RICHTUNG NIRGENDWO 4 - ÜBER DEN GLEISEN

(Originaltitel: Down The Tracks )

von Nicole Perry

( nvrgrim@aol.com )

 

Datum: 22. Juni 1996

 

aus dem Englischen übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de >

*** überarbeitet 2017 ***

 

Autoren-Gelaber: Ich habe einmal folgendes Zitat gelesen: "Es gibt keine neuen Geschichten - die alten werden nur immer wieder neu erzählt." Ich wünschte, ich wüsste noch, von wem es stammt, damit ich der Person danken kann, denn ich finde, es trifft auf diese ganze FanFiction-Schreiberei zu.  <grins> Ich habe sehr viel Spaß an dieser Story-Serie, und es ist toll zu wissen, dass es welche gibt, die interessiert genug sind, um alles zu lesen.  Das motiviert einen Autor unglaublich!! (...) Danke, dass Ihr so geduldig auf diese Fortsetzung hier gewartet habt. Ich hoffe, es ist die Warterei wert. :-)

 

Dankeschöns: Ohne mich lange aufzuhalten möchte ich allen danken, die mir mit so wundervoll enthusiastischen Kommentaren geschrieben haben!! Feedback ist *DAS BESTE* überhaupt, Kommentare und Vorschläge inspirieren mich immer. Ein spezielles Dankeschön an Amy S., Dia, MD und an die wundervolle Karen, die mir ein paar Ideen geschickt hat, die ich hier mit 'reingemischt habe. Auch ein Dankeschön an Wonder Kat, die mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt! <wink>

Spoiler Warnung: Das hier ist die Fortsetzung der Road-Story, mit den Teilen "Richtung Nirgendwo", "Durchreise" und "Im Blauen Hotel". Wie ich bereits gesagt hatte, versuche ich dem

was-zum-Teufel-ist-mit-Scully-passiert-als-sie-drei-Monate-verschwunden-war-Geheimnis

auf die Spur zu kommen. Dazu beziehe ich mich auf Informationen aus der Duane Barry-Trilogie und all den anderen Mystery-Folgen aus der dritten Staffel. (...)

Disclaimer: Wie immer Danke an Chris Carter, 1013 und Fox, die mir diese tolle Grundlage gegeben haben, von der meine Gedanken nun auf Reisen gehen.  Ich denke, jeder kennt inzwischen Mr. Carters Leute—alle anderen Charaktere sind meine. Und ein spezielles Dankeschön an David und Gillian, den beiden *umwerfendsten* Schauspielern in der Fernsehwelt.

Ok, jetzt, nachdem Ihr Euch zu Tode gelangweilt habt, let's hit the road...

 

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (1/10)

von Nicole Perry nvrgrim@aol.com

 

6/5/96

 

 

 

"...and they're thinking of the long road ahead

and the strength that they will need

just to reach the end

and there in the silence they search for

the balance between this fear that they feel

and a love that has graced their lives..."

 

cowboy junkies

 

 

 

 

Mulder wälzte sich ruhelos hin und her, als er erwachte. Die Reste seines Traumes waren fest in seinem Gehirn verankert, als er langsam zu Bewusstsein kam. Er gähnte und schlug die Augen auf. Er fühlte ein Gewicht an seinen Rippen. Es war nicht sehr hell in dem Zugabteil, nur die schwache Morgenröte fiel durch das Fenster an der hinteren Wand. Das Licht war gerade hell genug, um ihn Scully auf sich liegen sehen zu lassen, ihre Beine mit seinen unter der Decke verschlungen.

Er bewegte sich noch einmal, vorsichtig, um sie nicht zu wecken, damit er ihr friedliches Gesicht sehen konnte. Ihre dunklen Haare lagen wirr auf seiner Brust und ihr Gesicht war an seinen Arm geschmiegt. Mit einer Hand hielt sie an dem Stoff seines T-Shirts fest mit der Intensität eines Ertrinkenden, der um sein Leben kämpft. Er konnte ihren ruhigen und gleichmäßigen Atem fühlen, jeder Zug ein sanftes Streicheln an seiner Haut.

Mulder lag ruhig da und genoss das Gefühl ihres Körpers so nahe bei sich. Er genoss den Frieden in seinem Herzen, der von dem Wissen kam, dass sie sicher hier in seinen Armen lag. Er strich mit den Fingern durch ihre Haare und fühlte die weichen Strähnen, als er sie zurück über ihre Schultern strich.  Er lauschte dem Geräusch des Zuges, das rhythmische Hämmern der Räder auf den Gleisen war ein Gegensatz zu ihren leisen Atemzügen. Dann versuchte er einen Plan aufzustellen. So glücklich er sich auch an diesem frühen Morgen fühlte, er war sich ihrer Situation wohl bewusst. Auf der Flucht, allein, und sie konnten sich an niemanden wenden außer an sich selbst.

An niemanden, dachte er. Sie hat niemanden auf den sie sich verlassen kann außer dir.

Das Gewicht dieser Verantwortung lag schwer auf ihm, besonders weil er sich seiner eigenen Schwäche bewusst war.

Sie verlässt sich auf dich, sie zu beschützen.

Sie verlässt sich auf dich, sie nicht im Stich zu lassen.

Mulder war niemand, der an irgendein größeres Wesen irgendwo da draußen glaubte, doch er betete für die Kraft, von der er wusste, dass er sie brauchte.

Ein lautes Pfeifen zerriss die Stille, was bedeutete, dass sie sich einer Station näherten. Es war laut genug, um Scully aus dem Schlaf zu reißen. Sie regte sich neben ihm und fasste sein Hemd noch fester, als sie aufwachte.

"Hey", flüsterte er leise.

"Hmmmmm", machte sie, und obwohl sie den Kopf hob, um sich den Schlaf aus den Augen zu reiben, ließ sie sein Hemd nicht los.

"Gut geschlafen?" fragte er, immer noch nicht viel lauter als ein Flüstern.

Nach ein paar Sekunden antwortete sie. "Ja. Und du?"

"Okay", antwortete er. Es gab nicht viel zu sagen, also tat er es nicht, sondern legte seinen Arm um sie.

"Wo sind wir?" fragte sie und hob den Kopf zu ihm, als ob sie immer noch die Antwort in seinen Augen lesen könnte.

"Bin mir nicht sicher", gab er zurück, "aber ich glaube, wir werden gleich anhalten. Ich habe die ganze Nacht lang diese Pfiffe gehört."

"Hmmm. Steigen wir aus?"

"Nein", sagte er. "Es ist noch früh und die Geschäfte haben noch nicht auf. Wir warten besser auf die nächste."

Sie nickte nur und vergrub ihr Gesicht wieder in seiner Schulter, ihr Körper zart und weich neben seinem.

