass mir fast komplett entgeht, was er gesagt hat.

"Verantwortlich? Wie verantwortlich?"

"Vor ein paar Monaten habe ich Krycek erzählt, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, die Allianz mit den Rebellen zu beenden. Ich weiß, dass er das nicht meinetwegen getan hat, aber ich habe ihn auf diese Idee gebracht."

Ich weiß nicht, was mich mehr überrascht. Dass es die beiden es jemals geschafft haben, eine zivilisierte Unterhaltung zu führen, oder dass Alex tatsächlich auf etwas gehört haben könnte, was Mulder gesagt hat.

"Es war keine schlechte Idee, Mulder. Und es waren noch andere Faktoren am Werk."

Bevor ich diese Faktoren aufzählen kann, räuspert sich Alex und steht auf, um zu sprechen. Ich denke nicht, dass ich jemals in meinem Leben soviel Mitgefühl für ihn hatte. Ich hoffe, dass sich niemand dazu entschließt, ihn zu erschießen.

"Okay, ich denke wir sollten beginnen," sagt er und die Unterhaltung verebbt bis auf ein bisschen leises Flüstern. "Zuerst möchte ich allen dafür danken, dass ihr gekommen seid. Wir haben sehr viele Dinge zu besprechen. Wir müssen uns vielen Herausforderungen stellen und ich denke, dass es am besten ist dies zu tun, wenn wir alle zusammenarbeiten."

Irgendein fremdartiger, dämonischer Teil von mir ergreift meinen Stift und schreibt, "Um wie viel willst du wetten, dass sie diese Rede geschrieben hat?" in mein Notizbuch. Derselbe Dämon schiebt das Buch in Mulders Richtung und mir wird erst nach dem der Dämon fertig ist bewusst, dass Mulder das vielleicht nicht sonderlich komisch finden könnte.

Zum Glück für den Dämon und für mich lächelt er.

"Wir alle haben in letzter Zeit große Verluste erleiden müssen und ich fürchte, es stehen uns weitere bevor. Die kommenden Monate werden nicht leicht werden. Die Vorräte werden uns gerade dann ausgehen, wenn wir sie am meisten brauchen; im Winter. Das bedeutet, dass wir dazu gezwungen werden, sie ab jetzt zu rationieren."

"Was rationieren?" ruft jemand von den billigen Plätzen.

"Rationieren...na ja, alles. Nahrungsmittel, Wasser, Elektrizität, medizinische Versorgung...ich habe, ich habe mit den Leuten von der Farm gesprochen und wir haben einige Ideen, wie wir unsere landwirtschaftliche Entwicklung besser nutzbar machen könnten und wir hoffen, dass wir bis zum Winter genug Nahrungsmittel für jeden haben werden. Aber im Moment müssen wir etwas sparsamer sein. Wir alle werden etwas von den Bequemlichkeiten abgeben müssen, an die wir gewöhnt waren."

"Bequemlichkeiten? Welche denn? Die Bequemlichkeit zu wissen, dass die Menschen, die du liebst nicht brutal ermordet werden? Ist das eine der ‚Bequemlichkeiten', die wir für die Sache opfern müssen, Alex?"

Oh-oh. Es ist Laurie. Sie flippt schon aus. Und ich sehe es schon, dass Alex das nicht gut handhaben wird. Er sieht sie mit dem Blick an. Diesem gruseligen, eiskalten Starren, das jeden, den es trifft, sei es Mann, Frau oder Kind, in Angst und Schrecken versetzt. In manchen Situationen ist das ein nützliches Werkzeug. Aber diese hier ist definitiv keine davon. Es ist gut, dass er jetzt eine menschliche Hälfte hat.

"Laurie, es tut uns allen Leid, was mit Jordan passiert ist," bietet Dana von ihrem Platz aus an. Sie hat ihre Hand auf Alex' Arm gelegt, wahrscheinlich in der Hoffnung, ihn davon abhalten zu können, die arme Frau zu erwürgen.

"Was all diesen Menschen passiert ist, die wir verloren haben. Es ist eine schreckliche Tragödie für uns. Was wir zu tun versuchen ist sicherzustellen, dass sie nicht umsonst gestorben sind. Wir haben so viel verloren, aber wir haben etwas sehr wichtiges gewonnen. Wir sind jetzt frei. Wir haben die Freiheit unsere eigenen Entscheidungen zu treffen und unsere eigenen Fortschritte zu machen. Wir arbeiten nicht mehr für die Rebellen, nur noch für uns selbst. Wir haben die Chance dazu, wirklich unabhängig zu werden. Meinst du nicht, dass Jordan das gewollt hätte?"

"Du kannst es drehen und wenden wie du willst, Dana. Tatsache ist, er ist für nichts gestorben. NICHTS! Und du WEISST das!"

Sie beginnt zu zittern und bricht mit einem Weinkrampf zusammen und glücklicherweise sitzt jemand neben ihr, der ihr ein wenig Trost spenden kann. Offen gestanden, weiß ich nicht, ob ich jetzt dazu fähig wäre. Ich kann nicht sehr gut mit Hysterie umgehen.

Und Dana kann das auch nicht. Aber sie bleibt ruhig.

"Laurie, es muss nicht so sein. Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir diesem schrecklichen Verlust vielleicht eine Bedeutung geben. Wir haben ein paar Übergangspläne ausgearbeitet und wenn ihr alle zuhören ..."

"Es gibt keine Bedeutung, Doktor Scully," lässt sich eine leise Stimme hinter mir hören. Es ist Thomas, einer der Männer, der von der fehlgeschlagenen Mission zurückgekehrt ist.

"Ich war dort. Ich sah diese Männer, sah, wie sie lebendig verbrannt wurden. Für absolut nichts. Ich bin sicher, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt, bis uns alle das gleiche Schicksal trifft. Und ich denke wir alle wissen, wem wir das zu verdanken haben."

Sein zorniger Blick fällt direkt auf Alex, der jetzt auf jeden Fall vor Wut schäumt. Wenn es jetzt etwas gibt, was er braucht, dass ist es Kontrolle. Und dieses Meeting ist nach nur fünf oder zehn Minuten sehr stark außer Kontrolle geraten. Er öffnet seinen Mund, um zu sprechen, aber Dana erhebt sich von ihrem Sitz und unterbricht ihn.

"Jetzt warte mal einen Moment. Ich kann mich erinnern, dass ich von dir ganz andere Töne gehört habe, *bevor* all das passiert ist. Tatsächlich ist es so, wenn ich mich recht erinnere, dass du ziemlich hin und weg von diesem ganzen Plan warst. Genau wie viele andere von euch. Ich kann mich nicht erinnern, dass *irgendjemand* hier irgendeine Art von Einwänden gegen den Plan gehabt hat, den Alex unterbreitet hat. Wir alle haben gedacht, dass es eine gute Idee wäre. Wir alle haben ihn unterstützt."

Ihre leidenschaftliche Verteidigung ist rührend und etwas ironisch. Wenn ich mich recht entsinne, war Dana die einzige, die gedacht hat, dass diese ganze Sache ein Fehler wäre.

"Also was, es ist nicht so gelaufen, wie wir es alle erwartet hatten. Wir haben verloren. Jetzt seid ihr also der Meinung, dass es die ganze Zeit eine schlechte Idee war und wendet euch gegen den Menschen, der ... den Mann, der..."

Sie stützt sich mit der Handfläche auf den Tisch und scheint ein wenig zu schwanken. Ihre Augen schließen sich und sie atmet tief durch. Alex' Gesicht verliert jede Spur von Zorn und er dreht sich zu ihr, total erschrocken. Alle im Raum werden totenstill und scheinen ihren Atem anzuhalten.

Schließlich öffnet sie ihre Augen wieder, legt die Hand über den Mund und murmelt, "Entschuldigt," in ihre Finger. Sie dreht sich von der Menge weg und flüchtet aus dem Hintereingang des Raumes.

Ein Wiederaufwallen der Gespräche folgt ihrem Weggang. Worte wie Krebs, Zusammenbruch und "Was zur Hölle sollen wir jetzt tun?" scheinen aus jeder Richtung zu kommen. Aber ich weiß, dass es das nicht ist. Ich habe die Tests gesehen, die sie heute Nachmittag durchgeführt hat. Ich dachte, sie seien nur Vorsichtsmaßnahmen, Teil einer Allgemeinuntersuchung ihres Körpers. Sieht so aus, als wäre es mehr als das.

Mulder rutscht neben mir herum, anscheinend in der Absicht, aufzustehen und ihr zu folgen. Und Alex, armer Alex, steht einfach da mit offenem Mund und sieht aus, als wenn ihm gerade jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt hätte.

Keiner von beiden wird in der Lage sein, ihr jetzt zu helfen.

Ich stehe von meinem Platz auf und gehe zur Tür, halte kurz an, um mit Alex zu sprechen.

"Ich werde gehen. Du bleibst," sage ich zu ihm.

"Ich kann nicht...ich..."

"Doch Alex. Bleib einfach hier. Ich bin sicher es geht ihr gut. Und ich weiß, dass sie will, dass du hier bleibst und das zu Ende führst."

Er nickt und ich renne aus der Tür, hoffe wider besseres Wissen, dass er es fertig bringt, mit dieser Situation ohne sie umzugehen.

Ich brauche bloß eine Minute, um sie zu finden. Ich folge einfach den Würgegeräuschen. Sie hat es nicht ganz bis zu den Toiletten geschafft. Sie ist in der Tür zusammengekrümmt und erbricht sich auf den weißen Linoleumfußboden.

Ich steige über sie und hole ein paar Rollen Toilettenpapier, um alles wegzuwischen. Ich nehme an, das ist eine Woche TP Ration.

Ich trage den Haufen, zusammen mit einem Becher Wasser wieder zur Tür, setze mich neben sie auf den Boden und sehe ihr ein paar Minuten lang dabei zu, wie sie sich ihr kleines Herz aus dem Leib kotzt.

Als sie fertig ist, setzt sie sich auf ihre Knie und ich gebe ihr das Wasser und eine Handvoll Papier, damit sie sich ihren Mund abwischen kann. Ich beginne sauberzumachen, obwohl sie mir sagt, ich muss das nicht tun.

Ich bringe es fertig, das meiste von dem Zeug vom Boden wegzuwischen und die Toilette hinunterzuspülen. Es stinkt trotzdem. Nichts riecht schlimmer als abgestandene Kotze.

"Geht es dir besser?" frage ich und setze mich wieder neben sie auf den Boden.

"Ein bisschen. Danke."

"Hast du es Alex gesagt?"

"Alex was gesagt?"

"Ich habe die Tests gesehen, die du an dir durchgeführt hast, Dana."

"Roseanne, ...nicht."

"Nicht was?"

"Ich möchte jetzt nicht darüber reden."

"Warum nicht?"

"Weil ich...ich weiß noch nicht, was ich tun soll."

Tun? Was zur Hölle kann sie tun? Sie ist schwanger. Es ist ja nicht so, dass sie das sehr lange geheim halten kann. Außer...

"Dana, du denkst doch nicht etwa darüber nach, es loszuwerden, oder?"

Das Ausbleiben einer Antwort ist Antwort genug. Ich bin nicht sicher, was ich dazu sagen soll. Sicher ist es ihre Entscheidung und wir haben die Technologie, um es sicher durchzuführen.

Aber irgendwas schreit dabei einfach "falsch". Und nicht wegen irgendwelcher moralischer Bedenken. Es erscheint mir einfach wie eine vertane Chance. Eine Chance, die ich niemals haben werde. Eine Chance, von der sie selbst dachte, sie würde sie nie haben.

"Dana, das ist, es ist ein Wunder. Es ist unglaublich. Dir ist hiermit eine wunderbare Chance gegeben worden."

"Wunderbare Chance? Roseanne, schau dich um. Wie kann ich es rechtfertigen, jetzt ein Kind in diese Welt zu setzen? Wie kann ich ein - ein Baby haben und noch nicht einmal wissen, ob in fünf Jahren noch jemand am Leben ist, der sich darum kümmert?"

Das ist ein hartes Argument. Natürlich hat sie recht. Trotzdem habe ich das Gefühl, sie macht einen Fehler. Ich habe das Gefühl, dieses Baby ist der Hoffungsschimmer, den wir alle so verzweifelt brauchen. Aber wie fair wäre es, all diese Erwartungen auf ihre Schultern zu laden? Sie ist nur eine Frau, die versucht zu leben.

Ich bin sprachlos.

"Du...du solltest es ihm trotzdem erzählen."

Sie wischt wieder über ihren Mund und sieht mir in die Augen. So viel Traurigkeit liegt darin, als sie mich fragt, "Welchem ihm?"

Ende Kapitel 1

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Kapitel 2

Ich habe keine Alpträume mehr gehabt. Nicht mehr seit dieser Nacht, in der sie mir gesagt hat, dass sie mich liebt. Nicht mehr, seit sie mir vergeben hat. Nein, ich hatte keine Alpträume mehr, aber meine Träume waren auch nicht gut. Es waren diese Art Träume, wie ich sie als Kind hatte. Nicht furchtbar genug, um Alpträume zu sein, aber nicht gut genug, um sie zu genießen. Angstträume. Träume davon, zur Schule zu kommen und keine Hosen anzuhaben, die Hauptrolle in einem Stück zu spielen und meinen ganzen Text vergessen zu haben.

Heute haben sich die Gefühle aus meinen Träumen in der Realität manifestiert. Das Meeting war nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Niemand hat eine Waffe gezogen und mich erschossen. Nicht furchtbar vielleicht, aber nicht gut.

Durch Danas hastigen Abgang habe ich mich noch verletzbarer und unsicherer dort oben gefühlt, und ich war unfähig, mich auf die vor mir liegende Aufgabe zu konzentrieren, weil ich mir so viele Sorgen um sie gemacht habe. Die Leute haben sich ein bisschen beruhigt und ich hatte die Möglichkeit, ein paar von meinen Plänen vorzustellen, aber nichts von dem, was ich sagte, wurde mit viel Enthusiasmus aufgenommen.

Und ohne Dana war ich nicht in der Lage, wirkliche Begeisterung oder Überzeugungskraft auszustrahlen. Sie haben durch mich hindurch gesehen, direkt in das Herz meiner Angst und Verwirrung. Ich hätte genauso gut nackt sein können.

Obwohl sie still waren, konnte ich ihren Zorn spüren, ihre Abscheu vor meiner Hilflosigkeit. Ich habe diese Dinge selbst empfunden. Warum sollten sie es also nicht tun? Sie wissen es so gut wie ich. Der Kaiser hat wirklich keine Kleider. Oder Nahrungsmittel. Oder Toilettenpapier.

Der Himmel ist dunkel heute Nacht. Kein Stern beleuchtet meinen Weg, als ich nach Hause laufe. Kein Mond scheint auf die Bäume und zeigt mir, ob sich jemand hinter ihnen verbirgt. Ich beginne, ein wenig schneller zu laufen, schaue ziemlich oft über meine Schulter und wünschte, ich hätte mich dazu entschlossen, mit Brian zurückzugehen. Oder sogar mit Mulder. Weil wir gerade von bemitleidenswert sprechen.

Zu dem Zeitpunkt, an dem ich an meiner Zimmertür ankomme, habe ich tatsächlich meine Waffe aus dem Holster gezogen und halte sie in der Hand. Ein bisschen Paranoia hat noch nie jemandem geschadet, nehme ich an. Mir hat sie sicher schon öfter geholfen, als ich zählen kann.

Als ich die Tür öffne, finde ich Roseanne auf der anderen Seite, die über meinen Anblick ein wenig erschrocken aussieht.

"Was machst du mit dem Ding? Versuchst du, jemanden umzubringen?" flüstert sie ärgerlich.

Das Zimmer ist fast so dunkel, wie es draußen war. Sie hat nur ein kleines Licht über dem Herd angeschaltet. Ich lege die Waffe auf den Küchentisch und sehe mich nach Dana um.

"Wo ist sie?"

"Sie schläft, Alex. Sei leise."

"Okay...aber, ist sie in Ordnung?"

"Es geht ihr gut. Es wird ihr wieder gut gehen."

Ich laufe wieder zum Schlafzimmer zurück und Roseanne versperrt mir mit ausgestrecktem Arm den Weg.

"Lass sie einfach schlafen, Alex. Sie braucht Ruhe."

"Was zum Teufel ist los mit ihr?"

Sie starrt mich einen Augenblick lang mit einem extrem eigenartigen Gesichtsausdruck an. Mitleid? Es sieht fast wie Mitleid aus.

"Nichts. Es ist nichts mit ihr los, Alex. Sei ... sein einfach leise. Und wenn sie aufwacht sorge dafür, dass sie ein bisschen Saft trinkt."

"Saft?"

"Ja, Saft. Du hast doch welchen, oder?"

"Ich nehme an. Keine Ahnung."

Mein Gott, ich kann nicht denken. Wie zum Teufel kann sie von mir erwarten, dass ich weiß, ob ich Saft habe oder nicht? Wie soll ich mich gerade jetzt an so etwas erinnern können?

"Kümmere dich einfach um sie, Alex. Sorge dafür, dass sie etwas nahrhaftes zu essen bekommt und ... kümmere dich einfach um sie."

Mich um sie kümmern? Was denkt sie, was ich vorhabe?

"Roseanne, was ist mit ihr los?"

"Nur...nur eine Magengrippe denke ich."

Sie lügt mich an. Das weiß ich. Aber ich will von ihr die Wahrheit sowieso nicht hören. Ich muss mit Dana sprechen.

"Magengrippe. Das ist sehr interessant. Ähm, Roseanne, könntest du ...äh..."

Ich gestikuliere in Richtung Tür und sie beeilt sich, dorthin zu kommen, offensichtlich genauso bestrebt, hier zu verschwinden, wie ich bestrebt bin, sie loszuwerden. Ich öffne ihr die Tür, aber gerade als ich sie hinter ihr wieder schließen will, dreht sie sich um und sagt mir ein weiteres Mal, "Kümmere dich um sie, Alex."

Wenn sie das noch einmal sagt, werde ich ihr eine runterhauen, also schließe ich schnell die Tür, bevor sie die Chance dazu bekommt.

Als ich mich wieder umdrehe, steht Dana, oder vielmehr lehnt an der Wand.

"Dana."

"Es geht mir gut. Es geht mir gut."

"Bist du sicher? Komm her und setz dich."

Ich gehe rüber zur Couch und tippe auf die Kissen, aber sie bewegt sich nicht. Es ist so verdammt dunkel hier drin. Ich kann kaum ihr Gesicht erkennen. Sie sieht allerdings schwach aus.

"Was ist passiert? Roseanne sagte, du hättest eine Magengrippe?"

"Äh..." Sie stößt sich von der Wand ab und ihre Beine fangen sofort an nachzugeben.

"Hier, komm und setz dich."

Sie läuft zur Couch, aber braucht eine unnormal lange Zeit dazu. Jeder Schritt scheint ein Kampf für sie zu sein. Als sie endlich wieder neben mir sitzt, seufzt sie erleichtert.

"Wie ist es gelaufen?" fragt sie.

"Es war ... es ging. Keine Ahnung. Nicht besonders toll."

"Na ja, jedenfalls bist du immer noch am Leben."

Sie lächelt mich schwach an und lächle noch viel schwächer zurück.

"Ich habe ihnen ein paar von meinen Ideen vorgetragen."

"Und?"

"Nicht viel Reaktion. Aber niemand hatte andere Ideen. Nicht, dass sie es erwähnt hätten, aber ich denke, sie planen gerade jetzt eine Meuterei."

Sie nimmt meine Hand in ihre beiden Hände und zieht sie auf ihren Schoß. Sie trägt einen dieser flauschigen Flanell Schlafanzüge, die ich so mag und ihre Beine fühlen sich so weich und warm an. So sicher. Ich fühle mich fast das erste mal am heutigen Tag sicher.

"Alex, du musst dir klarmachen, dass sie ebenso verwirrt sind wie wir. Und was es noch schlimmer macht ist, dass sie fühlen können, dass du dich unbehaglich fühlst. Was hast du am Anfang getan, um ihr Vertrauen zu bekommen? Bevor ich hier war?"

Bevor sie hier war. Das erscheint mir wie ein anderes Leben. Eine Million Jahre her. Ich erinnere mich aber daran. Ich erinnere mich an einen ähnlichen Kampf und an das Selbstvertrauen, das ich damals hatte.

"Ich wusste Dinge. Ich hatte Verbindungen. Ich wusste, wie ich sie in Sicherheit bringen konnte."

"Na ja, du hast immer noch ein paar Verbindungen. Oder vielleicht brauchst du noch nicht einmal Verbindungen. Vielleicht können wir jetzt selbständig sein."

"Ich möchte das gern glauben."

"Nein," sie drückt meine Hand und sieht mir aufmerksam in die Augen. "Du MUSST es glauben. Verstehst du?"

"Ich versuche es, Dana. Es ist nur so, wenn ich mir alles realistisch betrachte, ist es schwer zu sehen, wie das funktionieren soll."

"Du musst als aller erstes aufhören, gegen sie anzukämpfen. Du musst ihnen das Gefühl geben, dass sie persönlich für ihr eigenes Überleben verantwortlich sind."

"Kämpfen? Ich bin nicht der, der kämpft, Dana. Wie soll ich reagieren, wenn sie mich ansehen wie ein Rudel tollwütiger Hunde?"

"Siehst du, das ist es, wovon ich spreche. Höre auf damit zu reagieren. Ich sage nicht, dass sie recht haben und du unrecht. Oder umgekehrt. Du musst sie zur Selbständigkeit anleiten, in jeder Hinsicht. Es ist der einzige Weg, wie wir überleben können. Und ich glaube, dass du das tun kannst, Alex."

Oh, Djewotschka, ich weiß, dass du recht hast. Aber im Moment will ich niemanden zu irgendetwas anleiten. Ich will mich einfach nur in deinen Armen zusammenrollen und schlafen.

"Ich bin einfach so müde, Dana. Ich bin dessen so müde."

"Ich weiß. Aber du bist schon so weit gekommen. Gib jetzt nicht auf, Alex."

Ich lege meinen Kopf nach unten auf ihre Schulter und vergrabe meine Nase in der Beuge ihres Halses, noch nicht bereit, schon aufzugeben, aber bereit, mich auszuruhen. Sehr bereit dazu, mich in den Kokon unseres Bettes einzuhüllen und die einzige gute Sache zu genießen, die es auf dieser Welt noch gibt.

"Alex..."

"Hmm?"

"Ich muss...ich muss dir...etwas sagen."

"Was denn, Baby?"

"Es ist etwas, dass du nicht gern hören wirst."

Ich hebe meinen Kopf von ihrer Schulter, sehe in ihr Gesicht und spüre das erste Zucken eines Herzinfarktes.

"Was?"

"Etwas, das ich nicht beabsichtigt hatte, dir zu sagen..."

"Du bist krank. Du bist wieder krank, richtig? Es ist zurück."

"Nein. Nein, Alex. Nein."

"Nein?"

"Nein."

In Ordnung. Dann ist es in Ordnung. Es könnte nichts schlimmeres als das sein. Es gibt nichts, was schlimmer wäre als das.

"Also, was ist es?"

Sie drückt ein letztes Mal meine Hand, lässt sie dann los, fährt mit den Fingern durch ihre Haare und sieht zur Decke.

"Oh Gott, wie kann ich das tun?"

"Dana, was ist es? Es kann nicht so schlimm sein."

"Es ist schlimm, Alex. So...Gott."

Tausende von Möglichkeiten schwirren in meinem Kopf herum und eine davon schwingt sich an die Spitze und die ist fast genauso schlimm wie der Krebs. Sie verlässt mich. Sie liebt mich nicht und sie verlässt mich wegen Mulder. Oder einfach nur so.

Aber das kann nicht stimmen. Sie hat mir gesagt, sie liebt mich. Sie hat es gesagt. Warum hätte sie sich die Mühe machen sollen, wenn es nicht wahr wäre?

"Dana, bitte, sag es mir einfach. Du machst mir Angst."

Sie atmet tief und zitternd ein und als sie ausatmet, sehe ich, wie sich in ihrem Augenwinkel eine Träne bildet. Ich beobachte, wie sie an ihrer Wange herunterrollt, während sie sagt,

"Mulder. Mulder und ich...nachdem du gegangen bist, nach unserem Streit, als du...als du wolltest, dass ich dich verlasse. Ich..."

"Du was?"

"Ich war so verwirrt. So verletzt. Ich habe mich so schuldig gefühlt."

Oh Gott. Nein. Einfach...nein.

"Was hast du getan?"

"Ich..."

Sie sieht zu mir auf, jetzt offen weinend und ich weiß, was sie getan hat. Ich weiß es. Und ich spüre, wie sich die Wände um mich herum zusammenschließen, der Boden unter mir strudelt und droht, mich in einem Abgrund zu verschlingen. Mein Herz schlägt noch schneller als vorher und obwohl es zwanzig Grad minus draußen sind, schwitze ich und möchte das Fenster öffnen.

Aber außerdem spüre ich Hoffnung, widerlich in ihrer Zwecklosigkeit, dass es nicht so schlecht ist, wie ich denke, dass es ist.

"Ich bin zu ihm gegangen, Alex."

"Und?"

Sie starrt mich nur an, fleht mich mit ihren Augen an, es selbst rauszufinden, so dass sie es nicht sagen musst. Naja, vielleicht habe ich es rausgefunden, aber sie wird nicht so leicht davonkommen.

"Bitte hasse mich nicht. Bitte."

"Sag mir einfach, was du getan hast."

"Oh, Alex. Ich war so...ich habe mich so verloren gefühlt. Und ich, ich habe mich an die einzige Sache gewendet, die mir vertraut war."

"Dana...?"

"Ich habe die Nacht mit ihm verbracht, Alex."

Mein Mund trocknet aus und meine Kehle scheint sich zusammenzuziehen und eine Minute lang bringe ich kein Wort heraus.

"Was bedeutet das? Hast du...bitte sag mir, dass du es nicht getan hast."

Sie sitzt einfach da, zitternd und weinend und sagt nicht eine einzige verdammte Sache mehr. Also das ist es. Sie hat es mit ihm getrieben. Genau so, wie ich es erst gedacht hatte. Ich habe sie rausgeworfen, weil ich dachte, sie treibt es mit ihm und was tut sie? Sie geht hin und treibt es mit ihm. So kannst du auch beweisen, dass ich Recht habe, Dana. Himmel Herrgott.

Aber was kann ich wirklich sagen? Was sollte ich sagen? Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

"Wie oft?" ist schließlich das, was ich sage. Sie starrt weiterhin und weint.

"Einmal, Alex. Einmal," flüstert sie mit etwas Empörung in der Stimme. Als wenn es eine unvernünftige Frage wäre. Als wenn was mit mir nicht stimmen könnte, dass ich denke, es könnte mehr als das gewesen sein. Was zur Hölle sollte ich denken?

Was zur Hölle sollte ich tun? Mir ist zum Kotzen zumute. Und danach, anschließend Mulder zur Strecke zu bringen und ihm seine Eier in den Hals zu schieben.

Aber Dana...mein Gott, Dana. Was sollte ich zu ihr sagen? Ich kann es noch nicht mal mehr ertragen, in ihre verweinten Augen zu sehen. Ich kann nicht wütend auf sie sein, wenn sie weint. Ich habe das Gefühl, sie erwürgen zu müssen und dann sehe ich sie an und zerfließe einfach.

Ich stehe von der Couch auf und bewege mich zum Küchentisch, drehe ihr meinen Rücken zu, so dass ich nicht mehr ihr mitleiderregendes Gesicht sehen muss und sie mir leid tut.

SIE tut mir leid.

"Alex, was auch immer du jetzt von mir denkst, ich möchte...ich muss dich daran erinnern, dass ich dich liebe. Das habe ich immer. Nichts könnte das ändern."

Ein Bild von den beiden zusammen entsteht in meinem Kopf, sie, wie sie sich sinnlich und gleichmäßig auf ihm bewegt und er, wie er mit einem ekelerregend glückseligen Gesichtsausdruck unter ihr liegt. Ich muss mich sehr zusammenreißen mich nicht umzudrehen und sie zu fragen, was zur Hölle sie denkt, was dieses Wort bedeutet.

Aber das frustrierende daran ist, ich weiß, dass sie weiß, was es bedeutet. Und ich weiß, dass sie mich liebt. Nach allem, was wir gerade durchgemacht haben, allem, was sie vorhin zu mir gesagt hat, über ihren Glauben an mich und ihre Unterstützung, wie könnte ich das überhaupt in Frage stellen? Und nach allem, was sie mir vergeben hat, wie kann ich ihr da eine Sünde nachtragen?

Aber wie kann mich das nicht krank machen? Wie kann es mich nicht dazu bringen zu hassen?

"Dieser...Hurensohn."

"Nein, Alex, nicht. Ich bin zu ihm gegangen. Als mein Freund, mein...mein Geliebter aus der Vergangenheit."

"Das ist mir egal, Dana! Es ist mir egal, ob du nackt Mambo auf seinem Kopf getanzt hast. Dieser verfluchte Bastard hat mich angelogen!"

"Gelogen? Was meinst du mit, gelogen?"

Wie schnell wir doch vergessen. Ich nehme an, dieser kleine 'Waffenstillstand', den mir Mulder vor all den Monaten angeboten hat, so bedeutungslos war, wie ich damals geahnt hatte. Es hat sie sicherlich trotzdem beeindruckt. Aber jetzt hat sie es vergessen. Sie hat vergessen, dass er mir gesagt hat, er hätte sie aufgegeben. Dass er willens wäre, sie gehen zu lassen, so dass sie mit mir zusammen glücklich sein könnte.

"Es spielt keine Rolle. Jetzt nicht mehr. Schlimmer noch als das, er hat dich ausgenutzt, Dana."

"Nein, Alex, so war es nicht."

Gott, bitte. Bitte halt die Klappe. Bitte hör auf ihn zu verteidigen und mir zu erzählen, dass du es wolltest. Ich muss jemanden hassen können. Ich will nicht dich hassen, Dana.

Bitte.

"Hör zu, ich möchte nicht, dass du ihm dafür die Schuld gibst, Alex."

"Nein, natürlich willst du das nicht."

"Sieh mal, wenn ich mich recht entsinne, durfte ich nicht mehr in unserem Bett schlafen."

Also was, musste sie sich zwei Tage später im Bett eines anderen zur Hure machen? Gibt es hier nicht genug Betten?

Oh Gott, beruhige dich. Ich kann sie das nicht sehen lassen.

"Also, was ist dein Punkt, Dana? Es ist nicht seine Schuld, es ist meine?"

"Nein! Alex, mein Gott. Muss es immer die Schuld von irgendjemandem sein? Es ist...einfach passiert. Es ist vorbei. Ich habe es getan. Was zur Hölle spielt es jetzt noch für eine Rolle, wessen Schuld es war?"

"Ich WEISS es nicht Dana! Warum erzählst du es mir, wenn es für dich keine Rolle mehr spielt? Willst du, dass ich mich noch beschissener fühle, als ich es schon tue?"

Ich brülle jetzt. Brülle, und bin selbst den Tränen nahe und das ist einfach nicht gut.

"Nein. Nein, Alex. Ich erzähle es dir, weil ich es muss. Weil ich...weil ich keine Magengrippe habe."

Sie schnieft und wischt ihr Gesicht mit den Ärmeln ihres Schlafanzuges ab, als ich mich zu ihr umdrehe.

"Was zum Teufel soll das bedeuten?"

"Ich habe mich nicht heute in der Halle übergeben, weil ich eine Magenkrankheit habe. Ich habe mich übergeben, weil ich... weil...ich bin schwanger."

Wir starren und danach eine ziemlich lange Zeit ein. Nach ein paar Minuten, während denen ich es in Erwägung gezogen habe, meine Haare Strähne für Strähne auszureißen oder, besser noch, einfach aus dem Fenster zu springen und allem schnell ein Ende zu machen, zuckt sie kurz und eigenartig mit den Schultern und bricht die Erstarrung.

"Dana, ich kann nicht ... ich verstehe das nicht. Es ist nicht möglich. Du kannst nicht schwanger sein."

Sie zuckt wieder mit den Schultern und wischt noch mehr Feuchtigkeit von ihrem Gesicht.

"Ich bin es. Ich habe jeden möglichen Test durchgeführt, außer irgendeinem armen Kaninchen meinen Urin zu injizieren und ich bin ohne jeden Zweifel schwanger."

"Aber es ist nicht...das ist physisch nicht möglich, Dana."

"Es sind schon eigenartigere Dinge passiert."

"Nicht in letzter Zeit."

"Der Punkt ist, es ist eine unbestreitbare Tatsache. Ich bin schwanger."

Die Realität dieser zweiten, erderschütternden Eröffnung, die sie mir heute Abend gemacht hat, fängt an, sich ein wenig zu setzen und einen kurzen, erbärmlichen Moment lang bin ich irgendwie glücklich. Sie wird ein Baby haben. Wir werden ein Baby haben.

Aber dann erinnere ich mich an ihre erste Aussage.

"Also, du erzählst mir diese beiden Dinge zur gleichen Zeit, weil..."

Ihr Kopf senkt sich und sie kaut auf ihren Lippen, ein Zeichen dafür, dass noch mehr schlechte Neuigkeiten kommen werden.

"Du bist mit seinem Baby schwanger."

Ein schwerer Seufzer und dann ein sehr leises, kaum hörbares, "Vielleicht."

"VIELLEICHT?!"

Sie nickt und ich sinke in einen der Küchenstühle, weil mich meine Beine nicht mehr tragen können.

"Du und ich, äh, das war weniger als zweiundsiebzig Stunden nach Mulder. Ich glaube weniger als achtundvierzig."

"Oh mein Gott."

Oh mein Gott. Oh Gott. Mir wird schlecht. Wirklich.

"Alex, ich...ich weiß nicht, was ich sagen soll."

"Hast du Mu...hast du es ihm schon gesagt?"

"Nein, nein, das habe ich nicht. Ich denke nicht, dass ich das tun werde."

"Na ja, es wird ziemlich schwierig werden, es geheim zu halten, wenn du anfängst aufzugehen wie ein Ballon."

"Nein, Alex, nein. Ich werde es nicht behalten. Ich werde die Schwangerschaft abbrechen."

"Du...was?"

"Roseanne kann mir helfen. Es ist völlig sicher."

"Nein, Dana. Du, das kannst du nicht."

"Ich muss, Alex."

"Ich kann nicht...ich verstehe das nicht. Ich verstehe nichts von alledem."

"Alex, denk doch mal darüber nach. Erstens, wenn es Mulders Kind ist, könnte es noch nicht mal menschlich sein. Wer weiß, was es werden könnte? Und dann, wenn ich es habe, was ist, wenn etwas passiert? Wie kann ich ein Kind in diese Welt setzen, Alex? Wenn wir noch nicht einmal wissen, wie wir von Tag zu Tag überleben sollen?"

"Ich weiß nicht...ich weiß nicht. Ich ...Himmel, ist da noch MEHR?"

Ich erwarte schon fast, dass sie ihre Haut abstreift und ihr grünes, schuppiges Inneres enthüllt oder dass sie mir sagt, sie würde den Widerstandskampf aufgeben und zum Clown-College gehen.

Aber sie schüttelt ihren Kopf, nein. Da ist nicht noch mehr.

"Ich kann meine Sachen schnell zusammenpacken, wenn du willst, dass ich gehe."

"Du willst gehen? Hast du mir das alles deswegen erzählt? Damit ich dich wieder rausschmeiße und du frei sein kannst?"

"Nein. Ich möchte bleiben. Ich brauche dich, Alex. Jetzt mehr als je zuvor."

Ich plumpse in den Stuhl und reibe meine Augen, versuche sie aus meinem Blickfeld zu verbannen, so dass ich klar denken kann. Wie zum Teufel soll ich klar denken können? Wie soll ich mich davon abhalten, zu schreien oder diesen Ort in Stücke zu schlagen? Wie hat sie das getan, als ich ihr gestanden haben?

Aber das war anders. Da ging es um die Vergangenheit, um Dinge, die ich ihr vor vielen Jahren angetan habe, als ich sie noch nicht einmal kannte. Das ist jetzt. Das ist persönlich. Sehr persönlich.