 

 

Scully lag ruhig da und bekämpfte das Gefühl der Verwirrung, das drohte, über sie zu kommen. Sie konnte sich mit einer schmerzhaften, lebhaften Klarheit an die Geschehnisse des letzten Tages erinnern, durch die sie letztendlich in diesem Zug gelandet waren. Trotz ihrer Versuche, sich damit abzufinden, fühlte sie sich sehr unwohl in dem Zugabteil, und ein Teil von ihr wünschte sich zurück in das Apartment in New Orleans. Doch das Wichtigste hatte sich nach wie vor nicht geändert—Mulder war immer noch an ihrer Seite, und sie sog die Kraft, die ihr seine Umarmung verlieh, in sich auf. Sie zog die Luft ein und inhalierte seinen Geruch, der immer noch schwach nach Staub und Schweiß vom Kampf in der Gasse war. Sie fühlte sich neben seinem warmen und starken Körper geborgen.

Sie seufzte leise und pfeifend und fühlte, wie er sie noch enger an sich heranzog. Seine beschützende Geste brachte ein Lächeln auf ihre Lippen, und sie versuchte das Gefühl zu verdrängen, das ihr sagte, sich von ihm zu lösen. Obwohl sie immer eine Frau gewesen war, die stolz auf ihre Unabhängigkeit und Selbstsicherheit ist, wollte sie das Gefühl dieser unglaublich beruhigenden Umarmung nicht aufgeben.

"Mulder", fragte sie, "was machen wir jetzt?"

"Tja, ich denke, wir gehen duschen und gucken uns dann nach etwas zu Essen um", spöttelte er.

"Ich meine nicht gerade jetzt", entgegnete sie. Sie wusste, dass er diese Antwort bereits von ihr erwartet hatte. "Ich meine, wie sehen unsere Pläne aus? Wo werden wir jetzt hingehen?"

Er zögerte lange, bevor er antwortete und sie starb während der Stille tausend Tode.

<IchverlassedichDanaverlassedichundgehenachHause>

"Wir müssen unsere Strategie ändern, Scully. Wir können es uns nicht leisten, dauernd zu fliehen. Es ist viel zu gefährlich für dich und wir haben nie die Chance zu gewinnen, wenn wir so weitermachen."

"Was schlägst du also vor?" fragte sie und fühlte sich bei dem Wort "wir" unglaublich erleichtert. Auf einmal war es wieder wie früher, als sie sich als Team einen Plan ausdenken mussten, um einen Fall zu lösen.

"Wir müssen in die Offensive gehen", sagte Mulder nach einer weiteren Pause. "Und am besten fangen wir damit an, indem wir herausfinden, wer diese Diskette gemacht hat und warum. Wir müssen die Hersteller finden und in Erfahrung bringen, von wem sie bezahlt werden."

Scully nickte und rieb dadurch ihr Gesicht an sein Hemd. "Macht Sinn.  Aber wie? Wir haben keinerlei Hinweise... überhaupt keine Informationsquellen."

Sie fühlte, wie Mulders Hand mit den Haarsträhnen hinter ihrem Ohr spielte.  "Gestern in der Bibliothek... habe ich einiges über Droperidol herausgefunden."

Scully sagte nichts, sondern nickte abermals neben seiner Brust, um ihn fortfahren zu lassen.

"Es ist ein Opiat, ähnlich wie Morphin, aber viel stärker in seiner Wirkung. Man hat es während Vietnam verwendet, vielleicht war es auch ein Bestandteil von Nazi-Experimenten." Mulders Stimme war rau und sie wusste, dass es ihm schwerfiel, die Worte herauszubringen. "Ich glaube... ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein Bestandteil des Mittels ist, das du in dem Labor gesehen hast. Ein Teil von was-auch-immer sie dir gegeben haben..."

Mulder verstummte und Scully tastete unter der Decke nach seiner Hand. Sie fand sie und drückte sie kurz. "Es ist in Ordnung, Mulder", sagte sie leise und hoffte, dass er das Wallen in ihrem Magen nicht hörte.

"Sag es mir."

Er räusperte sich und schaffte es irgendwie, zu Ende zu sprechen. "Durch das Mittel kann man Menschen in ein Koma versetzen... und sie durch weitere Injektionen in diesem Stadium halten... auf unbestimmte Zeit. Ich glaube...  ich glaube, dass wer immer dich auch entführt hat, dieses Mittel zusammen mit einem anderen benutzt hat... um dich ruhig zu stellen, während sie...  getan haben was immer sie getan haben."

Sie waren beide still, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken. Scully nahm sich zusammen und brach die Stille. "Können wir... können wir sie durch diese Information finden?"

Mulder antwortete nicht sofort. "Vielleicht... können wir damit anfangen, wenn wir herausfinden, welche Firmen es herstellen und wer ihre Kunden sind. Die Einsamen Schützen könnten das für uns erledigen, denke ich."

 

 

Er konnte jetzt ihr Gesicht ganz deutlich sehen, wie sie in seiner Armbeuge gekuschelt lag. Ihr Ausdruck war ruhig und kontrolliert, aber Mulder spürte, dass sie sich sehr dafür anstrengen musste. Er konnte die Spannung in ihrer Stimme hören, als sie ihm antwortete.

"Gut. Vielleicht haben sie ja noch etwas über die Diskette herausgefunden."

"Vielleicht", wiederholte er und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

"Hoffen wir's."

Als ob sie sich plötzlich bewusst geworden wäre, wie nahe sie beisammen lagen, rückte Scully von ihm weg und ließ sein Hemd los, um sich zur Wand zu rollen und eine kalte, leere Lücke zwischen ihnen zu lassen.

"Scully?" fragte er besorgt. "Alles in Ordnung?"

"Ja, es geht mir gut, Mulder", sagte sie und die Worte, die er schon so oft von ihr gehört hatte, stachen ihm ins Herz. Sie entzog sich ihm, und es tat weh. Das tat es immer.

Gut gemacht, Mulder. Toller Schachzug. Ein nettes kleines Gespräch am frühen Morgen.

Mulder strich sich durch sein vom Schlaf wirres Haar und kramte in seinem Gehirn nach Worten, doch ihm fiel nichts Gescheites ein. Er wandte sich zu ihr und strich mit der Hand über ihre Wange, doch sie zuckte. "Dana... rede mit mir. Bitte."

Sie antwortete nicht und sein Herz schmerzte. Er dachte darüber nach aufzustehen und sie allein zu lassen, aber er war noch nie imstande gewesen, ihr den Rücken zuzuwenden. Jetzt war keine Ausnahme.

Mulder konnte nicht anders und streichelte ihr Gesicht sanft mit seinen Fingerspitzen. Dieses Mal hielt sie still und als sie seine Berührung zuließ, ließ er die Luft aus seinen Lungen, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie angehalten hatte. Ihre Haut war warm und weich und er strich langsam ihren Hals hinunter, bis der Ansatz ihrer Strickjacke ihm Halt gebot.