Nach ein paar Minuten spüre ich sie hinter mir, wie sie meine Schultern berührt und leicht massiert.

"Ich liebe dich, Alex. Das tue ich wirklich."

"Das ist einfach...es ist ein großer Haufen Mist, Dana."

"Ich weiß. Es tut mir Leid."

Sie lehnt ihren Kopf nach unten, küsst mein Ohr und flüstert es wieder, "Es tut mir Leid. Ich wollte dir nie weh tun."

"Gibt es eine Möglichkeit rauszufinden, wer der Vater ist?"

"Das spielt doch nicht wirklich eine Rolle, oder? Ich habe dir gesagt, ich kann nicht mit gutem Gewissen ein Kind auf diese Welt bringen."

"Aber was ist, wenn es meins ist? Wenn es unseres ist? Möchtest du das nicht?"

"Ich - wie kann ich das, Alex?"

"Was ist auf einmal mit ‚gib nicht auf' passiert? Siehst du nicht die Hoffnung darin?"

"Ich habe Hoffnung. Meine Hoffnung ist du und ich. Wie kann man von einem Kind erwarten, dass es Hoffnung hat, wenn es in diese Welt hineingeboren wird? Es würde noch nicht mal diesen Bezugspunkt haben, wie wir ihn haben."

Ich kann die Logik in dem sehen, was sie sagt. Aber irgendetwas in mir schreit einfach, dass das falsch ist. Selbst wenn es nicht meines ist. Selbst wenn mich das umbringen würde. Selbst wenn ich allein bei dem Gedanken daran, dass das möglich wäre, fühle, wie ich langsam sterbe.

"Wir könnten ihr das geben. Vielleicht ist sie ja besser dran ohne diesen Bezugspunkt. Sie würde völlig neu sein und frisch, ohne all diese Erwartungen und Bedürfnisse."

"Ich weiß es nicht, Alex. Ich weiß es nicht. Ich weiß...es einfach nicht."

"Dann denk darüber nach. Bitte."

"Das werde ich. Ich werde darüber nachdenken. Aber jetzt im Moment, Alex, genau jetzt muss ich etwas anderes wissen."

Sie kniet sich vor mir hin, legt ihre Hände auf meine Oberschenkel und sieht mit offenem, flehendem Gesichtsausdruck zu mir hoch.

"Ich muss wissen, das du mir vergibst, Alex. Oder dass du mir irgendwann verzeihen kannst, wenn auch nicht jetzt. Ich muss wissen, dass du es versuchen willst."

Vergebung. Du bist so gut darin, Dana. Ich bin es nicht. Ich bin nicht gut darin, zu vergeben und zu vergessen. Und jetzt im Moment...genau jetzt, stürmen die Bilder meinen Verstand, drehen und wenden sich wie irgendein surrealer, pornographischer Diavortrag. Wie soll ich sie jemals wieder berühren können, ohne diesen Mist zu sehen? Wie soll ich ihr das geben können, was sie mir so leicht gewährt hat? Wie soll ich sie ansehen können, ohne dass es mir weh tut?

Ich möchte dir verzeihen, Dana. Bitte sag mir, wie.

Ende Kapitel 2

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 Kapitel 3

"Liebst du ihn noch, Dana?"

Die Frage ist eigentlich einfach, aber die Antwort ist die komplexeste Sache der Welt. Es ist nicht die Frage, die ich von ihm erwartet hätte. Nichts ist so gelaufen, wie ich es erwartet hatte.

Ich hatte Zorn erwartet. Wut. Tellerwerfen und Schreien und dass er mich für immer aus seinem Zimmer und aus seinem Leben wirft. Ich dachte nicht, dass er mich wirklich schlagen würde, aber ich habe erwartet, dass er das wollen würde.

Ich nehme an, ich hätte es besser wissen müssen. Das wäre eine Standardreaktion gewesen und Alex ist alles andere als Standard. Er schlägt nur auf diese Weise um sich, wenn seine Wunden oberflächlich sind. Wenn sie so tief einschneiden, wie die Dinge, die ich ihm gerade erzählt habe, zieht er sich fast vollständig in sich zurück. Je mehr es ihm weh tut, um so ruhiger erscheint er. Aber ich kenne ihn. Ich weiß, dass hinter dieser relativ gelassenen Oberfläche ein Sturm tobt. Und die Art, wie ich auf seine Frage antworte, könnte ihn zerstören.

Aber ich muss ihm die Wahrheit sagen. Ganz besonders jetzt. Es gibt keine andere Wahl.

"Ja, das tue ich. Das werde ich immer."

Er zuckt zusammen, als wenn ich ihn geschlagen hätte, was ich wahrscheinlich genauso gut hätte tun können. Vorsichtig berühre ich seine Wange mit meinen Fingerspitzen. Seine Haut ist eiskalt.

"Ich liebe Mulder, Alex, aber du bist der Grund, aus dem ich früh aufstehe. Du bist derjenige, der mir die Kraft gibt, den Grund, in dieser Welt weiterzumachen."

Er atmet heftig ein und zieht sich verspätet von meiner Berührung zurück. Seine Augen leuchten und brennen, als er mich anstarrt und nach der Wahrhaftigkeit in mir sucht.

"Bereust du, was du getan hast?" fragt er kühl, nach einer langen Pause.

Wieder gibt es auf diese Frage keine rechte Antwort. Und die anklagende Natur der Frage erschreckt mich. Ich nehme an, dass es auf eine verdrehte Weise ein gutes Zeichen ist. Wenigstens gibt er jetzt nicht mehr Mulder die alleinige Schuld. Akzeptanz ist der erste Schritt zur Vergebung.

"Ich bereue, dass ich dir weh getan habe, Alex. Das ist nichts, was ich jemals gewollt habe. Aber ich...ich kann nicht sagen, dass es mir Leid tut, dass es passiert ist. Es war ein Abschluss, den wir beide gebraucht haben. Und es hat mir geholfen, mir darüber klar zu werden, wie sehr ich es jetzt brauche, mit dir zusammen zu sein."

"Du musstest es mit jemandem treiben, um zu bemerken, dass du mich liebst? Ist es das, was du sagst?"

"Nein, das ist nicht..."

Oh, wie kann ich das tun? Wie kann ich es erklären, wenn ich es noch nicht einmal selbst verstehe? Ist es so einfach, wie er es gerade gesagt hat? Nein. Es war mir schon sehr lange vorher klar, dass ich ihn liebe.

"Es hat mir geholfen, eine Tür zu schließen, die schon viel zu lange offen war. Es hat mich befreit, nicht dazu, dich zu lieben, Alex. Ich habe dich schon geliebt, aber dadurch konnte ich dir diese Liebe geben. Ich konnte dir mein Herz geben. Vollständig."

Ich greife nach seiner Hand, die zur Faust geballt auf seinem Oberschenkel liegt. Ich hebe sie an und drücke sei auf meine Brust.

"Alex, du bist derjenige, der hier lebt, in meinem Herzen. In jeder Minute jeden Tages."

Seine Finger strecken sich langsam und seine Handfläche drückt sich gegen mich. Seine Augen sind voller Tränen und ich stelle fest, dass sich meine eigenen als Antwort darauf auch füllen.

"Ich liebe dich, Alex. Ich brauche dich," kriege ich durch den Klumpen in meiner Kehle heraus. "Du bist meine Wahl. Nicht mal meine Wahl. Es gibt keine Wahl. Du bist es für mich. Der einzige, den ich.. der einzige."

Er nickt und drückt meine Hand, bevor er sie wegzieht und seine Augen wischt.

"Ich muss...ich muss gehen," murmelt er.

"Gehen? Was, was heißt das?"

"Es heißt, dass ich gehen muss. Ich werde nur..."

Er steht auf und stößt den Stuhl nach hinten um in seiner plötzlichen Eile, von mir wegzukommen.

"Wirst du wiederkommen?"

Er nimmt sich seinen Mantel von der Couchlehne und zieht ihn an, ist schon halb aus der Tür, bevor er sich umdreht, um mich anzusehen. Ich knie immer noch auf dem Boden, starre auf den umgekippten und verlassenen Stuhl.

"Ich werde zurückkommen. Ich werde heute nacht zurückkommen. Ich muss einfach ... ich muss einfach hier weg. Für eine Weile."

"Bitte denke daran, dass ich dich liebe, Alex. Und dass es mir Leid tut. Bitte denke daran."

"Ich weiß," sagt er und geht aus der Tür.

Rennt wieder weg. Aber dieses Mal werfe ich ihm sein Bedürfnis nach Abstand nicht vor. Ich verstehe es. Ich begrüße es fast. Alles was ich jetzt tun kann ist darauf zu warten, dass er zu mir zurückkehrt. Und zu hoffen, dass er sich nicht dazu entschließt, dass er das lieber nicht tun will.

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Ich habe nicht bemerkt, dass Alex sich neben mich ins Bett gelegt hat, bis das erste graue Licht der Morgendämmerung durch unser Fenster gekrochen ist. Das war frühestens halb sechs. Er war fast neun Stunden weg.

Er hatte sein T-Shirt und die Boxershorts angelassen, aber wenigstens hatte er seine Hose ausgezogen. Ein kleines Zeichen von Intimität ist besser als gar keins. Und die Tatsache, dass er überhaupt nach Hause gekommen war, war an sich schon ein gutes Zeichen.

Ich fragte mich, wo er hingegangen ist und was ihm die ganze Zeit durch den Kopf gegangen ist. Ich wollte mit ihm reden, ihn im Arm halten, um zu wissen, dass mit uns alles in Ordnung ist.

Aber sobald ich seinen Namen gesagt hatte, teilte er mir mit, dass es nichts weiter zu sagen gäbe. Er sagte mir, dass er jetzt erst mal mehr als alles andere Schlaf brauchte. Also ließ ich ihn.

Ich beobachtete ihn einige Stunden, ertappte mich dabei, wie die schnellen Bewegungen seiner Augen unter den Lidern mich fast hypnotisierten. Ich versuchte, mir seine Träume vorzustellen.

Ich muss irgendwann eingenickt sein, denn als ich nach neun Uhr wieder aufschreckte, war das Bett schon wieder leer. Ich geriet in Panik, weil ich dachte, ich hätte seine Rückkehr vielleicht nur geträumt. Aber nach einem Moment hörte ich ihn im Nebenzimmer umherlaufen.

Ich zog meinen Bademantel an und ging, um es noch mal zu versuchen, mich mit ihm zu unterhalten. Ich fand ihn voll bekleidet wie er gerade wieder seinen Mantel anzog.

"Wohin gehst du?"

"Arbeit," erwiderte er und fügte dann hinzu, "Ich empfehle dir, das gleiche zu tun."

"Alex, wir..." fing ich an, aber brachte den Satz nicht zu Ende.

"Ich brauche ein bisschen Zeit, Dana. Es tut mir Leid."

Dann war er wieder weg.

Also habe ich das einzige gemacht, was mir einfiel. Ich habe ein paar Sachen angezogen und mich für die Arbeit fertiggemacht. Ein bisschen Normalität in unserem Leben beizubehalten, ein bisschen Routine, scheint eine gute Idee zu sein. Aber während ich meine Morgenroutine durchführe, bringt mich jede Bewegung den Tränen nahe. Hormone. Und die Sehnsucht nach ihm.

Zeit, hat er gesagt. Er braucht ein bisschen Zeit. Wie viel Zeit wird genug sein, frage ich mich. Wie lange wird es dauern, bis er mir wieder in die Augen sehen kann und sich nicht verraten fühlt?

Wie lange wird es dauern, bis er mich wieder berühren kann?

Er braucht es so sehr, geliebt und gewollt zu werden. Es bricht mir manchmal das Herz zu wissen, wie zerbrechlich er wirklich im Inneren ist, trotz seines fast beängstigend kalten Äußeren. Wenn wir das hier hinter uns bringen und endlich frei sein könnten, endlich in der Lage wären uns einfach nur zu lieben und einfach...einfach nur sein könnten, das wäre so gut. So richtig. Wenn ich unsere Chance dazu ruiniert hätte, könnte ich mir das nie verzeihen.

Ich würde alles dafür tun.

Ich muss hier raus.

Ich bringe das, was ich tun muss schnell zu Ende und beeile mich, ins Labor zu kommen. Erst als ich schon halb über dem Campus gelaufen bin wird mir bewusst, dass ich meinen Dämonen nicht entkommen kann. Mulder ist sicher im Labor und ich werde ihm davon erzählen müssen. Wenn schon nicht von der Schwangerschaft, aber er muss wissen, dass ich Alex von uns erzählt habe. Und sei es nur zu seiner eigenen Sicherheit. Das ist keine Unterhaltung, auf die ich mich freue.

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Als ich ins Labor komme, sind Mulder und Roseanne dort. Allerdings nimmt sich Roseanne, so bald ich durch die Tür bin den Stapel Papier, den sie sich angesehen hatte und flitzt an mir vorbei aus der Tür. Sie murmelt etwas von der Bibliothek oder der Krankenstation. Ich kann es nicht wirklich verstehen, weil sie so leise spricht. Es ist mir auch nicht so wichtig, dass ich genau hingehört hätte. Ich bin zu abgelenkt.

Als sie fort ist, weiß ich, dass es jetzt soweit ist. Es hat keinen Sinn, es aufzuschieben oder darum herumzutanzen. Bevor er überhaupt hallo sagen kann, sage ich zu Mulder, "Setz dich. Wir müssen reden."

"Scully...?"

"Ich muss dir etwas sagen."

In seinen Augen steht die Panik.

"Ist es wegen gestern? Darüber, dass es dir schlecht geworden ist?"

"Nein. Nicht...na ja, doch, aber..."

"Scully? Warum ist dir schlecht geworden?"

"Es ist nichts, Mulder. Es geht mir gut. Aber ich..."

"Nein, Scully, was ist es? Es ist nicht die Behandlung, oder? Ist irgendetwas schief gelaufen?"

"Nein. Nichts ist schief gelaufen. Ich..."

Ich kann das nicht. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen und das geheim halten. Ich dachte, ich könnte es, aber mir war nicht klar, wie es sein würde, wie unfair es mir erscheinen würde, wenn ich ihm gegenüberstehe. Es könnte sein Kind sein. Es ist nicht richtig, ihm das vorzuenthalten. Ich kann das nicht mehr tun. Keine Geheimnisse mehr.

"Ich bin schwanger," sage ich einfach.

Er starrt mich eine Sekunde lang ausdruckslos an und dann lacht er. Als wenn ich ihm einen verdammten Witz erzählt hätte.

"Nein, ehrlich Scully. Was ist los?"

"Mulder..."

Mehr sage ich nicht. Ich nehme nicht an, dass ich das muss. Mein Gesichtsausdruck sagt ihm wohl alles, was er wissen muss, weil irgendwann sein Kiefer nach unten klappt und seine Augen sich weiten und verwirrt aussehen. Ich kann den Hamster in seinem Gehirn fast sehen, der im Rad herumläuft.

"Die Behandlung?"

"Sie scheint meine Fruchtbarkeit wieder hergestellt zu haben."

Es entsteht ein langes Schweigen. Ich fühle mich total unwohl dabei, auf eine Reaktion zu warten, irgendeine Reaktion. Alles wozu er fähig zu sein scheint, ist noch mehr berauschtes Starren.

"Überraschung," murmle ich, eigentlich mehr, um die Totenstille auszufüllen, als aus irgendeinem anderen Grund.

Ich kann die unausgesprochenen Fragen regelrecht aus seinem halboffenen Mund kommen hören. Wie? Warum? Wann? Worüber zur Hölle redest du?

"Wow," bringt er schließlich raus. "Das ist...das ist was. Ähm, Glückwunsch. Das ist großartig. Wirklich."

Oh Mulder. Netter Versuch. Wirklich. Ich weiß, dass es das ist, von dem er denkt, dass ich es hören will, als versuche ich wenigstens zu lächeln.

"Nein, Mulder. Es ist nicht...es ist nicht großartig."

"Nein, nein, das ist es. Scully, dass sind großartige Neuigkeiten. Das bedeutet, dass all die Frauen, die die Behandlung erhalten, wieder empfangen können. Wann willst du es ihnen erzählen?"

Sein Horizont hat sich plötzlich darüber hinaus erweitert, was es für ihn und für mich bedeutet und jetzt lächelt er. Er strahlt fast.

"Ich weiß es noch nicht. Mulder, hör zu. Ich möchte, dass du mir einen Augenblick lang zuhörst."

Sein Blick wird wieder besorgt und er setzt sich vor mich hin.

"Was ist Scully? Gibt es ein Problem mit der Schwangerschaft? Es geht alles in Ordnung mit dir, oder?"

"Es ist alles Ordnung, ja. Körperlich ist alles so weit normal. Allerdings gibt es ein Problem. Mit der Schwangerschaft. Insbesondere mit der ... der Herkunft."

"Herk...."

Ein weiteres Licht geht sichtbar in seinem Kopf an.

"Herkunft wie Vaterschaft?"

"Ja. Wie, ich weiß es nicht."

Er nickt, lang und langsam. Ich suche nach Zeichen von Verurteilung oder Ärger in seinen Augen, aber da gibt es keine. Allerdings sehe ich ein bisschen Aufregung. Sogar Glück. Er möchte, dass ich es bekomme. Er möchte, dass es seines ist. Ich kann das spüren. Ich kann es in den tiefen, heftigen Atemzügen von ihm hören.

"Weiß er..."

"Ja. Das ist teilweise der Grund, aus dem ich dir das erzähle. Ich würde ihm eine Weile aus dem Weg gehen, wenn ich du wäre."

"Nein, Scully, darüber mache ich mir keine Sorgen. Bist du...mein Gott, was wirst du tun?"

"Das einzige, was ich tun kann."

"Und das ist?"

"Mulder, ich kann kein Kind in diese Welt setzen. Was für ein Leben könnte ich ihm bieten?"

Er lacht wieder, was so ungefähr die letzte Reaktion ist, die ich von ihm erwartet hätte. Er scheint sich von seinem Schock relativ schnell erholt zu haben. Jeder ist heute voller Überraschungen.

"Scully, komm schon. Denkst du, dass es schlimmer ist, als es vorher war? Wenn überhaupt, dann ist es besser."

"Besser? Du denkst es ist *besser*?"

"Die Leute hier sind gezwungen, viel gemeinschaftlicher miteinander zu leben und zu arbeiten. Es ist der einzige Weg, um zu überleben. Ich denke, dass ist besser, als die Art, wie es vorher war."

"Aber Mulder, wir wissen noch nicht einmal, ob wir am Enden dieses Monats genug zu essen haben werden. Wir wissen nicht, ob eine Truppe von Alien Invasoren morgen kommt und diesen Ort abfackelt!"

"Nein, das wissen wir nicht. Aber waren unsere Leben wirklich jemals sicher? Ich meine, zur Hölle, diese ganze Sache ist die ganze Zeit auf uns zugekommen und wir haben es gewusst und haben trotzdem mit unserem Leben weitergemacht, so gut wir konnten."

"Das ist etwas anderes."

Er hebt eine Augenbraue, fordert mich still dazu heraus zu erklären, inwiefern das so anders ist. Bevor ich eine Antwort habe, ist er zu einer zufälligen Anekdote übergegangen.

"Scully, erinnerst du dich daran, wer Martin Luther war?"

"Ja, natürlich weiß ich, wer Martin Luther war. Inwiefern ist das von Bedeutung?"

"Na ja, er hatte eine Baumschule. Für Bäume, weißt du? Die Leute haben ihn gefragt, was er tun würde, wenn morgen die Welt untergehen würde. Er hat ihnen gesagt, dass er hinausgehen und einen Baum pflanzen würde."

"Ich bin kein Lutheraner."

"Trotzdem ist das eine ziemlich weise Art, die Dinge zu betrachten, wenn du mich fragst."

Hat dich irgendjemand gefragt, Mulder? Mein Gott, was ist überhaupt mit ihm los? Wie kann er so ruhig sein? So vernünftig. Kocht es nicht ihn ihm?

"Hör zu Scully, ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Du solltest das tun, was du für richtig hältst. Was immer sich für dich richtig anfühlt. Alles was ich sagen kann ist, dass ich es hassen würde zu sehen, dass du eine Entscheidung aus Angst triffst."

"Ich wollte niemals ein Kind, Mulder."

"Wolltest du nicht? Was ist mit... Emily?"

"Emily war nicht meine Wahl."

"Aber du hast sie geliebt."

"Ich habe sie genug geliebt, um sie gehen zu lassen. Weil sie nicht hätte sein sollen."

"Und du denkst, dass dieses Kind nicht hätte sein sollen?"

"Ich weiß...ich weiß es nicht."

Ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht mehr diese persönliche, private Entscheidung zu einer Schlacht von Mulder und Scully Spitzfindigkeiten machen. Ich kann nicht ruhig das Für und Wider debattieren, wenn mein Inneres schreit. Wenn ich darüber noch mit einem einzigen weiteren Menschen reden muss, wird sicher mein Kopf explodieren.

"Scully, du denkst zu viel," sagt er jetzt zu mir. Na ja, ich habe das vorher nicht getan.

"Denkst du nicht, dass das eine Entscheidung ist, die Nachdenken erfordert?"

"Ja, aber du denkst dich in eine Wolke hinein. Warum nimmst du dir nicht einfach deinen Hund und machst einen netten langen Spaziergang. Kriege deinen Kopf frei. Das macht es dir einfacher, auf dein Herz zu hören."

Trotz der Abgedroschenheit dieser Aussage, könnte er recht haben. Ich nehme an, dass ein Spaziergang nicht schaden könnte.

Er steht auf und zieht mich in eine unerwartete Umarmung, nach dem ich meinen Mantel angezogen habe. Ich drücke ihn kurz und ziehe mich schnell zurück, erschrocken von meiner Reaktion auf das kleinste Anzeichen von Zuneigung. Ich habe das Gefühl, als könnte ich schon wieder weinen. Verdammte Hormone.

Als wir uns wieder ansehen, gibt es keine Unbeholfenheit. Darüber bin ich froh.

"Scully, du weißt, du weißt, dass ich dich unterstützen werde, egal was du tust, ja?"

"Ja, ich weiß. Danke."

"Und du weißt, dass ich dich liebe, ja?"

"Ich weiß Mulder. Ich liebe dich auch."

Er lächelt mich warm an und mir fällt ein, dass es noch etwas gibt, das er wissen sollte. Etwas wichtiges.

"Mulder, ich möchte dir sagen, dass wenn die Umstände...nicht so wären, wie sie sind, ich glücklich wäre, ein Kind mit dir zu haben."

Das bringt mir ein breites Grinsen ein und ein Schmatz auf die Wange. Aber hinter diesem Grinsen, in seinen Augen, sehe ich etwas anderes. Etwas, dass er versucht, vor mir zu verbergen. Vielleicht ist er nicht so ruhig, wie er scheint. Sicherlich tut ihm das weh. Oder verwirrt ihn zumindestens. Oder...irgendwas. Mein Gott, er muss irgendetwas fühlen. Es ist offensichtlich, dass er nicht will, dass ich die Schwangerschaft abbreche, aber da muss noch mehr in ihm vorgehen. Ich wünschte, er würde das mit mir teilen, aber ich weiß, dass er das nicht tun wird. Er will es mir nicht noch schwerer machen. Er hat nicht mehr das Gefühl, dass er das noch darf. Ich denke ich beginne zu verstehen, wie es in Zukunft zwischen uns sein wird.

"Pass auf dich auf, Scully," sagt er, als ich aus der Tür gehe.

Als ich draußen bin, allein mit mir, wird mir bewusst, dass die Dinge nicht mehr so klar sind, wie sie mir noch vor ein paar kurzen Stunden erschienen. Bevor ich jemandem davon erzählt habe, war ich sicher. Ich dachte nicht, dass hier eine Entscheidung zu treffen wäre. Jetzt bin ich nicht so sicher, dass ich mir überhaupt jemals sicher war.

Ende Kapitel 3

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 Kapitel 4

Vor langer Zeit hat mir Scully mal erzählt, dass sie sich nach einem normalen Leben sehnt, dass sie sich manchmal fragt, wie es sein würde, sich niederzulassen und eine Familie zu gründen. Allerdings denke ich, dass das für sie nur ein flüchtiger Gedanke war. Ich denke, dass ich derjenige war, der das tief im Inneren gewollt hat.

Worum ging es mir sonst in meinem ganzen Lebenswerk?

Ich habe nicht nach dem heiligen Gral gesucht. Ich habe nach meiner Schwester gesucht, nach einer Familie.

Was ich damals vielleicht nicht begriffen hatte war, dass ich in Scully eine Familie gefunden hatte. Gefunden und verloren. Nun bekommt sie ihr normales Leben, so abnormal, wie alles und jedes um sie herum geworden ist. Als sie es das erste Mal sagte, hoffte ich, dass sie über uns sprach, darüber, sich mit mir niederzulassen. Vielleicht hat sie das auch, aber das spielt jetzt keine Rolle. Sie hat ihr häusliches Glück mit jemand anderem gefunden.

Ich hatte unrecht, was Scully betrifft. Sie ist nicht wirklich eine andere Frau, als sie früher war. Sie ist immer noch der Mensch, in den ich mich verliebt habe. In all den Hinsichten, die zählen, in all denen, die sie zu Scully machen. Sie wird immer stark sein, mutig, stur, aufreizend logisch. Der Unterschied kommt von den Erfahrungen, die sie ohne mich gemacht hat und davon, in wen sie sich verliebt hat. Verändert, ja, aber immer noch Scully. Sie ist nur nicht mehr meine Scully.

Nicht meine Scully, aber sie trägt mit durchaus vorhandener Wahrscheinlichkeit mein Kind.

Die kühle, äußere Ruhe, dich ich zeigen konnte, als sie mir diese lebensverändernde Neuigkeit erzählte, war sowohl zu meinem eigenen Besten, als auch zu ihrem. Ich wollte stark und hilfreich für sie sein, aber noch mehr als das habe befürchtet, dass ich zu einem Haufen plapperndem und bettelndem Brei geworden wäre, wenn ich mir erlaubt hätte, instinktiv und emotional zu reagieren. Es hätte sie sicher nicht davon überzeugt, dieses Baby zu bekommen. Das wäre in keiner Weise für irgendjemanden gut gewesen. Wer möchte schon, dass sein Kind einen emotionalen Mülleimer als Vater hat?

Außerdem war ich nicht sicher, was ich gefühlt habe. Selbst jetzt, fast zwei Stunden später, bin ich mir immer noch unsicher. Ich weiß, dass mein Magen in Aufruhr ist und ich den geschmacklosen Matsch, der vorgibt, ein Mittagessen zu sein nicht genießen kann, auch wenn ich hungrig war, als ich heute morgen aufgewacht bin. Alles was ich scheinbar tun kann, ist die grünen und braunen Häufchen auf dem Teller hin und her zu schieben und aus dem Fenster der Cafeteria zu schauen wie ein depressiver Geisteskranker.

Es ist eigenartig darüber nachzudenken, wie die Umstände die Art ändern können, wie man ein Ereignis betrachtet, den Eindruck, den es macht.

Es gab eine Zeit, als der Gedanke daran, Scully zu schwängern dem Himmel so nah gewesen wäre, wie ich es mir nur zu träumen gewagt hätte. Tatsächlich habe ich es mir die meiste Zeit noch nicht einmal gewagt. Es schien nicht nur unmöglich, sondern auch überaus unpraktisch. Wenn es jedoch trotzdem passiert wäre, wäre ich überglücklich gewesen.

Jetzt hat sich unsere Situation so drastisch geändert, dass der Erzeuger von Scullys Kind zu sein etwas nicht zu glaubendes ist, eine Bastardierung eines Traumes. Es sollte dazu führen, dass ich es weniger will. Das sollte es, aber das tut es nicht.

Vor einigen Monaten habe ich auf diesem Platz gesessen und über meinen Karass nachgedacht, diese Gruppe von Menschen, die um mich herum angeordnet sind, unauflösbar mit mir verbunden sind und darüber, was möglicherweise der Zweck unserer Verbindung sein könnte. Ist es das? Bin ich deswegen hier? Um dieses Leben in diese Welt zu bringen?

Gott, ich sollte das nicht wollen. Aber ich tue es. Ich tue es wirklich. So schmerzvoll es auch sein wird zu sehen, wie sie ein Kind mit einem anderen Mann hat, oder wie sie mein Kind gemeinsam mit ihm aufzieht, und mich dabei als eine Art post-apokalyptischen Wochenendvater zurücklässt, ich will es trotzdem.

Ich bin kein Idiot. Ich weiß dass, egal wer die biologischen Eltern sind, wenn Scully dieses Baby bekommt, es das Baby von ihnen *beiden* sein wird. Ja, wenn es meines ist wird sie mich sicher ein Teil seines Lebens werden lassen, aber ich weiß, dass sie dann ihre kleine Familie haben werden und ich werde immer ein Außenstehender sein. So verwirrend das auch sein würde, es ändert nichts an der Tatsache, dass ich will, dass sie neues Leben in diese sterbende Welt bringt. Ich möchte, dass eine andere frische, unschuldige Seele Teil meines Karass' wird.

Ich habe früher gedacht, dass ich ein schrecklicher Vater wäre. Emotional gestört, impulsiv, extrem von sich selbst eingenommen, ganz abgesehen von meinem fragwürdigen familiären Background. Es erschien mir falsch und unfair, ein Kind in *meine* Welt zu bringen.

Ich habe Scully gesagt, es wäre jetzt eine bessere Zeit, um ein Kind zu haben. Ich habe nicht nur über unsere Umgebung gesprochen. Ich bilde mir ein, dass ich immer noch meine Antriebskraft habe, meine Intensität, meinen Willen, nach Gerechtigkeit und Wahrheit zu suchen, aber mehr als das, würde ich gern überleben. Ich möchte die menschliche Rasse gern wachsen und gedeihen sehen, anstatt dahinsiechen und sterben, selbst wenn ich jetzt nicht mehr dazugehöre.

Vielleicht, wenn wir das lebend überstehen, wir alle, wird die Welt ein besserer Ort sein. Vielleicht werden wir dann etwas gelernt haben. Oder vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon? Das wichtigste für mich ist, dass ich mich jetzt besser ausgerüstet fühle, besser vorbereitet darauf, Vater zu sein, als ich es jemals in meinem Leben war.

Ich hoffe nicht nur einfach, dass sie es behält. Ich hoffe, dass es meines ist.

Vielleicht bin ich noch selbstsüchtiger, als ich es vorher war. Ich weiß, dass es schwieriger für sie wäre, wenn es meines wäre. Aber ich habe jetzt so viel von mir zu geben, so viel Liebe zu verschwenden.

Trotzdem ist es natürlich ihre Entscheidung. Ich habe ihr meine Aussichten gezeigt. Es gibt nichts mehr, was ich noch tun könnte, als wäre es das beste, ich würde es einfach aus meinem Kopf bekommen. Das beste, aber wahrscheinlich nicht möglich. So ähnlich wie essen. Ich gebe es auf.

Außerhalb der Cafeteria, im Hof, sitzen die Leute auf Bänken, spielen mit selbstgebauten Frisbees, liegen auf Decken im Gras und fangen ein paar Strahlen der Sonne, die hier nur sehr selten zu sehen ist. Es ist ein wundervoller Tag und die Probleme, die uns plagen scheinen zeitweilig in Vergessenheit geraten zu sein für ein bisschen Spaß und Ausgelassenheit.

Ich wünschte, ich könnte vergessen. Ich möchte auch gern ausgelassen sein.

Vielleicht ein Frisbeespiel, um mich auf andere Gedanken zu bringen.

Gerade als ich beginne, das ernsthaft in Erwägung zu ziehen, sehe ich ihn. Er ist leicht auszumachen in diesem See der Frivolität.

Schwarz gekleidet, wie immer, beleidigter aussehend als normalerweise, kommt er direkt auf mich zu. Einen Augenblick lang scheint alles und jeder andere zu verschwinden. Showdown am O.K. Corral.

Ich höre, was Scully zu mir gesagt hat.

//Weiß er es?

Ja. Das ist teilweise der Grund, aus dem ich dir das erzähle. Ich würde ihm eine Weile aus dem Weg gehen, wenn ich du wäre.

Nein, Scully, darüber mache ich mir keine Sorgen. //

Und das tue ich nicht. Ich habe versucht, nicht über die Tatsache beleidigt zu sein, dass sie dachte ich würde Angst vor ihm haben, dass sie offensichtlich wirklich gedacht hat, dass ich welche haben sollte. Ich hatte noch nie Angst vor ihm und sehe keinen Grund dafür, jetzt zu einem Feigling zu werden.

Ich muss es ihm anrechnen, dass er den direkten Weg wählt. Ich hatte Arsen in meinem Mittagessen erwartet oder einen Stich mit einem vergifteten Stift. Irgendeine raffinierte, hinterhältige, böswillige Reaktion. Etwas, typisch für Alex Krycek. Ich dachte nicht, dass er im Tageslicht auf mich zukommen und irgendeine Konfrontation heraufbeschwören würde. Es ist tatsächlich fast eine Erleichterung.

Er sucht nach einem Grund, mich zu schlagen. Irgendeinen Grund. Ich kann es in seinen Augen sehen, in seiner Haltung, als er nur noch ein paar Meter von mir weg ist. Es gibt keinen Grund, es hinauszuzögern.

"Die Kartoffeln sind heute irgendwie matschig," teile ich ihm mit als würde ich denken, er ist hier wegen der Cafeteria und nicht wegen mir. Aus keinem anderen Grund, egal, was er sich auch eingeredet hat. Ich weiß das, weil dieser einfache Kommentar alles ist, was nötig war.

Der erste Schlag ist ein direkter Treffer auf den Unterkiefer und er lässt mich durch seine überraschende Intensität nach hinten taumeln. Ich hatte nicht erwartet, dass er gleich so fest zuschlagen würde. Oder überhaupt, ehrlich gesagt. Ich hatte ein kleines Gerangel erwartet, eine Schlägerei, keinen verdammten Kampf auf Leben und Tod.

"Du verdammter verlogener BASTARD!" brüllt er während er mich gegen die Mauer der Cafeteria drückt.

Die nächsten Momente vergehen in einem Rausch, einem Wirbel von fliegenden Fäusten und spritzendem Blut, das mir in die Augen läuft. Er schlägt mich mit seinem falschen Arm und ich registriere irgendwo in meinem Unterbewusstsein, dass der mehr Wucht hat, als der richtige. Das verdammte Ding muss aus Blei sein. Ich dachte früher, dass wir ebenbürtig wären, wenn er noch beide Arme hätte. Jetzt weiß ich, dass sein Verlust eigentlich sein Vorteil ist.

Ich höre, wie er Dinge zu mir sagt, wie er Sachen schreit wie "Lügner", "Bastard", Hass." Lügner. Immer und immer wieder.

Worüber zur Hölle redet er? Von diesem verdammten Waffenstillstand?

Oder von etwas ganz anderem?

Das hier geht viel weiter, tiefer als das, was mit Scully passiert ist. Er hasst mich, ist wahrscheinlich mehr meinetwegen verbittert, als jeder andere Mensch auf der Welt. Aus viel mehr Gründen, als mir jemals bewusst war. Sein Arm, all die Zeit, die er damit verbracht hat, ‚mit den Ratten zu leben', sein ganzes verdammtes erbärmliches Leben, all die Probleme, die er jemals hatte, können bis zu dem Tag zurückverfolgt werden, an dem er mich kennen gelernt hat, egal ob irgendetwas davon tatsächlich meine Schuld war oder nicht. So sieht er es und ich fühle das in jedem Schlag, den ich von ihm abbekomme.

Wütend, bemerke ich durch den Schleier von Schmerz und Verwirrung. Er ist wütend. Aber noch mehr als das, traurig. Ich könnte schwören, dass er so aussieht, als sei er den Tränen nahe. Enttäuscht, verraten, erschreckt über seine eigenen Gefühle. Und das sollte er auch sein. Alex Kryceks Gefühle sind erschreckend. Die Art, wie er damit umgeht ist sogar noch viel schlimmer.