Scully schloss die Augen und Mulder nahm es als Zeichen der Zustimmung. Er gab sich weiter der Erkundung ihres Körpers hin. Er fuhr langsam über ihre Brüste und spielte mit den Knöpfen der Jacke, die zwischen ihnen lagen. Sie murmelte ein leises Stöhnen der Zufriedenheit und er lächelte.

Bekräftigt ließ Mulder seine Hand weiter runter gleiten und malte gemächlich beruhigende Kreise auf ihren Bauch. Die Jacke reichte nicht ganz bis zum Ansatz ihrer Jeans und ließ einen Teil ihres Bauches unbedeckt.  Mulder strich mit den Fingern darüber und Scully fing plötzlich protestierend an zu kichern und ihm wurde warm ums Herz. Er konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern, an dem sie gelacht hatte.

"Mulder... nicht..."

Sein Grinsen wurde breiter und er machte es absichtlich noch einmal. "Was nicht, Dana?"

 

 

Wieder bewegte sich seine Hand über ihren Bauch und sie wand sich, trotzdem es ihr nicht völlig unangenehm war. "Hör auf damit, Mulder... ich warne dich."

"Oh?" Seine Stimme war wärmer, tief und dunkel in seiner Brust. "*Du* warnst *mich*? Das muss ich mir merken."

Scully versuchte, sich zu entspannen, ruhig zu liegen und das Gefühl seiner Hand auf ihrem Körper zu genießen, aber sie konnte nicht anders. "Nicht", flehte sie kichernd. "Das kitzelt..."

Auf einmal waren seine Hände beide auf ihrem Bauch. Sie zogen an ihrem Sweater und kitzelten sie gnadenlos. Das Gefühl war unbeschreiblich und sie hatte vor lauter Lachen und den Versuchen, ihn wegzustoßen, Schwierigkeiten zu atmen. Seine Hände waren überall, sie kamen aus allen Richtungen und sie konnte ihn nicht aufhalten.

Mulder lachte jetzt auch, und als Scully sein Lachen hörte, merkte sie, dass sie freiwillig Ewigkeiten diese Tortur aushalten würde, nur um ihn so entspannt und glücklich zu hören.

Als sie es nicht mehr aushalten konnte, versuchte sie von ihm weg zu rollen, aber er legte sich auf sie und hielt sie unter sich fest. Für einen kurzen Moment geriet sie in Panik, und dachte an den Vortag. Doch dann fühlte sie seine Lippen an ihrer Stirn und sie erinnerte sich wieder daran, wo sie war und wer bei ihr war. Sie lachte laut und war überrascht, wieviel Spaß sie hatte.

"Mulder... geh... von... mir... runter", hechelte sie, jedes Wort von ihrem Kichern begleitet. Sie bereute sofort, es gesagt zu haben, denn er kitzelte sie nur noch stärker. Völlig außer Atem griff sie nach oben und fand seine Schultern. Sie rüttelte ihn mit aller Kraft, die sie noch hatte, und er hörte endlich auf.

Scully fühlte, wie Mulder ihre Hände nahm und ihre Finger verschränkte, als er sie wieder zurück in die Kissen drückte. Sie schnappte nach Luft, als seine Lippen ihren Hals berührten und ihn mit einer Reihe von kleinen Küssen bedeckten, bevor er ihren Mund mit seinem fand. Sie entspannte sich in seiner Umarmung und ließ es zu, dass er sich näher an sie heran schmiegte und seine Zunge ihren Mund erkundete. Sein Bart kitzelte und sie musste lächeln. Mulders Mund verzog sich ebenfalls zu einem Lächeln.

Viel zu früh hörte er auf und sie fühlte, wie er seinen Kopf neben ihren auf das Kissen legte, sein Atem warm an ihrem Ohr. Sie keuchte in kurzen schnellen Atemzügen, die von rasendem Hämmern ihres Herzens begleitet wurden. Sie musste einen Moment verschnaufen, bevor sie wieder sprechen konnte. "Was", fragte sie letztendlich, "war *das* denn jetzt?"

"Nur ein Weckruf, Scully", antwortete er mit Unschuldsmine. "Hattest du keinen bestellt?"

"Ich glaube, das habe ich", gab sie zurück. Sie lehnte sich zu ihm und küsste ihn leidenschaftlich, um das selbstsichere Grinsen aus seinem Gesicht zu bekommen, von dem sie sicher war, das er es hatte.

 

 

Mulder ging den Korridor des Zuges hinunter und sah auf die vorbeifliegende Landschaft. Er ging zum dritten Mal den Gang auf und ab und ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es Zeit war, wieder zu Scully zurückzugehen. Er hatte ihr gesagt, er wolle sich in dem Zug ein wenig umschauen, aber eigentlich hatte er ihr nur ein wenig Privatsphäre geben wollen, um sich zu duschen und sich frisch zu machen. Das Zimmer war ja klein genug, dachte er bei sich. Das Letzte, das sie brauchte war er, der ihr in dem kleinen Abteil dauernd auf die Füße trat.

Trotzdem war es schwer für ihn, sie allein zu lassen, wenn auch nur für kurze Zeit. Während der letzten halben Stunde hatten sich Mulders Gedanken nur um sie gedreht. Er bog nach links ab, als der Hauptgang in einen kleineren Nebengang überging, und beschleunigte seine Schritte. Es war umso schwerer, sie gerade an diesem Morgen allein zu lassen, wenn man mal bedenkt, wie ihn ihre kleine morgendliche Kitzel-Party erregt hatte. Mulder wusste, dass er sich zu Scully hingezogen fühlte. Es war ihm schon lange Zeit bewusst gewesen und ein Teil von ihm wünschte sich, ihre Beziehung bis an die Grenzen auszuweiten.

Aber er wusste auch, dass Scully in letzter Zeit sehr empfindlich und verletzlich war und er wollte um keinen Preis etwas tun, was ihr das Gefühl geben würde, bedrängt zu werden oder unsicher zu sein. Wieder tastete er nach der Diskette in seiner Hemdstasche, die zu einer Erinnerung an das schreckliche Erlebnis ihrer Entführung geworden war. Um sie zu bekommen hatte Scully ihr Augenlicht verloren. Sie hat so gelitten... viel mehr als sie je hätte durchstehen müssen. Mulder wollte nichts mehr als sie beschützen, und wenn es bedeuten sollte, dass er auf Annehmlichkeiten und Vergnügen verzichten musste. Es war ein Opfer, das er mehr als willig war zu geben.

In diesen Gedanken verloren rannte Mulder prompt in einen anderen Fahrgast, als er um die Ecke ging. "Entschuldigung", sagte er mit einer verlegenen Handbewegung. "Ich muss wohl in diesen engen Gängen besser aufpassen."

"Nichts passiert", sagte der Fahrgast, ein blonder junger Mann mit einer stahleingefassten Brille, die ihm etwas von der Nase gerutscht war. Er richtete sie wieder gerade. "Das ist eine der Gefahren beim Zugfahren."