Ich fange nicht an mich zu wehren, bis mir klar wird, dass er mich umbringen wird.

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Als ich das Bewusstsein wieder erlange, bin ich an einem mir nicht vertrauten Ort. In einem Bett, aber weder in meinem Zimmer noch in der Krankenstation. Ein schwarzer Spitzenumhang hängt vor dem Fenster neben mir und sorgt dafür, dass das Licht in eigenartiger Weise durch ihn hindurch fällt und tanzende Muster auf der gegenüberliegenden Wand erzeugt. Es riecht nach Geißblatt. Ich habe keine Ahnung, wie ich hierher gekommen bin.

Ich schließe wieder meine Augen, überzeugt davon, dass das ein Traum ist oder das Wartezimmer zum Himmel. Dann spüre ich etwas weiches auf meiner Stirn. Könnte das ein Engel sein, der mich küsst?

Das ist es nicht. Es ist ein Waschlappen. Es ist Roseanne, die meine Wunden reinigt.

"Versuche nicht aufzustehen," weist sie mich an und drückt vorsichtig gegen meine Brust. Habe ich versucht aufzustehen? Mein Gott, ich bin so verwirrt. Ich frage mich, ob ich eine Gehirnerschütterung bekommen habe.

"Wo...was ist passiert."

Als ich spreche fühlt es sich an, als hätte ich Murmeln im Mund.

"Du hast eins aufs Maul gekriegt," informiert sie mich hilfreich.

"Nein, danach. Ich ..AU!"

Verdammt! Was tut sie mir an? Das ist schlimmer als die eigentlichen Schläge.

"Tut mir Leid, ich muss diese Schnitte reinigen, bevor du dich infizierst."

Sie hat eine Flasche in der Hand, in der irgendeinen schlimme Flüssigkeit ist, die sie weiter auf meine Haut schüttet, genau auf die Stellen, die am meisten weh tun.

Ich greife nach oben, um mich an der Stirn zu kratzen, wo es nervtötend juckt. Sie schnappt nach meiner Hand, bevor ich da ankomme.

"Kratz nicht deine Nähte."

Nähte? Himmel Herrgott.

"Wie hat...was..."

"Schh, hör auf zu sprechen. Du bist in meinem Zimmer. Ich bringe dich in Ordnung. Es wird dir bald besser gehen."

"Wie hat es aufgehört?" kriege ich schließlich heraus.

"Ich habe es unterbrochen."

"Das hast du?"

"Ja, das habe ich. Ich bin zwischen euch getreten. Du hast sowieso schon auf dem Boden gelegen, also war es nicht schwer. Alles was ich tun musste, war ihn daran zu erinnern, dass alle zugesehen haben und dann hat er aufgehört."

Warum ist mir das nicht eingefallen? Gott weiß, dass er nicht wollen würde, dass Scully davon erfährt. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es seine Autorität noch weiter schwächt, wenn alle sehen können, dass er so die Kontrolle verliert.

Der Bastard ist bei mir völlig durchgeknallt. Nach all den Jahren, all den Kämpfen, hätte ich nie gedacht, dass das in ihm steckt. Nicht so, Faust an Faust, Mann gegen Mann. Ich nehme an, dass es nicht überraschend ist, dass er dazu fähig ist, aber mein Gott, wer hätte gedacht, dass dieser Hurensohn so kämpfen würde?

"Ich hätte es," antwortet sie. Habe ich das laut gesagt? "Von jedem, der wie er fickt ist anzunehmen, dass er mit der gleichen Intensität kämpft."

Ich würde mich übergeben, wenn ich die Energie dazu hätte. Eine Welle von Übelkeit rollt durch meinen Magen und meine Augen fallen wieder zu.

Ich träume davon, von Alex Krycek gevögelt zu werden und zwölf Babys zu gebären, die genau wie er aussehen.

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Er schläft seit fast vier Stunden. Ich könnte ihn allein lassen. Er wäre sicher. Ich weiß, wie sein Körper funktioniert. Die Umwandlung hat ihn mit einer viel gesünderen Konstitution versehen, als die normalen Menschen. Er schläft, um zu heilen, um sich zu verjüngen. Wenn er aufwacht, werden seine Schnitte verschorft sein, sein Kopf wird sich besser anfühlen und seine Knochen werden wieder ganz sein. Es ist wirklich ziemlich bemerkenswert.

Ja, ich könnte ihn allein lassen, aber ich tue es nicht. Ich bleibe und beobachte ihn, wie er friedlich zwischen meinen Decken ruht und genieße seine Gesellschaft sogar im Schlaf.

Ich hätte wahrscheinlich nicht sagen sollen, was ich über Alex gesagt habe. Ich vergesse manchmal, wie es für die Menschen ist, wenn sie verliebt sind. Ich vergesse manchmal, dass er sie liebt.

Ich habe mir früher gewünscht, dass ich das fühlen könnte, aber wenn ich sehe, was es ihm angetan hat, ihr, oder auch Alex, bin ich dankbar, dass ich verschont wurde. Trotzdem, manchmal, wenn ich Mulder ansehe, denke ich darüber nach.

Als er aufwacht, ist es draußen dunkel. Ich habe meine Leselampe angeschaltet, sitze an meinem Tisch und versuche mich auf eine zehn Jahre alte Kopie der New York Times zu konzentrieren, die vor mir ausgebreitet ist. Alex hat mein Interesse für die alten Zeitungen und Zeitschriften aus dem Magazin der Bibliothek nie verstanden. "Antike Geschichte" hat er gemurmelt, wenn er mich lesen gesehen hat. Na ja, ich mag Geschichte. Ich habe keine Möglichkeit, etwas über meine zu erfahren, also nehme ich, was ich kriegen kann und lerne etwas über ihre.

Heute Abend allerdings, habe ich wie gesagt, Mulder beobachtet. Ich war nicht in der Lage, irgendeine Neugier für die Wahl des vorletzten Präsidenten der Vereinigten Staaten aufzubringen. Ich weiß jedenfalls, dass es Clinton war. Ich bin nicht völlig unwissend.

Seine Augen flattern während einer Phase meines besonders langen Starrens auf und er lächelt und krächzt eine Bitte um Wasser. Ich gebe ihm das Glas, das neben der Lampe steht. Es ist voll und wartet auf ihn.

"Besser?" frage ich sobald er alles ausgetrunken hat. Er lächelt mit klaren und lebendigen Augen. Er leckt etwas von der Feuchtigkeit von seinen Lippen.

"Verglichen womit?"

Ich lache und er sieht erschrocken über diesen Klang aus. Ich nehme an, dass die Menschen nicht mehr viel lachen.

"Wie spät ist es?" fragt er und setzt sich ohne erkennbare Schwierigkeiten auf. Die Nähte sehen schon so aus, als würden sie sich bald lösen.

"Wahrscheinlich ungefähr sieben."

"Montag, richtig?"

"Ja, Montag."

Er nickt und sieht erleichtert darüber aus zu hören, dass er nicht tagelang geschlafen hat.

Ich gehen zum Bett hinüber und setze mich neben ihn, kontrolliere seine Verbände und Nähte. Alles scheint toll zu verheilen, genau wie ich dachte. Es ist wahrscheinlich nicht mehr notwendig, dass ich Krankenschwester spiele, aber es ist schön, hier im fast Dunklen zu sitzen und sein Gesicht zu berühren.

Als ich schließlich mit der ausgedehnten Untersuchung fertig bin, höre ich auf, ihn zu berühren, aber ich bewege mich auch nicht weg und er tut es ebenso wenig.

Es gibt so vieles, was ich wissen will. Warum hat er sich nicht gewehrt? Hat er gedacht, er hätte verdient, was Alex ihm angetan hat? Hat er es verdient? Wie denkt er über Danas Schwangerschaft? Weiß er es überhaupt? Wie ist es, verliebt zu sein?

"Also...was ist passiert?" Das ist die einzige Variante, wie ich ihn etwas fragen kann, ohne etwas zu verraten. Ich wünschte ich wüsste einfach, dass sie es ihm erzählt hat, aber wer kennt sich schon mit ihr aus?

"Na ja, du hast es selbst gesagt. Ich habe eins aufs Maul gekriegt."

"Ja, aber warum? Was hast du zu ihm gesagt?"

"Gesagt?" er lacht. "Es spielt keine Rolle, was ich gesagt habe, Roseanne. Ich musste nichts sagen."

"Also hat er einfach so zufällig auf dich eingeschlagen?"

Er kratzt seinen Kopf und schaut an die Decke.

"N-nein, nicht direkt zufällig. Es gab eine Menge Gründe. Aber der hauptsächlichste Katalysator war äh...Scullys..."

"Schwangerschaft?" bringe ich zu Ende und erlöse ihn aus seinem Elend. Er sieht erleichtert aus und das erleichtert mich. Er weiß es schon. Er hat sich nur gefragt, ob ich es wusste.

"Ja, die Schwangerschaft. Und die...äh, Umstände, die damit zusammenhängen."

"Du meinst die Tatsache, dass du Sex mit Dana hattest?"

Seine Augen weiten sich überrascht über meine Offenheit. Ich bin mir nicht sicher warum. Wir beide wissen, was passiert ist. Warum darum herumreden?

"J-ja, das wäre das eine. Und die Tatsache, dass ich ihn irgendwie deswegen belogen habe."

"Das hast du?"

"Na ja, ich habe ihm mehr oder weniger gesagt, dass es nicht passieren würde und dann ist es passiert."

"Aber wenn du nicht wusstest, dass es passieren würde, wie kann das dann eine Lüge sein?"

"Ich wusste es nicht, aber ich wollte es und ich wusste das und es war mir egal, dass ich ihm etwas anderes erzählt habe, weil ich ihn einfach gehasst habe."

Na ja, das qualifiziert es nach meinen Maßstäben zwar immer noch nicht als Lüge, aber ich nehme an, dass das nicht sehr nett war. Ich kann verstehen, dass er sich deswegen schlecht fühlt. Ich kann allerdings nicht verstehen, inwiefern das eine Rechtfertigung für das ist, was Alex getan hat. Andererseits war ich noch nie in der Lage, die Gewalt zu verstehen, die sich die Menschen gegenseitig täglich antun.

"Das war nicht deine Schuld, Mulder."

"Ich weiß das," nickt er. Ich frage mich allerdings, ob er das wirklich tut. Es gibt wahrscheinlich nichts mehr, was ich sagen kann, um ihn davon zu überzeugen.

Er fährt sich mit den Fingern durch die Haare, nimmt einen weiteren Schluck Wasser, kratzt an seinen Nähten und diesmal halte ich ihn nicht zurück. Ich hoffe nur, dass er nicht meint, dass es ihm schon gut genug geht, dass er gehen kann.

"So, äh...du und Krycek?" fragt er nach einer längeren Pause in der Unterhaltung. Ich und Krycek was?

Oh. Er bezieht sich wahrscheinlich auf diesen idiotischen Kommentar, den ich vorhin gemacht habe. Warum kümmert ihn das? Warum könnte das irgendjemanden kümmern?

"Oh...ja. Eine Weile haben wir es getrieben wie die Karnickel."

Er lacht ein wenig nervös und wird ganz bezaubernd pink. Ist ihm das peinlich? Mein Gott, er ist so anders. So anders als jeder Mann, den ich je gekannt habe.

"Wann, äh, wann war das?"

"Hmmm..."

Mist, ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, so lange ist das schon her. Es gab so viele andere, davor und danach. Wenn ich ihm erzählen würde, wie viele, würde er sich wahrscheinlich meinetwegen schämen.

"Vor langer Zeit," lege ich schließlich fest. "Noch bevor er Dana hierher gebracht hat."

"Also war es nicht, während sie zusammen waren?"

Was ist mit ihm, ist er auf Drogen? Wenn dem so wäre, wünschte ich, er würde sie mit mir teilen.

"Mein Gott, nein. Ich glaube nicht, dass er seit dem Tag, an dem sie herkam mit irgendjemandem zusammen war. Er war ihr treu, bevor sie überhaupt ein Paar wurden. Ich denke wirklich, wenn er nicht gewesen wäre, hätte sie ... ich weiß noch nicht mal was."

"Sie hat mir erzählt, er hätte sie gerettet. Das bedeutet viel, wenn sie das sagt."

"Ja, das hat er wirklich. Sie war schlimm dran. Er hat mir das früher manchmal erzählt, hat mich um Rat gebeten, wie er damit umgehen soll, was an sich schon eigenartig war. Er hat mich vorher noch nie wegen irgendetwas um Hilfe gebeten. Aber als mir Brian erzählt hat, dass er gesehen hat, wie Alex ihre Haare gekämmt hat...na ja, da wusste ich, dass er ihr wirklich total verfallen war. Ich dachte, Alex Krycek? Kämmt jemandem die Haare?"

Oh Mist. Ich habe es wieder getan. Er will nichts von diesem blöden Zeug hören. Warum kann ich nicht einfach die Klappe halten?

"Es...es tut mir Leid. Ich sollte nicht über dieses Zeug erzählen. Es tut mir Leid."

Er wedelt mit der Hand vor seinem Gesicht herum und schüttelt den Kopf.

"Nein, nein. Das ist in Ordnung. Wirklich."

Er sieht wirklich in Ordnung aus. Gott sei Dank. Trotzdem ist das wahrscheinlich nicht das beste Thema für zukünftige Unterhaltungen mit ihm. Wie blöd bin ich eigentlich? Er unterhält sich endlich richtig mit mir und ich lade diesen Mist auf ihm ab.

"Also was...was ist mit dir?" fragt er.

"Was ist mit mir?"

"Äh, eigentlich nichts. Ich habe mich nur gefragt...ob du äh..."

"Was? Mich nach ihm sehne? Nachts wach liege und mich frage, warum sie und nicht ich?"

"Naja, ich hätte es nicht so ausgedrückt, aber..."

Er verstummt und ich lache einfach. Es ist möglicherweise eine verständliche Frage für jemanden, der mich überhaupt nicht kennt, jemanden, der damals nicht hier war. Trotzdem muss ich darüber lachen.

"Nein. Es war nur Sex, Mulder. Ich habe ihn nicht geliebt. Er hat mich noch nicht mal gemocht."

"Oh, aha."

Es ist schwer zu ob er enttäuscht oder erleichtert ist, dass ich nicht von Eifersucht und Bitterkeit zerrissen werde. Ich denke er ist froh, aber es ist so schwer zu sagen, bei seinem ausdruckslosen Gesicht.

"Fühlst du...ähm, fühlst du solche Dinge?" fragt er vorsichtig.

"Welche Dinge? Eifersucht?"

Oder sprichst du von Liebe, Mulder?

"Ja," nickt er. "Eifersucht, Zorn, diese Dinge."

"Manchmal tue ich das. Früher war das nicht so, aber ich denke, dass ich sie gelernt habe."

"Wie Spock," lächelt er. Ich weiß nicht, wovon zur Hölle er spricht, aber ich lächle und nicke trotzdem.

"Denkst du, dass sie es behalten wird, Mulder?" kann ich nicht widerstehen zu fragen und nutze die Tatsache aus, dass er hier ist, dass er spricht.

Er denkt eine Weile über die Frage nach, sieht aus dem Fenster und dann wieder zu mir. Ich frage mich, ob er möchte, dass sie es behält, ob er möchte, dass es seines ist. Ich frage mich, ob er gern Vater wäre.

"Ich bin mir nicht wirklich sicher. Sie schien ziemlich durcheinander zu sein, als ich mit ihr gesprochen habe," sagt er. Vielleicht ist Verwirrung ein gutes Zeichen. Immerhin denkt sie darüber nach.

"Aber hast du irgendein Gefühl in die eine oder andere Richtung was sie betrifft? Schien sie mehr in die Richtung zu neigen, es zu behalten als vorher?"

"Ich weiß es wirklich nicht, Roseanne. Warum machst du dir deswegen solche Sorgen?"

Eine sehr gute Frage. Eine, auf die ich keine richtige Antwort habe.

"Ich weiß nicht, Mulder. Ich habe keine Ahnung, warum ich mir Gedanken mache, aber ich tue es. Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken. Ich habe einfach das Gefühl, dass wenn sie es nicht behält..."

Was denke ich wird passieren, wenn sie es nicht behält? Wird die Welt enden? Hat sie das nicht schon längst?

Es ist so außergewöhnlich für mich, dieses ganze Konzept mit den Babys. Ich habe noch nicht viele gesehen und ich war selbst nie eines, sie erschienen mir immer wie kleine Mutanten. Die Aussicht, eines um mich zu haben sollte vor allem beunruhigend für mich sein. Aber das ist sie nicht.

"Keine Ahnung, ich möchte einfach, dass sie es bekommt. Ich habe sogar Angst, mit ihr darüber zu sprechen, weil ich mich so eigenartig fühle und ich befürchte, dass ich das falsche sagen würde."

"Na ja, ich bin mir sicher, dass sie die richtige Entscheidung treffen wird. Das hat sie immer."

Oh, ich bin mir dessen nicht so sicher. Überhaupt nicht.

"Mulder, denkst du, dass alles wieder in Ordnung kommen wird?"

"Definiere alles."

"Ich habe Angst," sage ich zu ihm. Ich weiß nicht, warum ich ihm das erzähle. Ich tue es einfach. "Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keine Angst, aber in letzter Zeit habe ich wirklich, wirklich Angst. Was denkst du, wird mit uns allen passieren?"

"Ich...ich weiß es nicht, Roseanne. Ich wünschte, ich hätte irgendetwas aufmunterndes zu sagen, aber ich weiß wirklich nicht mehr, was passieren wird."

"Ich weiß," seufze ich, verfluche mich schon wieder dafür, dass ich ihn darum gebeten habe, mir etwas unmögliches zu geben. "Es tut mir Leid."

"Nein, es muss dir nicht Leid tun. Es ist normal, Angst zu haben. Ich habe auch Angst. Wir alle haben Angst."

"Ich habe mich aber vorher noch sie so gefühlt, Mulder."

"Was meinst du?"

Er dreht sich zu mir, Neugier leuchtet in seinen Augen.

"Hast du das Gefühl, das etwas schlimmes passieren wird? So eine Art Vorahnung?"

"Nein, nichts dergleichen. Ich habe nur ... ich denke, ich habe mir vorher einfach nicht so viele Gedanken gemacht. Ich hatte immer so eine unbeteiligte Haltung allem gegenüber, aber in letzter Zeit...ich weiß nicht, erscheinen mir die Dinge irgendwie realer."

Ich schrecke zusammen, als er seine Hand auf meine legt, mir tief in die Augen sieht und leicht lächelt. Mein Magen macht einen verrückten Überschlag.

"Vielleicht wirst du immer menschlicher und weniger ein Klon. Vielleicht färben wir auf dich ab."

Er reibt seine Handfläche gegen meine Knöchel um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Auf mich abfärben. Vielleicht tust du das, Mulder. Vielleicht tust du das.

Ende Kapitel 4

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 Kapitel 5

Ich bin ein zwanghafter Listenersteller. Das war ich schon immer. Auf dem College war mein Wohnheimzimmer ständig mit irgendwelchen ‚zu-erledigen' Listen zugemüllt, von denen ich die meisten nie wieder angeschaut habe, nachdem ich sie erstellt hatte, was den Zweck der Sache zwar total zunichte machte, aber mir tatsächlich das Gefühl gab, ‚etwas zu erledigen'. Als ich die Entscheidung getroffen habe, ob ich nach Quantico gehe oder nicht, habe ich bestimmt zehn oder zwanzig Papierstapel verbraucht, um Listen für Pro und Contra zu erstellen. Natürlich wäre die Contra Liste entscheidend länger gewesen, wenn ich gewusst hätte, worauf ich mich wirklich einlasse. Danach ist mein Leben so kompliziert geworden, dass ich ganze Notizbücher für die Listen einrichten musste, die ich führen wollte. Ich denke ‚Lügen, die ich Mulder erzählt habe' hat einen eigenen Ordner.

Als ich mich heute Nachmittag hingesetzt habe, um mein Meisterstück zu schreiben, meine Liste von Gründen, aus denen Dana das Baby behalten sollte, habe ich eine Menge Erfahrung mitgebracht. Ich war darauf vorbereitet, meine Gedanken zu einer zusammenhängenden, überzeugenden, inhaltsreichen Argumentation zusammenzustellen, der sie nichts entgegenzuhalten hätte.

Ich habe genau das getan. Es ist eine lange Liste. Es ist eine gute Liste. Sie hätte vielleicht gereicht, um sie zu überzeugen, wenn es nicht darum gehen würde, was ich getan habe, gleich nachdem ich die Liste fertig hatte.

Ich hatte nicht geplant, Mulder umzubringen. Ich hatte einfach Hunger. Es war Schicksal, dass ich ihm schließlich da draußen über den Weg gelaufen bin. Schicksal und Wahrscheinlichkeit. Ich hätte ihn ohnehin früher oder später getroffen.

Was ich getan habe, als ich ihn sah, war meine eigene Wahl, freier Wille in Aktion. Egal wie unkontrolliert ich mich in diesem Augenblick gefühlt haben mag, ich habe getan, was ich getan habe, weil ich es wollte. Weil ich es brauchte. Weil es sich so verflucht gut angefühlt hat. Aber jetzt werde ich mit den Konsequenzen leben müssen, von denen eine ganz sicher die ist, dass Dana meine ganze Liste mit der einfachen Erklärung ablehnt: "Du bist ein Psychopath."

Also sitze ich hier an unserem Küchentisch und versuche herauszufinden, wie ich diesen Minuspunkt zu einen Pluspunkt auf meiner dämlichen Liste machen kann und scheitere kläglich. Fasst irgendjemand das Baby an, wird Papa ihn umbringen? Ist das ein Pluspunkt?

Ich höre ein Klicken von der Tür und beobachte, wie all die verschiedenen Schlösser, die ich in letzter Zeit angebracht habe, eines nach dem anderen aufschnappen. Mami ist zu Hause.

Ich sehe wieder auf meine Liste, darauf vorbereitet, sie so lange wie nötig zu ignorieren, so lange, wie menschenmöglich. Sicher weiß sie, was heute passiert ist. Sicher hat sie es gehört und das letzte, was ich im Moment brauche, ist ein Vortrag über persönliche Verantwortung und darüber, meine Emotionen in der Öffentlichkeit unter Kontrolle zu behalten. Mal ganz abgesehen von dem ganzen Thema des Leute Umbringens.

Sie hat ihren verdammten Hund bei sich und so bald sie seine Leine abmacht, rennt er zu mir und hat seine dreckigen Pfoten überall auf meinen Beinen, leckt mein Gesicht und sabbert überall auf mir herum, setzt einen Dämpfer auf mein cooles Verhalten. Ich versuche ihn zu ignorieren, aber das verdammte Ding ist hartnäckig.

"Bitte begrüße deinen Hund," fordert sie mich auf, während sie ihren Mantel und die Leine aufhängt.

"Hallo."

Ich streichle halbherzig den Kopf des abstoßend anhänglichen Hundes und hoffe, dass das ausreichen wird, ihn zu beschwichtigen und loszuwerden.

"Hast du heute Abend schon was gegessen?" fragt sie.

"Ich bin vor ein paar Stunden in die Cafeteria gegangen."

"Oh wirklich? Ich habe dich dort gar nicht gesehen. Du bist wohl früh gegangen, hmm?"

"Wird so sein."

Gott, das ist die idiotischste Unterhaltung, die wir je geführt haben. Ich kann das nicht ertragen, nichts von all dem. Jetzt wäscht sie das verfluchte Geschirr ab. Ich starre auf meine sinnlose Liste, bis die Worte ineinander verschwimmen. Ich kann nichts davon wirklich zu ihr sagen.

"Wie geht es deinem Kopf?" Sie schaut über ihre Schulter und ich fasse instinktiv nach oben, im die Schramme zu bedecken.

"Mein Kopf?"

"Ja, dein Kopf."

Sie wischt ihre Hände an ihren Hosen ab und setzt sich an den Tisch. Ihre Finger fahren über meine und ziehen daran.

"Das ist eine ziemliche Schramme, die du da hast, Stahlfaust. Was ist passiert?"

Stellt sie sich dumm oder ist das echt? Vielleicht weiß sie es nicht. Vielleicht sollte ich mir was ausdenken. Etwas, weswegen sie mich bedauern würde.

"Alex...warum?"

Sie berührt die Seite meines Gesichtes und ich zucke zusammen.

"Warum was?"

"Alex, ich weiß, was passiert ist. Jeder weiß, was passiert ist."

Verdammt. Was ist eigentlich mit mir los? Es ist nicht so, dass ich mir nicht einen etwas privateren Ort für meinen Ausbruch hätte aussuchen können.

"Das sieht dir nicht ähnlich, Alex."

Ich muss mich anstrengen, sie nicht auszulachen. Was zur Hölle denkt sie eigentlich, wer ich bin? Haben wir das nicht alles schon mal durch? Und jetzt will sie wissen warum. Wie kann sie mich nach dem warum fragen? Was denkt sie, warum?

"Ich möchte nicht darüber reden."

Sie zieht ihre Hand von meinem Gesicht zurück und schlägt sie auf den Tisch, erschreckt mich und den Hund, der immer noch hechelnd und sabbernd zu meinen Füßen liegt.

"Nein, natürlich willst du das nicht. Warum solltest du dich bemühen, mit mir zu reden, wenn du deinen ganzen Schmerz an Mulder auslassen kannst? Warum reden, wenn du schlagen kannst? Es ist so viel einfacher, richtig Alex?"

"Geh zur Hölle."

Ich hatte den Schlag erwartet, aber deswegen tut er nicht weniger weh. Wenigstens hat sie die Seite meines Gesichtes getroffen, die nicht schon verwundet ist. Jetzt werde ich einen zusammen passenden Satz haben.

Was ich nicht von ihr erwartet hätte, ist, dass sie bleibt, meine Wangen zwischen ihre Finger nimmt und mein Gesicht zusammendrückt als wäre ich ein Kleinkind, dass sie ausschimpft. Ich habe die Angst in ihren Augen nicht erwartet.

"Hör mir zu und hör mir gut zu, Alex. Es tut mir sehr viel mehr Leid, als ich es ausdrücken könnte, dass ich dir weh getan habe, aber wenn du willst, dass wir irgendeine gemeinsame Chance auf eine Zukunft haben, dann nimmst du dich besser zusammen und hörst auf, dich wie ein Kind aufzuführen. Ich werde ein Baby bekommen, Alex und ich kann es mir nicht leisten, dass es einen Vater bekommt, der unreifer ist, als sein eigenes Kind."

Zu sagen, dass ich *das* nicht erwartet hätte, wäre die größte mögliche Untertreibung.

"Ich gehe ins Bett. Wenn du dich dazu entschließen solltest, mit mir zu reden, kannst du das gern tun."

Sie steht auf und geht weg. Es dauert beschämend lange, bis ich es fertig bringe, ihr zu folgen. Sie hat sich schon unter der Decke zusammengerollt und das Licht ausgeschaltet, als ich ins Schlafzimmer komme. Ich setze mich auf die Seite des Bettes und versuche, meinen Gefühlen Sinn zu geben und dem, was ich ihr sagen sollte.

Es gibt so viel, was ich sagen könnte. Ich könnte ihr sagen, dass sie mir das Gefühl gegeben hat, unwürdig zu sein, dass ich Angst habe, sie zu berühren, weil ich der Erinnerung an Mulder nicht standhalten könnte. Ich könnte ihr sagen, dass das, was sie getan hat, jeder Angst Gültigkeit gegeben hat, die ich jemals um uns hatte. Ich könnte ihr sagen, wie viel Hass ich in meinem Herzen habe, für Mulder und im allgemeinen. Ich könnte ihr von all den Gelegenheiten erzählen, in denen ich mich zurückgelehnt und zugelassen haben, dass Mulder mich zu Brei schlägt, weil es meinen Zwecken gedient hat und er es vielleicht genossen hat und dass es Zeit war, dass er ein wenig davon zurück bekommt.

Ich könnte sie fragen, ob er besser küsst als ich. Ob sie bei ihm gekommen ist, ob er sie zum Schreien gebracht hat, ob es ihr gefallen hat, zur Abwechslung mal einen beschnittenen Schwanz im Mund zu haben.

Ich könnte es, aber ich tue es nicht. Weil nichts davon im Moment wichtig erscheint. Das alles erscheint, na ja, ein wenig kindisch.

"Was hat dich dazu gebracht, deine Meinung zu ändern, Dana?"

Sie rollt sich auseinander und streckt sich auf ihrem Rücken aus. Das Mondlicht, das durch die Fenster fällt gibt gerade genug Licht, dass ich ihren Gesichtsausdruck lesen kann. Sie sieht nicht wirklich verärgert aus.

"Ich bin mir nicht sicher. Eine Menge Dinge nehme ich an."

"Bist du, äh, glücklich darüber?"

"Ja. Ja, das bin ich."

"Nervös?"

"Sehr."

"Wirst du...wirst du herausfinden, wer..."

"Bis dahin werde ich ungefähr einen Monat warten müssen. Ich denke, es ist nötig, dass wir eine Fruchtwasseruntersuchung machen, nur um sicher zu gehen, dass alle in Ordnung ist. Dann können wir es rausfinden. Wenn wir wollen."

Wollen wir? Ich frage mich das. Ich hatte angenommen, dass das absolut ihre Entscheidung wäre, wenn es so weit kommen sollte. Der Gedanke daran, es rauszufinden, jetzt, wo es real ist, ängstigt mich zu Tode.

"Was ist mit dir, Alex? Bist du glücklich?"

Glücklich. Das ist ein weiter Begriff. Es ist sicher das, was ich wollte. Aber ist es möglich für mich zu sagen, dass ich jetzt im Moment glücklich bin?

"Ich...ich bin froh. Ich bin froh, dass du dich entschieden hast, es zu behalten."

"Aber es macht dich nicht glücklich?"

"Nein, das-das tut es."

"Hast du Angst, du könntest es nicht lieben, wenn es seins ist?"

Diese Frage erschüttert mich ebenso, wie der zärtliche Ton, in dem sie sie stellt. Wie kann sie mit mir im Ton einer Liebenden reden und mir so eine Frage stellen, als wäre das alles, was sie von mir denkt? Ich nehme an ich habe ihr in letzter Zeit nicht viel Grund gegeben, anders zu denken.

"Mein Gott, Dana. Natürlich nicht. Ich...ich liebe sie jetzt schon."

Sie atmet tief ein und ist ziemlich lange still. Ich ziehe mich völlig aus und klettere neben ihr ins Bett.

"Es tut mir Leid, Alex."

"Mir tut es auch Leid."

Sie atmet tief ein und langsam wieder aus. Dann dreht sie sich zu mir um und lächelt.

"Ich werde ein Baby bekommen."

Sie klingt als könne sie nicht glauben, dass es wirklich ist. Ich bin mir selbst nicht sicher, ob es das ist.

"Was fängt man mit einem Baby an, Dana?"

"Oh, keine Ahnung. Man kann es als Einbruchsalarm benutzen oder als Briefbeschwerer oder so, nehme ich an."

"Oh, ein Briefbeschwerer. So einen könnte ich brauchen."

Sie lacht und klopft auf ihren Bauch.

"Hörst du das, Baby? Jetzt wird Mister Krycek nicht das Bedürfnis haben, dich wegzuschicken, weil du nicht produktiv bist."

"Das ist es nicht, was ich gemeint habe, weißt du. Ich weiß überhaupt nichts darüber."

"Das tue ich auch nicht, Alex. Aber es wird schon gut gehen. Wir werden lernen."

Natürlich werden wir das. War es nicht das, was ich ihr eigentlich sagen wollte? Es stand auf dieser verdammten Liste. Trotzdem erscheint es mir so hypothetisch. Ich habe niemals in meinem Leben gedacht, ich könnte jemals tatsächlich Vater werden. Der Gedanke ist eigentlich ein bisschen beunruhigend. Gott allein weiß, dass ich nicht vom besten Rollenmodell lernen konnte.

Nein, das ist nicht ganz richtig. Ich hatte eines.

"Hast du schon über einen Namen nachgedacht?"

"Namen? Alex, ich weiß es erst seit ein paar Tagen."

"Na und? Gibt es keine Namen, die du magst? Haben nicht alle Frauen eine Liste von möglichen Babynamen?"

Sie lacht ein bisschen und dreht sich auf die Seite. Ich spüre ihre Finger unter der Decke, die meine Brust mit einem federleichten, vorsichtigen Streicheln berühren. Sie fragt mich, ob das in Ordnung ist, ob wir uns endlich wieder vorwärts bewegen können. Es fühlt sich in Ordnung an. Es fühlt sich gut an.

"Ich weiß es nicht, ob sie das wirklich so ist. Vielleicht wenn es mögliche Babies gibt."

"Was hältst du von Eva?"

Sie antwortet mir nicht gleich, aber sie schmiegt sich ein bisschen enger an mich. Ich habe das Gefühl, als wenn wir seit langer Zeit das erste Mal wieder im gleichen Boot sitzen. Ja, wir sind sauer aufeinander, aber mein Gott, wir bekommen ein Baby.

"Eva. Hmm."

"Nein?"

"Ich bin mir nicht sicher. Es ist nett. Scheint eine gewisse Bedeutsamkeit zu haben."

Oh ja. Vergiss die Bibel.

"Kann sein. Ich habe allerdings nicht deswegen daran gedacht."

"Weswegen hast du daran gedacht?"

"Es ist das englische Äquivalent des Namens meiner Mutter."

Sie versteift sich neben mir und ich höre sie heftig einatmen. Ich nehme an ich bin nie dazu gekommen, ihr überhaupt irgendetwas über meine Familie zu erzählen, über meine Kindheit. Es erschien mir immer so unwichtig, so lange her und so weit weg, dass es fast nicht mehr existierte.

Es ist immer noch nicht so wichtig für mich, aber ich mag den Namen wirklich.

"Deine...deine Mutter?" flüstert sie.

"Ihr Name war Evelina. Das bedeutet Leben."

"Evelina. Das ist wunderschön, Alex."

"Das war sie."

Ich werde niemals vergessen, wie sie vom Fenster dieses kleinen Kellers aus ausgesehen hat, wie das Blut und das Gehirngewebe unter ihrem dicken, schwarzen Haar herausgequollen ist und sich mit dem Schnee vermischt hat.

"Erzählst du mir von ihr?"

Okay, das ist wirklich der Grund, warum ich ihr nie von all dem erzählt habe. Ich rede nicht gern darüber. Ich erinnere mich nicht gern daran und ich erzähle nicht gerne Taschentuchgeschichten, es sei den aus einem bestimmten Grund, ganz besonders, wenn sie wahr sind. Ich möchte ihr Mitleid nicht. Nicht dafür.

"Ich...ich erinnere mich nicht an sehr viel mehr."

"Wie kommt das?"

"Meine Eltern starben beide, als ich sechs Jahre alt war."

"Oh, Alex. Das tut mir so Leid. Wie?"

Sie legt ihren Kopf auf meine Brust, sieht zu mir auf mit diesen klaren, vertrauenden, vergebenden Augen. Ich hoffe wirklich, dass sie weiß, dass ich ihr das nicht erzähle, damit sie vergisst, was heute passiert ist. Ich weiß nicht, warum ich ihr das erzähle. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt damit angefangen habe.

"Sie sind hingerichtet wurden. Wegen Spionage."

"Hingerichtet? Von der Regierung?"

"Von meinem Patenonkel, dem Mann, der mich schließlich aufgezogen hat. Dem Mann, den ich die meiste Zeit meines Lebens Vater genannt habe."

"Oh mein...wo-woher weißt du das?"

"Weil ich gesehen habe, wie es passiert ist. Ich habe gesehen, wie er den beiden einen Kopfschuss verpasst hat."

Es ist tatsächlich einfacher, das zu sagen, als ich glaubte. Es ist nichts, was ich jemals jemandem erzählt habe. Nicht einmal mein Patenonkel wusste, dass ich es gesehen hatte und es war nichts, worüber wir je gesprochen haben. Er hat mir aus offensichtlichen Gründen nie erzählt, dass er es getan hat. Ich habe ihn nie zur Rede gestellt, weil ich befürchtete, er würde das gleiche mit mir machen.