"Denke ich auch", gab Mulder zurück. "Ich fahre nicht oft mit dem Zug."

"Ah", grinste der junge Mann. "Dann werde ich wohl ein Auge nach Ihnen offenhalten müssen. Zumindest, bis Sie 'Zug-Beine' bekommen haben."

"Okay", sagte Mulder und lächelte zurück, als der junge Mann an ihm vorbei ging.

Er stieg die Stufen hoch, die das Unter- vom Oberdeck trennten und einige Momente später fand sich Mulder vor der Tür zu seinem Abteil wieder. Ein Tablett mit einer Kaffeekanne, einem Kännchen Orangensaft, zwei Tassen und zwei kleinen Gläsern stand ihm zu Füßen, als er an das Abteil kam. Daneben lag eine Zeitung, die Morgenausgabe der "USA Today". Er hob das Tablett auf und klopfte wie ausgemacht dreimal an die Tür.

"Rick?" Ihre Stimme war gedämpft durch die Tür.

"Ja, ich bin's", rief er und wartete auf das Klicken des Schlosses, als sie die Tür aufschloss. Er drehte am Türgriff und betrat das Abteil. "Sieht aus, als ob sie uns einen kleinen Snack gebracht hätten", sagte er, als er die Tür hinter sich zuzog.

Scully stand mit einem besorgten Gesichtsausdruck in der Mitte des Raumes.

"Jemand hat geklopft, aber ich... ich wollte nicht aufmachen."

Er trat zu dem Tisch zwischen den beiden Sesseln und stellte das Tablett vorsichtig ab, bevor er sie kurz in die Arme nahm. "Und ich bin froh, dass du es nicht gemacht hast." Er küsste sie auf die Stirn und roch dabei den sauberen Duft von Seife und Shampoo. "Fühlst du dich besser?"

Scully nickte und schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln, als sie sich von ihm löste. Langsam ging sie durch das Zimmer und setzte sich auf den Rand des Bettes.

"Ein wenig", antwortete sie. "Aber ich wünschte, ich hätte etwas Frisches zum Anziehen."

"Ich auch." Genau wie Scully hatte Mulder nach seiner Dusche die Sachen vom Vortag anziehen müssen, und er wusste genau, was sie meinte. "Wenn wir das nächste Mal halten, gehen wir etwas holen. Versprochen."

"Ich brauche vor allen Dingen eine Haarbürste", grummelte sie. "Man bekommt hier alles Mögliche gratis, nur keine Bürste." Scully fuhr sich durch ihre feuchten Strähnen und Mulder musste lachen.

"Es sieht gut aus, Scully—vertrau mir. Außerdem sehen meine genauso schlimm aus."

"Ja, aber du hast keinen riesigen Bluterguss in deinem Gesicht."

Ihr Kommentar veranlasste Mulder, sie sich näher anzusehen. Der Fleck, den der Schlag mit der Pistole hinterlassen hatte, war immer noch deutlich zu sehen, allerdings war er während den letzten Stunden doch ein wenig verblasst, schien es ihm. "Ich weiß ja nicht, ob es noch sehr weh tut", sagte er, "aber es scheint, dass das Eis geholfen hat. Es ist nicht so geschwollen, wie ich erwartet hatte."

Sie berührte sachte den Erguss in ihrem Gesicht. "Gut", sagte sie. "Es tut auch nicht mehr so weh wie gestern." Nach einer Pause. "Wie geht es deinen Rippen?"

"Verhältnismäßig gut." Mulder ließ sich auf einen der Stühle fallen und sah zu, wie sie unter dem Bett nach ihren Sneakers tastete. Er konnte sie sehen, sie waren knapp außer ihrer Reichweite. Mulder wartete so lange er konnte, bevor er schließlich nachgab. "Ein bisschen mehr nach links", sagte er.

Scully folgte dem Hinweis und fand erleichtert was sie suchte. "Danke", sagte sie und hob den Schuh auf, der ihr am nächsten lag.

Mulder war froh, dass seine Einmischung sie nicht wütend gemacht hatte und fragte, "Kaffee?"

"Ja, klar", antwortete sie. Er nahm die Kanne und schenkte ihnen beiden ein, wobei er ihrem noch Milch zugab wie sie es gern hatte. Er wartete, bis sie ihre Schuhe zugebunden hatte und ging dann zu ihr herüber.

"Hier", sagte er und reichte ihr die Tasse. "Sei vorsichtig."

Scully nickte und nippte einmal. Sie dankte ihm und fragte dann, "Hast du nachgesehen, wo wir sind?"

"Ja", sagte Mulder, als er wieder zurück zum Tisch ging, um seine eigene Tasse zu holen. "Unser letzter Halt war Beaumont, Texas. Der nächste ist Houston—der Zugbegleiter sagt, wir werden so um zehn da sein, also in ungefähr einer Stunde." Er griff nach der Zeitung, faltete sie auseinander und las die Schlagzeilen, als er an seinem Kaffee nippte.

"Hört sich gut an." Scully zögerte für einen Moment und legte den Kopf zur Seite. "Mulder, was machst du da?"

Aus irgendeinem Grund brachte ihn diese Frage aus der Ruhe, und er brauchte einen Moment, um zu antworten. "Was ich m—äh, ich lese nur die Zeitung."

"Oh", machte sie, aber ihr verschlossener Gesichtsausdruck sagte ihm alles. Ihm wurde wieder einmal bewusst, wie viel sie verloren hatte. So viele kleine Dinge, dachte er, so viele Dinge, die ich für selbstverständlich halte, sind jetzt unmöglich für sie.

Er war plötzlich begierig, in dieser betretenen Stille das Thema zu wechseln. "Lass uns etwas zu essen holen. Hast du Hunger, Scully?"

Sie schenkte ihm ein Lächeln und es kam ihm vor, als hätte sie ihm wieder für seine Unachtsamkeit vergeben. "Du hast ja *keine* Ahnung. Wie weit ist es bis zum Speisewagen?"

"Nicht sehr weit", antwortete er und durchquerte den Raum, um sich neben sie zu stellen. Wie der perfekte Gentleman ergriff er ihren Arm. "Darf ich bitten, Mrs. Steward?"

"Worauf du dich verlassen kannst", sagte sie und ließ sich von ihm vom Bett zur Tür führen. Sie waren fast da, als sie fragte, "Mulder? Kannst du sie mitnehmen? Die Zeitung, meine ich." Sie drückte leicht seinen Arm. "Einer von uns sollte mitbekommen, was in der Welt so passiert."

Er sah das Bedürfnis, das ihre neckenden Worte verdeckten. Es brach ihm das Herz, aber er antwortete in demselben unbeschwerten Ton. "Ich werde alle Neuigkeiten mit dir teilen—angefangen mit den Sportnachrichten." Sie lachte und er klemmte sich die Zeitung unter den Arm und öffnete die Tür.