"Du, du wurdest von dem Mann aufgezogen, der deine Eltern umgebracht hat?"

Bei ihr klingt es wie die schlimmste Sache, die einem passieren kann.

"Es war nicht so schlecht. Er war ein sehr mächtiger Mann. Sehr reich. Ich war sehr viel besser dran, als die meisten Kinder, die ich kannte."

"Aber Alex...mein Gott, wie konntest du damit leben? Mit ihm leben?"

Darauf habe ich wirklich keine Antwort. Ich tat es einfach. Ich hatte wirklich nicht großartig die Wahl.

Sie fährt mit ihrer Hand meine Brust hinauf und legt ihre Hand auf meine Wange, dreht mein Gesicht zu sich herum. Sie lächelt durch eine tränenüberströmte Grimasse und sie küsst mich zart.

"Das...das erklärt eine ganze Menge."

"Was meinst du? Was erklärt es."

"Eben...eine ganze Menge."

Ich verstehe nicht, wovon sie redet und ich denke nicht, dass ich das will. Ich bin nicht in der Stimmung, um analysiert zu werden.

Ich schlinge meinen Arm um ihre Schultern und ziehe ihrer nackten Körper näher an mich heran. Das ist es, wozu ich in Stimmung bin. Nur das.

"Evelina, ja?" seufzt sie an meinem Hals. "Ich mag das."

Ende Kapitel 5

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 Kapitel 6

Mein Bruder Bill war einer der gemeinsten Menschen, die ich je gekannt habe. Als Erwachsener reifte er zu einem nur leicht nervenden Sturkopf, aber in seiner Jugend - naja, sagen wir einfach er war ein Schmetterlingsflügel-ausreißender, Katzen-tretender, Schwestern-ärgernder, tyrannisierender und terrorisierender Typ. Von Grund auf eine Schweinehund.

Charlie, auf der anderen Seite, war ein sanftes und liebes Kind, der schon frühzeitig Interesse an künstlerischen Bemühungen zeigte und er verbrachte mehr Zeit damit, in seinem Zimmer zu lesen und zu malen, als damit, Ball zu spielen und andere Kinder zu ärgern. Er hat sich Geschichten ausgedacht, dass er mit einem Geist gesprochen hätte oder wie ein Vogel geflogen wäre. Er war der einzige, der geweint hat, als Mister Bubbles, unser Meerschweinchen, gestorben ist. Er war der ‚Sensible'.

Melissa war die ‚Wilde', die während ihres letzten Jahres auf der Highschool mit einem viel älteren Hippie in einem VW abgehauen ist und meine Mutter angerufen hat, sie würde nicht eher zurückkommen, bis unsere Familie ‚ihre Probleme gelöst' hätte. Sie war die unberechenbare. Zumindestens für meine Eltern. Ich wusste immer, wie sie in einer bestimmten Situation reagieren würde.

Ich war die ‚Vernünftige' wie ich annehme, still, hartnäckig, belesen, erdgebunden. Ich hatte meine Rebellionen, aber die sind ziemlich unbemerkt vorbeigegangen. Sie waren untertrieben und persönlich, nicht so großartig und laut wie die von Melissa.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass man vier unterschiedlichere Kinder finden könnte, wenn man sie zufällig an einer Bushaltestelle heraussucht. Trotzdem wurden wir alle von den selben Eltern erzogen, im gleichen Haushalt, zur selben Zeit. Ist die Geburtsreihenfolge wirklich so wichtig? Oder ist die Persönlichkeit doch eher eine Frage des Charakters als der Erziehung?

Alex' Kindheit war blutig, gewalttätig und kompliziert. Er ist blutig, gewalttätig und kompliziert.

Mulder's war verwirrend, traurig und schuldbeladen. Mulder ist, naja, oft all das.

Was ist die Moral dieser Geschichte?

Ich weiß es nicht. Muss jede Geschichte eine verfluchte Moral haben? Die Moral ist, dass ich schlecht darin bin, schwanger zu sein.

Die Moral ist, dass ich, anstatt mich darauf zu konzentrieren, worauf ich mich konzentrieren sollte, über die Vergangenheit nachdenke. So bin ich jetzt. Abgelenkt, gereizt, in mich gekehrt und mürrisch.

Dieses Treffen hätte in keinen unpassenderen Zeitraum fallen können. Der Brite ist jetzt schon seit einigen Tagen hier, aber aus irgendeinem Grund hat er den heutigen Tag gewählt, um sich mit Alex und mir zu treffen. Jetzt in zwei Stunden werden wir eine Serie von Tests durchführen, welche mir sagen werden, ob das Baby gesund ist, ob dieses spezielle Leben, das in mir wächst und mich verrückt macht, menschlich ist oder...etwas anderes, ob er oder sie einen komplizierten oder schuldbeladenen Vater haben wird, von dem es lernen kann, und ob er oder sie ein er oder eine sie ist. Wie soll ich mich da konzentrieren?

Vorstellungen erscheinen mir eigenartig und oberflächlich. Natürlich kenne ich ihn schon. Was sollte ich sagen, wenn ich dem Mann die Hand schüttle, von dem ich angenommen hatte, dass er starb, nachdem er Mulder die Information gegeben hatte, die mein Leben rettete? Danke? Stirbt jemals jemand *wirklich*?

Als er mir sagte, seine Name wäre Robert Smith, erinnerte er mich an das College, als ich zu einem The Cure Konzert gegangen bin, obwohl ich für meine Aufnahmeprüfung hätte lernen sollen. Eine weitere stille Rebellion, wie ich glaube. Ich nehme an, dass dieser gewisse Robert Smith jetzt tot ist. Oder vielleicht wurde er auserwählt, wie Mulder. Umgewandelt zu werden wäre wahrscheinlich eine große Inspiration für ein oder zwei angstgeladene Melodien.

Robert Smith. Wie gewöhnlich. Wie außergewöhnlich.

Er hat jetzt einen Stock und seine Falten sind tiefer und zahlreicher geworden. Sieht so aus, als würde es ihn nicht mehr lange auf dieser Welt geben. Es fällt mir schwer, das zu bedauern.

Als wir alle Platz genommen haben, Alex in Sicherheit hinter seinem Schreibtisch, ich direkt neben dem launenhaften Bastard, sagt Alex, dass es ihm Leid tut.

"Es tut mir Leid, wegen Ihrer Tochter."

Na ja, ich weiß, dass das nicht wahr ist und der alte Mann scheint es auch zu wissen. Er lächelt auf diese spezielle britische Weise und sagt, "Ja, ich habe gehört, dass du sie umgebracht hast."

Wir alle drei sind eine Weile geschockt und leise und ich beobachte Alex, warte auf eine Reaktion, aber es gibt keine. Jedenfalls keine sichtbare. Ich bin froh, dass wir nie zusammen Poker spielen.

"Sie hat uns verraten..." beginnt Alex, aber Smith hebt seine Hand und unterbricht ihn.

Er sagt ihm, dass es keine Rolle spielt. "Ich wusste immer, dass es so für euch enden würde, so wie ihr beide gewesen seid."

Wie sind sie gewesen, frage ich mich? Ich weiß es mehr oder weniger, aber nicht richtig. Ich weiß es nicht aus Marita's Perspektive und, das erste Mal überhaupt, würde ich das irgendwie gern. Allerdings frage ich mich noch mehr, wie Smith ruhig hier sitzen und den Tod seiner Tochter mit ihrem Mörder diskutieren kann. In seinem Verhalten gibt es noch nicht einmal eine Spur von Traurigkeit und ich stelle fest, dass meine Hand als Reaktion auf die Kälte in Richtung meines Bauches zuckt. Vielleicht verschwimmt alles, wenn man an so vielen Toden teilgehabt hat wie er, und selbst deine eigenen Kinder erscheinen ersetzbar.

Wird Alex ein solcher Vater sein? Ich kann mir das nicht vorstellen, aber gleichzeitig kann ich das. Ich kann sehen, wie er die Wut und den Schmerz nimmt und tief in sich vergräbt, wo er wächst und gedeiht und ihn irgendwann umbringt, aber er würde ihn nie zeigen. Besonders keinem Feind. Ist Smith ein Feind? Hält er Alex für einen?

"Was meinen Sie mit, ‚so wie wir waren'?" fragt Alex.

"Doppelzüngig, kompliziert, niemals damit zufrieden, zu lange auf einer Seite zu stehen. Sie war immer sehr eifersüchtig auf dich, Alex. Weil du darin so viel besser warst als sie. Weil du mehr mein Sohn warst, als sie meine Tochter gewesen ist."

Alex nickt, als wenn das irgendeine Antwort wäre. Es erklärt, warum Marita tat, was sie getan hat, aber nichts davon ergibt für mich wirklich Sinn. Inwiefern war Alex wie ein Sohn für Smith? Inwiefern war Marita nicht seine Tochter? Wie viel hatte das, was Marita war, mit den beiden zu tun? Hatte sie ihre eigenen Pläne, die keiner der beiden jemals erahnen oder verstehen konnte? Wird mein Kind doppelzüngig sein? Wäre das in dieser Welt eine schlechte Sache?

Ich mag es wirklich nicht, schwanger zu sein. Manchmal sind die Zweifel so überwältigend, dass ich fast überhaupt nicht auf irgendetwas konzentrieren kann. Ich frage mich, ob ich mir jemals sicher sein kann, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, ob ich jemals diese mütterlichen Instinkte entwickeln werde und aufhöre, mich zu fühlen, als wäre ein Eindringling in meinem Körper. Es sind jetzt schon fast drei Monate.

Mit Sicherheit sollte ich mich jetzt schon mehr als Mutter fühlen, als ich es tue.

Da das Marita Thema jetzt offensichtlich abgeschlossen ist, erwarte ich, dass der alte Mann jetzt selbst eine Entschuldigung vorbringt und uns Unterstützung anbietet. Deswegen ist er doch schließlich hier, richtig? Es ist wegen ihm, wegen ihm und seines missratenen Planes, dass wir in diesen traurigen Zustand des Durcheinanders verfallen sind. Aber das nächste, was er erzählt, ist das Gegenteil von dem, worauf wir gehofft hatten, was wir brauchen. Er erzählt uns, dass er uns nicht viel anbieten kann, dass seine Ressourcen so erschöpft sind wie unsere.

"Die Kolonisten sind zu Phase drei übergegangen," erklärt er, während er immer Alex ansieht, niemals mich. Alex nickt als wüsste er, was ‚Phase drei' bedeutet, obwohl ich mir sicher bin, dass er es nicht weiß. Er hat mir gegenüber nie eine Phase drei erwähnt, aber das ist typisch Alex. Tue so, als wenn du alles wüsstest, bis du es weißt.

"Was zur Hölle ist Phase drei?" frage ich in dem Wissen, dass Alex das nie tun wird.

Es ist das erste, was ich sage, seit dieses Meeting begann und beide drehen sich zu mir um und sehen mich mit typisch untertriebener Überraschung an. Oder vielleicht ist es auch Verärgerung, was ich in Alex' Augen sehe. Vielleicht habe ich seinen Bluff ruiniert. Es ist mir egal. Ich möchte ganz genau wissen, was hier vorgeht und warum Smith plötzlich das Gefühl hat, er könne uns nicht helfen.

"Phase drei, mein liebes Kind, ist das Ende."

Könnte dieser Typ noch anmaßender und herablassender sein?

"Und was bedeutet das genau? Was waren die Phasen eins und zwei?"

"Phase eins war Kontakt und Vorbereitung. Phase zwei, Kolonisation und Wiederaufbau. Phase drei, totale Ausrottung der menschlichen Spezies und Wiederbesiedelung des Planeten durch die Kolonisten."

Ich fange an zu verstehen, warum Alex nicht fragen wollte. Das kranke Vergnügen, dass Smith dabei zu haben scheint, diese Neuigkeiten zu überbringen, ist ziemlich widerlich.

Was ich nicht verstehe ist, warum das überhaupt Neuigkeiten sind.

"Totale Ausrottung und Wiederbesiedelung scheint die ganze Zeit der Plan gewesen zu sein. Was ist daran neu?"

"Sie haben bis jetzt unsere Hilfe gebraucht. Die fortbestehende Existenz von ein paar ausgewählten Gruppen von Menschen war in den ersten Phasen nützlich für sie. Aber jetzt ist ihre Arbeit getan. Der Planet ist erntereif und sie brauchen uns nicht mehr."

Ich verstehe nicht, warum das für uns von Bedeutung ist. Sie haben Menschen am Leben gelassen, um als Sklaven oder Arbeiter in ihren Drohnenkolonien zu arbeiten. Unsere Gruppe war nie von Nutzen für sie.

Wie konnten das nur so lange überleben, weil sie uns nicht finden konnten. Richtig?

"Es hat schon begonnen," betont Smith grauenvoll. "Ich weiß von mindestens zwei Kolonien wie diese, die niedergebrannt wurden, alle Menschen umgebracht und die Gebäude in Schutt und Asche gelegt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie über unsere beiden Gruppen herfallen."

Ich träume in letzter Zeit von Feuern. Alex denkt, dass liegt an den Hormonen. Hormone oder nicht, bei seinen Worten läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.

"Warum sind Sie hergekommen, wenn sie uns nicht helfen können?" entscheide ich mich schließlich zu fragen. Wenn alles, was er wollte war, uns mit etwas zu verängstigen, was sehr wohl unbegründete Weltuntergangsvoraussagen sein könnten, dann hat er sein Ziel erreicht. Er kann jetzt gehen.

"Ich bin gekommen, um euch vor dem zu waren, was kommen wird. Und um euch persönlich zu sagen, dass ich eure Gruppe nicht weiter unterstützen kann."

"Und um noch ein paar Leute zusammenzuholen. Ist das richtig?" unterbricht ihn Alex eigenartig. Die beiden Männer fechten mit ihren Blicken einen unerklärbaren Kampf aus.

"Leute? Alex, wovon sprichst du?" frage ich und fahre damit fort, mich mehr für die Tatsachen zu interessieren, als für ihre Psycho-Spielchen.

"Er hat mir Laurie und Walker gesprochen," teilt mir Alex mit und wendet sich dann Smith zu. "Oder etwa nicht?"

Laurie und Walker haben versucht etwas anzuführen, von dem sie zu glauben scheinen, es sei eine Untergrundbewegung zur Niederwerfung des "tyrannischen Krycek Regimes", zu dem ich offensichtlich als "verwöhntes und gleichgültiges Zubehör" gehöre. Oder so was. Natürlich ist es extrem schwierig, in einer Gemeinschaft von dreihundert Leuten irgendetwas im Untergrund zu halten. Jeder weiß, was sie zu tun versuchen.

"Worüber mit ihnen geredet?" frage ich beide. Alex ist derjenige, der mir antwortet.

"Sie werden mit ihm gehen. Sie und ihre ganze Gruppe. Das ist es, was er die ganzen Tage gemacht hat. Sie für sich gewinnen, sich mit ihnen gegen uns verbünden."

Alex klingt so ruhig, absolut so, als sei ihm das alles egal. Ist das auch wieder ein Bluff? Manchmal wünschte ich, er würde mich in die Pläne für seine Spielchen einweihen.

Ich sehe zu Smith und warte auf ein Dementi, aber da kommt keines.

Wie konnte mir entgehen, dass das direkt unter meiner Nase passiert ist? Hat Alex es mir erzählt und ich habe es vergessen? Habe ich es selbst bemerkt und vergessen? Beides ist erschreckenderweise möglich. Ich behalte in letzter Zeit mehr Wasser als Informationen.

Na gut, schön. Wenn diese Leute gehen wollen, lassen wir sie. Wir sind ohne diese interne Bedrohung besser dran.

"Wie können wir wissen, dass Sie uns die Wahrheit sagen?" frage ich Smith. "Wie können wir wissen, dass Sie nicht nur versuchen uns Angst einzujagen, so dass Sie sich an unseren Ressourcen bedienen können?"

Der Bastard lacht tatsächlich und ich bin sehr nahe dran, seinen alterschwachen Körper mit Stock und allem aus dem verdammten Fenster zu werfen.

"Welche Ressourcen?" fragt er, nachdem er damit fertig ist, jovial zu lachen. Genau das reicht mir dann, fürchte ich. Hormonell bedingt oder nicht, ich weigere mich hier zu sitzen und noch länger so zu tun, als würden wir mit diesem verwerflichen Subjekt verhandeln.

Ich stehe auf und versuche mich so gut wie mögliche zusammenzunehmen, als ich zu ihm sage, "Gehen Sie. Wenn uns bestehlen und uns ins Gesicht lachen alles ist, wozu sie hergekommen sind, dann will ich, dass Sie auf der Stelle verschwinden."

"Dana, beruhige dich," höre ich Alex sagen, aber es ergibt für mich keinen Sinn. Ich bin ruhig. Oder?

Aber ich bin es nicht wirklich. Mein Gesicht ist heiß und ich bin sicher, dass ich rot bin. Mein Brustkorb zieht sich zusammen. Es ist wahrscheinlich das beste, sich hinzusetzen und Alex das Reden zu überlassen, angesichts meiner ‚Umstände' und der Art, wie es mich im Moment handeln lässt.

"Was ist mit den Rebellen?" fragt Alex, als ich mich wieder hingesetzt habe. "Warum sind die uns nicht gefolgt?"

Smith sieht ihn mit diesem mysteriösen, halb-bedrohlichen Gesichtsausdruck an und sagt, "Es gibt keine Rebellen mehr."

Selbst Alex kann seinen Schock nicht verbergen.

"Gar keine?"

"Die Rebellen wurden ebenfalls von den Kolonisten zerstört. Die Kolonisten hatten schon immer die Macht, sie auszulöschen. Aber die Rebellen haben für eine gewisse Zeit einen Zweck für sie erfüllt, genau so, wie wir Menschen, aber jetzt ist ihre Nützlichkeit vorüber und sie wurden eliminiert."

Trotz der Tatsache, dass die Rebellen unsere Feinde geworden sind, ist der Gedanke an Eliminierung, Völkermord, schrecklich beängstigend. Ich würde lieber den Rest meines Lebens damit verbringen, gegen die Rebellen zu kämpfen, als zu akzeptieren, dass die Kolonisten so viel Macht haben. Wenn sie dazu in der Lage sind, eine ganze Rasse vom Angesicht der Erde auszulöschen, eine Rasse, die so viel stärker war als unsere....

"Und wir sind die nächsten," fasst Alex meine Ängste in Worte.

"Es scheint so zu sein," nickt der alte Mann und ich frage mich, ob er Angst davor hat zu sterben. Es scheint so, als sei er schon überfällig.

"Ich bin der Ansicht, dass wir mehr Macht haben, größere Chancen zu überleben, wenn wir zusammen sind, statt getrennt," fährt er fort. "Die Einladung, meiner Gruppe beizutreten ist für euch beide auch gültig."

Also das ist es, warum er wirklich hier ist. Das ist es, was er will. Er will uns alle, nicht nur die Unzufriedenen. Ich bin mir nicht sicher, wie ich darüber denke. Es verrät ohne Zweifel seine Verzweiflung, was an sich schon beängstigend ist.

"Ich dachte Sie sagten, dass unser Untergang unabwendbar wäre?" macht Alex deutlich. Er hat das nie gesagt, aber es war sicher so beabsichtigt.

"Es ist geplant. Nichts ist unabwendbar."

Alex öffnet seinen Mund um zu sprechen, aber ich sehe ihn verzweifelt an - bitte, Alex, bitte sag nichts, bis wir die Möglichkeit hatten, darüber zu reden - und schließlich sagt er kein Wort.

"Hätten Sie etwas dagegen, wenn Sie uns kurz alleine lassen?" frage ich Smith.

"Nein, keineswegs. Nehmt euch alle Zeit, die ihr braucht. Ich denke, wir sind hier fertig."

Er erhebt sich langsam, so langsam, das man schon beim Zusehen frustriert ist und schleppt sich zur Tür. Ich muss gegen den Drang ankämpfen, ihm auf seinem Weg zu helfen.

So bald er außer Sicht ist, ist Alex auf seinen Füßen und läuft hin und her. Seine ruhige, gleichmütige Fassade hat sich in dem Augenblick völlig gewandelt, so bald wir allein waren und ich bin ein bisschen erleichtert zu sehen, dass er genauso nervös ist wie ich.

"Wir werden nicht mit ihm gehen," stellt er autoritär fest, entschieden, umgehend. Wie kann er eine solche Entscheidung so schnell treffen? Impulsiv.

"Alex, was ist, wenn er Recht hat?"

"Ich traue ihm nicht, ich glaube ihm nicht und ich werde ganz sicher nicht alles im Stich lassen, was wir uns hier aufgebaut haben, wegen einer *weiteren* Sache, die er gesagt hat!"

"Alex..."

"Wir haben Hunderte von Leuten verloren, als ich das letzte Mal auf ihn gehört habe, Dana. Hunderte."

Was ist mit meinem Baby?

Der Gedanke schleicht sich ungebeten in meinen Kopf. Vielleicht kommen diese mütterlichen Instinkte nun doch zum Tragen. Oder vielleicht habe ich einfach nur eine Heidenangst.

"Was ist, wenn er die Wahrheit sagt, Alex?"

"Es ist mir egal, ob er das tut. Ich sterbe lieber hier als bei ihm."

"Also denkst du, dass es unabwendbar ist?"

Mein Gott, was ist mit meinem Baby? Was ist, wenn wir einen schrecklichen Fehler machen?

Bei seinem Umherlaufen wird mit übel.

"Alex, warum gehen wir nicht einfach spazieren und reden darüber?"

Er hält in seiner Bewegung inne und sieht mich verwirrt an.

"Willst du mit ihm gehen, Dana?"

Wird verdammt noch mal Zeit, dass er fragt. Dummerweise habe ich darauf keine Antwort.

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Die Luft draußen ist kühl. Eine Erinnerung daran, dass der Winter schnell kommt, was uns entweder nützt, um uns zu schützen, oder uns zerstört. Wenn wir genug Nahrungsmittel und Energie aufgespart haben, werden wir es schaffen und der Schnee könnte die Eindringlinge für eine Weile abhalten.

Wir setzen uns schließlich auf die Bank, auf der wir mal gesessen haben, um uns über das Schicksal eines kleinen Rottweiler Welpen zu streiten. Das war vor so vielen Jahren. Schon wieder fast ein ganz anderes Leben.

Heute sitzen wir hier, um über ein anderes Schicksal zu reden. Unseres.

"Er hat keinen Plan, Dana. Er weiß nicht mehr darüber, was er tun soll, als wir es wissen. Er ist verzweifelt und er hat uns keinen Grund gegeben, ihm zu glauben, dass wir bei ihm sicherer sind, als wir es hier sind. Und am allerwichtigsten, ich möchte, dass wir bei den Menschen bleiben, von denen wir wissen, dass wir ihnen vertrauen können, als das wir mit Leuten fortlaufen, die schon seit Monaten gegen mich gearbeitet haben."

Alex präsentiert seine Argumentation gut und sie ist überzeugend. Aber da ist noch etwas, was er nicht bedenkt. Etwas, das er vergessen hat.

"Alex, was ist mit dem Baby?"

"Was ist mit dem Baby?"

"Na ja, wenn es eine Chance gibt, dass wir bei ihm sicherer sind, dass das Baby sicherer ist, denkst du nicht, dass wir dann gehen sollten?"

"Dana, ich denke, dass das Baby am sichersten bei Menschen ist, die sich um sie sorgen. Menschen, die sie nicht als ein menschliches Schutzschild benutzen wollen. Möchtest du sie nicht hier großziehen, in unserem Zuhause?"

Er nimmt meine Hand in seine und als ich in seine Augen sehe, denke ich, dass das mein Zuhause ist. Er ist mein Zuhause. Ganz egal, wo wir sind.

Aber dann sehe ich ein bisschen an ihm vorbei, zu den Bäumen und den Wegen und den Gebäuden, zu den anderen Bänken, auf denen wir gesessen haben und der Wiese, auf der wir uns geliebt haben und ich weiß, dass er Recht hat.

Ich erinnere mich daran, wie ich damals in der Zeit davor die Nachrichten gesehen habe, wie ich diese alten, verrückten Damen gesehen habe, die in Wohnwagen an Orten wie Florida oder dem ländlichen Texas gelebt haben. An Orten, die immer und immer wieder von Hurricanes und Überschwemmungen heimgesucht wurden, und die Reporter haben die Frauen gefragt, warum sind Sie immer noch hier? Warum ziehen Sie nicht einfach *um*? Die verrückten alten Schachteln haben dann etwas gesagt wie, "Ich bin seit meinem sechsten Lebensjahr hier und ich gehe nirgendwo hin! Tornado hin oder her." Ich habe sie aus der Bequemlichkeit meines Washingtoner Apartments gesehen, meinen Kopf geschüttelt und ein bisschen gelacht. Aber gerade jetzt in diesem Moment weiß ich, was sie gemeint haben.

"Alex, denkst du, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe? Wegen des Babys?"

"Das hast du, Dana."

Seine Aufrichtigkeit und sein Vertrauen, seine absolute Sicherheit und das Fehlen jeglichen Zögerns sind mir eine große Beruhigung und ich drücke seine Hand ein bisschen fester.

"Es wird alles klar gehen mit uns, Djewotschka. Vertrau mir."

"Das tue ich, Alex. Ich habe nur..."

"Angst?"

"Ja."

"Die habe ich auch. Aber ich denke wirklich, dass wir hier besser aufgehoben sind."

Er berührt meinen Bauch und küsst die Seite meines Halses.

"Wir alle," fügt er hinzu und küsst mich dann auf die Lippen. Bei dem Gefühl von seinem Mund auf meine Lippen höre ich auf zu atmen und das erinnert mich an die Tatsache, dass er mich schon sehr lange nicht mehr auf sexuelle Art und Weise berührt hat. Nicht seit dem ich ihm von der Schwangerschaft erzählt habe. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine immer noch vorhandene Besorgnis wegen Mulder ist oder die fehlgeleitete Angst, dem Baby zu schaden, das ihn auf Distanz hält, aber egal wie, es ist etwas, worüber wir reden müssen. Bald.

Oder vielleicht auch nicht.

Seine Hand vergräbt sich in meinen Haaren und er zieht meine Kopf näher an sich heran, füllt meinen Mund mit seiner Zunge und das ist plötzlich sehr sexuell. Wenigstens für mich.

Aber gerade als ich soweit bin vorzuschlagen, dass wir das irgendwo privat weiterführen, zieht er sich von mir zurück, hinterlässt mich atemlos und glühend und sehr frustriert.

"Der Test," sagt er leicht keuchend.

"Was?"

"Der Test. Es ist Zeit für den Test. Wir müssen gehen."

Der Test. Ich hatte das fast vergessen. Es gibt nichts schlimmeres, als etwas zu vergessen wovor man sich fürchtet und dann plötzlich wieder daran erinnert zu werden.

"Alex, wir müssen uns nicht beeilen. Warum bringen wir das nicht erst zu Ende," schlage ich vor und küsse aufmunternd sein Ohr.

"Ich möchte das hinter mich bringen. Du nicht auch?"

Vielleicht müssen wir es gar nicht tun. Vielleicht ist es egal, wessen Baby es ist und ob es menschlich oder außerirdisch ist. Vielleicht...

"Komm schon. Wir können das später beenden. Ich verspreche es," sagt er, erhebt sich und hält mir seine Hand hin. Widerstrebend ziehe ich mich hoch. Er legt seinen Arm um meine Schultern und flüstert mir zu, dass alles gut wird. Alles wird gut werden.

Ich frage mich, ob selbst er das jetzt noch glaubt.

Ende Kapitel 6

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 Kapitel 7

Im Leben eines jeden Mannes, kommt der Zeitpunkt, an dem er gezwungen ist, der Unsinnigkeit seines Lebens offen ins Gesicht zu sehen, wenn es für ihn keine Pose und keine Verstellung mehr geben kann, wenn sich alles gegen ihn verschwört, um ihm ein für alle mal zu zeigen, wie lächerlich seine Existenz doch ist.

Ich denke, dass Krycek und ich gerade diesen Moment geteilt haben.

Der Nachmittag, der uns an diesen Punkt geführt hat, war lang und höllisch. Krycek war während der Tests bei Scully, aber als es so weit war, die Ergebnisse zu analysieren, wurde er in das behelfsmäßige Wartezimmer am anderen Ende des Flurs geschickt, wo ich schon seit Stunden am Rande einer vollentwickelten Angstattacke gesessen hatte.

Ich bin mir nicht sicher, warum Scully und Roseanne ihn nicht bei sich haben wollten. Ich weiß, dass Roseanne befürchtet hatte, dass es Scully fertig machen würde, uns beide zusammen im selben Raum zu sehen, weswegen sie mir höflich aber entschlossen geraten hatte, während der Prozedur draußen zu bleiben. Als sie vorbei war und sie an der Analyse arbeiteten, wollten sie uns wahrscheinlich beide nicht in ihrem Weg stehen haben, aber immer noch nah genug, um uns sofort zu finden. Niemand schien eine Ahnung davon zu haben, wie lange es dauern würde, Antworten zu finden.

Was auch immer der Grund gewesen ist, ich glaube, dass keiner von uns beiden froh darüber war, zusammen in diesen Raum zu stecken, wo die Stühle klein, aus Plastik, unbequem und zahlreich zu einem nachlässigen Kreis zusammengestellt wurden und die Uhr an der Wand lauter tickt, als jede Uhr, die jemals existiert hat.

Er setzte sich so weit weg von mir, wie irgend möglich, was ihn wegen der bizarren Anordnung der Stühle direkt mir gegenüber platzierte. Das muss ein Klassenzimmer gewesen sein. Wir sind wahrscheinlich die ersten Menschen, die ihn wieder benutzen, seit die Studenten evakuiert wurden.

Der Anstarr-Wettkampf dauerte nur wenige Minuten. Die restliche Zeit haben wir beide andere Punkte von Interesse gefunden. Ich habe die Uhr beobachtet, wie sie sich von drei über vier bis auf fünf bewegte. Er fand einen besonders faszinierenden Punkt auf seinem Schuh. Wir beide sind knurrend hin und her gerutscht, zu groß für unseren Stuhl. Immer mal wieder ist ein Windstoß zum Fenster hineingefahren und hat an der Tür gerüttelt und wir beide haben erwartungsvoll aufgeschaut und gehofft, Roseanne oder Scully zu sehen, haben gebetet, aus unserem Elend erlöst zu werden.

Ich bin zwei Mal gegangen, um die Toilette zu benutzen. Er ging nur einmal.

Ich habe über eine Menge Dinge nachgedacht, während ich wartend in diesem Zimmer saß. Ich dachte über Scully nach, fragte mich, wie sie sich fühlte, was sie dachte, wie sie reagieren würde wenn sie herausstellen würde, dass dieses Kind meines ist. Ich widerstand dem Bedürfnis, mir verdrehte Phantasie Szenarien auszudenken, aber ich hoffte, dass wir in der Lage sein würden, diese Erfahrung mit Freude zu teilen.

Ich dachte über meinen eigenen Vater nach, über meine eigene fragwürdige Herkunft und ich fragte mich, ob er es gewusst hat, wie er sich gefühlt hat, wenn er mich angesehen hat und den Betrug meiner Mutter sah.

Ich dachte an diese Filme und Fernsehserien aus den fünfziger Jahren, wo der Vater auf die Entbindung wartet und glücklich Zigarren an seine Freunde verteilt und ihnen auf den Rücken klopft. Was für eine verrückte, auf dem Kopf stehende Version von dem, was wir hier erleben.

Ich dachte an Roseanne, wie sie sich in mich zu verlieben scheint oder dass sie mich vielleicht schon immer geliebt hat und ich habe es nie gemerkt, weil ich es nicht wollte. Sie ist eine faszinierende Frau, unberechenbar, offen und ausdrucksvoll, obwohl sie in einem Labor erschaffen wurde und ich genieße ihre Freundschaft, ihre Gesellschaft. Ich habe in den letzten Wochen viel Zeit mit ihr verbracht, meisten einfach nur während der einsamen, stillen Nächte in ihrem Zimmer mit ihr geredet und ich war dankbar für diese Zeit. Ich habe versucht, die Blicke und Berührungen zu ignorieren, die Traurigkeit in ihrem Gesicht, immer wenn ich sie verlasse. Ich will nicht, dass sie mich liebt. Ich will nicht, dass sie Dinge von mir braucht, die ich ihr nicht geben kann.

Ich dachte über das unabwendbare Vergehen der Zeit nach. Früher oder später würde das hier zu Ende sein. Früher oder später würde ich zurück in meinem Zimmer sein oder in der Cafeteria, würde die Antwort wissen und auf etwas anderes schauen, als auf Alex Krycek's gelangweilten, steinernen Blick. Aber er war nicht gelangweilt. Es war gespielt, eine Verstellung meinetwegen, genutzt um die Tatsache zu verbergen, dass er sich genau so fühlte wie ich. Unangenehm und ängstlich.

Wir verbrachten genau vier Stunden und zweiunddreißig Minuten in dieser selbst auferlegten Hölle. Ich hätte sicherlich in den Flur hinausgehen können um zu warten, aber vielleicht wollte ein Teil von mir bestraft werden. Vielleicht wollte das auch ein Teil von ihm.

Das erste Zeichen dafür, dass die Neuigkeiten nicht gut waren, kam in Form von Scully's Abwesenheit. Ich hatte erwartet, dass sie diejenige sein würde, die es uns mitteilt, aber als Roseanne in der Tür erschien, mit einem Stapel von Diagrammen und Tabellen in den Händen, war sie allein. Sie war ängstlich und angespannt, eine Frau, die sich in den Löwenkäfig begibt. Ihr Benehmen war das zweite Zeichen dafür, dass nicht alles in Ordnung war.

"Und?" Krycek war der Erste, der etwas sagte. Er war in dem Augenblick auf den Füßen, in dem sie den Raum betreten hatte. Ich bin sitzen geblieben. Meine Knie zitterten zu sehr, als das ich hätte stehen können.

"Na ja..." Roseanne hörte auf und schaute mindestens vier oder fünf Mal zwischen uns hin und her. "Das Baby scheint gesund zu sein."

Das war eine Erleichterung aber ziemlich offensichtlich nicht die einzige Information auf die wir gewartet hatten.

Ich verschränkt meine Finger erwartungsvoll und frustriert. Krycek war nicht so geduldig.

"Und?" bohrte er nervös. Roseanne seufzte zitternd und fummelte mit den Zetteln in ihrer Hand herum.

"Und...Dana ist gesund und die Schwangerschaft sollte nicht allzu kompliziert werden, aber .... da ist etwas...ungewöhnliches."

"Ungewöhnlich?"

"Ja, ich bin...ich habe irgendwie keine Ahnung, wie ich es erklären soll."

Sie begann, ihre Zettel durchzuwühlen, wahrscheinlich, um eine Antwort zu finden, aber die anzusehen schien sie noch mehr zu verstören und sie legte sie schließlich auf den nächstbesten Stuhl.

"Warum fängst du nicht vom Anfang an," empfahl ich, weil ich mich an die Taktik erinnerte, die ich in der Vergangenheit angewendet hatte, um Geschichten aus den Leuten herauszuholen, die mir bei den Fällen begegnet sind.

Krycek rollte seine Augen, offensichtlich nicht daran interessiert, wie es anfing.

"Naja, der Anfang, äh...ich nehme an der Anfang war, als Dana entführt wurde."

"Was hat das damit zu tun?" fragte Krycek und klang ein kleines bisschen verteidigend.

"Unserer Vermutung nach, wurde sie in einen Zustand der Super-Ovulation versetzt, als sie entführt wurde. Ihre Eizellen wurden ihr entnommen und da Frauen in ihrem Leben nur eine endliche Anzahl an Eizellen produzieren können, wurde sie von diese Prozedur unfruchtbar. Wenigstens ist es das, was wir alle dachten."

"Nun, die Tatsache, dass sie schwanger geworden ist, hat diese Theorie ja jetzt auf den Müll befördert," unterbrach Krycek, der von Sekunde zu Sekunde genervter wurde. So nervös ich selbst auch war, war ich doch extrem neugierig, worauf Roseanne damit hinauswollte.