 

 

X-1  X-1

 

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (2/10)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

Der Mann klemmte den Telefonhörer an seine Schulter, um sich mit einer freien Hand eine Zigarette anzünden zu können. "Was wollen Sie mir also sagen?"

Christophes ruhige und bemessene Stimme tönte durch die Telefonleitung. "Sie haben New Orleans nicht mit dem Flugzeug verlassen. Das ist absolut sicher. Auch nicht mit dem Schiff, es sei denn, sie haben es privat angeheuert. Ich habe alle Reservierungen nachgeprüft."

"Und das bedeutet?"

"Bus, Zug oder Auto. Wir haben fast alle Mietwagen-Agenturen durch, ohne Erfolg. Das schließt zwar nicht aus, dass sie ein Fahrzeug gekauft haben, aber hinsichtlich der gegebenen Zeitspanne, in der wir suchen, scheint das nicht der Fall zu sein. Am wahrscheinlichsten ist es, dass sie mit dem Bus gefahren sind. Ein ganzer Schwung von Bussen hat gestern die Stadt in verschiedenen Stadtteilen mit unterschiedlichen Zielen verlassen. Wir checken gerade noch diese Möglichkeit."

Der Mann nickte und blies eine Rauchwolke in das dunkle Zimmer. "Gut. Ich möchte konstant informiert werden."

"Natürlich."

"Und", sagte der Mann und senkte seine Stimme, um ihr Bedeutung zu verleihen, "ich erwarte von Ihnen, dass Sie diese Angelegenheit erledigen, sobald Sie sie gefunden haben."

"Mit Vergnügen", gab Christophe zurück. "Da werde ich mir keinen Fehler erlauben."

"Gut", wiederholte der Mann und drückte auf den "Ende"-Knopf des Handys. Er nahm noch einen langen Zug von seiner Zigarette und wählte dann eine weitere Nummer. Nach dem zweiten Klingeln erhielt er Antwort.

"Ja?"

"Ich bin's. Ich muss mit ihm sprechen." Eine Pause entstand, in der der Mann rauchte und sich den Raum in New York City bildlich vorstellte, mit dem er jetzt durch das Telefon verbunden war. Er sah die Mitglieder des Konsortiums vor seinem inneren Augen, wie sie in ihren Sesseln saßen und ununterbrochen Entscheidungen trafen, die sich jeden Tag auf Unmengen von Menschen auswirkten.

Ihn eingeschlossen.

"Sie haben etwas zu berichten?"

Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und der Mann stotterte, als er antwortete. "Ja. Es wird sich jetzt um die Angelegenheit gekümmert. Es sollte in Kürze wieder in unserem Besitz sein."

"Wir können die Wichtigkeit dieser Sache nicht oft genug betonen. Ein Versagen wird nicht toleriert. Haben Sie verstanden?"

"Ja", antwortete der Mann und das Blut in seinen Adern gefror zu Eis. "Es wird kein Versagen geben."

"Da ist noch etwas", fuhr die Stimme fort. "Die Frau... sie könnte uns unter Umständen noch von Nutzen sein."

Der Mann zog abermals an seine Zigarette. "Das ist in der Tat etwas anderes... Darf ich fragen warum?"

"Sie werden im Verlauf der Angelegenheit darüber informiert werden. Durch die üblichen Kanäle."

Der Mann nickte und atmete aus. "Und Mulder?"

Die Antwort kam ohne zu Zögern. "Für ihn haben wir keine Verwendung."

"Verstanden. Ich kümmere mich darum."

"Vergessen Sie nicht—wir können uns keine weiteren Fehler mehr leisten. Sie auch nicht."

Die Leitung wurde unterbrochen. Der Mann klappte sein Handy zu und legte es auf den Tisch neben sich. Mit leicht zitternden Fingern hob er die Zigarette wieder an seinen Mund.

 

 

Nach der relativen Stille in dem Korridor war Scully überrascht, wie laut es in dem Speisewagen war. Eine Wolke von Stimmen füllte ihre Ohren, das Lachen von kleinen Kindern vermischte sich mit Gesprächen von Erwachsenen.  Sie fasste Mulders Arm fester und hörte über das ganze Getöse hinweg auf seine Anweisungen.

"Das hier sieht gut aus", hörte sie ihn sagen. Sie hielt hinter ihm an.

"Links neben dir ist ein Stuhl."

 

Mulder zog den Stuhl von dem Tisch weg, was wegen dem Teppich in dem Speisewagen kaum zu hören war. Sie ließ ihre Hand an seinem Arm herunter gleiten und fand die Stuhllehne. Sie ließ ihn erst los, als sie sicher auf dem Stuhl saß.

Es setzte sich ihr gegenüber und Scully hörte das Rascheln der Zeitung, als er sie auf den Tisch legte. Mulder reichte über den Tisch und nahm ihre Hände in seine.

"Gut so?"

"Ja", sagte sie und erwiderte den leichten Druck seiner Hand, bevor sie den Griff löste und sich mit raschem Ertasten des Tisches an ihre Umgebung gewöhnte. Sie fand den Teller, das Besteck und das Glas und prägte sich ihren Standort ein. Sie ertastete die Serviette und legte sie auf ihren Schoß. Sie war aus irgendeinem weichen Stoff wie die Tischdecke gemacht.  "Hmm, schick", bemerkte sie.

"Das ist es, ja", stimmte Mulder zu. "Besser als ich es erwartet hatte. Soll ich dir die Karte vorlesen?"

Scully nickte und hörte zu, wie er ihr alles vorlas. Sie versuchte sich zu entscheiden, was sie wohl gerade essen wollte, aber so hungrig sie auch war, es fiel ihr schwer, sich auf die Gerichte zu konzentrieren, weil Mulders Stimme sie die ganze Zeit ablenkte. Sie hatte seine Stimme schon immer gemocht, und während der Zeit, in der sie Kollegen waren, hatte sie seine lobenden und anerkennenden Worte genauso wie sein Necken geschätzt.  Aber seine Stimme war nun so viel mehr für sie geworden. Scully genoss ihren warmen und vollen Klang. Sie verriet ihr seine Gefühle und seine Emotionen. Sie half ihr zu wissen, was er gerade dachte, jetzt, wo sie es nicht mehr in seinen Augen lesen konnte.

Seine Augen... Scully schloss ihre in einem Moment stiller Trauer. Sie wünschte sich, seinen ausdrucksstarken Blick mehr geschätzt zu haben, als sie noch sehen konnte. Seine Augen hatten einen dunklen Grünton, der ganz und gar seine Leidenschaft für seine Arbeit bedeutete, wenn er einer unerklärbaren Theorie nachging. Sie konnten auch sanft-braun scheinen, voller Wärme und Einfühlungsvermögen mit einer Spur seiner eigenen Sorge, Angst und Schuld. Sie waren immer ausdrucksstark und, daran konnte sie sich erinnern, wunderschön.