"So erschien es," antwortete sie und schaute Krycek von der Seite an. "Als sie schwanger wurde hatten wir angenommen, dass das Krebsheilmittel irgendwie....irgendwie auch ihre Fruchtbarkeit wieder hergestellt hatte, es bewirkt hatte, dass sie wieder Eizellen produzieren konnte, die von einem von euch beiden befruchtet wurden."

In diesem Moment hatte sie zu mir gesehen, was mein Herz dazu brachte, sich lächerlich zu überschlagen. Für den Bruchteil einer Sekunde war ich mir sicher, dass ich es war.

"Wenn das der Fall gewesen wäre," fuhr sie fort, "würde die DNA des Kindes charakteristische Merkmale zeigen, die der von Dana ähnlich sind und der des ...des Vaters. Also, äh, jedes Kind bekommt die Hälfte seine genetischen Materials von der biologischen Mutter und die andere Hälfte vom biologischen Vater, also wenn wir einen Vaterschaftstest machen, überprüfen wir das Zeug, was zur Mutter passt und vergleichen den Rest mit einer Probe vom potentiellen Vater."

Selbst ich konnte einen leichten Seufzer wegen dieser eingeschobenen Genetik Lektion nicht unterdrücken. Wollte sie es einfach vermeiden, uns die Wahrheit zu sagen? Das Elend hinauszögern und verlängern?

"Na ja, als wir versuchten, das zu tun, stießen wir auf ein kleines Problem. Die, äh, die Sache ist die...das Kind hat... es gibt kein genetisches Material von Dana. Es ist...es ist von euch beiden."

Es wäre eine totale Untertreibung zu sagen, dass diese Nachricht schockierend war. Es wäre eine Übertreibung zu sagen, es war das eigenartigste, was ich je gehört habe.

"Warte mal, was?" fragte Krycek und wedelte mit seiner Hand in der Luft herum wie ein Schiedsrichter. "Was hast du gesagt?"

"Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, Alex. Das Ausschlussverfahren sagt mir, dass es Mulder's Physiologie ist, die die Situation verursacht hat, weil er derjenige ist, der äh...verändert wurde. Ich könnte mir am ehesten denken, dass etwas davon Auswirkung auf seine Spermien hatte und diese sich in diesem Fall wie Eizellen verhalten haben."

Selbst mein Samen ist zu einer X Akte geworden. Wahrscheinlich war das nur eine Frage der Zeit.

"Na ja, das erklärt die Gewichtszunahme."

Glücklicherweise hatte das offenbar keiner der beiden gehört.

"Also, du sagst, das Kind ist.... dass es..."

Krycek quälte sich. Ich machte dumme Witze. Es war eine ringsherum beschämende Szene. Aber irgendwo zwischen all der Entmannung und der Eigenartigkeit, fühlte ich Glück. Freude.

"Es scheint so, als wenn ihr beide die biologischen Eltern des Kindes seid. Dana ist...nun, sie ist in einer ähnlichen Situation wie bei einer Invitrofertilisation. Sie ist die Mutter, aber nicht vollständig."

"Warte. Das ist...das, das kann nicht stimmen. Es gibt keine...das ist lächerlich. Es gibt keine wie auch immer geartete wissenschaftliche Grundlage dafür." Krycek schien dort für eine Weile Scully darzustellen. Abgesehen von der Tatsache, dass ich niemals irgendwelche Adern auf Scullys Stirn hervortreten gesehen habe. "Warum sollten die das tun? Es ergibt keinen Sinn!"

"Alex, du kannst es dir selbst ansehen," bot ihm Roseanne an, während sie nach ihren Listen griff.

"Ich will mir das nicht ansehen! Wo ist Dana?"

"Sie ist spazieren gegangen. Sie wollte eine Weile allein sein. Hör zu, Alex, ich weiß, das ist bizarr, aber ist macht auch wieder in gewisse Weise Sinn. All die Frauen, die sie geholt haben, die Frauen, die sie jetzt als Sklaven halten, sind alle unfruchtbar wie Dana. Wenn sie sie als Brutkästen für ihre Kinder verwenden wollten, *würde* es Sinn machen, eine solche Biologie zu entwickeln. Es ist nur eine kleine Weiterentwicklung der Hybridenprojekte, die wir beide gesehen haben."

"Nein. Das ist nicht...nein. Ich werde nicht- ich werde das nicht glauben, bis ich es von Dana gehört habe."

"Alex, sie..."

Bevor Roseanne sagen konnte "will allein sein," war Krycek beleidigt aus dem Raum gestürmt und hat mich dort gelassen, wo ich jetzt bin, im Angesicht meiner eigenen Mutation. Gezwungen dazu zu erkennen, wie unglaublich lächerlich, verdreht und wundervoll dieses Leben ist. Und ich lache. Gott hilf mir, ich lache tatsächlich.

Ich weiß, dass das eine unpassende Reaktion ist. Ich kann sehen, dass Roseanne um meinen Geisteszustand besorgt ist. Mir ist klar, dass wenn die Realität dieser Situation einsetzt, ich nicht mehr eine einzige verdammte Sache daran amüsant finden werde, aber was kann ich genau in diesem Moment anderes tun?

Ich werde Mutter.

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Wieder in den verfluchten Wald. Warum immer in den Wald? Warum kann sie sich nicht wie ein normaler Mensch verhalten, statt wie eine verdammte Heldin aus einem Märchen der Gebrüder Grimm?

Wohin würde ein normaler Mensch gehen? Nach Hause? Zu einer Freundin? In ihr Büro?

Habe alle diese Ort aufgesucht und auch noch andere. Der Wald ist der einzige Ort, der übrig bleibt und natürlich, da ist sie hingegangen. Dorthin, wo sie *immer* geht.

"Dana!"

Ich habe ihren Namen schon so oft gerufen, dass meine Kehle schon rau ist. Zweige haben blutige Spuren auf meinem Arm und meinem Gesicht hinterlassen. Trotzdem - kann nicht aufhören. Kann nicht aufhören, bis ich sie gefunden habe.

Wo zur Hölle ist sie?

Warum zur Hölle musste sie wegrennen? Alles was sie tun musste war, dort hineinzugehen und mir die Wahrheit zu sagen. Selbst wenn es Mulders ist, ich kann damit leben. Aber Roseanne zu schicken, um mich anzulügen, wie konnte sie das tun? Wie konnte sie mir das antun? Warum?

"Day-nnaaaah!"

"Hier drüben."

Die Stimme ist klein und leise, besonders im Vergleich zu meinem gebrochenen Brüllen und es kommt hinter einem Baum hervor.

Sie hockt auf dem Boden in der Nähe eines Baches und zeichnet mit einem Stock Muster in den Dreck, allein und verlassen und ich fühle mich wie das Biest im Gegensatz zu ihrer Schönheit. Selbst das Rascheln der Blätter unter meinen Stiefeln erscheint mir störend und laut.

"Hier bist du."

Ich möchte wirklich sagen "Warum bist du hier?" aber ich habe ohnehin schon das Gefühl, als hätte ich ihre Trauer unterbrochen und erneuert.

Und sie ist traurig.

Ich dachte, dass ich mit ihr reden müsste, dass ich es nicht glauben könnte - wollte, was Roseanne gesagt hat, bis ich es von Dana selbst gehört habe. Ich war wütend, weil sie nicht da war um es zu bestreiten und mir eine andere Antwort anzubieten. Aber jetzt wo ich sie ansehe muss ich sie nicht fragen, um zu wissen, dass sie es auch glaubt.

"Dana..."

Sie muss die Fragen in meinem Kopf hören, die Verwirrung und die Frustration. Wie kann sie es glauben?

"Es gibt keine andere Erklärung, Alex. Das Baby ist menschlich und gesund, aber ... dieses Baby... es ist noch nicht einmal meins."

Ihr Stimme bricht fast unmerklich und etwas primitives und abscheuliches regt sich tief in meinem Magen. Ich möchte Mulder wieder schlagen und diesmal so lange weitermachen, bis er wirklich tot ist. Ich möchte, dass sie sieht, was er getan hat und wie er unser Leben so völlig verdorben hat, wie ein ganz besonders heimtückischer Virus. Alles, was ich tun kann ist, mich zu übergeben.

Ladungen von widerlichem, ranzig aussehendem Zeug schießen aus meinen Gedärmen und in den Bach und als nichts mehr übrig ist, spüre ich ihre Hand, ruhig und tröstend auf meinem Rücken.

"Schh, Alex, es ist gut. Es ist gut."

Als ich aufgehört habe zu zittern, führt sie mich etwas den Bach hinauf, dorthin wo ich das Wasser nicht verdorben habe und wir knien uns zusammen hin, so dass ich mir den Mund ausspülen kann. Sie nimmt Wasser in ihre Hände und lässt mich daraus trinken.

"Es ist gut," sagt sie wieder, aber ich bin mir diesmal nicht sicher, ob sie zu mir oder zu sich selbst spricht.

Wir sitzen beieinander, lehnen uns aneinander an und starren lange Zeit schweigsam auf das Wasser. Tausende von Fragen und Widersprüchen gehen mir durch den Kopf, tausende von Gründen, warum das nicht wahr sein kann, aber alle verenden auf dem Weg von meinem Gehirn zu meinem Mund. Es ist wahr. Das ist einfach so.

"Es tut mir Leid," flüstert sie schließlich und lässt ihren Kopf auf meinen Arm fallen. Ich möchte nicht, dass es ihr Leid tut. Ich möchte einfach, dass es weg geht.

"Ich verstehe einfach nicht..."

"Ich auch nicht, Alex."

In dem Moment spüre ich Feuchtigkeit durch meinen Ärmel sickern und bemerke, dass sie weint. Natürlich. Natürlich weint sie. Wie konnte mir nicht klar sein, dass sie das tun würde?

Ich hebe ihr Kinn ein bisschen an und versuche, ihr in die Augen zu sehen, aber die sind geschlossen und stumme Tränen rollen an ihren Wangen und Lippen entlang.

"Hey, es ist...weine nicht, Baby. Weine nicht."

"Aber es ist nicht...nicht meins. Ich kann immer noch kein Baby bekommen."

Gott, sie muss die Entdeckung ihrer Unfruchtbarkeit noch mal von vorn erleben. Das ist schlimmer für sie, als es für mich ist. Ich fühle mich auf einmal sehr selbstsüchtig und dumm und schwach.

"Es ist deins, Dana."

"Nein, nein das ist es nicht. Wie kann ich...wie kann ich das schaffen, Alex?"

"Möchtest du es nicht mehr haben?"

Sie bedeckt ihr Gesicht mit ihren Händen und nickt halb und zuckt halb mit den Schultern. Ich bin überrascht, dass mich der Gedanke immer noch erschreckt.

"Na ja, du ...du musst es nicht behalten. Ich meine du könntest immer noch...aber Dana, es ist deins."

"Wie Alex? Wie kann es meins sein?"

Sie öffnet schließlich ihre Augen und die Kombination aus Panik und Wut, die ich in ihr sehe zwingt mich, etwas zu tun, zu verstehen und zu erklären, inwiefern es wirklich ihres ist.

"Es braucht mehr als nur DNA, um ein Baby zu machen. Sie wächst in dir, sie würde ohne dich noch nicht einmal existieren."

Die Argumente bilden sich frisch in meinem Kopf, als ich sie ihr unterbreite. Es ist alles neu für mich, aber es klingt richtig. Es fühlt sich richtig an. Vielleicht ist es nicht das Ende der Welt.

"Es tut mir Leid, Alex," sagt sie wieder. Vielleicht klang das mehr nach einer Anschuldigung, als es beabsichtigt war.

"Das muss es nicht. Ich bin froh, dass sie existiert. Trotz...na ja, wie auch immer, es ist keine völlig schlechte Sache."

Sie schnieft und lacht ein bisschen, wischt ihre Nase mit ihrem Ärmel ab.

"Sieh mich an. Sieh uns an, Alex. Wir sind hinüber. Wie zur Hölle sollen wir das schaffen?"

"Ich denke wir halten uns ganz gut, wenn man die Umstände bedenkt."

Sie lacht wieder, diesmal mit etwas mehr Freude und schüttelt ihren Kopf.

"Es kann sein, dass du damit recht hast."

Ich weiß, dass ich recht habe. Wir sind die stärksten Menschen, die ich kenne. Jeder andere wäre schon vor langer Zeit zusammengebrochen.

"Ich kann nur einfach nicht glauben, dass es diesen Menschen geben soll, diesen kleinen, winzigen Menschen, der ein Teil von dir ist und ein Teil von Mulder, der aus mir herauskommt und in dieser Welt lebt."

Ein weiterer Anfall von Übelkeit überkommt mich, aber ich bringe es fertig, es dieses Mal unter Kontrolle zu halten und ihn wieder zurück in meinen Magen zu drücken. Es macht mich krank, aber zur gleichen Zeit macht es mich glücklich. Es ist eine Kombination, an die ich mich erschreckenderweise gewöhne.

Ich frage mich, ob sie das Geschlecht des Babys herausgefunden haben, ob ich damit recht behalten habe, aber ich habe Angst, dass ich mich geirrt habe und ich mich noch schlechter fühlen würde, es zu wissen. Ein Junge mit Mulders Genen. Was wenn das Baby genau so wird wie er?

"Nur noch sechs Monate," sagt sie zu mir, nimmt meine Hand und legt sie auf ihren Bauch. Sie ist plötzlich melancholisch. Ich bin froh.

"Ist das alles?"

"Ja. Ich kriege sogar schon einen Bauch. Merkst du das?"

"Nicht wirklich. Vielleicht ein bisschen."

Sie drückt meine Hand noch fester auf ihre Haut, ihre warme, weiche, einladende Haut und meine Muskeln ziehen sich unfreiwillig zusammen.

"Ich frage mich, wie dick du wirst," sinniere ich und versuche, mich von der Art, wie sie sich anfühlt abzulenken.

"Dicker als mir lieb ist, bin ich mir sicher."

"Manche Frauen werden überhaupt nicht sehr dick."

Irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass sie nicht eine dieser Frauen sein wird. "Ich bin jetzt schon dicker als mir lieb ist. Allerdings wird dir vielleicht ein Teil davon gefallen..."

Sie bewegt unsere Hände auf ihrem Bauch hinauf zu einer ihrer festen, aber wesentlich größeren Brüste. Die Brustwarze ist hart und sie drückt meine Finger darum zusammen und seufzt.

"Fühlt sie irgendwas anders für dich an?"

Ja. Ja, alles. Ich kann es aber nicht zu ihr sagen. Besonders nicht jetzt.

"Äh...ein bisschen."

Sie klettert plötzlich auf mich drauf und setzt sich, in einem offensichtlich zufälligen Ausbruch sexueller Energie, rittlings auf meinen Schoß. Oder vielleicht ist er auch nicht so zufällig. Ich habe es auch gespürt.

"Es wird...es wird bald dunkel werde," kriege ich fertig zu stammeln, wissend, dass es ziemlich lahm ist, das zu sagen, aber ich bin nicht imstande, mir eine andere Entschuldigung auszudenken.

"Na ja, dann beeilen wir uns besser."

Sie küsst mich mit einer unverhohlenen Leidenschaft, die mich erschreckt und so tief berührt, dass ich mir einen Augenblick lang erlaube zu vergessen, es wirklich als das zu genießen, was es ist und nichts anderes. Aber es dauert nicht lange, bis die Bilder kommen, wie sie es immer tun. Schließlich huste ich ziemlich heftig in ihren Mund.

Sie zieht sich zurück, besorgt.

"Geht es dir gut? Du wirst nicht wieder krank, oder?"

"Ja. Nein. Ich meine...es geht mir gut. Wir sollten wirklich zurückgehen."

"Warum? Hast du eine Verabredung?"

Sie drückt sich gegen mich und bemerke, wie ich hart werde, trotz all meiner gegenteiligen Bemühungen. Ihre Hände sind überall. Auf meinem Gesicht und meiner Brust, in meinen Haaren. Es fühlt sich so gut an, so angenehm. Vielleicht kann ich das tun.

"Komm schon, Baby, ich verspreche, ich erzähle es nicht deiner Frau," flüstert sie witzelnd in mein Ohr, aber die Gewalttätigkeit, die das in mir auslöst, ist überhaupt nicht komisch.

"Hör auf!" fordere ich barsch, wünsche mir verzweifelt, dass es aufhört, dass der Schmerz und die Übelkeit weggeht.

Sie zieht sich abrupt zurück, ängstlich und verwirrt. Die Schlinge liegt fester als sonst um meinen Hals.

"Es...tut mir Leid?" versucht sie, aber sie hat unrecht. Sie hat unrecht. Sie sollte sich nicht dafür entschuldigen. Ich sollte sie sich nicht so fühlen lassen, die Krankheit noch weiter anfachen.

Ich bin der, dem es Leid tut. Mir tut es Leid und ich bin krank und verdreht. Aber ihr zu sagen warum, wäre die ultimativ selbstsüchtigste Handlung. Ich muss das entweder beenden, oder ihr geben, was sie will, selbst wenn das heißt, tiefer in diese selbst geschaffene Hölle zu sinken. Das erste Mal in meinem Leben habe ich ehrlich keine Ahnung, was ich tun soll.

Ende Kapitel 7

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Kapitel 8

Schön, was kann man dazu sagen? Es gibt schlechte Tage und es gibt Tage, die spotten einfach jeder Beschreibung. Tage, die so schlecht sind, dass es dafür keine Worte gibt. Tage, an denen man herausfindet, dass die Möglichkeit besteht, dass kleine graue Männchen dein Zuhause überfallen und niederbrennen werden, jeden töten werden, denn man kennt und gern hat. Tage, an denen man herausfindet, dass das Kind, mit dem man schwanger ist, nicht wirklich das eigene ist, sondern statt dessen das Kind des halb-außerirdischen, weiblichen Mannes, der früher dein Partner war und des halb-verrückten, manchmal Bastards, der dein Ehemann sein sollte oder dein Geliebter oder...oder irgendwas, aber der dich gerade im Moment noch nicht einmal küssen kann, ohne dass es ihn würgt. Es gibt die Tage, für die man sich noch nicht mal die Mühe machen sollte aufzustehen.

"Alex, was ist los?"

Er starrt seit seinem Ausbruch ausdruckslos an mir vorbei, auf irgendeinen entfernten Punkt, als wollte er selbst herausfinden, was dazu geführt hat. Ich bin nicht geduldig genug zu warten, bis er es alles in seinem Kopf aussortiert hat. Ich möchte nicht seine überarbeitete, verdrehte Version hören. Es ist schon lange zu spät für Manipulationen.

"Alex, sag es mir. Sag es mir jetzt. Hör auf, darüber nachzudenken."

"Es...es ist nichts. Es tut mir leid. Wir sollten wirklich zurück gehen."

"Nein. Wir werden nirgendwohin gehen, bis du mir gesagt hast, was mit dir los ist. Du hast mich nicht mehr angefasst, seit wir herausgefunden haben, dass ich schwanger bin. Ich möchte, dass du mir sagst warum."

"Es ist nicht wichtig. Es ist nichts, worüber du dir im Moment Gedanken machen solltest."

Er hat in gewissem Sinne recht. Unsere höchste Priorität sollte es sein, ein Meeting zu organisieren, um die verbleibenden Leute davon zu überzeugen, dass sie die richtige Wahl treffen, wenn sie bei uns bleiben. Zweitens sollten wir herausfinden, warum genau es die richtige Wahl ist. Drittens und bald erstens - das Baby. Wir müssen anfangen, uns auf die Tatsache vorzubereiten, dass ein anderes menschliches Wesen in wenigen Monaten von uns abhängig sein wird. Sex sollte nicht das wichtigste sein, was ich im Moment im Kopf habe.

Es gibt Arbeit zu erledigen, Pläne zu machen. Aber ich weiß nur zu gut, dass wir dazu bestimmt sind, zu versagen, wenn Alex und ich nicht funktionieren, wenn wir nicht völlig als Team funktionieren.

Außerdem bin ich schwanger. Es ist eine allseits bekannte Tatsache, dass schwangere Frauen jede Menge Sex brauchen.

"Du wirst dem Baby nicht weh tun, das weißt du."

"Ich weiß das", nickt er. "Ich habe in der Bibliothek Bücher über Babys gelesen."

"Das hast du?" Der Gedanke sonderbar anrührend, obwohl ich mir sicher bin, dass Doktor Spock nicht viele Erkenntnisse zu unserer speziellen Situation beizutragen hat.

"Ja, ich weiß alles über schwangere Frauen und Sex."

Seine Mundwinkel heben sich ein wenig und er sieht mich endlich an. Ein gutes Zeichen, auch wenn seine Augen schwarz wie Bratpfannen sind.

"Also, was ist es dann?"

"Es ist nur...es ist so blöd, Dana. Ich will dich nicht aufregen."

"Zu spät, Baby."

Versteht er immer noch nicht, dass mich *nichts* mehr aufregt, als wenn er Dinge vor mir verbirgt? Sind wir die zwei am meisten kommunikationsgestörten Menschen in diesem Universum?

"Okay," seufzt er. "Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt."

Ich klettere von seinem Schoß, um ihm ein bisschen mehr Platz zu geben, aber ich lasse meine Hand auf seinem Oberschenkel, um mit ihm verbunden zu bleiben.

"Ich möchte nicht, dass du denkst, dass hätte irgendetwas mit Vertrauen zu tun," beginnt er und ich kann einen winzigen Schauer nicht unterdrücken. Kann eine Unterhaltung, die so anfängt gut enden?

"Oder etwas mit meinen Gefühlen für dich oder mit deiner Wirkung auf mich oder ... oder irgendetwas mit dir."

Ein bizarrer Gedanke taucht in meinem Hirn auf, fast wie ein Deja , als wenn ich das alles schon mal irgendwo gehört hätte. Vielleicht in einem Film. Oder einem Buch. Über...

Nein, das kann nicht sein. Oder? Er stand in der letzten Zeit unter ziemlich großem Stress. Es scheint mir eine dumme Idee zu sein, ihn zu fragen, aber vielleicht würde es für ihn dann leichter sein, es mir zu sagen.

"Bist du, äh... hast du...Probleme...dort?" frage ich vorsichtig und schaue kurz aber gezielt in Richtung seines Schrittes.

"Wovon sprichst du?"

Verdammt. Toller Erfolg. Ich habe wahrscheinlich alles noch hundertmal schlimmer gemacht.

"Ich bin nicht impotent, wenn du das denkst!"

"Okay, okay. Es ist nur... es tut mir Leid. Erzähl einfach weiter. Ich werde dich nicht mehr unterbrechen."

Er atmet tief ein und fängt an, Muster in den Dreck zu zeichnen mit dem gleichen Stock, den ich vorhin verwendet habe. Und dann beginnt er zu sprechen.

"Ich habe nur...ich habe ein paar Schwierigkeiten. In meinem Kopf. Ich denke es fing an, als du mir von Mulder erzählt hast."

Natürlich. Das war die einzige andere Möglichkeit.

"Es ist aber nicht das, was du denkst. Es geht nicht darum, dass ich wütend auf dich bin oder deine Gefühle für mich bezweifle. Es ist nur, dass ich seit diesem Tag, jedes Mal wenn ich versuche, an dich auf ... auf sexuelle Weise zu denken, Probleme habe, irgendetwas anderes zu sehen. Selbst wenn ich mir einen runterhole. Am Anfang versuche ich, an etwas anderes zu denken, aber es läuft immer wieder darauf hinaus."

Oh Gott, er hat recht. Es ist nicht das, was ich annahm. Es ist viel schlimmer. Mit Wut hätte ich viel besser umgehen können. Über Zorn kann man hinwegkommen und ihn vergessen. Aber wie löscht man Bilder aus dem Kopf von jemandem?

"Ich habe einfach Angst, dass das alles sein würde, was ich sehe, wenn wir uns lieben und ich die Augen schließe und dass ich mich einfach daran gewöhne und dass du einfach ... dazu wirst."

"Oh, Alex... ich ... es tut mir so leid."

"Es ist nicht deine Schuld. Es ist mein Problem."

"Nein, es ist unser Problem. Und ich hätte wissen müssen, dass es das sein würde. Es war dumm von mir, zu glauben, dass es dich nicht auf diese Weise belasten würde. Dass du augenblicklich vergeben und vergessen würdest."

Und jetzt, mit dem Baby, wie wird er jemals in der Lage dazu sein können, darüber hinwegzukommen, wenn diese ständige Erinnerung uns jeden Tag begleitet?

"Ich habe dir verziehen, Dana. Ich habe dir gesagt, es hat nichts damit zu tun. In gewisser Weise ist es eigentlich wirklich eine gute Sache, dass du es getan hast. Wenn du es nicht getan hättest, hätten wir jetzt kein Kind."

Ich kann ein Lachen unter meinen Tränen nicht unterdrücken. Er hat diese Gabe, meine negativen Gedanken umzukehren und sie zu etwas Positivem zu machen.

Selbst wenn er durch seine eigene persönliche Hölle geht.

"Okay, du hast vergeben. Aber du hast nicht vergessen, Alex."

Ich drücke leicht sein Bein und er bedeckt meine Hand mit seiner.

"Ich möchte es."

"Dessen bin ich mir sicher."

"Ich weiß nur nicht wie, Dana."

Ich weiß das auch nicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nichts gibt, was ich tun kann. Es scheint mir so, als wäre es der beste Weg, die Sache einfach frontal anzugehen, aber das zu empfehlen, scheint mir der falsche Ansatz zu sein. Das letzte, was er jetzt brauchen kann, ist sich unter Druck gesetzt zu fühlen.

Warum fühle ich mich plötzlich wie ein geiler pubertierender Jüngling, der versucht, seine neue Freundin zum Knutschen auf dem Rücksitz zu überreden?

Weil ich geil bin, verdammt. Gottverdammt noch mal.

Bedauernswerterweise lässt der Gedanke daran, dass dieser Tag ohne Sex enden wird, Tränen der Enttäuschung in meine Augen steigen.

Ich spüre, wie er nach meinen Fingern greift und meinen Namen sagt, aber das alles scheint auf einmal weit weg zu sein. Der Klang seiner Stimme wird von dem Brüllen des Ozeans in meinen Ohren übertönt. Seine Berührung wird abgeschwächt von dem aufdringlichen Pulsieren zwischen meinen Beinen, dem Verlangen nach mehr.

Alles was ich will, ist ein kleiner Quickie. Warum muss das bei uns so verdammt kompliziert sein?

"Djewotschka? Geht es dir gut?"

Ich nicke kurz und wische mir über das Gesicht, versuche in die Realität zurückzukehren und mich daran zu erinnern, wo wir in unserer Unterhaltung stehen geblieben waren. Ein kurzer Blick in seine Augen ist alles, was ich brauche, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist.

"Es...es geht mir gut, Alex. Ich bin nur...ich weiß nicht, ob es dir möglich ist zu vergessen. Wenn es das ist, wird es Zeit brauchen. Vielleicht sehr lange..."

Ich höre auf und starre auf unsere Hände, die nun ineinander verflochten sind und mir fällt etwas sehr wichtiges auf. Etwas, an das ich bis jetzt gar nicht so richtig gedacht hatte. Und es kommt so plötzlich über mich, dass ich eine Weile atemlos bin.

Ein kleiner Quickie ist tatsächlich nicht alles, was ich will. Genaugenommen ist er ganz unten auf der Liste, wenn es hart auf hart kommt, egal was mein Körper sagt. Oder schreit.

"Aber Alex, du könntest...du könntest mir sagen, dass es unser ganzes Leben dauern würde und es würde nicht eine Sache ändern. Es würde keine Rolle spielen. Ich meine, das würde es. Es würde mich sehr traurig machen, sehr äh...frustrieren, aber ich würde das hier deswegen nicht weniger wollen."

"Was wollen?"

"Uns. Zusammen. Eine Familie. Ich...ich kann ohne den Sex leben, wenn das bedeutet mit dir zu leben, dieses Kind mit dir großzuziehen. Das ist alles, was ich will, Alex. Es ist alles, was ich brauche."

"Willst du mir sagen, dass es dir egal ist, wenn wir nie wieder Sex haben?"

"Nein, nein, es ist mir nicht egal. Ich möchte es. Aber ich lebe lieber ohne Sex als ohne dich. Ich nehme an...ich nehme an, was ich sagen will ist, dass du bereits mein Leben bist, mein alles. Sex ist nur der Zuckerguss auf der Torte."

Er lächelt und legt seinen Arm um meine Schultern, zieht mich an seine Brust und drückt mich so fest an sich, dass es fast weh tut. Als er wieder spricht ist seine Stimme rau und tränenerstickt.

"Ich fühle auch so, Dana. Aber, mein Gott, ich will mit dir schlafen."

Wir beide lachen amüsiert und bestürzt.

"Es tut mir so leid, Alex. Ich wünschte, ich könnte dafür sorgen, dass das von dir weggeht," flüstere ich in sein Hemd. "Aber das kann ich nicht. Verstehst du?"

"Ich weiß. Ich weiß, dass du das nicht kannst. Deswegen wollte ich es dir erst gar nicht erzählen."

"Ich bin froh, dass du es getan hast. Jetzt verstehe ich es wenigstens."

Wir trennen uns widerwillig voneinander. Es wird jetzt wirklich dunkel. Und sehr kalt. Es ist Zeit zu gehen.

"Bringst du mich nach Hause, Captain?"

Ich stehe auf, strecke meine Hand aus und er nimmt sie und erhebt sich langsam auf seine Füße.

Als wir zum Camp zurücklaufen, Arm in Arm, bin ich eigenartigerweise, unpassenderweise aber ganz ehrlich zufrieden.

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Ich nehme an der Schein kann trügen, aber ich muss sagen, dass Dana im Moment friedvoller aussieht, als ich sie je gesehen habe.

Selbst im Schlaf sieht ihr Gesicht oft gequält aus, voller Sorgenfalten und zerfurcht von den Gedanken aus ihren wachen Stunden, ihr Körper in eine Verteidigungshaltung zusammengerollt. Heute nacht sind ihre Wangen rosig und weich wie die eine Babys, ein kleines Lächeln zupft an ihren Mundwinkeln und sie hat ihre Arme und Beine achtlos quer über das Bett von sich gestreckt.

Ich bin versucht, sie unbedeckt zu lassen und den Rest der Nacht damit zu verbringen, ihre glühende nackte Haut anzusehen, aber diese Haut wird langsam zur Gänsehaut. Es fängt langsam wieder an, nachts kalt zu werden.

Ich ziehe die Decke hoch, wickle uns beide hinein und schmiege mich an sie. Sie seufzt im Schlaf und schlingt einen Arm um meinen Hals.

Ja, hier ist Frieden. Es ist schwer zu verstehen warum, wenn man den Tag bedenkt, den wir hinter uns haben, aber ich wiege mich in dem Glauben, es hätte etwas mit meinen unglaublichen sexuellen Kräften zu tun. Oder etwas derartigem.

Es dauerte nur eine relativ kurze Zeitspanne, bis ich das volle Ausmaß meiner Idiotie erfasst hatte. Es hat mich ganz besonders heftig in dem Moment getroffen, als wir Arm in Arm aus dem Wald nach Hause gelaufen sind.

Die meiste Zeit meines Lebens scheint in einem Nebel aus Erwartungen an mir vorbeizuziehen. Ich verbringe fast all meine Zeit damit, zwei Schritte vor mir selbst zu stehen, planend, erwartend, immer vorwärts schauend. Aber an einem Punkt während dieses Spaziergangs schien meine innere Uhr stillzustehen. Oder wenigstens ein bisschen langsamer zu gehen. Morgen und der Tag darauf schienen zu verschwinden, genauso wie Gestern und der Tag davor. Ein paar gesegnete Momente lang waren Dana, ich und die Bäume alles, was existierte, alles was zählte.

Es wurde mir klar, dass ich trotz allem sehr viel Glück habe. Ich habe Glück, noch am Leben zu sein. Glück, ein Kind zu bekommen. Glück, dass sich die Frau, die ich liebe, dazu entschlossen hat, mit mir zusammen sein zu wollen, in guten und nicht so guten Zeiten. Sich an den Ereignissen einer einzigen Nacht hochzuziehen, erschien mir plötzlich absurd im Angesicht all dessen, was wir gemeinsam durchgemacht haben.

Ich blieb stehen, erschrocken über die Klarheit meiner eben gewonnenen Erkenntnis und Dana sah mich besorgt an.

"Was ist los, Alex? Ein Kojote?"

"Nein, nein. Es ist nur...das ist lächerlich, Dana. Ich möchte mit dir zusammen sein. Ich möchte mit dir schlafen."

Sie lächelte ein wenig und nickte, nicht verstehend.

"Ich weiß. Ich bin da, wann immer du bereit dazu bist, Alex."

"Ich bin jetzt bereit."

Ehrlich, ich war mir nicht ganz sicher, aber auf den besonderen ‚richtigen Moment' zu warten, erschien mir immer mehr wie pure Dummheit. Dieser Moment würde nie kommen, wenn ich nicht dafür sorgen würde und ich habe schon viel zu lange gewartet. Zu hören, dass sie für immer warten würde, hat mich das erkennen lassen.

Uns beiden das zu verweigern wäre wesentlich qualvoller, als für den Rest meines Lebens mit den verdrehten Bildern zu leben.

"Jetzt sofort?" fragte sie. Ich habe sie am Hinterkopf gepackt und sie zu einem Kuss an mich gezogen um ihr zu zeigen, ja, ich will sie jetzt sofort.

Ihr Lippen öffneten sich sofort für mich und als meine Zunge zart die Rückseite ihrer Kehle berührte, wurden mir durch ihr Stöhnen buchstäblich die Knie weich. Ich war fast augenblicklich hart.

Und sonderbarerweise kamen die Bilder nicht. Es half, meine Augen geöffnet zu halten.

"Ich denke, ich bin das Ganze völlig falsch angegangen", flüsterte ich in ihr Ohr. "Ich brauche einen neuen Ansatz."

"Mmm, klingt interessant. Was schwebt dir vor?"

Ich zog mich zurück und nahm ihr Kinn in die Hand, sah ihr lange in die Augen und spürte zum wiederholten Male die Macht unserer Verbundenheit.

"Ich muss aufhören, die Augen zu schließen und dich mir vorzustellen und einfach ... einfach meine Augen öffnen und dich ansehen, hier, mit mir."

"Ich bin hier, Alex. Für immer."

Mehr als alles andere wollte ich sie einfach an den nächsten Baum drücken und mich in ihr vergraben, aber wir waren immer noch mitten im Wald und wegen der schnell aufziehenden Dunkelheit und dem Fehlen einer Taschenlampe, mussten die Bedürfnisse hinter der Erfordernissen zurückstehen.

"Wer zuerst da ist", flüsterte sie leichfertig in meinen Mund. Sie war schon zwanzig Meter vor mir, bevor ich fragen konnte, ob das eine gute Idee wäre. Sie blieb die ganze Zeit vor mir, aber ich konnte ihr Lachen zu mir schallen hören also nahm ich an, dass es sicher sei.

Als ich es ins Zimmer zurück geschafft hatte, keuchend, überhitzt und mich fragend, ob ich wirklich in so einer guten Kondition sei, wie ich immer geglaubt hatte, saß sie auf dem Bett, völlig nackt und mit normaler Atmung.

"Wie hast du das gemacht?" fragte ich, wischte mir dabei massenweise Schweiß von der Stirn und betete, dass ich jetzt zu mehr fähig wäre, als einfach zusammenzubrechen.

"Muss an diesen Hormonen liegen," grinste sie.

Sie sah so wunderschön aus. Es war das erste Mal, dass ich es mir gestattete, sie so anzusehen, nackt und schwanger und strahlend, und das raubte mir das bisschen Atem, das ich noch übrig hatte.

Sie erhob sich auf ihre Knie und ich drückte ihren weichen, heißen Körper an mich. Ob es die Hormone waren oder einfach nur ein bisschen Übertreibung um meinetwillen weiß ich nicht, aber ihre normalen Reaktionen auf meine Berührungen waren irgendwie vervielfacht. Jeder Kuss und jedes Streicheln entlockte ihr übermäßiges Stöhnen und Schreie des Vergnügens, deren Authentizität mein Verstand in Frage stellte, aber in denen mein Körper schwelgte. Ich habe sehr ernsthaft versucht, meinen Verstand auszuschalten.