Sie war in Gedanken verloren und erschrak ein wenig, als Mulder sie rief.

"Lisa? Was ist los? Alles in Ordnung?"

"Ja... alles klar, alles okay", beeilte sie sich zu antworten und warf ein Lächeln in seine Richtung.

Für eine Sekunde sah es so aus, als ob du gleich in Ohnmacht fällst." Scully hörte, dass er besorgt war und schüttelte versichernd den Kopf.

"Werde ich vielleicht auch, wenn wir nicht gleich etwas zu essen bestellen", neckte sie. "Warum vergisst du nicht die Leserei und versuchst, einen Kellner zu finden?"

Mulder grinste. "Ihr Wunsch ist mir Befehl", sagte er. "Ich bin gleich zurück."

Scully hörte wie er aufstand, und als sich seine Schritte entfernten, versuchte sie, den Anflug von Panik zu unterdrücken, der sie in seiner Abwesenheit immer befiel. Es ist alles in Ordnung, Dana, versicherte sie sich. Es ist alles in Ordnung.

Sie lauschte auf die Gespräche um sie herum und schnappte Passagen aus Unterhaltungen auf. Dann hörte sie, wie sich Schritte näherten, aber sie klangen nicht wie Mulders. Das Geräusch eines Stuhls, der zurückgezogen wurde, drang an ihre Ohren und sie erkannte, dass sich jemand an den Nebentisch gesetzt hatte. Scully senkte wie gewohnt den Kopf, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Sie hörte das Rascheln von Papier, gefolgt von dem Geräusch eines Reißverschlusses und dann etwas, was sich ganz danach anhörte, als ob Stifte auf den Tisch fallen würden. Der Zug ruckte, als er über eine unebene Stelle fuhr und Scully hörte ein leises Klicken, als etwas auf den Boden fiel und genau zu ihren Füßen rollte. Sie hörte, wie ein Mann leise fluchte. "Scheiße!" Stille, dann fuhr die Stimme fort. "Entschuldigung?"

Scully erstarrte.

"Entschuldigung, könnten Sie mir vielleicht den Stift reichen bitte?"

"Ummmm..." Scully lehnte sich instinktiv von dem Tisch zurück und tastete mit dem Fuß über den Boden in der schwachen Hoffnung, den Stift zu finden, jedoch ohne Erfolg.

"Ma'am?" Der Mann klang verwirrt und sie hörte, wie er von seinem Platz aufstand. Nach einem leicht entsetzen Atemzug sprach er wieder, diesmal entschuldigend und mit einer Spur von Mitleid, so dass sich ihr Magen zusammenzog. "Oh... es tut mir Leid, ich... ich habe nicht gesehen, dass..."

"Ist schon in Ordnung", sagte Scully, und bemerkte den Hauch von Ärger in ihrer Stimme. "Haben Sie etwas fallen lassen?"

"Einen Stift... ich glaube, er ist unter Ihrem Tisch."

Scully machte eine kurze Geste der Zustimmung und rückte mit ihrem Stuhl weiter vom Tisch weg, um den Mann den Stift aufheben zu lassen. Er strich mit seiner Hand gegen ihr Bein, als er an ihr vorbei griff, dann hörte sie ein leises Kratzen auf dem Boden.

"Danke", sagte er. "Es tut mir Leid."

"Kein Problem", erwiderte sie und in ihrer Stimme lag eine Mischung von Ungeduld und Verlegenheit.

Sie hörte, wie sich bekannte Schritte näherten und Scully atmete bei Mulders Rückkehr erleichtert auf.

 

Elliot legte den wiedergefundenen Stift zurück zu den anderen, setzte sich wieder und schüttelte reuevoll den Kopf. Er bereute seine Dummheit. Das sollte dir zu denken geben, dachte er. Siehst nicht, dass jemand blind ist, wenn du einen Blinden siehst?

Er sah auf und sah, wie sich der Mann dem Tisch neben ihm näherte. Es war derselbe Mann, mit dem er zuvor in dem Gang zusammengestoßen war, und er lächelte ihn kurz an. "Hallo."

"Hey", gab der Mann zurück, als er seinen Stuhl zurückzog, sich der dunkelhaarigen Frau gegenüber setzte und ihre Hand nahm. "So trifft man sich wieder."

Elliots Grinsen wurde breiter. Das war eine der tollen Eigenschaften von Zugfahren. Es war eine zivilisierte Art zu reisen. Zivilisiert und sozial, ganz anders als in Flugzeugen, wo sich Sitznachbarn kaum miteinander unterhalten. "Einmal ist Zufall, zweimal ist Schicksal, so heißt es." Er streckte seine Hand aus und bemerkte den schwarzen Bluterguss auf einen von seinen Fingern. "Elliot Masters", stellte er sich vor.

Der Mann nahm seine Hand und schüttelte sie. "Rick Steward", sagte er. Er zeigte auf die Frau ihm gegenüber und sagte, "Das ist meine... Frau, Lisa."

"Wir haben uns schon kennengelernt", sagte Elliot und Lisa lächelte.

"Ja, irgendwie schon", sagte sie. "Sorry wegen dem Stift."

"Meine Schuld", erwiderte Elliot. "Ich muss besser auf meine Sachen aufpassen."

In diesem Moment kam der Kellner an ihren Tisch. Elliot drehte sich wieder zu seinem und versuchte, die vor ihm liegenden Blätter durchzuarbeiten. Es war wie immer ein einziges Durcheinander und er konnte die Skizze überhaupt nicht finden, die er am Abend zuvor begonnen hatte. Frustriert blätterte er suchend durch den Stapel Zeichnungen und ließ nur davon ab, um eine Tasse Kaffee und Toast zu bestellen.

Elliot fand letztendlich, was er suchte. Er griff nach dem grünen Stift und begann, in die obere Ecke der Zeichnung Baumblätter zu malen. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass ihn Ricks Stimme völlig aufschreckte.

"Das ist ja unglaublich", sagte Rick. "Ist das ein wirklicher Ort?"

Überrascht und geschmeichelt betrachtete Elliot die Zeichnung und musste zugeben, dass sie wirklich ziemlich gut wirkte. "Nein", antwortete er, "aber ich wünschte es wäre einer."

"Rick?" Elliot konnte die Frage in Lisas Stimme hören und Rick beeilte sich ihr zu antworten.

"Es ist eine Zeichnung von einem Wald—sieht ganz nach einem Regenwald aus. Grüne Bäume vor dem Hintergrund eines tiefblauen Himmels und da ist ein Vogel in der oberen Ecke... irgendwas Exotisches."

Lisa lächelte wieder und Elliot fand, dass sie trotz ihres etwas zerzausten Auftretens und dem hässlichen Striemen in ihrem Gesicht eigentlich recht hübsch war. "Hört sich wunderschön an", sagte sie.