Es hat eine Weile funktioniert. Als sie anfing, an meine Sachen zu reißen, brach ihr glaubhafter, ungezügelter Enthusiasmus durch meine Zurückhaltung und erreichte den Teil von mir, der auf sie auf einer rein instinktiven Ebene reagiert.

Wir haben ein bisschen so weiter gemacht, berührend, schmeckend, Empfindungen neu entdeckend, die schon lange im Stich gelassen wurden. Ich küsste mich auf ihrem leicht gerundeten Bauch nach unten und spürte etwas neues. Die Lebenskraft in ihr, die nicht existieren sollte, es jedoch tut. Den winzigen Menschen, den wir genau durch diesen Akt erschaffen haben.

Erst als ich mein Gesicht zwischen ihren Beinen vergrub, erst als ich das erste Mal seit wir begonnen hatten meine Augen schloss, erinnerte ich mich daran, dass wir nicht die einzigen waren, die dieses Leben erschaffen haben.

Im Nachhinein kommt es mir idiotisch vor, aber das sind wohl die meisten mentalen Probleme. Sobald ich sie nicht mehr ansah, kamen die Bilder wieder. Schlimmer als sonst, weil ich sie hören konnte. Stöhnend. Plötzlich war ich es nicht mehr, der sie das fühlen ließ, es war Mulder.

Aber sie war immer noch sie und ich war immer noch erregt. Genau das, wovor ich Angst gehabt hatte.

Ich versuchte sie wieder anzusehen, aber da war es schon zu spät. Sie hatte sich aufgesetzt, gegen das Kopfende gelehnt, ihre Lippen geöffnet und Hände in meinen Haaren vergraben, mich weiter antreibend. Sie war ein Anblick für die Götter, so viel ist sicher. Das Problem war, ihre Augen waren jetzt geschlossen und die kleine Saat der Unsicherheit wuchs in mir zu unglaublichen Ausmaßen. Ich fragte mich, ob ihre Gedanken ebenfalls woanders wären.

Widerwillig - und ich war widerwillig, weil es verdammt nett war - hörte ich mit dem auf, was ich getan hatte und verursachte bei ihr ein frustriertes Brummen.

"Alex....Gott, was ist los?" keuchte sie.

"Sieh mich an."

"Mmmwa?"

"Öffne deine Augen und sieh mich an."

Sie hat es getan. Und ich habe sie ebenfalls angesehen. Und es war, um es mal erbärmlich sentimental auszudrücken, völlige Magie. Plötzlich war es nicht mehr mein Verstand und mein Körper. Es war nur mein Herz. Und meine Zunge.

Wir beobachteten einander, bis sie die Schwelle des Orgasmus erreichte und zu diesem Zeitpunkt informierte sie mich atemlos, "Ich muss jetzt die Augen zumachen."

Während sie kam, rief sie ungefähr zwanzig mal meinen Namen, um das wieder gutzumachen.

Als sie dann auf mir war und sich in einem langsamen, schwachen Rhythmus bewegte, hat es keine Rolle mehr gespielt, dass unsere Augen offen waren. Der letzte Rest meiner Unsicherheit war von ihrer Aufrichtigkeit besiegt worden. Aber ich habe es genossen, ihr dabei zuzusehen, wie sie mir zusieht. Und ich denke sie hat es auch genossen.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie wieder kam - ein Orgasmus, der uns beide mit seiner Intensität und Geschwindigkeit erschütterte.

"Oh Gott, Sex in der Schwangerschaft ist großartig!" teilte sie mir glücklich mit, als das Beben vorbei war und sie dann damit weitermachte, mich härter und schneller zu reiten, als ich es für menschenmöglich gehalten hätte. Ich musste ihr zustimmen.

Ich versuchte auszuhalten, aber es war schon verdammt lang her, seit ich mir überhaupt einen runtergeholt hatte und sie war einfach erstaunlicher, als man es beschreiben könnte. Glücklicherweise hatte sie noch eine letzte Explosion vor meiner in sich.

Als es vorbei war, rollte sie sich von meinem Körper, streckte sich auf dem Rücken flach auf dem Bett aus.

"Das war so ... oh Gott, Alex, das hat sich so gut angefühlt."

"Uh-huh," war alles, was ich antwortähnliches zustande bringen konnte.

"Mein Gott, es ist als wenn alles einfach so ... ich habe einfach das Gefühl, als wenn alles ... es ist einfach wirklich intensiv."

"Ja." Zugegeben. Ich bin nicht der redseligste post-koitale Gesprächspartner.

"Wie geht es dir, Alex? War es...ich meine, geht es dir gut?"

"Sehr. Sehr gut."

Sie hat gelächelt und mich zart geküsst und dann ist sie schnell in einen herrlichen, festen Schlaf gefallen. Und sie schläft immer noch. Ich glaube, dass ich ihr bald Gesellschaft leisten kann.

Vielleicht der Schlaf der Verdammten, aber warum sollten wir uns beklagen? Wie haben unser Leben und unsere Liebe und wir erwarten ein Kind. Alles andere sind nur Hintergrundgeräusche.

Ende Kapitel 8

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Kapitel 9

22. Oktober 2006

Geburtstag ist für mich ein ebenso fremdes Konzept, wie es Liebe einst war.

Vor ein paar Wochen war Mulders Geburtstag und als er mich ich bei einem Festessen nach meinem Geburtsdatum fragte, bemerkte er seinen Fehler fast augenblicklich. Ich wurde nicht geboren. Ich wurde erschaffen, zum Leben erweckt von skrupellosen Wissenschaftlern, an einem Tag, den zu notieren sich niemand die Mühe gemacht hatte. Nein, das stimmt sicher nicht. Es gibt sicher Aufzeichnungen, aber ich war nie berechtigt, diese einzusehen. 

Mulder fand das Fehlen meines Geburtstages unaussprechlich traurig, was mich unaussprechlich glücklich machte und so entschieden wir, dass heute, der 22. Oktober, mein Geburtstag wäre. Er sagte, dass würde mich zu einer Waage machen, wie er einer wäre und das schien mir richtig zu sein. Ich bin mir immer noch nicht sicher, was das bedeutet, aber es klang damals gut. Alles, was uns einander näher bringt, ist etwas Gutes.

Also war heute mein Tag. Wir wollen all das tun, was ich gern tun wollte, aber alles, was ich tun wollte, war in meinem Zimmer zu sitzen und sein Gesicht anzustarren. Ich nehme an er dachte das sei nicht gut genug, weil er mich zu einem Spaziergang im Wald eingeladen hat und mir ein paar Geistergeschichten erzählt hat, von denen er behauptet, sie seien wahr. Er konnte nicht die passenden Zutaten für einen Kuchen finden, aber er hat es fertiggebracht, mir einen albernen Papierhut zu basteln. Und dann sind wir in mein Zimmer zurückgekommen und er hat mir dich geschenkt. 

Du bist ein altes, mit Drähten gebundenes Notizbuch, auf dessen Einband getrocknete Blätter und Blüten geklebt sind. Du bist ein Tagebuch und hast die Besonderheit, das einzige Geburtstagsgeschenk zu sein, das ich jemals bekommen habe.

Obwohl du ziemlich schön bist, verwirrt mich deine Existenz. Ich habe ihn gefragt, wozu du nützlich bist.

"Es ist ein Tagebuch", hat er gesagt. "Dort kannst du alle deine Gedanken und Gefühle niederschreiben."

Ich habe nicht verstanden, warum ich diese Dinge schreiben soll, wenn ich schon jeden Tag damit lebe, aber er sagte mir, dass es ein gutes Gefühl sein würde.

Und wenn nicht, dann wäre es eine Chronik.

"Möchtest du nicht, dass zukünftige Generationen erfahren, was wir hier getan haben? All die Arbeit, die du getan hast und all die Dinge, die du erreicht hast?", fragte er. Geschichte. Er wollte, dass ich unsere Geschichte schreibe.

Unglücklicherweise werden meine Hoffnungen, dass eine künftige Generation existieren wird, ganz zu schweigen davon, dass sie das lesen wird, jeden Tag geringer. 

Danas Schwangerschaft scheint gut zu verlaufen. Darin liegt Hoffnung. Aber in jeder anderen Sache die passiert liegt eine fast greifbare Bedrohung.

Also, künftige Generation, wenn du irgendwo dort bist - lass mich dir sagen, dass du verdammt viel Glück hast.

Wir haben im letzten Monat noch mehr Leute verloren. Dieser schreckliche alte Mann mit dem britischen Akzent, der Mann, der uns eigentlich "helfen" sollte, hat schließlich mehr als die Hälfte der hier lebenden Leute davon überzeugt, Alex den Rücken zu kehren und seiner Gruppe beizutreten. Sie mussten zwei unserer Laster stehlen, um alle hier weg zu bekommen.

Alex hat eine Bitte an sie gerichtet bevor sie gegangen sind, hat versucht sie davon zu überzeugen, dass sie hier besser dran sind, mit den Menschen, die sie kennen und die sie angefangen haben zu mögen, an dem Ort, der ihr zu Hause geworden ist. Es hat nichts genützt. Gegen Massenpanik kann man schwer argumentieren.

Also sind sie gegangen, haben unsere Gesamtzahl auf lächerliche einhundertundzwei gedrückt. Alex hat fast alle seiner Komiteeleiter verloren und die meisten der Komitees. Wir werden immer weniger, niemals mehr. 

Die Menschen, die hier bleiben, bleiben aus zwei Gründen. Entweder sind sie wie ich und Brian, Alex gegenüber aus welchen Gründen auch immer loyal, oder sie haben völlig aufgegeben und denken, dass sie sowieso bald sterben werden und sie deswegen genauso gut hier bleiben können. Die letztere Gruppe ist wesentlich größer. 

Die Moral ist so niedrig wie noch nie. Manchmal habe sogar ich das Gefühl, dass es sinnlos ist, für die Zukunft zu planen, weil wir niemals dort ankommen werden.

Die Stimmung ist traurig an meinem Geburtstag, aber das hat mich nicht davon abgehalten, ihn zu genießen. Dank Mulder weiß ich jetzt ein bisschen mehr über Liebe und über Geburtstage. Ich denke, dass ist die einzige Geschichte, die ich heute zu dokumentieren habe.

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4. November

Heute hat jemand meine Schuhe gestohlen.

Ich bin mir nicht sicher, ob es das ist, was Mulder mit Geschichte dokumentieren meinte, aber es scheint mir irgendwie wert, darüber zu schreiben.

Ich hatte sie nur ein paar Minuten lang ausgezogen. Das Wasser war tagelang abgeschaltet gewesen und ich hatte schon seit einer Ewigkeit nicht mehr geduscht. Ich stand im Badezimmer meiner Unterkunft, schaute mich im Spiegel an und fragte mich, ob ich jemals altern würde, ob meine Haare auch grau werden würden, wie die von Mulder, oder ob ich immer so aussehen würde, bis ich eines Tages sterbe.

Aus irgendeinem Grund begann ich geistesabwesend mit dem Wasserhahn zu hantieren und zu meiner großen Überraschung kam Wasser heraus. Aufgeregt und unsicher darüber, wie lange das Glück andauern würde, sprang ich so schnell wie ich konnte unter die Dusche.

Es war die kälteste, kürzeste Dusche meines Lebens und als ich rauskam, mich abtrocknete und meine Sachen wieder anzog, waren meine Schuhe weg. 

Irgendjemand hat meine verdammten Schuhe geklaut. Ich habe nur ein Paar.

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5. November

Mulder hat mir ein neues Paar Schuhe besorgt. Stiefel, um genau zu sein. Ich weiß nicht, wo er sie her hat und ich will es auch nicht wissen. Ich fürchte, wenn ich ihn frage wird er mir sagen, dass er sie von jemand anderem gestohlen hat.

So ist es jetzt hier.

Es ist so kalt in meinem Zimmer. In einem Monat oder so wird der Schneefall einsetzen und die Heizung funktioniert nur an zwei Tagen in der Woche. Es wird ein schlimmer Winter werden. Wenn das so weiter geht, werden die Leute bald anfangen zu sterben. Aus Unterkühlung oder Hunger, oder einfach aus Elend, wenn uns die Aliens nicht vorher in die Finger bekommen.

Ich habe heute mit Dana gesprochen. Sie macht sie Sorgen. Über alles. Sie sagt, dass sie mit Alex über die Probleme gesprochen hat, dass er sein Bestes tut und ich weiß, dass es so ist, aber manchmal denke ich, das ist nicht gut genug. Ich weiß, dass er mehr Hilfe braucht, als er erbittet.

Sie sieht allerdings gut aus. Gesund. Wenigstens kümmert er sich um sie.

Ich wünschte, dass Mulder hier wäre. Er ist letzte Nacht bei mir geblieben. Er hat seine Decke mitgebracht und wir haben sie zu meinem Stapel hinzugefügt, uns darunter zusammen gekuschelt und uns gegenseitig warm gehalten. Na ja, das war es zumindestens, was er getan hat. Ich mag weniger edle Motive gehabt haben. 

Heute nacht arbeitet er allerdings. Wachdienst. Ich frage mich, ob er auch wie ich denkt, dass wir uns alle voreinander beschützen sollten, anstatt vor äußeren Eindringlingen.

Die Nächte, in denen er bei mir bleibt, sind die einzige Sache, auf die ich mich noch freue.

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25. November

Heute ist Thanksgiving. Wir haben hier keine Truthähne. Nur magere Hühnchen, die schon halb tot sind, bevor wir sie überhaupt essen. Trotzdem denke ich, dass wir für einiges dankbar sein sollten. Wir sind immer noch am Leben.

Ich habe Mulder heute nach dem Abendessen geküsst. Ich denke nicht, dass ich ihn damit allzu sehr erschreckt habe. Er ist nicht fortgelaufen, wie ich es erwartet hatte. Er hat meinen Kuss sogar erwidert. Aber nur ein bisschen. Und obwohl er heute nicht arbeitet, ist er nicht bei mir geblieben.

Manchmal wünschte ich, ich könnte mich mit jemandem über ihn unterhalten, darüber, was ich fühle, aber es gibt niemanden. Der einzige Mensch, der verstehen würde und mir annähernd so etwas wie einen hilfreichen Rat geben könnte ist Dana. Ich kann nicht mit Dana reden. Nicht darüber.

Ich denke es macht mich einfach wütend und ich möchte nicht auf Dana wütend sein. Tatsache ist, dass sie ein großer Teil des Problems ist und es scheint einfach nicht fair zu sein.

Wie kann er sie immer noch lieben? Warum? Sie hat schon jemanden, der sie liebt. Warum sollte sie zwei haben, wenn ich niemanden habe?

Ich habe ihn einmal gefragt, wie es ist, verliebt zu sein. Er sagte, "Es ist wunderbar und es ist schrecklich. Es ist so, als wenn dieser Mensch das wichtigste auf der ganzen Welt ist und du nichts mehr willst, als ihn glücklich zu machen. Es ist so, als wenn du alles geben würdest, um nur eine Minute mit ihm zu verbringen."

Da habe ich erkannt, dass ich ihn liebte und dass er immer noch in sie verliebt war.

Hin und wieder denke ich, dass er vielleicht in der Lage wäre, mich auch zu lieben. Manchmal vielleicht, aber wohl nicht heute Abend.

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13. Dezember

Heute ist jemand erstochen worden. Während eines Streites um eine Decke. Zu müde und zu kalt, um mehr zu schreiben.

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19. Dezember

Morgen ist ein großer Umzug. Alex hat entschieden, dass es das beste wäre, wenn wir alle von nun an im gleichen Gebäude wohnen, um Ressourcen zu sparen.

Wir sollten wenn möglich zu zweit ein Zimmer bewohnen. Es ist eine gute Idee, aber ich fürchte, es ist ein bisschen zu wenig und ein bisschen zu spät.

Er versucht es. Das tut er wirklich, aber es wird so schwer. So angsteinflößend. Und er kann sich nicht vollständig für uns aufopfern, so wie er es früher getan hat. Nicht mit Dana, die im siebten Monat schwanger ist und so viel von ihm für sich braucht.

Jedenfalls werden Mulder und ich von nun an ein Zimmer teilen. Es war seine Idee, was mich überrascht und sehr glücklich gemacht hat.

Vielleicht werde ich bald mal wieder versuchen, ihn zu küssen.

Was auch kommt, ich werde mich sicherer fühlen, wenn er immer bei mir ist.

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26. Dezember

 Weihnachten war besser als erwartet. Mulder und ich haben die Cafeteria geschmückt und ein paar von den Küchenleuten haben es fertiggebracht, zur Abwechslung ein ziemlich ordentliches Essen zusammen zu bringen. Es gab genug Essen für jeden und es gab keinen Streit. Abends hat es angefangen zu schneien, aber nur ein bisschen. 

Ich habe mir ein Kleid genäht. Es war weiß und sah irgendwie einer Toga ähnlich, aber ich denke Mulder mochte es. Ich habe ihn dabei erwischt, wie er mindestens zwei Mal während des Essens auf meine Brust gesehen hat.

Dana sah hervorragend aus, obwohl gigantisch. Ich denke sie hat mehr als jeder andere gegessen, aber keiner hat sich beschwert. Ich habe mitbekommen, wie Alex zu ihr gesagt hat, "Mein kleines Mädchen ist gar nicht mehr so klein." Es würde mich nicht überraschen, wenn er später dafür ein paar hinter die Ohren bekommen hätte.

Wahrscheinlich macht sie Mulder Sorgen darum, was passieren wird, wenn das Baby geboren ist. Ich muss zugeben, dass ich das auch tue, aber aus anderen Gründen. 

Er möchte diesem Kind ein Vater sein, ein richtiger Vater mit allen Rechten und allen Pflichten und obwohl Dana sicher keine Probleme mit seiner Beteiligung haben wird, sind die Konflikte mit Alex abzusehen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt schon mal miteinander darüber gesprochen haben, wie das funktionieren soll.

Mulder scheint das zu sorgen. Mich nicht. Ich glaube mehr an Alex, als es Mulder tut und ich glaube, dass er letzten Endes das tun möchte, was für sein Kind am besten ist. Außerdem kann ihn Dana zu allem überreden.

Was mich mehr bedrückt, ist die Situation, in der das Baby hineingeboren wird. Nicht zwischen den dreien, sondern an diesem Ort, dieser Welt. Als wir die Schwangerschaft entdeckt haben, konnte ich nicht fassen, was sie in Erwägung gezogen hat. Ich konnte es nicht verstehen. Jetzt tue ich das glaube ich. Ich habe Angst um dieses Baby, dieses kleine unschuldige Leben, mit so viel Potential. Was für eine Existenz können wir ihm bieten? Wie werden wir es beschützen können, wenn wir uns selbst kaum beschützen können?

Ich beginne mich zu fragen, ob es vielleicht besser gewesen wäre, die Schwangerschaft zu beenden, als sie die Chance dazu hatte.

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5. Januar

Es gab eine Zeit, in der ich Führungspersönlichkeiten uneingeschränkt vertraut habe. Als die Tatsache, dass jemand der 'Chef' war bedeutet hat, dass er ohne jeden Zweifel Recht hatte. Als ich in der Zeit davor mit den anderen zusammenlebte, hatten die Ärzte das Sagen. Sie sagten uns wohin wir gehen, wie wir aussehen, uns benehmen und sprechen sollten. Wir haben auf sie gehört, weil sie sich um uns gekümmert haben, aber auch, weil wir es nicht besser wussten. Wir wussten nichts von einer Alternative. 

Als die Kolonisation begann, sah ich zu, wie meine Schwestern geopfert wurden, eine nach der anderen, für die Sache. Ich sah, wie sie sich willig in die Hände der Kolonisten begeben haben, weil es ihnen die Ärzte so befohlen hatten. Ich habe meine ganze Familie verloren, weil keine von ihnen wusste, wie man nein sagt, wie man die Autorität der Männer in Frage stellt, die uns geschaffen haben. Durch eine einzige Sache entging ich diesem Schicksal; Alex Krycek.

Er hat mich gerettet, genauso, wie er Dana gerettet hat, obwohl sicherlich aus eigennützigeren Gründen. Er brauchte mich, eine Wissenschaftlerin, einen Klon, jemanden, mit umfassendem Wissen über das Projekt. Bald wurde er auch ein Chef, aber eine andere Sorte Chef, als es die Ärzte waren. Er gab mir Arbeit und er gab mir einen Grund zum Leben, und er gab mir auch die Freiheit. Die Freiheit des Gedanken und des Wortes und der Taten. Ich bin ihm immer noch dankbar dafür und das ist der Grund, dass das hier so verdammt schwer ist.

Alex ist immer noch ein Führer und bis zum heutigen Tag ist in mir eine Spur von Widerwillen, das in Frage zu stellen. Aber noch mehr als das respektiere ich ihn als Menschen und verstehe ihn. Mehr als andere verstehe ich seine Unfähigkeit, jemanden um Hilfe zu bitten, selbst wenn er sie verzweifelt gebrauchen könnte.

Er braucht sie jetzt. Sehr sehr dringend. Und es ist kaum noch jemand übrig, der sie ihm bieten könnte. 

Das Gefühl des Ausgeliefertseins ist weiter gewachsen, als der Winter eingesetzt hat. Die Nahrungsmittel sind verzehrt, die Rationen erschöpft, die Vorräte bis zu einem beängstigenden Ausmaß aufgebraucht. Für die Zukunft zu planen ist zu einer lächerlichen Aufgabe geworden. Diese Menschen denken, dass sie sehr sehr bald sterben werden.

Sie haben wahrscheinlich recht.

Alex hat sein bestes getan, aber ein Mann allein kann nicht alles tun.

Morgen werden Mulder und ich zu ihm gehen und verlangen, dass wir ihm dabei helfen können, diesen Ort zu organisieren. Jemand muss es tun und es scheint niemanden sonst wirklich ausreichend zu kümmern.

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6. Januar

Ich habe erwartet, dass er sich angegriffen fühlen würde. Was wir erbeten haben ist eine Menge für so einen stolzen - manch einer würde sagen arroganten - Mann. Was ich nicht erwartet hatte war, dass meine diplomatische Intervention in einen territorialen Piss- Wettkampf ausartet. 

Es hat relativ zivil angefangen. Mulder hat still dagesessen und ich habe Alex erzählt, dass wir in Schwierigkeiten sind und dass er beginnen sollte, Verantwortung zu delegieren, die Moral aufzubauen. Er hörte mir eine Weile still zu, sein Gesicht ausdruckslos und ich dachte, dass vielleicht irgendetwas zu ihm durchdringt. Bis er auf die Zettel schaute, die überall auf seinem Schreibtisch verstreut waren und murmelte, "Ich habe keine Zeit dafür", und das in einem besonders nervtötend endgültigen Tonfall.

An diesem Punkt hat Mulder angefangen zu sprechen.

"Spiel uns nicht diesen verärgerten Führer Mist vor, Krycek", hat er fast über den Tisch geschrieen, während er sich melodramatisch von seinem Stuhl erhob. "Das ist etwas, wofür du dir Zeit nehmen musst!" Von da an ging es ziemlich heftig bergab. 

Sehr viel albernes Aufgespiele fand statt und Alex brachte das ganze schließlich zum Siedepunkt, als er anfing, von "seinem Kind" zu sprechen und dass das jetzt seine allerhöchste Priorität sein müsste. Abgesehen davon, dass er damit unsere Meinung sehr deutlich bewies, haben seine Possessivpronomen Mulder nur noch weiter gereizt.

"Es ist auch meins, das weißt du!", erinnerte er Alex schließlich sehr laut- "Und lass mich dir eines sagen, wenn du vorhast zu versuchen, mich von diesem Baby fernzuhalten, dann wirst du es bereuen."

Ich hätte das vorhersehen müssen. Im Nachhinein betrachtet war es wahrscheinlich ein Fehler, Mulder überhaupt erst mit her zu bringen. Er und Alex müssen erst mal ihre familiäre Situation klären, bevor sie über irgendetwas anderes diskutieren können.

Das frustrierendste daran ist, dass ich weiß, dass Alex nicht plant, Mulder von dem Baby fernzuhalten. Ich weiß, dass die beiden das klären werden, aber als Alex erst mal in die Ecke gedrängt war, war er nicht willig irgendetwas zu klären.

"Was willst du, Mulder?" hat er gefragt. "Willst du 'Meine zwei postapokalyptischen Väter' spielen? Willst du mein Kind und meinen Job? Ist es das? Wollt ihr beiden diesen Ort selbst leiten? Alle eure großen Pläne umsetzen?"

"Alex, du hörst nicht zu", habe ich gesagt und versucht, dass Thema wieder auf den eigentlichen Grund unseres Besuches zu lenken. "Das ist nicht irgendeine Intrige. Wir wollen dir nur helfen."

"Und ich will dass du die Tatsache einsiehst, dass es unser Kind ist, nicht deines. Was auch immer du von mir persönlich denken magst, du hast kein Recht dazu..."

"Mulder", habe ich ihn unterbrochen und ihn vorsichtig am Arm berührt. "Könntest du uns einen Augenblick allein lassen?"

Ich hoffe, dass ich ihn damit nicht verletzt habe, aber ich hatte eingesehen, dass nichts erreicht werden würde, wenn er da geblieben wäre. Ich denke er hat es auch eingesehen, trotz seines Ärgers und seines Frusts. Er muss es eingesehen habe, weil er ohne zu streiten gegangen ist.

Ich habe mich bei Alex entschuldigt. Nicht weil es mir leid getan hat, sondern weil es der einzige Weg war zu erreichen, dass er mir zuhört.

"Wir müssen hier zusammenarbeiten", habe ich zu ihm gesagt. "Wir müssen alle zusammenarbeiten, wenn das funktionieren soll. Du musst die Menschen an dich heranlassen, zulassen, dass sie dir helfen. Mit der Arbeit und Dana und dem Baby. Diese Menschen brauchen Anleitung und eine Richtung und wenn du im Moment zu beschäftigt bist, das zu leisten, dann musst du es jemand anderen tun lassen. Niemand will die Führung übernehmen. Niemand bedroht deine Position. Alles was wir wollen ist dir zu helfen."

Er seufzte und entspannte sich ein wenig in Mulders Abwesenheit.

"Dana ist diejenige, die mit den Menschen umgehen kann. Sie ist so gut darin. Aber jetzt..."

"Jetzt muss sie sich um sich selbst kümmern und um niemand anderen. Ich weiß. Aber Alex, du hast das früher geschafft, bevor sie herkam. Und du hast es geschafft indem du dich mit Leuten umgeben hast, die wussten, wie man mit den Menschen umgehen muss, die sie organisieren und motivieren konnten, sie für die Dinge begeistern konnten, die sie getan haben. Erinnerst du dich?"

"Ich musste mir damals um kein Kind Gedanken machen. Ich musste mir um nichts weiter Gedanken machen als darüber, am Leben zu bleiben."

"Du musst es aber wieder zu einer Priorität machen, weil wenn du es nicht tust wird niemand mehr da sein, der sich um dein Kind kümmern kann."

Er sah betroffen genug aus, um es als Aufforderung zum Gehen zu verstehen, also stand ich auf. Bevor ich die Tür erreichte, hörte ich wie er sich räusperte und ein paar Papiere hin und her schob. Ich hielt inne, wartete darauf, was er zu sagen hätte und als er es schließlich tat, fühlte es sich wie ein Fortschritt an.

"Roseanne? Kannst du - kannst du für mich nach Dana sehen? Sie wird bald aufwachen und ich habe hier eine Menge zu tun."

Ich lächelte ihn ein bisschen an, versuchte ihm zu zeigen, dass er auf dem richtigen Weg ist und ging um zu tun, worum er mich gebeten hatte. 

Ich fand Mulder an Scullys Bett. Sie schlief immer noch und es sah so aus, als wäre sie in guten Händen, also bin ich wieder gegangen. Ich nehme an sie haben einiges, worüber sie reden müssen.

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29. Januar

Ja. Ich habe einen Dienstgrad. Kommunikations- Direktor. Die Tätigkeitsbeschreibung fällt irgendwo zwischen Alex-zu-Englisch Übersetzer und Gemeinschafts - Cheerleader. Ich denke das es das ist, was er braucht. Ich hoffe, dass ich nicht versage. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass er mich überhaupt gefragt hat und das ist alles worauf ich im Moment hoffen kann.

Ich hatte recht was das Baby betrifft. Gestern habe ich mit Dana gesprochen und wenn ich ihr glauben kann, dann werden Mulder und Alex das gleiche Sorgerecht haben, wenn das Kind geboren ist. Und soweit es mich betrifft ist ihr Wort Gesetz. Und was auch immer Alex herausposaunen mag, wenn sie nicht dabei ist, er weiß das auch.

Sie hat mich nach Mulder gefragt.

"Du liebst ihn", hat sie gesagt. "Das sehe ich."

Sie war auf der Couch in ihrem Zimmer ausgestreckt und hat eigenartigerweise auf einem Stift gekaut. Ihre Größe hat mich abgelenkt. Es schien so, als wenn sie jeden Tag dicker werden würde. Wenn ich diese Tests nicht selbst durchgeführt hätte, würde ich denken, dass sie Zwillinge bekommt.

"Woher weißt du das?" fragte ich etwas beschämt, aber erleichtert, endlich darüber reden zu können.

"Weil dein Gesicht jedes Mal aufleuchtet, wenn du über ihn sprichst und wenn er in der Nähe ist, du schaust dann niemand anderen an."

Ich wollte sie fragen, wie ich ihn dazu bringen könnte, mich auch zu lieben, aber ich wusste, dass das eine dumme Frage wäre. Man kann niemanden zu bestimmten Gefühlen zwingen.

"Er braucht Liebe, Roseanne", hat sie zu mir gesagt. "Liebe ihn einfach und du wirst ihn sehr glücklich machen. Selbst wenn er abweisend ist oder ängstlich oder ... was auch immer, irgendwann wird ihm klar werden, dass er gefunden hat, wonach er immer suchte."

Mir haben die Ressentiments, der Zorn so leid getan, den ich ihr gegenüber deswegen empfunden hatte. Sie möchte, dass er glücklich ist. Sie möchte, dass ich glücklich bin. Sie liebt uns beide und es war dumm von mir, etwas anderes zu denken.

"Wie lange hat er gebraucht, um sich in dich zu verlieben?" habe ich sie gefragt.

"Keine Ahnung. Es hat Jahre gedauert, bis er mich wirklich an sich herangelassen hat."

Durch diese Worte habe ich mich ein bisschen besser und ein bisschen schlechter gefühlt. Was, wenn wir nicht mehr jahrelang Zeit haben?

Ende Kapitel 9

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Kapitel 10


Autor: Rachel Anton


Danksagung: Für dieses Kapitel ist eine spezielle Danksagung notwendig. Als erstes an meine ständigen Quellen der Inspiration, Laura und Cynthia. Und zweitens an mein erstklassiges Team von Muttis, Camille, Kris und Candice. Dieses Kapitel wäre ohne euch großer Mist geworden.

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"Ich fühle mich wie ein gestrandeter Wal."

Mulder lacht. Als wenn ich einen Witz erzählt hätte, versucht hätte komisch zu sein. Ha ha. Ich möchte ihn gerne mal sehen, wie er dieses gigantische Baby aus der Hölle einundvierzig Wochen lang mit sich herumträgt. Dann werden wir sehen, wer hier lacht.

"Was ist mit den Mutterfreuden passiert, Scully?", fragt er. Ich nehme an bei diesem Handel habe ich das mütterliche und er den Spaß abgekriegt. Ich hoffe nur, dass ich eine größere Verbindung zu dem Baby fühlen werden, wenn es geboren ist. Mehr als das Gefühl, dass sich mein Körper in Geiselhaft befindet.

"Ich habe meine Freude vor sieben Monaten erbrochen."

Er lacht wieder und zündet eine weitere Kerze an und setzt sich dann wieder neben mich auf die Couch. Ich ziehe die Decke bis zu meinem Kinn und zittere.

Wir haben heute alles verloren. Der Schneesturm hat unseren Generator zerstört und wir haben seit fast zehn Stunden keine Heizung, kein Licht und keinen Strom. Diesmal denke ich nicht, dass wir das wieder hinbekommen werden.

Ich habe Alex vor ein paar Stunden davon überzeugt zu gehen. Er wollte mich nicht allein lassen, wollte nichts verpassen. Das Baby hat sich vor ein paar Tagen gesenkt und die Wehen änderten sich von gelegentlich zu regelmäßig, wo sie jetzt leider immer noch sind. Der Schmerz des Babys, das gegen meine Lungen und meine Blase drückt ist fast unerträglich geworden und die Tatsache, dass ich es kaum eine halbe Stunde aushalten kann, ohne pinkeln zu müssen ist, obwohl es Alex amüsiert, das nervtötendste, was ich je erlebt habe. Ich denke wenn es nicht bald aus mir rauskommt, werde ich selbst mit einer Schaufel reingehen und es holen.

Alex' größte Angst ist es, dass er nicht hier ist wenn es schließlich soweit ist. Aber ein Baby braucht Wärme und Licht und diese Dinge wieder zu bringen muss heute Abend seine oberste Priorität sein.

Ich habe ihm gesagt, dass er Mulder holen soll, dass Mulder bei mir bleiben würde und das er weiß was er tun muss, wenn es passiert. Er hat sich nicht mit mir gestritten. Er schien sogar fast erleichtert zu sein, dass es eine Lösung gab, irgendeine Art Hilfe.

Und so ist er mit einigen der anderen Männer an die Arbeit gegangen, raus in die kalte, dunkle Nacht um für uns zu retten, was zu retten ist. Gleich  nachdem er gegangen war, spürte ich eine Reihe von leichten, aber stoßweisen Schmerzen, die sehr wohl die Anzeichen für Wehen sein können. Oder es könnte auch nur Luft im Darm sein. Jedenfalls geht das jetzt schon seit vier Stunden so. Ich versuche, mir keine Hoffnungen zu machen. Ich versuche nicht in Panik auszubrechen. Ich habe es Mulder nicht erzählt aus Angst davor, er könnte enttäuscht sein, wenn wieder mal kein Baby erscheint.

Meistens glaube ich an das, was ich tue. Manchmal habe ich Angst, dass ich einen furchtbaren Fehler gemacht habe. Heute Abend bewege ich mich irgendwo in der Mitte und bin froh, dass mein Kind nicht zwei, sondern drei, wenn nicht sogar vier Eltern hat, die nichts weiter als ihr Glück und ihre Sicherheit wollen. Zur gleichen Zeit fürchte ich, dass keiner von uns allen in der Lage sein wird, ihr das zu geben.

"Also, was ist, wenn es ein Junge wird?", lächelt Mulder und wickelt sich in einen festen Kokon aus Decken.

"Was wäre wenn?"

Nur Roseanne weiß sicher über das Geschlecht des Babys bescheid und sie hat sich ganz einfach geweigert, es mir zu sagen. Du hast so lange gewartet, hat sie gesagt. Verdirb dir jetzt die Überraschung nicht.

Ich hatte bereits die Überraschung, überfällig zu sein, die Überraschung von zwei falschen Wehen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch mehr Überraschungen ertragen kann.

"Naja", sagt Mulder, "wir sind davon ausgegangen, dass es ein Mädchen wird weil...warum sind wir eigentlich davon ausgegangen?"

"Alex hat so ein Gefühl."

"Ach ja, stimmt. Kryceks übernatürliche Visionen. Okay, lass uns mal annehmen, einfach nur der Diskussion willen, dass er Unrecht hat."

"Okay..."

"Also, wenn es ein Junge wird, wie werden wir ihn nennen?"

Namen. Er macht sich Gedanken um Namen? Ich mache mir Gedanken darum, dass wir nicht in der Lage sein werden, dass verdammte Ding zu waschen und zu ernähren.

"Keine Ahnung, Adam?"

"Oh Scully, wie schrecklich vorhersehbar."

Nun, was ist deine glänzende Idee, Mister Originalität?"

"Traditionell werden Jungen nach ihren Vätern benannt", stellt er fest. Damit gibt es einige Probleme.