"Das ist es auch", stimmte Rick zu.

"Danke", sagte Elliot geschmeichelt. "Ich hoffe, der Verleger findet es genauso schön wie Sie." Rick blickte ihn fragend an und Elliot fuhr fort.  "Ich bin Illustrateur — meistens Kinderbücher, aber ich mache alles, was Provision einbringt. Das hier ist für eine Fantasy-Geschichte. Ich fange gerade damit an."

"Sie sind sehr talentiert", sagte Rick.

"Danke", wiederholte Elliot, worauf ihre Unterhaltung durch den Kellner, der ihre Bestellung brachte, unterbrochen wurde.

Als er seinen Kaffee nippte, beobachtete Elliot das Pärchen neben ihm, weil ihre Unterhaltung ihn von der Arbeit abhielt. Er bemerkte, wie Rick Lisa half und ihr das Arrangement des Essens auf dem Teller erklärte, indem er ihre Lage mit Hilfe des Ziffernblattes einer Uhr beschrieb. Sie hörte ihm zu und sagte nicht viel und Elliot war überrascht, wie präzise sie dann essen konnte.

Elliot hatte auf seinen zahlreichen Zugfahrten eine Vielzahl unterschiedlicher Leute getroffen aus den unterschiedlichsten Gegenden. Und doch war dieses Paar etwas Besonderes und das faszinierte ihn. Naja, dachte er bei sich, du triffst immerhin nicht jeden Tag eine blinde Frau, die mit ihrem Mann unterwegs ist. Aber trotzdem war da noch etwas — etwas in der Art, wie Rick mit Lisa redete, als er ihr ruhig die Zeitung vorlas, die neben seinem Teller auf dem Tisch lag. Er beobachtete sie genau, um zu sehen, an welchen Themen sie am meisten interessiert war, als er von einem Artikel zum anderen sprang. Und da war etwas in der Art, wie sie auf ihn reagierte. Sie ging ohne Mühe auf den Ton seiner Stimme ein, als ob sie auf einer Ebene kommunizieren würden, die weit über bloße Worte hinaus ging.

Elliot nahm noch einen Schluck von seinem Kaffee und erkannte, dass die beiden einfach nur glücklich waren, weil sie so beieinander sitzen konnten, als ob ein einfaches Frühstück zusammen etwas Besonderes und Ungewöhnliches war, etwas, das man wertschätzen musste. Er musste an Rebecca denken und an ihre gemeinsamen faulen Stunden an Sonntagnachmittagen mit Kaffee und Zeitung. Er lächelte und warf einen Blick auf die Uhr. Er fing schon an die Stunden zu zählen. Zufrieden wandte er sich wieder seiner Zeichnung zu und begann, noch mehr Blätter auf das Papier zu bringen.

 

 

Assistant Direktor Walter Skinner rückte seinen Stuhl von seinem Tisch weg. Der Frust schmerzte pulsierend in seinen Schläfen. Er stand auf und trat von dem Tisch weg, um in dem Raum hin und her zu gehen, um seine Nerven zu beruhigen.

Etwas stimmte überhaupt nicht, soviel war klar. Die Berichte, die über seinen Schreibtisch verstreut lagen, waren völlig nutzlos—noch viel weniger als nutzlos, um genau zu sein. Sie waren wie von Amateuren geschrieben. Er fand es äußerst unglaubwürdig, dass es während der letzten vierundzwanzig Stunden keine Neuigkeiten über die Agenten Fox Mulder und Dana Scully gegeben hatte. Es war unmöglich... unvorstellbar.

In diesem Moment betrat der Mann sein Büro, als ob er durch die Unruhe herbeigerufen worden wäre, wie immer eine Zigarette in der Hand. Skinner fragte sich, ob der Mann mit einer Zigarette in den Fingern auf die Welt gekommen war und er erlaubte sich bei diesem Gedanken ein kleines Lächeln.

"Gibt es etwas Neues?" fragte der Mann und nahm einen langen Zug.

"Das fragen Sie mich?" Skinners Augen blitzten herausfordernd. "Sie scheinen immerhin eher im Bilde zu sein als ich."

Der Mann ließ den Rauch aus seinen Lungen. "Ganz im Gegenteil, Mr. Skinner.  Ich habe außer dem, was in diesen Berichten steht, keinerlei Informationen für Sie."

Skinner ging wieder zu seinem Schreibtisch, griff nach einer der Akten und schwenkte sie dem Mann vor die Nase. "Diese Berichte sind absolut wertlos.  Verstehen Sie? *Wertlos*."

Der Mann sagte nichts, sondern rauchte unbeirrt weiter.

"Mit all den Beweisen in der Wohnung in New Orleans", fuhr Skinner fort, "soll ich glauben, dass trotz der großen Kräfteanforderung des FBIs nichts gefunden wurde? Keine neuen Hinweise?"

"Manchmal", bemerkte der Mann, "brauchen gewisse Dinge eben Zeit."

"Zeit", fauchte Skinner, "ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann. Nicht, wenn das Leben zweier Agenten auf dem Spiel steht."

Der Mann nahm wieder einen Zug. "Ehemalige Agenten, Mr. Skinner. Oder haben Sie etwa vergessen, dass Mulder und Scully jetzt vor dem Gesetz fliehen?"

Jetzt war es Skinner, der nichts erwiderte.

"Wir *werden* sie finden", sagte der Mann.

"Aber wer wird sie finden?" wollte Skinner wissen. "Das FBI? Oder wer?  Irgendjemand hat diese Berichte manipuliert und Beweise verschwinden lassen, die uns helfen würden, sie aufzufinden."

Der Mann lächelte, seine Lippen formten sich zu einem schmalen, dünnen Grinsen. "Das sind aber gehörige Anschuldigungen, Mr. Skinner. Sie sollten aufpassen, wem Sie solche Dinge sagen."

"Ich bin nicht derjenige, der aufpassen sollte", murmelte Skinner. Mit drei großen Schritten war er aus der Tür und ließ den Raucher allein im Zimmer stehen.

 

 

Sie hatten fast zu Ende gefrühstückt, als der Zug wieder pfiff. Mulder blickte auf die Uhr und sah dann Scully über den Tisch hinweg an.

"Fünf nach zehn", sagte er. "Wir sind pünktlich."

"Gut", sagte sie. "Wie lange werden wir in Houston halten?"

"Ich weiß nicht genau", antwortete er. "Ich frage mal den Zugbegleiter."

Der junge Mann am Nebentisch sah sie über seine Brillengläser hinweg an.  "Der Halt in Houston dauert fast drei Stunden", erklärte er. "Es ist eine der größeren Stationen. Sie tanken hier auch auf. Braucht halt etwas Zeit."

Scully wandte sich dem Mann fragend zu. "Sie kennen sich mit Zügen aus, Elliot?"