"Also möchtest du, dass ich ihn Falex nenne?"

Wir beide lachen, als ein Windstoß an den Fenstern rüttelt. Ich hoffe Alex ist es nicht allzu kalt da draußen.

"Und, denkst du, du möchtest irgendwann noch eines haben?", frage ich irgendwann. Der überraschte und verwirrte Blick auf seinem Gesicht, voller Panik, ist mir Antwort genug. 

"Scu...Scully, ich...willst du nicht erst mal schauen, wie dieses hier wird?"

"Ich meinte nicht mit mir, Mulder."

"Naja, also dann..."

Er starrt mich einige Sekunden ausdruckslos an und ich kämpfe mit meinem Gesichtsausdruck und versuche ihm eine Art Hinweis zu geben. Für jemanden, der so intelligent ist, kann er manchmal schrecklich schwer von Begriff sein.

"Sie mag dich wirklich sehr, Mulder."

"Sprichst...sprichst du von Roseanne?"

"Von wem sonst?"

Das ausdruckslose Starren kehrt zurück, aber wird schnell von einem beschämten Senken des Kopfes ersetzt.

"Scully, ich weiß nicht, was ich mit ihr anfangen soll."

"Naja, dann wirst du wahrscheinlich nicht derjenige sein, der dem Baby das mit den Blumen und den Bienen erzählt." 

"Nein, nein ich meine, ich denke einfach, dass sie etwas von mir erwartet, das ich ihr wahrscheinlich nicht geben kann."

"Mulder, alles was sie will, ist in deiner Nähe zu sein. Ich weiß, dass du eine Menge Liebe zu geben hast und ihr beide verdient es, glücklich zu sein. Ich würde es hassen zu sehen...."

Oh Gott, das ist es.

"Hassen was zu sehen? Scully?"

Oh Gott. Oh Gott.

"Mulder, ich..."

Ich will dieses Baby nicht. Was tue ich hier eigentlich? Was zur Hölle denke ich, was ich hier tue?

"Mulder, meine Fruchtblase ist gerade geplatzt."

Wir sind das ganze schon duzende Male durchgegangen. Er weiß, was er tun sollte, aber einen Moment lang ist alles, was ich in seinen Augen sehe Panik und Verwirrung. Kein sehr beruhigender Anblick.

"Deine, äh..."

"Ich denke, dass ich in den letzten Stunden Kontraktionen hatte."

"Du denkst...warum hast du nichts gesagt?"

"Ich war mir nicht sicher. Aber jetzt bin ich ziemlich sicher. Mulder, es wird heute nacht passieren."

Er nickt dümmlich und ich bitte ihn, ich ins Bad zu bringen, so dass ich mich ein wenig saubermachen kann. Es gibt nichts erfreuliches daran, in einer Pfütze aus eiweißhaltiger Flüssigkeit zu sitzen.

Wir prüfen die Farbe der Flüssigkeit, versichern uns, dass alles normal erscheint und ich ziehe das an, was Alex in seinem schlimmsten Ghettoakzent, meine 'Baby-Geburts-Kleidung' genannt hat. Es sieht aus wie ein Zuckersack.

Als ich schließlich zurück zur Couch watschele, hat Mulder offenbar seinen Verstand wiedergefunden. Der Bastard sieht tatsächlich aufgeregt aus.

"Also wie lange denkst du wird es dauern?"

"Ich denke..."

Meine Kehle schnürt sich zusammen, als ich versuche zu sprechen und ein Schluchzen droht sich seinen Weg heraus bahnen. Ich möchte weinen. Ich möchte schreien. Ich möchte meine Fäuste auf den Tisch schlagen und Gott anflehen zu verhindern, dass das passiert, so dass ich nicht diesen kleinen unschuldigen Menschen in unsere kleine beschissene Welt bringen muss. Ich nehme an, dass Mulder das nicht besonders mögen würde.

Verdammt, Alex. Warum musstest du gehen? Ja. Ich weiß. Ich habe es dir gesagt, aber mir war nicht klar, dass ich jemanden brauchen würde, den ich schlagen kann. Wie kann ich in Mulders unschuldiges, nettes, kleines Gesicht schlagen? Wie kann ich meine Nägel in seine Wangen vergraben und verlangen, dass er machen soll, dass es aufhört, wenn er so nervös ist und so glücklich und so lieb? Ich brauche dich Alex. Du musst mein Fels in der Brandung sein.

"Könnte jeden Moment passieren", kriege ich relativ ruhig heraus.

"Wie geht es dir?"

Als wenn die Welt zu Ende geht. Als wenn ich den schrecklichsten Fehler mache, den man sich vorstellen kann. Als wäre ich mitten in einem langen und verdrehten Alptraum und jeden Moment würde mein Monster Baby mitten aus meinem Bauch herausplatzen wie in diesem Alien Film, blutig und krallenbewehrt uns schreiend. Als wenn mir etwas entgeht, weil dies ein glücklicher Moment sein sollte und die meisten Frauen Freuden- statt Angsttränen in den Augen haben. Als wenn ich irgendeine defekte, mutierte Frau bin, die damit beschäftigt war, mit einer Knarre rumzuspielen, als die Mütterlichkeitsgene ausgeteilt wurden.

"Es geht mir gut."

"Du siehst nicht gut aus."

"Es geht mir gut."

Es geht mir gut. Es geht mir gut.

Gott, bitte, Baby, komm nicht raus, bis Alex herkommt, okay? Er will wirklich, wirklich dabei sein. Vielleicht, wenn ich meinen Atem anhalte...

Autsch. Oh Gott. Autsch.

Ich kann ein schmerzvollen Stöhnen nicht zurückhalten, als mich die Wehe trifft. Zu schnell. Das passiert alles viel zu schnell.

"Scully? Scully was ist los?"

"W-we-"

"Wehe?"

Ich nicke und greife nach seinem Arm, drücke fest zu in dem Bedürfnis, den Schmerz zu teilen.

"Scully, atme. Du musst atmen."

Oh Gott. Ich habe vergessen zu atmen.

Was ist das für ein Krach? Mein Gott, was passiert hier?

Roseanne. Es ist Roseanne, die über mir steht und der Schmerz beginnt abzuebben. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis er wiederkommt. Wo ist Roseanne hergekommen?

"Dana, geht es dir gut? Geht es jetzt los?", fragt sie mit sorgenvollem Gesicht.

Ich greife zu ihr hoch, nehme sie an den Schultern und ziehe sie nach unten, so dass ihre Nase fast die meine berührt.

"Roseanne. Hol Alex. Jetzt."

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Ich wusste, dass es so kommen würde. Sie sagte, es würde nicht, aber ich wusste es. Sie sagte, das hier wäre wichtiger, aber ich wusste, dass es das nicht ist. Sie sagte, dass Mulder das schaffen würde und verdammt, es ist mir egal ob er das kann oder nicht.

Schnee. Blöder, verdammter Schnee. Ich kann nichts sehen. Ich kann meine Füße nicht spüren. Wo zur Hölle sind wir.

Ich frage mich, wie lange Roseanne gebraucht hat, um mich zu finden. Sie war außer Atem, als sie mich von den anderen weggezogen hat um mir zu sagen, dass es jetzt losgeht. Sie ist wahrscheinlich gerannt. Aber wir rennen jetzt auch und scheinen trotzdem nirgends hinzukommen. Im Schnee zu rennen, ist wie im Wasser zu rennen. Sie hat bestimmt eine halbe Stunde gebraucht, um bis zum Standort des Generators zu kommen und mich dort in diesem Chaos zu finden hat sicher noch mal eine zehn oder fünfzehn Minuten gekostet. 

Sie könnte das Baby genau in dieser Minute bekommen und ich kann mich verdammt noch mal nicht schneller bewegen. Es hat noch nicht einmal Sinn gehabt. Der Strom fehlt immer noch. Die Leute sind immer noch ärgerlich und verängstigt. Ich habe nicht einen einzige verdammte Sache erreicht und wahrscheinlich den wichtigsten Augenblick meines Lebens verpasst. 

Mein Gott, wo sind wir?

"Bist du sicher, dass du in die richtige Richtung gehst? Sind wir gerade an der Bibliothek vorbeigekommen?", rufe ich in die Dunkelheit, durch die wirbelnden Böen aus weißem Puder.

"Ja! Ich habe es dir doch gesagt! Ich bin den Spuren gefolgt, die ich vorhin hinterlassen habe. Abgesehen davon war das nicht die Bibliothek. Es war die Cafeteria. Wir sind fast da."

Cafeteria. Fast da. Behalte das im Kopf und vielleicht wird es wahr.

Wenn wir nur Licht hätten. Es ist so verdammt dunkel hier draußen. Ein weiteres Versagen auf der schnell länger werdenden Liste. Ich frage mich, ob mein Baby jemals wissen wird, wie es ist, fließend warmes Wasser zu haben, oder ein warmes Bett zum Schlafen.

Wenigstens habe ich es geschafft, so etwas wie einen sinnvollen Arbeitsplan für jeden aufzustellen, bevor diese neue Krise aufgetreten ist. Die Dinge schienen sich eine Zeit lang etwas verbessert zu haben. Hoffentlich wirft und das jetzt nicht wieder weit zurück.

Allerdings haben wir noch eine Menge Winter vor uns. Eine lange Zeit, um ohne Strom und Heizung und Licht auszuhalten. Eine lange Zeit, um sich um eine Baby zu kümmern, ohne die Bequemlichkeiten des modernen Lebens. 

Baby. Heute Nacht wird ein Baby in meinem Zimmer sein. Ein wirkliches, lebendes, atmendes, weinendes, pinkelndes Baby. Was werden wir damit anfangen?

Roseannes Taschenlampe hat aufgehört, sich zu bewegen. Wir sind da. Gott sei Dank.

Ihre Hände zittern, als sie versucht, den Schlüssel zu drehen, um uns in das Gebäude zu lassen. Zu langsam, sie bewegt sich zu verdammt langsam.

Ich schiebe sie aus dem Weg, beende das Aufschließen selbst und stürze zur Treppe. Meine Taschenlampe reicht kaum aus, um mich die drei Stockwerke bis zu unserem Zimmer hinaufzuführen. Ich stolpere, fluche, renne, stolpere wieder, meine Schuhe quietschen auf dem Linoleum, schallen durch die Dunkelheit des fast leeren Gebäudes. 

Fast da. Fast da. Warte noch ein kleines bisschen, Baby.

Den Gang hinunter und mir fällt die Zimmernummer nicht ein. In welchem Zimmer wohne ich? Einunddreißig? Dreizehn? Verdammt noch mal.

Dieses hier...dieses mit der schwarzen Delle an der Tür, wo ich sie eingetreten habe, als sie mich mal aus Versehen ausgesperrt hat. Ich brauche alle meine Selbstbeherrschung, um die Tür mit der Hand zu öffnen, anstatt direkt durch das Holz zu rennen.

Der Raum ist dunkel, aber heller als der Flur. Kerzenlicht scheint von den Wänden wider und es ist warm, viel wärmer, als ich es seit langem hatte.

Ich leuchte mit der Taschenlampe hin und her und versuche, ein Lebenszeichen in dieser fast unheimlich friedlichen Umgebung zu finden. Ret, der unter dem Küchentisch schläft, jault wegen der plötzlichen Helligkeit.

"Hier drüben, Alex", flüstert es von der Couch. Mulder, Dana, die nah beieinander sitzen und hinuntersehen auf...

Ich habe es verpasst. Ich habe alles verpasst. 

Da ist ein Baby in ihren Armen. Ein winziges, rosafarbenes Baby, eingewickelt in eines meiner alten Flannelhemden. Es ist so leise. So leise. Mein Gott, was ist, wenn es tot ist?

"Dana?"

"Komm her und begrüße deine Tochter, Alex."

Okay, lebt also offenbar. Außer sie ist verrückt geworden.

Ich bewege mich langsam zur Couch, plötzlich verängstigt, mit dem Wunsch, es wäre eine akzeptable Antwort, schreiend wieder aus der Tür zu rennen. Es ist wirklich da.

Mein Herz schlägt immer noch so schnell von dem Adrenalinrausch, der durch den Versuch, rechtzeitig hier herzukommen entstanden ist, dass ich mich nur schwer auf diese neue Realität einstellen kann.

"Alex, bitte, mach die Taschenlampe aus."

Ich tue widerstrebend, worum sie mich gebeten hat. Ich habe das Gefühl, als wenn dies meine einzige Verbindung zu der Welt vor dem Baby wäre. Alles ist so weich hier drin. Ich fühle mich ungeschickt und riesig und laut.

Endlich habe ich es bis zur Couch geschafft, um mich neben Dana zu setzen und sie anzusehen. Sie ist schweißüberströmt, die Haare kleben an ihrem geröteten, verschwollenen Gesicht. Trotzdem wunderschön. Das Baby schläft friedlich in ihrem Arm.

"Dana..."

Gott, ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll, was fragen, was denken. Ich kann nicht aufhören zu zittern, kann meinen Atem nicht unter Kontrolle bringen.

"Sie sieht gesund aus", sagt Dana ruhig, leise. So ruhig. Wie kann sie so ruhig sein?

"Sie hat es auf jeden Fall eilig gehabt rauszukommen", fügt Mulder in einem ähnlich normalen und gelassenen Ton hinzu. Eilig? Sie war fast zwei Wochen überfällig, um Himmels Willen.

"Es...es tut mir Leid, dass ich nicht hier war", versuche ich schwach. Leid tun beschreibt es noch nicht mal annähernd.

"Mir auch, Alex. Aber es war keine komplizierte Geburt. Es ging sehr schnell und Mulder hat alles gut hingekriegt."

Ich schaue das erste mal rüber zu Mulder, sehe seinen freudigen Gesichtsausdruck und seine Stolz und es sollte mich wütend machen, weil ich derjenige hätte sein sollen, der dieses Baby holt, aber das tut es nicht. Ich bin einfach froh, dass überhaupt jemand hier war.

"Danke Mulder. Ich bin froh..."

Ein winziger Seufzer kommt von der eigenartigen Kreatur in Danas Schoß, unterbricht mich und zieht jedermanns Aufmerksamkeit auf sich. Sie ist aufgewacht.

"Ich nehme an, jemand will Hallo sagen", sagt Dana und sie hält das Baby, diesen kleinen, winzigen Menschen in ihrem Arm und hebt sie hoch, so dass ich sie sehen kann, wirklich sehen und sie sieht so... so klein aus. Und faltig. Ihr etwas kegelförmiger Kopf löst einen Moment lang Panik bei mir aus, aber dann erinnere ich mich, was in den Büchern stand. Sie sieht wie ein normales Neugeborenes aus.

"Eva, das ist dein anderer Papa."

"Hallo", sage ich dümmlich und winke. Sie gurgelt erschreckend und Dana lacht leise, als ein Schwung Speichel aus dem Mund des Babys kommt. Großartig. Sie mag mich schon.

"Warum nimmst du sie nicht mal", schlägt Mulder vor. Na klar, tolle Idee. Und wenn ich sie auf den Kopf fallen lasse oder ihre Rippen zerquetsche, dann können wir darüber auch alle herzlich lachen.

"Ja Alex, das solltest du."

Bevor ich mir eine Ausrede ausdenken kann, positioniert Dana schon meinen Arm und legt das Baby, in Decken eingewickelt, an meine Brust. Sobald Eva die Abwesenheit von Danas Arm spürt und komplett in meinem Griff liegt, fängt sie an zu weinen. Ihr Gesicht verzieht sich zu einem entstellten, leidenden roten Ball und ihre Fäustchen wedeln protestierend in der Luft herum.

"Dana, sieh...du musst sie zurücknehmen", fordere ich sie auf und versuche, mir über dieses furchtbare Gebrüll hinweg Gehör zu verschaffen.

"Entspann dich einfach, Alex. Sie spürt wahrscheinlich, dass du nervös bist."

Entspannen? Wie zur Hölle soll ich mich entspannen? Mein Baby hasst mich. Sie weiß, dass ich nicht da war, als sie geboren wurde, dass ich sie schon im Stich gelassen habe. Und es ist ihr wahrscheinlich auch verdammt kalt. Ich bin mir sicher, dass sie irgendwo in ihrem kleinen Baby-Unterbewusstsein weiß, dass das meine Schuld ist.

Dana streicht über meine Haare, legt ihren Kopf auf meine Schulter und flüstert beruhigende Worte in mein Ohr. Zumindest spüre ich, dass sie beruhigend sind. Ich kann sie nicht wirklich verstehen.

"Vielleicht hat sie Hunger", frage ich, verzweifelt bemüht, das Elend des armen Geschöpfes zu beenden.

"Sie hat schon ein wenig gegessen."

Na ja, vielleicht muss sie ja noch ein bisschen mehr essen. Gott, Dana, nun nimm sie schon zurück.

"Halt sie einfach, Alex. Erinnerst du dich an all die Bücher, die du gelesen hast? Du wirst ihr nicht weh tun."

Bücher. Alles klar. Wo zur Hölle bist du, wenn ich dich brauche, Doktor Spock? Du hat mir nie gesagt, dass sie anfangen würde mich anzuspucken und zu schreien, wenn sie mich sieht.

Was habe ich mir überhaupt gedacht? Habe ich wirklich erwartet, dass mich irgendein Buch darauf vorbereiten könnte, auf diese...diese armselige, heulende, hilflose kleine Eva? Kleine Eva, mein kleines Mädchen, die ich beschützen und versorgen und erziehen und lieben sollte und die ich noch nicht einmal richtig halten kann.

Oder vielleicht kann ich das. Ihre Augen fliegen auf und das Weinen hört so plötzlich auf, wie es angefangen hat. Ihre Finger entspannen sich und ihre Hände greifen nach oben, nach meinem Gesicht. Oder vielleicht wedeln sie nur wild herum. Jedenfalls brüllt sie nicht mehr.

Ich bemerke, dass ich nervös mit meinen Beinen gewackelt habe, sie unbewusst auf meine Knien gewiegt habe und vielleicht mag sie das. Vielleicht habe ich etwas richtig gemacht, ohne es überhaupt zu versuchen.

"Siehst du? Du machst das toll, Alex."

"Wie geht es dir?"

Sie lächelt ruhig und sieht fast betäubt aus.

"Gut. Erschöpft, aber gut."

"Hat es weh getan?"

Blöde Frage, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Natürlich hat es wehgetan, du Idiot.

"Du hättest sie schreien hören sollen", kommentiert Mulder. Ja, das hätte ich.

"Es tut mir wirklich Leid, dass ich..."

"Ich weiß, Alex. Ich weiß, dass du es versucht hast. Es ist in Ordnung. Entspann dich einfach und lerne dein wunderschönes Baby kennen."

Mein wunderschönes Baby. Ich sehe sie wieder an und alles andere scheint zu verschwinden, weil sie wunderschön ist. Runzlig und verschmiert und einfach so absolut wunderschön.

Ich rutsche ein bisschen herum, lege sie in die Beuge meines falschen Arms, was sie nicht zu stören scheint oder was sie nicht als ungewöhnlich empfindet, so dass ich sie mit der Hand berühren kann. Aus irgendeinem Grund muss ich ihre Haut spüren, um zu wissen, dass sie ein richtiger Mensch ist.

Ich fasse behutsam nach unten, weil ich nicht will, dass sie in einen erneuten Heulkrampf ausbricht und streichle mit dem Zeigefinger zärtlich ihre kleine Babywange. Ich denke sie ist die zarteste Sache, die ich jemals angefasst habe.

Ich ziehe meine Hand zurück, wackle mit mein Finger in ihrem Sichtfeld und versuche ein erneutes Begrüßungswinken. Und dann, mitten im Winken, greift sie mit ihrer kleinen Hand nach oben und legt sie um meinen Finger.

Irgendwie bringt dies meinen Brustkorb dazu, sich in einer eigenartigen Mischung aus Angst und Bewunderung zusammenzukrampfen. Angst, weil sie so zart ist, so vertrauensvoll und unschuldig, dass ich Angst um sie habe. Bewunderung, weil sie mir gehört und weil sie mich nicht so sehr hasst, wie ich dachte. Nein, sie hasst mich überhaupt nicht. Sie braucht mich und sie liebt mich. Ich kann das fühlen.

Ich werde dich beschützen, Eve. Ich verspreche dir das. Du wirst es niemals bereuen, dass du mir so vertraut hat. Ich werde dein Vertrauen wert sein, ich werde dich wert sein.

"Alex?"

Ich spüre Danas Hand über meine Wange streichen und bemerke, dass ich keine Ahnung habe, wie viel Zeit vergangen ist, wie lange ich das Baby angestarrt habe. Ich bemerke, dass es wärmer wird. Ich kann die Heizung wieder laufen hören und ich höre Mulder schnarchen. Ich bemerke, dass ich weine.

"Du wirst ein wundervoller Vater sein, Alex."

Ich hoffe du hast Recht, Dana. Gott, ich hoffe, du hast Recht.

 

Ende Kapitel 10

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Kapitel 11

Am Ende läuft es auf eine Entscheidung hinaus. Nicht widerstehen, sondern dienen. Nicht kämpfen, sondern sterben. Keine Fritten, sondern Zwiebelringe. Nein, nicht ganz so dramatisch. In den letzten vierundzwanzig Stunden hat sich unser Leben auf zwei entmutigende Alternativen reduziert. Den Versuch, unser Zuhause zu verteidigen und in den sicheren Tod zu gehen, oder wegzulaufen und dem fast sicheren Tod entgegenzugehen.

Meine Mutter hat früher viel über Zeit gesprochen. Sie war besessen davon. Die Zeit meiner Pubertät war besonders schwierig für sie.

Als sie sah, wie ich in einer beängstigenden Geschwindigkeit gewachsen bin - fast zwei Zentimeter pro Monat, als ich dreizehn war - hat sie traurig den Kopf geschüttelt und gesagt, "Oh Fox, du wirst zu einem Riesen. Die Zeit geht so schnell vorbei. Bald werde ich tot sein."

Mutter war wirklich ein komischer Typ. Sie hat es sogar fertig gebracht, dass ich mich für mein Wachstum schuldig fühlte. Aber ich muss zugeben, dass sie in einer Hinsicht Recht hatte; wenn man ein Kind hat, scheint die Zeit an einem vorbei zu fliegen.

Es ist schon fast anderthalb Jahre her, seit Eva geboren wurde. Wenn ich jemals meinen Zweck auf dieser Welt hinterfragt habe, dann liegt die Antwort in meiner Tochter.

Die ersten Monate waren schwierig. Keiner von uns hatte praktische Erfahrungen mit Kindererziehung und wir passen uns immer noch an, erforschen die Parameter unserer mutierten Familieneinheit und lernen diese eigenartige neue Person kennen, die uns unauflöslich aneinander bindet.

Ich habe es versucht, trotz des bleibenden Unwohlseins bezüglich der Beziehung zwischen Scully und Krycek, ihnen den Raum zu geben, den sie brauchten, aber ich war von dem verzweifelten Verlangen erfüllt, Zeit mit meinem Kind zu verbringen. Es war ein sensibler und schwieriger Balanceakt. Es gab Streit. Es gab Unbeholfenheit. Aber irgendwie, irgendwann, haben wir es geschafft, über die richtige Formel zu stolpern. Wir mussten es. Für sie.

Sie sind jetzt dankbar für meine Hilfe, froh, dass es jemanden gibt, der Eva liebt und der sie gern einmal für ein paar Tage zu sich nimmt, so dass sie ein wenig Ruhe und Zeit für sich selbst haben. Und ich habe - unglaublich genug - damit angefangen, dankbar für sie beide zu sein, für ihre Liebe zueinander. Ohne sie gäbe es keine Eva. Und sie haben ihr ein gutes Zuhause gegeben, ein unterstützende, liebevolle Umgebung, von der ich glaube, dass weder Krycek noch ich sie hatten, als wir aufwuchsen.

Nenn mich voreingenommen wenn du willst, aber ich denke, dass sie das bemerkenswerteste Kind ist, das je gelebt hat. Sie ist wirklich hübsch, obwohl sie die körperlichen Eigenschaften ihrer beider Väter geerbt hat. Irgendwie scheint die Mischung von dunkelbraunen Haaren, braunen Augen, dunklem Teint und einer riesen Nase bei ihr zu funktionieren. Abgesehen von ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz - sie spricht bereits in ganzen Sätzen - und ihrer Bewunderung für Krycek ist sie ein normales und gesundes Kind.

Ich kann mir mein Leben ohne ihr ansteckendes Lachen, ihren Hang zum Probleme bereiten, ihren verdrehten Sinn für Humor nicht vorstellen. Vor ein paar Tagen hat sie Kryceks Holster gestohlen, oder 'Dads Holler' wie sie es nennt, es sich umgehängt und die beste Krycek-Imitation vorgeführt, die ich je gesehen habe - finsterer Blick, russische Schimpfworte und alles was dazu gehört. Und er hat gelacht.

Sie ist anstrengend aber niemals eine Belastung. Selbst Roseanne ist ihrem Zauber verfallen. Sie behauptet zwar immer noch, dass ihr jegliche Elternfähigkeiten fehlen würden, aber in gewisser Weise ist sie genauso ein Elternteil für Eva, wie wir alle. Das hat mich dazu gebracht mich zu fragen, ob wir irgendwann, wenn Eva ein bisschen älter ist und nicht mehr so viel ständige Fürsorge braucht, ihr vielleicht irgendwann mal zu einem kleinen Halbbruder oder einer Halbschwester verhelfen könnten.

Ich sollte sagen, dass ich mich das gefragt *habe*. Jetzt ist das eine Zukunft fern jeder Realität.

Bis gestern konnte ich ehrlich behaupten, dass ich glücklich war, hoffnungsvoll für die Zukunft und zufrieden in der Gegenwart.

In der Gemeinschaft als ganzes liefen die Dinge den Umständen entsprechend gut. Es wurde wieder mit dem Ackerbau begonnen und die Bestände wurden fair und organisiert verteilt. Die Meuterei Drohungen sind lange vergangen, seit Krycek damit begonnen hatte, Macht und Verantwortung zu teilen. Der Strom ist nie wieder gekommen, aber wir haben gelernt, damit zu leben. Die Dinge waren, relativ betrachtet, wieder normal und sie sind es seit einigen Monaten gewesen.

Und ich - ich hatte alles, was sich ein sechsundvierzigjähriger Mann wünschen kann. Ein hübsches Kind, einige gute Freunde, meine Gesundheit, eine heiße, junge Freundin, die nichts mehr will, als mich glücklich zu machen. Ich habe diese Dinge immer noch und, ganz ehrlich, mein Leben wäre fast verdammt perfekt, wenn es nicht diesen ganzen heraufziehenden Weltuntergang gäbe. Und das Fehlen von Baseball.

Es begann mit einem Wiedersehen.

Als ich die Dronenkolonie vor all diesen Jahren verließ, hat mir Spender geholfen. Er hat mir gesagt, wo Scully war und mich mit allem versorgt was ich brauchte, um dorthin zu kommen. Dafür wäre ich ihm für alle Ewigkeit dankbar gewesen, aber nie, niemals hätte ich damit gerechnet, ihn wiederzusehen um diese Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.

Gestern ist er buchstäblich auf meiner Türschwelle erschienen und sah dreckig, erschöpft und völlig verstört aus. Seine Ankunft in der Kolonie wurde von wesentlich weniger Fanfarengeschmetter begleitet als meine. Wir haben nicht mehr genug Leute, um jeden Eingang vierundzwanzig Stunden am Tag bewachen zu können, also blieb ihm die Erniedrigung einer Verhaftung durch Schläger und der Vorführung vor dem Königspaar erspart. Er spazierte einfach während der Mittagszeit in die Cafeteria.

Scully und Krycek waren mit Eva zu Hause, aber fast jeder andere war da und der ganze Raum wurde beim Anblick des Fremden totenstill. Ich stand auf und beruhigte sie, versicherte ihnen, dass er ein Freund ist und betete, dass er mir nicht das Gegenteil beweisen würde.

Er hat sich mit mir und Roseanne hingesetzt und wir haben ihm was zu essen gegeben. Ungefähr fünfzehn Minuten, nachdem er wie ein Verhungernder, der er wahrscheinlich auch war, gegessen hatte, fing er an zu sprechen.

"Mein Vater ist tot", war das erste, was er sagte. Das waren nicht gerade schockierende Neuigkeiten, wenn man das Alter und den Gesundheitszustand des Mannes bedenkt und ganz sicher hat mir das keine Träne in die Augen getrieben. Aber da war noch mehr. Viel mehr.

"Die haben ihn beschützt. Es wurde ihm versprochen. Und er hat dich beschützt, hat diesen Ort beschützt. Aber jetzt, jetzt wo sie zu Phase drei übergegangen sind, ist niemand mehr sicher. Die haben ihn umgebracht und die haben alles gefunden, was er verborgen hat. Die wissen, wo ihr seid. Die wissen alles."

"Warte, warte, langsam", habe ich ihn unterbrochen, überwältigt von seinem rasenden Informationserguss. "Dein Vater hat uns beschützt? Wie? Warum?"

"Jesus, Mulder, das ist jetzt nicht mehr wichtig!" Er schlug mit der Faust auf den Tisch und brachte damit das Besteck genauso zum Schwingen, wie meine Nerven. "Das Wichtige ist, das, was du verstehen musst ist, dass du nicht mehr beschützt wirst. Die wissen wo ihr seid und die kommen hierher. Es könnte jetzt jederzeit passieren."

Wir haben das schon mal gehört, von dem Briten, aber das ist fast zwei Jahre her. Ich hatte angefangen zu glauben, dass er geblufft hat, dass er irgendwie versucht hat, Krycek auf seine Seite zu ziehen. Das hätte tatsächlich so sein können. Aber egal wie, ich setze sehr viel Vertrauen in das, was Spender sagt.

"Und Sie sind den ganzen Weg hierher gekommen, nur um uns zu warnen?" fragte Roseanne, verständlicherweise skeptisch. Er war ein Fremder für sie.

"Ich bin hierher gekommen, weil ich irgendwo hin gehen musste. Das ist der einzige Ort den ich kenne, der einzige, der noch übrig ist. Es gibt nichts anderes mehr. Ihr wisst nicht, wie es draußen ist. Ihr müsst einfach..."

Seine gehetzten Augen füllen sich mit Tränen der Angst und der Frustration und jeder Zweifel, den ich gehabt haben könnte verschwand. Er hat uns die Wahrheit erzählt und er war nicht nur verängstigt, er war vollkommen eingeschüchtert.

"Mulder, wenn ihr hier nicht verschwindet, dann steht euch die völlige und sichere Auslöschung bevor."

"Gut, wo sollen wir hingehen?" fragte Roseanne. "Sie haben uns gerade erzählt, dass nichts mehr übrig ist."

"Das spielt keine Rolle. Geht einfach. Irgendwo hin. Lauft weg, so lange ihr noch könnt. Wenn ihr hier bleibt, gibt es keinen Widerstand gegen die. Es gibt überhaupt keinen Widerstand gegen die, aber wenn ihr weglauft könnt ihr euch vielleicht irgendwo verstecken, um ein wenig länger auszuhalten."

"Ich kann nichts ... ich werde das nicht glauben. Es muss irgendetwas geben, was wir tun können", bot ich an, mehr um mich selbst als irgend jemand anderen zu überzeugen.

Spender schüttelte seinen Kopf. "Mulder, es bleibt keine Zeit mehr für deinen Idealismus. Ihr müsst gehen. Wir müssen alle gehen."

Als ich meinem Gegenüber in das Gesicht sah, welches so von reiner, ungezügelter Verzweiflung beherrscht wurde, war mir klar, dass etwas getan werden musste. Und zwar schnell.

Wir haben die Information zuerst Krycek überbracht. Er hat klugerweise entschieden, es jeden sofort wissen zu lassen und jeden die Kampf-oder-Flucht Entscheidung selbst treffen zu lassen. So weit ich weiß hat niemand gewählt zu kämpfen.

Uns allen wurde ein Überlebenspaket mitgegeben - ein paar Nahrungsmittel, ein paar Medikamente, Kleidung, eine Zahnbürste, ein Stück Seife, Wasserreinigungstabletten, all diese grundlegenden Dinge - und wir teilten uns in Gruppen zu sechs bis zehn Personen auf. Jeder Gruppe wurde ein Fahrzeug gegeben, ein Kompass und die Hinweise für die Richtung, in der die Kolonie des Briten liegt. Es ist der einzige Ort, der jedem einfällt, wohin man noch gehen könnte.

Die Evakuierung begann letzte Nacht mit der ersten Gruppe, die unter Brians Kommando wegfuhr. Als ich mich von ihm verabschiedete, hatte ich das grausige Gefühl, dass ich ihn jetzt das letzte Mal sehe.

Unsere Gruppe ist klein - nur Roseanne, Spender, Scully, Krycek, Eva und ich - aber ich denke wir sind stark. Es gibt die sehr reale Möglichkeit, dass dies die einzigen Menschen sind, die ich jemals wiedersehen werde.

Krycek hat entschieden und wir haben alle zugestimmt, dass wir als letzte gehen sollten, so dass wir den anderen bei ihren Vorbereitungen helfen können. Wir haben fast alle Gruppen weggeschickt und unsere Zeit kommt schnell heran. Es war überaus schwierig. Ganz besonders, so wie ich denke, für Krycek.

Ich helfe ihm, sein Büro auszuräumen, alles zusammen zu sammeln, was zukünftig für uns wichtig sein könnte. Sein Verhalten ist noch mürrischer, als mein eigenes.

"Ich würde bleiben", sagt er zu mir, während er den Inhalt des oberen Schubfach seines Aktenschrankes in einen Plastiksack entleert. "Ich würde bleiben und um diesen Ort kämpfen, wenn ... wenn die Dinge anders wären."

Er scheint sich fast zu entschuldigen, als wenn er fürchtet, dass ich ihn dafür verurteilen würde, dass Schiff zu verlassen, sich nicht der Möglichkeit zu stellen und Kryceks letzte Stellung zu verteidigen.

"Wir müssen an Eva denken. An ... an unsere Familie", sage ich ihm. So sehr ich mir selbst wünsche, eine letztes Mal Stärke und Widerstand demonstrieren zu können, verstehe ich, dass dies unsere einzige Möglichkeit ist.

"Ich weiß das, Mulder. Ich hasse es nur, wegzulaufen."

Ich hasse es auch. Mein Gott, und wie ich es hasse.

"Du hast dein Bestes getan, Krycek. Besser, als es von jedem anderen hätte erwartet werden können."

Er hört mit seiner wilden Bürodurchstöberung auf und sieht mich mit einem Gesichtsausdruck an, der erschreckend nahe an Dankbarkeit herankommt. Er streckt seine Hand aus und ich nehme sie, verfalle in einen angenehmen Handschlag. Ich spüre ein eigenartiges Bedürfnis, ihn zu umarmen, aber unter den Umständen würde die Geste wahrscheinlich etwas verwirrt wirken.

"Danke, Mulder", sagt er einfach und wir beenden schweigend das Einpacken.

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Babies packen nicht gerne.

Wir sind viel umgezogen, als ich klein war. San Diego, North Carolina, Virginia, wieder zurück und das gleich noch mal. Ich habe die ersten paar Male geweint. Ich erinnere mich an die Verwirrung, die Angst, an das Gefühl der völligen Orientierungslosigkeit, als meine Sachen von Raum zu Raum geschoben wurden, in Kisten, Autos und Flugzeuge. Nach einer Weile hatte ich mich daran gewöhnt, aber ich habe mir immer geschworen, dass ich, wenn ich ein Kind haben würde, mein möglichstes tun würde, damit dieses Kind an einem Ort bleiben kann. Manchmal spielt das Leben nicht so, wie man es erwartet.

Eva weint. Das ist kein bemerkenswertes Ereignis für die meisten Zweijährigen, aber unsere Eva weint nicht viel. Das hat sie nie getan.

Sie ist ein Schreihals, ein Brüller, ein Fußaufstampfer. In letzter Zeit hat sie angefangen, hochmütig mitzuteilen "Du gehen Hölle!" wenn etwas oder jemand ihr nicht gefällt. Eine weitere liebenswürdige Eigenart, die sie von Alex abgeschaut hat. Aber wir sehen ihr Gesicht selten tränenüberströmt, so wie es jetzt fast den ganzen Nachmittag war.

Sie ist zu klein um zu verstehen, warum ich gerade ihre Sachen zuerst einpacke. Das Märchenbuch, das Alex für sie gemacht hat, Worte auf Notizpapier geschrieben mit etwas, was Schönschrift sein sollte, Bilder, bei denen sie darauf bestanden hat, sie selbst zu malen, weil "Dad kannich malen" - das war das erste, was ich in eine Tasche getan habe, die jetzt überläuft mit Dingen, die Eva gehören. Ihre liebste Kuscheldecke, das "Festkleid", das Roseanne ihr für ihr erstes Weihnachten genäht hat, die Sammlung von Katzenbildern, die sie mit Mulders Hilfe aus der Bibliothek geschmuggelt hat, alle diese Dinge sind gepackt und sie kommen mit uns mit, egal was passiert. Ich habe sie zuerst eingepackt, weil komme was wolle, diese haben meine höchste Priorität.

Die letzte Hürde ist Blumenbär. Blumenbär sieht, soweit es Spielzeuge betrifft, ziemlich erbärmlich aus. Er ist ein Kissenbezug mit Blümchenmuster, wenig überzeugend in die Form eines Teddybären gebracht, mit schwarzen Knopfaugen und einem ballartigen Schwanz, der aus einer alten Sportsocke gemacht wurde.

Ich war nie sonderlich kunsthandwerklich begabt, aber ich habe es versucht und irgendwie ist das einzige Spielzeug, das ich für meine Tochter gemacht habe, ihr allerliebster Besitz geworden.

Sie will ihn mir nicht geben. Sie hat sich in eine fetale Position auf der Couch zusammengerollt, Blumenbär fest in ihrem Griff und jeder Versuch, das ausgestopfte Tier herauszuziehen wird mit noch mehr Tränen und ungehorsamen Geheul begleitet.

"Eva, komm schon. Mami meint es jetzt ernst. Es ist Zeit zu gehen."

Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein würde. Ich dachte nicht, irgendetwas könnte so schwer sein.

"Nein! Nein geh weg!" schreit sie, ihre dunklen Locken um sich werfend und die kleine Händchen zu Fäusten geballt. Ich würde am liebsten mit ihr zusammen weinen, jemanden, irgendjemanden anflehen, diesen Alptraum zu beenden und mich hier bleiben zu lassen. Das erste Mal in meinem Leben wünschte ich, ich wäre ein kleines Kind ohne Macht, ohne Verantwortung, ohne Wahl und dass irgendjemand einfach hier rein kommen könnte und mich aufnehmen und mir sagen, was zur Hölle ich tun soll. Ich wünschte ich wüsste nicht, warum das getan werden muss.

"Süße, wir müssen gehen. Es tut mir Leid. Bitte, gib mir einfach den Bär, so dass wir..."

"Mami, Lichter! Schau mal!"

Eva zeigt zum Fenster, plötzlich abgelenkt, gelähmt. Blumenbär fällt auf den Boden, zeitweise vergessen und ich nutze die Möglichkeit, das Spielzeug zu schnappen und in die Tasche zu stopfen. Dann gehe ich zum Fenster.

Es dämmert. Die Sonne hängt niedrig am Himmel, sendet einen goldenen Schein über das Herbstlaub, das an unseren Bäumen hängt.

Die Farben sind kräftig, viel lebendiger und voller als jemals vorher.

In der Ferne, hinter den Gebäuden unseres Geländes, sind die Lichter. Explosionen. Rote und orange Feuerbälle verbrennen den Wald östlich von uns.

Es ist eine wunderschöne Szenerie. Eine, die gegen die eindrucksvollsten Kunstwerke antreten könnte, die bewegendste Symphonie. Es ist unser Weltuntergang.

"Eva, zieh deine Jacke an. Es ist Zeit zu gehen."

Ende Kapitel 11

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Kapitel 12

Irgendeine Nacht, irgendwo, im Truck.

Ich habe dich mitgenommen. Wir konnten nur das Notwendigste mitnehmen - den Inhalt unserer Überlebenspakete - aber jeder hat etwas Zusätzliches eingepackt. Dana hat Evas Spielzeug und Ret. Mulder einige Bücher und ein paar von diesen alten Musikkassetten, die er gefunden hatte. Mir ist nicht klar, wo er erwartet, diese abspielen zu können. Alex hat fast den gesamten Inhalt seines Büros eingepackt. Und ich dich.

Mulder hat mir dich geschenkt, so dass ich meine Geschichte aufzeichnen kann und diese Geschichte ist jetzt noch nicht vorbei. Nicht so lange ich immer noch atme.

Ich weiß nicht, wie lange wir schon gefahren sind. Es ist dunkel draußen und Alex ist am Steuer, seit heute morgen die Sonne aufging, aber ich habe aufgehört zu zählen, wie oft wir die Sonne durch die Fenster des Trucks auf- und untergehen sahen, in unserem neuen mobilen Zuhause.

Wir haben ein paar Mal angehalten - immer wenn wir einen verlassenen Tankstelle oder Raststätte gesehen haben. Es gibt immer noch Benzin und Mulder hat immer noch die Zugangskarte, die ihm Spender vor all den Jahren gegeben hat.

Spender ist tot. Er war der einzige in unserer kleinen Gruppe, der es nicht lebend geschafft hat. Wir sahen ihn sterben, verbrannt zu einem Haufen rauchender Asche. Er war so nahe am Truck, aber nicht nah genug. Sein Rucksack war schon da, auf dem Boden vor den Rücksitzen und dort ist er immer noch, zwischen Mulders Beinen. Keiner von uns hat ihn geöffnet.

Wir haben es fast nicht geschafft. Ehrlich, ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben. Es war ein Nebel von Angst und Schrecken, zusehen zu müssen, wie unser Zuhause bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde und fliehen zu müssen. Alles was ich weiß ist, dass der Rest von uns es rechtzeitig lebend in den Truck geschafft hat und dass Dana schneller als der Teufel fahren kann, wenn sie um ihr Leben rennt.

Der Karte nach zu urteilen sind wir sehr nahe an der Kolonie des Briten. Die anderen scheinen Hoffnung zu haben. Jeder scheint daran zu glauben, dass unsere Freunde dort auf uns warten werden und dass wir wissen werden, was zu tun ist, wenn wir erst einmal dort sind. Ich bin da nicht so hoffnungsvoll.

Aus irgendeinem Grund fürchte ich, was wir in der anderen Kolonie finden werden. Nachdem ich die Zerstörung meines eigenen Zuhause mitangesehen habe, kann ich mich nur fragen, ob es den anderen besser ergangen ist.

Jetzt jedenfalls bin ich trotzdem erst mal froh, dass wir alle leben und zusammen sind.

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Ein weiterer Tag.

Wir haben Smiths Kolonie am Morgen erreicht, kurz nach Sonnenaufgang. Ich bin traurig feststellen zu müssen, dass mein Pessimismus gerechtfertigt war. Die Gebäude sind niedergebrannt und es ist nicht die Spur von Leben mehr übrig.

Während wir durch die Asche liefen, stolperten wir über die Reste von furchtbar verkohlten Knochen. Dana identifizierte die meisten davon als menschlich, aber einige waren außerirdisch.

Es ergab keinen Sinn.

"Wie konnte das passieren?", fragte Alex und hielt einen zerbröselnden Alienschädel in der Hand. "Wie konnten sie sterben?"

Keiner hat einen Antwort. Wir haben immer geglaubt, sie seien unaufhaltbar, unzerstörbar. Feuer reicht mit Sicherheit nicht aus, sie zu töten.

Wir haben die Kolonie vor einigen Stunden verlassen und wir fahren nach Süden, keine bestimmte Richtung vor Augen. Vor ein paar Meilen sind wir an einem Gebäude an der Straße vorbeigekommen, das wie eine Art Kontrollpunkt ausgesehen hat. Wir waren nervös als wir an der Wachhütte ankamen, aber als wir sie erreichten sahen wir etwas sehr seltsames. Eine weitere Alien-Leiche, diese völlig intakt, auf einem Plastikstuhl sitzend.

Dana wollte sie untersuchen, aber Alex war dagegen. Wir können nicht wissen, welcher Sache sie ausgesetzt waren, was für Gefahren wir uns selbst aussetzen würden, wenn wir ihnen zu nahe kommen.

Erleichtert aber verwirrt fuhren wir weiter.

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Ein weiterer Tag.

Es ist viele Tage her, seit wir die Kolonie des Briten gefunden haben. In dieser Zeit haben wir noch mehr Alien-Leichen gefunden, in der Landschaft verteilt.

Letzte Nacht, des kurzen Dösens im fahrenden Truck überdrüssig, haben wir uns dazu entschlossen, im Wald zu kampieren. Unsere Angst davor, festgenommen und getötet zu werden kann von Tag zu Tag abgenommen und wir fühlten uns relativ sicher, unser Lager im Freien aufzuschlagen.

Von meinem Schlafsack aus sah in Lichter, die vom Himmel fielen. Erst dachte ich, es seien Sternschnuppen, aber sie waren viel zu groß und zu bunt. Ich weckte Mulder und wir beobachteten sie gemeinsam.

"Denkst du, es sind Schiffe?", fragte ich ihn.

"Vielleicht. Es scheint so, als wenn alle hier unten sterben würden", sagte er.

Ich habe sehr viel Ahnung, wahrscheinlich mehr als einer von den anderen, von der komplizierten symbiotischen Beziehung zwischen der Physiologie und der Technologie der Aliens. Es ist logisch, dass wenn eines dieser beiden Dinge ausfällt, stirbt, das andere folgen würde. Als das außerirdische Leben auf der Erde verfiel, hörten die Maschinen, die so lange über uns geschwebt haben auf zu funktionieren.

Die einzige Frage ist - warum? Warum starben sie?

Dana glaubt, dass die Aliens mitten in ihrem Werk der Zerstörung, die einzige Sache freigesetzt haben, die die Macht hatte, sie zu zerstören. Sie glaubt dass irgendjemand, irgendwo die Bio-Waffe perfektioniert hatte, an der wir alle so hart gearbeitet hatte.

Alex besteht darauf, dass die letzte Hoffnung auf diese Bio-Waffe bei dem Überfall auf das Hauptquartier der Rebellen zerstört wurden, dass es eine andere Erklärung geben muss. Ich denke es macht ihm zu schaffen, dass sie vernichtet sind und er nicht derjenige war, der sie besiegt hat.

Meine einzige Sorge ist, dass wir Unrecht damit haben, dass sie alle tot sind. Es scheint fast zu schön um wahr zu sein.

Und dann ist da die Frage nach anderen Menschen.

Die Welt fühlt sich sehr leer an. Ich weiß nicht, wie viele Tage wir gefahren sind, aber ich weiß wie weit: fast 2000 Meilen. Ich habe beobachtet, wie sie auf dem Tachometer weiter gedreht wurden. Während aller dieser Meilen haben wir kein weiteres Lebenszeichen gesehen, Alien oder menschlich. Tiere und verlassene Gebäude sind alles, was übrig ist.

Wir fahren weiter nach Süden. Es wird wärmer. Bald wird uns die Straße ausgehen. Ich weiß nicht, was wir alle dann tun werden. Zwei Männer, eine Frau, ein Klon, ein Kind und ein Hund. Kann das alles sein, was übrig ist?

Der Gedanke scheint alle anderen zu ängstigen. Alex hat seit sehr langer Zeit nicht gesprochen. Dana hat Eva auf ihrem Schoß gehalten, sie getröstet und beruhigt und dabei stand ihr nackte Angst in den Augen. Mulder hat meine Hand gehalten. Seine Handflächen sind schon seit Tagen verschwitzt.

Jeden Tag war ich dankbar, dass wir noch am Leben sind, aber jetzt fange ich an mich zu fragen, ob wir die einzigen sind.

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Eine weitere Nacht.

Mulder hat mich heute gefragt, als wir auf einem leeren Parkplatz Dosenmais aßen, ob ich es glaube.

"Denkst du, dass wir wirklich allein sind?", fragte er. "Sind wir die einzigen, die auf diesem Planeten übrig sind?" Er sah so aus, als wenn er anfangen würde zu weinen.

"Vielleicht", sagte ich. "Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt ist es für mich nicht so wichtig. Alles was ich liebe ist in diesem Truck."

Er küsste mich und ich war glücklich, aber er sah sehr traurig aus.

Die Räder rollen weiter und die Nacht wird lang. Jeder schläft außer Alex und mir. Während ich das hier blind im Dunkeln schreibe, frage ich mich, ob es am Morgen lesbar sein wird. Ich frage mich, ob in zehn oder zwanzig Jahren irgendjemand am Leben sein wird, der es liest.

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Vor langer Zeit, in einer fernen Galaxie, habe ich ein Schauspiel über die Hölle gelesen. Die Menschen dort wussten nicht, dass sie in der Hölle waren. Es waren drei, in einen Raum gesperrt, gezwungen Small Talk miteinander zu machen, während sie darum rangen heraus zu finden, wie sie dort hineingekommen sind und wie sie wieder herauskommen würden. Zwei Frauen, ein Mann. Eine der Frauen war lesbisch. Die Lesbe wollte die andere Frau, die den Mann wollte, der die Lesbe wollte.

Die Hölle, nach Jean Paul Sartre, sind die anderen Leute.

Ich habe in den letzten Tagen nicht viel geschlafen, aber wenn, dann war mein Schlaf traumlos. Dies ist einer der Faktoren der zu meiner Meinung beiträgt, dass ich überhaupt nicht wirklich hier bin. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich tot bin.

Das könnte sehr wohl die Hölle sein, aber zumindest sind wir zu viert.

Die Sonne geht wieder auf, genau so, wie sie es jeden Tag meines Lebens getan hat, aber ich bin willens zu wetten, dass es in der Hölle eine Sonne gibt. Sollte es nicht heiß sein? Es wird jeden Tag heißer in diesem Truck ohne Klimaanlage.

Krycek fährt auf einen Parkplatz, so dass wir Plätze tauschen können. Ich bin mit fahren dran. Ich steige aus dem Truck aus, strecke meine Glieder und sehe mich um.

Der Parkplatz ist fast leer. Fast. Es gibt ein anderes Fahrzeug, ganz in der Nähe der ausgebrannten Reste eines Gebäudes und ich laufe in blinder Hoffnung darauf zu. Dumme Hoffnung. Als ich nahe genug heran bin, um die Spinnweben im Inneren wachsen zu sehen, die sich um die Skelettreste auf dem Fahrersitz schlingen, drehe ich mich um und steige wieder in den Truck.

Das war früher mal ein McDonalds. Das Gebäude ist fast verschwunden, aber das gigantische M steht immer noch. Ich frage mich, ob es noch irgendwelche Zutaten dort drin gibt. Ich könnte jetzt wirklich ein Happy Meal vertragen.

"Was war in dem Auto, Mulder?", fragt Scully mich vom Beifahrersitz aus. Eva hüpft auf ihrem Schoß herum, lächelt und streckt ihre Hände in der Luft, versucht, nach den Sonnenstrahlen zu greifen, die durch die Windschutzscheibe fallen.

"Nicht. Nur ... nichts."

Und dann sind wir wieder auf der Straße. Ich und Scully, wieder in einem Auto, auf einem weiteren Highway. Nur diesmal zerkrümelt der Asphalt unter uns und es gibt keinen Fall, den wir schnell lösen müssen. Tatsächlich haben wir überhaupt keine Eile. Das passt natürlich, dass wenn wir ein einziges Mal nicht in Eile sind, überhaupt kein Verkehr ist. Nicht ein einziges verdammtes Auto auf der Straße.

Wir fahren an Ausfahrten vorbei, die behaupten zum Holiday Inn zu führen, zu Pizza Hut, Long John Silvers, aber die Zeichen sind staubig und voller Lügen. Eines von ihnen behauptet, dass wir fast in Disney World sind. Das Bild von dieser verdammten Maus ist auf einem Anschlag und ich finde das so verdammt komisch, die Dinge, die überlebt haben.

"Guck ma! Was das?", fragt Eva, ihre Stimme aufgeregt und neugierig. Sie zeigt auf das Schild als wir daran vorbeifahren und zappelt auf Scullys Beinen herum. Ich denke, dass es lustig gewesen wäre, mit meiner Tochter Disney World zu besuchen. Ich frage mich, was davon übrig ist.

"Das ist Mickey Maus", sagt Scully. "Magst du ihn?"

Eva ist eine lange Zeit still, denkt über die Frage nach. So ein nachdenkliches Kind, so verdammt klug. Zu was für einem Leben haben wir sie verurteilt?

"Äh, nein", entscheidet sie schließlich. "Mausen sind schrecklich."

Vom Rücksitz höre ich Lachen. Krycek.

Ich nehme an es ist ziemlich komisch. Von all den schrecklichen Sachen, der verfluchten alptraumhaften Horrorshow, der dieses Kind ausgesetzt war, Dingen, denen sie mit einer ruhigen Sorglosigkeit gegenübergestanden hat, um die wir alle sie beneidet haben, hat sie Angst vor der verdammten Mickey Maus.

Mein Gott, ich liebe dieses Kind. Wir können nicht in der Hölle sein. Eva ist hier.

Vielleicht ist es nur das Fegefeuer.

Wie auch immer, mein Bedürfnis, nach Disney World zu fahren ist durch Evas Abneigung bezwungen worden. Wir fahren an der Ausfahrt vorbei und ist nur ein weiteres blaues Zeichen, ein weiterer Punkt auf dem endlosen Highway.

Ich schaue in den Rückspiegel und sehe Roseanne, die mich ansieht, ein Lächeln auf dem Gesicht. Sie war fast so ruhig wie Eva durch all diese ... diese Dinge, dieses Weltuntergangs Blitzkrieg Szenario, durch das wir gefahren sind. Vor langer Zeit hat sie mir erzählt, dass sie sich davor fürchtet, aber jetzt, wo es passiert ist sie fast sorglos.

Manchmal verstehe ich sie überhaupt nicht. Die Tatsache, dass ich das möchte ist so etwas wie eine Offenbarung. So lange Zeit gab es nur Scully, nur Scully in meinem Kopf und in meinem Herzen. Sie ist natürlich immer noch dort und ich weiß, dass ich auch in ihrem Herzen bin, aber jedweder romantische Gedanke, den ich von einer einzigen wahren Liebe gehabt haben mag, scheint hier fehl am Platze zu sein.

Ich liebe Roseanne. Ich weiß nicht, ob es eine romantische Liebe ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob das eine Rolle spielt. Ich würde gern ein Kind mit ihr haben und gerade jetzt scheint mir das eine sehr wichtige Sache zu sein.

Die Welt wieder zu bevölkern mit einem so limitierten Genpool ist eine ein wenig aussichtslose Sache, aber ich nehme an, wir müssen irgendwo anfangen. Es ist die einzige Hoffnung, die wir haben.

Wir fahren weiter und weiter. Ich und mein Karass, der, so wie sich herausstellte, die ganze Zeit dazu bestimmt war, die letzten Menschen auf der Erde zu sein. Als wir eine Straßengabelung erreichen, entscheide ich mich dafür, nach Osten zu fahren. Der Ozean scheint mir vielversprechender, als der Golf.

Vielleicht können wir schwimmen gehen, wenn wir dort sind. Hey, zumindest würde der Strand nicht zu voll sein.

Ende Kapitel 12

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Kapitel 13

Meine liebste Eva,

ich schreibe dir dies auf einem Blatt Papier, dass ich von einem Ort namens 7-11 gestohlen habe. Es war in der Zeit vorher ein Tante Emma Laden. In der Zeit vor der Zeit vorher.

Oh mein Gott. Das wird noch viel schwieriger werden, als ich befürchtet hatte. Ich bin mir nicht sicher, ob du die Möglichkeit haben wirst, unsere Geschichte aus einer anderen Quelle zu lernen und es gibt so vieles, von dem ich möchte, dass du es weißt und verstehst. Ich möchte dass du weißt, wie die Welt war, bevor du geboren wurdest. Ich möchte dir erzählen, wer deine Eltern waren, wer wir sind und warum wir uns entschieden haben, dich zu bekommen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo ich anfangen soll.

Ich möchte dir erzählen, wir dein Mulder und ich uns getroffen habe, aber wie kann ich anfangen, die X-Akten zu erklären, wenn das Konzept einer Bundespolizei für dich wahrscheinlich genauso fremd ist, wie das eines Tante Emma Ladens? Es fühlt sich so sinnlos an, wie einem Blinden die Farbe Blau zu erklären.

Vielleicht ist das meiste an der Geschichte gar nicht so wichtig. Vielleicht ist das meiste davon zu düster, zu kompliziert, zu unschön, um es hier wieder aufzuzählen. Wie du entstanden bist ist sekundär, die Details werde ich dir mitteilen, wenn du dich entschließt zu fragen, die aber, wenn ich genau darüber nachdenke, weniger wichtig sind.

Das, was du wissen musst, der Grund, aus dem ich dir diesen Brief schreibe ... du hast uns gerettet, Eva. In jeder möglichen Hinsicht. Ich glaube nicht, dass wir heute noch am Leben wären, wenn es nicht deinetwegen wäre.

Ich hatte immer Schwierigkeiten damit, an Schicksal zu glauben, aber heute mit der Realität konfrontiert habe ich keine andere Wahl, als zu glauben. Was für eine andere Erklärung gäbe es dafür? Schicksal hat uns dich gebracht und Schicksal hat uns die Aufgabe überlassen, eine völlig neue Welt für dich zu beginnen. Ohne dich hätte ich nicht die Kraft weiterzumachen. Ich hätte jetzt nicht mehr die Kraft weiter zu leben und weiter zu kämpfen.

Die Dinge erscheinen jetzt so kahl, so leer, fast hoffnungslos, aber ich werde von dem Bedürfnis getrieben, vielleicht einem biologischen Imperativ, zu finden, was immer an Essenzen des Lebens übriggeblieben ist, um es wieder aufzubauen.

Mulder hat uns an den Ozean gefahren. Ich sehe dich im Sand, wie du mit Roseanne, Mulder und Ret spielst, wie deine nackten Füße in die Wellen tauchen. Du siehst jetzt glücklich aus, aber ich frage mich, wie viel von der Zerstörung, die du gesehen hast in dein Bewusstsein gesunken ist. An wie viel wirst du dich erinnern? Wirst du uns dafür hassen, dich in diese Welt gebracht zu haben? Wirst du jemals ein anderes Kind haben, mit dem du spielen kannst?

Was auch immer passiert, Eva, bitte sei dir bewusst, dass deine Mutter dich mehr liebt, als sie jemals irgendetwas anderes geliebt hat und dass sie gewillt ist, dir ein Leben zu geben, das lebenswert ist.

"Was schreibst du?", fragt Alex und ich lege den Stift und den Zettel hin, auf die Motorhaube des Trucks. Ich nehme seine Hand in meine Hände, stehe auf und sehe ihn an.

"Einen Brief an Eva. Ich versuche zu ... erklären."

Seine Lippen kräuseln sich zu einem kleinen Lächeln und seine Finger legen sich um meine.

"Ich denke sie versteht."

"Oh Alex, wie könnte sie? Wie können wir ... Gott, was haben wir getan?"

Tränen beginnen meine Wangen herunter zu laufen und ich wische sie genervt weg. Dies ist nicht die richtige Zeit, um zusammenzubrechen. Aber wann, wenn nicht jetzt?

"Sie weiß, dass wir sie lieben, Djewotschka", flüstert er und hebt seine Hand um meine Wange zu umfassen. "Sie weiß, dass wir uns lieben."

"Ist das genug? Wie kann das genug sein? Wo sollen wir leben, Alex? Wie? Wie können wir leben, wenn keine anderen Menschen irgendwo sind?" Was geschieht mit ihr, wenn wir sterben. Ich kann diese Frage noch nicht einmal laut aussprechen. Ich bin schon fast hysterisch.

"Wir werden einen Weg finden. Wir werden andere Menschen finden. Sie sind irgendwo, dessen bin ich mir sicher."

"Wie? Wie kannst du da sicher sein?" Ich schreie jetzt. Benehme mich dumm, kindischer, als meine zwei Jahre alte Tochter.

"Sch, Djewotschka, schh", summt er in mein Ohr, zieht mich in eine beruhigende Umarmung. Ich denke ich bin über den Punkt hinweg, mich beruhigen zu lassen. Ich schlage meine Fäuste auf seine Brust und er lässt mich. Er lässt mich weinen und ihn schlagen und er steht einfach da, hält mich und sagt mir, dass alles gut werden wird, aber wie kann es jemals wieder gut werden? Wie?

"Ich versuche es, Alex", schluchze ich und sinke gegen ihn. "Ich versuche es so sehr, so stark für sie zu sein, aber ich weiß einfach nicht, was zur Hölle wir tun sollen!"

"Ich weiß. Ich weiß. Ich weiß es auch nicht. Alles was ich weiß ist, dass wir nicht aufgeben können. Wir müssen es einfach ... weiter versuchen."

Seine Stimme ist dunkel und als ich mich zurückziehe um ihn anzuschauen, sehe ich, dass er auch weint. Ich schlinge meine Arme um ihn, lege meinen Kopf unter sein Kinn und er hält mich weiter. Fest.

Nach einer langen Zeit sagt er, "vielleicht sollten wir noch ein Baby bekommen."

"Wir können nicht, Alex. Ich müsste ... mit Mulder."

"Ich denke, ich könnte es dieses Mal verwinden, Dana."

Ich lache ein wenig und weine ein wenig mehr. Er hat recht. Die alten Regeln zählen nicht mehr und Monogamie erscheint ein Ideal zu sein, dass zu sinnlos ist, um es anzustreben. Unsere eigenen selbstsüchtigen Bedürfnisse, ob sie nun auf Liebe beruhen oder nicht, müssen jetzt hinten an stehen. Es sind hier größere Dinge am Werk, als die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau.

Tatsache ist trotzdem, dass ich jeden Tag älter werde und es für mich bald keine Babies mehr gibt.

"Vielleicht werden Mulder und Roseanne ein Baby bekommen", biete ich hoffnungsvoll an. Roseanne hat sich als ziemlich alterslos erwiesen. Wenn sie fähig ist, sich zu reproduzieren, sollte ihr diese Fähigkeit eine lange Zeit erhalten bleiben.

"Und vielleicht werden ich und Roseanne auch eines haben."

Ich mag diesen Gedanken nicht besonders, aber ich denke, wenn er den Schmerz für den Erhalt der Menschheit aushalten kann, dann kann ich das auch.

"Alex, wenn alle unsere Kinder miteinander Kinder haben, werden sie deformiert sein."

"Nun", seufzt er, "wir müssen irgendwo anfangen."

"Ich liebe dich, Alex."

Er lächelt und er küsst mich und vielleicht ist das schließlich genug. Vielleicht ist es das.

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Früher wollte ich der König der Welt sein. Um zu herrschen und zu erobern und zu besitzen. Ich weiß, dass es ein stolzes Ziel war und dass ich, bevor ich es erreichen würde mich zunächst darauf konzentrieren musste, am Leben zu bleiben.

Überleben ist eine starke Triebkraft. Es hat mich durch vieles hindurchgeführt und bald war meine Zeit gekommen. Die Kolonisierung hat mich zum König meiner eigenen Welt gemacht und eine Weile lang war das genug. Als sie dann kam, wurden die Dinge kompliziert. Gedanken an Liebe, an Treue, Ehrlichkeit und Loyalität begannen durchzusickern und mein Bewusstsein zu erreichen. Unordentliche Gedanken.

Die Welt ist jetzt sehr klein und es gibt hier keinen König. Aber trotzdem ist der Drang zu überleben immer noch sehr mächtig in mir. Das Bedürfnis bleibt und genauso bleiben die unordentlichen Gedanken. Meine Angst ist, dass beide in dieser neuen Welt nicht koexistieren können.

Trotzdem gibt es Hoffnung. Es gibt Eva. Mehr als Selbsterhaltung, mehr als Ehre, mehr als die persönliche Befriedigung einer erfüllten romantischen Liebe, mehr als jede andere verdammte Sache ist Eva. Ich kann ganz ehrlich sagen, dass ich alles opfern würde, um ihr eine Zukunft zu geben.

Die gesamte Zukunft der Welt hängt davon ab.

Außerdem gibt es unsere gemeinsame Stärke. Roseanne ist ein lebendes Lexikon voller Wissen und mit der computerartigen Fähigkeit, Informationen zu speichern, zu priorisieren und zu verarbeiten. Mulder, mit seiner teilweise außerirdischen Physiologie ist mit erstaunlicher Körperkraft und Durchhaltevermögen gesegnet. Ich denke dass es möglich ist, dass er ewig leben kann. Dana hat das Herz, die Güte und die Liebe, uns alle zusammen zu halten. Ich denke dass ich mich als fähig erwiesen habe, einigermaßen kompetent zu führen. Und Eva gibt uns den Grund, die Motivation weiterzumachen und die Kraft, es fertig zu bringen.

Schicksal, oder vielleicht Gott, hat uns dazu auserwählt. Vielleicht habe ich nicht eigenhändig die außerirdischen Bedrohung von der Erde verbannt. Vielleicht habe ich nicht den Planeten gerettet, aber sie sind weg und wir sind hier. Wie auch immer es passiert sein mag, wir sind jetzt mit der einzigartigen Möglichkeit konfrontiert, eine völlig neue Zivilisation aufzubauen, mit nichts anderem in unserem Weg, als unseren eigenen Ängsten und Gefühlen der Isolation. In gewisser Weise ist das fast befreiend.

Es gibt natürlich die Möglichkeit, dass sie zurückkommen. Das die, die hier zu Grunde gegangen sind nur der Anfang waren. Aber ich kann mir nicht erlauben, dies ernsthafter in Betracht zu ziehen, als ich die Möglichkeit unseres Scheiterns in Betracht ziehen kann.

Ich gehe mit Dana hinunter zum Wasser, um mich zu Eva, Mulder und Roseanne zu gesellen. Ret rennt auf Dana zu und sie streichelt ihn und füttert ihm chemisch konserviertes Hundefutter. Ich nehme Evas Hand und beobachte die Wellen. Nur ein weiterer Tag am Strand.

"Wass da 'rüben?", fragt sich mich und zeigt auf das Meer.

"Das ist der Ozean."

"Nein, nein, wass auf der andern Seite?"

Die andere Seite. Wie kann sie wissen, dass es eine andere Seite gibt? Wenn ich aus dieser Perspektive auf das Wasser sehe, kann ich verstehen, warum unsere Vorfahren glaubten, dass die Erde flach wäre und man herunterfallen würde, wenn man zu weit segelt. Sie sieht gewaltig und kreisförmig aus. Es sieht so aus, als wäre es ein pfannkuchenförmiger Planet.

"Es gibt einen anderen Kontinent auf der anderen Seite. Land wie dieses."

"Leben Leute da 'rüben?"

Eine sehr gute Frage. Ich sehe nach unten, in ihre großen und neugierigen Augen und dann wieder zum Wasser und dem Versprechen, das es birgt.

"Ich denke das tun sie, Eva. Ich denke wirklich, dass sie das tun."

Mulder läuft auf uns zu und hält Spenders verwaistes Überlebenspaket. Wir haben die Lebensmittel ausgeleert und alles was von Jeffrey Spender übrig bleibt ist ein lascher Rucksack.

"Ich denke wir sollten so etwas wie, äh...", quält sich Mulder, während er den Beutel hält und ihn eigenartig anstarrt.

"Ein Begräbnis?", biete ich an.

"Ja, ich nehme an, das ist das richtige Wort."

"Er hat uns gerettet, auf eine Art."

Mulder nickt und wir laufen zu Dana und Roseanne an den Rand des Wassers. Wir stellen uns eng zusammen, eine schmutzige, durchnässte und erschöpfte Gruppe. Mulder hält den Beutel eine Weile schweigend und beginnt dann seine Trauerrede.

"Es erscheint eigenartig, eine Trauerfeier für eine Person abzuhalten, wenn so viele gestorben sind, aber Jeffrey Spender war ... ja, er war ein wahrer Freund. Er hat mir auf so vielen Wegen geholfen. Er hat es mir möglich gemacht, euch zu finden, euch alle. Und dann kam er, um uns zu warnen ... er hat uns gerettet. Er hat uns alle gerettet."

Er sieht auf den Rucksack und sagt, "Danke, Jeffrey." Dann wirft er den Beutel in das Meer. Wir sehen ihm zu wie er treibt und hüpft.

Ich schaue hinüber zu Dana. Sie hat wieder Tränen in den Augen und ihre Hand liegt auf ihrem Kreuz. Erstaunlich, dass sie es immer noch hat, nach alle dem. Es lässt sich mir wieder die Frage über Gott stellen und ob wir wirklich die Auserwählten sind. Ich frage mich, ob Dana mehr Briefe schreiben sollte, ob sie Moses sein sollte und die Geschichte unseres kleinen Stammes für weitere Generationen aufzeichnen sollte. Oder für die Kinder, die vielleicht "da 'rüben" wohnen. Vielleicht ist das mein Job.

Wie geht man überhaupt daran, eine Gesellschaft aufzubauen? Das klingt für mich wie der Anfang eines Monthy-Pythons Sketches. Ich kann John Cleese fast hören, wie er die Liste der Dinge herunterbetet, die ich zu tun haben werde.

Ist es jetzt mein Job, meine Aufgabe als Mensch, Religion, Kultur und Tradition wieder aufzubauen? Welche meiner alten Ideale sind wichtig genug, um sie zu erhalten? Welchen moralischen Kodex sollte ich an meine eigene Tochter weitergeben? Wie haben die es am Anfang gemacht? Habe ich überhaupt einen moralischen Kodex?

Wenn man den Mythen glaubt, hat Gott zu diesen Menschen gesprochen. Wird Gott zu mir sprechen? Zu Dana? Wird der Geist von John Cleese zu uns herabsteigen und uns mit der verzauberten Schriftrolle einen Besuch abstatten? Ich denke wir könnten die Hilfe wirklich gebrauchen.

Ich sehe in den Himmel, in das tiefe Blau und die Wolken und die Sonne und ich erinnere mich an eine Nacht vor langer Zeit, als Dana mir von dem Zauber in den Sternen erzählte. Ich dachte es war eigenartig, ja geradezu verrückt von ihr, Schönheit darin zu sehen, wenn solcher Schrecken aus dem Himmel gekommen war. Jetzt denke ich, dass ich endlich verstehe, was sie dort oben gesehen hat.

Ich bitte still um Führung, um Weisheit von oben, aber es gibt kein blendendes, helles Licht oder gewichtige Wort in meinem Kopf. Alles was ich weiß ist, was ich in mir fühle, die Liebe, die ich für diese Menschen empfinde und das Bedürfnis, meine Familie zu beschützen.

Vielleicht hat Gott nie wirklich richtig zu irgendjemandem gesprochen. Vielleicht war das was sie hörten die Stimmen in ihren eigenen Köpfen, die ihnen sagten, was getan werden musste, warum sie eine wunderbare Welt für ihre Kinder erschaffen mussten.

Ich sehe wieder zu Dana und frage mich, ob sie an Gott denkt. Sie hat immer geglaubt, durch all den Schrecken und Streit. Glaubt sie jetzt? Fühlt sie, wie ich, dass eine höhere Macht für unser Überleben und unsere Stärke verantwortlich sein muss?

Vor langer Zeit hat mir mal jemand erzählt, dass es keinen Gott gibt, dass das, was wir für Gott halten nur außerirdisch ist. Ich kann das jetzt nicht glauben. Ich werde es nicht glauben.

Dana erwidert meinen Blick und öffnet ihren Mund zum sprechen. Der Wind bläst ihre Haare in ihr Gesicht, in ihren Mund. Sie sieht klein und müde aus und wunderschön in dem hellen Sonnenlicht. Ihre Stimme bricht. Sie schluckt, schließt ihre Augen und beginnt leise zu beten.

"Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste. Wie es war im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen" *)

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ENDE

*) der Gebetstext im Original:

Glory be to the Father, the Son, and the Holy Spirit. As it was in the beginning is now and ever shall be, world without end. Amen.