Elliot grinste. "Mit dem hier und mit allen anderen. Ich reise viel, bedingt durch meine Arbeit. Aber ich habe Angst vorm Fliegen. Ich glaube nicht, dass ich in irgendeinem Zug in diesem Land noch *nicht* gewesen bin."

Scully musste lachen. "Ich fliege auch nicht besonders gerne."

"Ah, wir können uns die Hand reichen", erwiderte Elliot.

Als Mulder sein Geld aus der Brieftasche holte, um zu bezahlen, fragte er, "Da Sie hier der Experte sind, Elliot, kennen Sie irgendein Einkaufscenter in der Nähe des Bahnhofs?"

Elliot nickte. "Sicher. Es ist gar nicht so weit von hier—mit dem Taxi geht es schnell. Sie sollten nur spätestens zwanzig Minuten vor Abfahrt wieder hier sein."

"Alles klar", sagte Mulder, stand auf und ging um den Tisch herum zu Scully. "Danke für den Tipp."

"Jederzeit", sagte Elliot und machte sich wieder an seine Zeichnungen.

Mulder nahm Scully sanft am Arm und half ihr auf. "Fertig?" fragte er.

"Ja", antwortete sie und fiel mit ihm in Gleichschritt, als sie aus dem Speisewagen gingen.

 

 

X-2 X-2

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (3/10)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

 

Das erste, das Scully wahrnahm, als sie aus dem Zug stiegen, war die Stille. Sie hatte nicht bemerkt, wie allgegenwärtig das Rollen des Zuges war, bis es nicht mehr da war. Das zweite war die Eiseskälte. Die Luft war trocken und klar, aber die Kälte war bissiger, als sie erwartet hatte. Sie fror trotz des Pullovers, den sie anhatte, und rieb sich die Arme.

"Rick", sagte sie zu ihm. "Es ist eiskalt! Bist du sicher, dass wir in Texas sind?"

Er hielt an und sie hielt neben ihm. Er lachte. "Ja, wir sind ganz sicher in Texas. Aber wir haben immerhin Anfang November. Es soll hier *sogar* mal schneien."

November... ihr wurde plötzlich klar, wieviel Zeit vergangen war, seit sie Washington verlassen hatten. Es waren fast zwei Monate. Sie hörte ein Rascheln und wurde neugierig. In nächsten Moment drückte ihr Mulder etwas in die Hand.

"Hier", sagte er. "Zieh meine Windjacke an. Das wird helfen."

"Nein, ist schon okay", widersprach sie und schob seine Hände weg. Aber er bestand darauf. Sie fügte sich und zog die Jacke über ihren Kopf und krempelte die Ärmel der viel zu großen Jacke hoch. Obwohl sie es nicht zugeben wollte, hielt die Jacke tatsächlich den Wind ab.

"Danke", bedankte sie sich letztendlich.

"Keine Ursache."

Still gingen sie nebeneinander her, Mulder teilt ihr nur ab und zu den Weg mit. Als sie an einer Ecke angekommen waren, machten sie Halt und Mulder winkte ein Taxi heran.

Als sie eingestiegen waren, fasste sie die Frage in ihrem Kopf in Worte.

"Was hast du vor?"

"Wir fahren zu diesem Einkaufscenter und schauen uns nach einem Telefon um.  Dann rufen wir an und gehen einkaufen. Wir haben fast zwei Stunden, das sollte reichen."

Scully grinste, sie wusste, dass er hinsah. "Du warst noch nie mit mir einkaufen."

Sie hörte ihn leise lachen und fühlte, wie er ihre Hand nahm. Sie lehnte sich an seine Schulter und genoss das Gefühl, für eine Weile aus dem Zug zu sein.

 

 

Wie Elliot versprochen hatte, war es nur eine kurze Fahrt bis zum Shopping Center. Mulder half Scully aus dem Wagen und bezahlte, während er sich bereits nach einem Telefon umsah. Er entdeckte eines nahe dem Eingang, das trotz der ein- und ausströmenden Menschenmasse isoliert genug schien. Er führte Scully vorsichtig zwischen all den Leuten hin.

Angekommen, hob er den Hörer ab und wählte rasch die Nummer, die er schon seit Langem auswendig kannte. Nach dem zweiten Klingeln kam Antwort und er sprach schnell die Nummer in den Hörer. "Sieben eins drei, fünf fünf fünf, acht neun fünf drei." Er legte auf und warf einen Blick zu Scully, als sie warteten, und war erfreut darüber, dass sie relativ entspannt schien.

Ein paar Sekunden später klingelte das Telefon und Mulder verschwendete keine Zeit. "Hallo?"

Byers' Stimme drang an sein Ohr. "Ihr habt euch aber Zeit gelassen. Wir haben uns schon Sorgen gemacht."

"Tja, wir haben es hier nicht besonders leicht. Und ihr?"

"Es gibt eine Menge neues zu berichten", seufzte Byers. "Wir haben allerdings nicht viel über das Teil herausgefunden, wonach du uns gefragt hast. Überall Sackgassen."

Mulder biss die Zähne zusammen. "Gar nichts?"

Langley dieses Mal. "Nichts, war ihr nicht schon wisst. Es ist wirklich irgendein Mikroprozessor, und es ist auf jeden Fall dazu in der Lage, Informationen aus dem Implantat zu lesen, das in ihrem Nacken war. Aber weiter wissen wir auch nichts."

Frohike klinkte sich ein. "Wir wissen auch nicht, wozu es gut sein soll.  Warum jemand eine Verbindung von all diesen Implantaten in einem System bräuchte. Es macht einfach keinen Sinn."

Mulder fuhr sich gedankenverloren durch das Haar. "Uns läuft die Zeit davon, was die Nachforschungen und den Anruf betrifft."

"Da hast du beide Male Recht", stimmte Byers zu. "Was braucht ihr?"

"Drei Dinge. Guckt nach, was über ein Medikament namens Droperidol herauszufinden ist. Wer es herstellt und in welchen Kombinationen. Es hat vielleicht etwas mit der Formel zu tun, die sie in dem Labor gesehen hat." Mulder sah, wie sich Scullys Gesichtsausdruck bei seinen Worten verdunkelte und er griff nach ihrer Hand.

"Okay", sagte Byers. "Weiter?"

"Zwei neue Ausweise, auf den Namen Steward dieses Mal. Und noch mehr Geld. Wir haben nur noch ein paar hundert."

"Wo willst du es hin haben?" fragte Langley.

Mulder sah in dem Zeitplan des Zuges nach, den er in die Hosentasche gesteckt hatte. "In etwa vierundzwanzig Stunden sind wir in El Paso. Ist das lang genug?"

"Kein Problem", bestätigte Byers. "Es wird da sein. Was noch?"

Mulder zögerte und suchte nach Worten. "Findet heraus, wer Robert Bard ist."

"Nicht gerade seltener Name", sagte Langley. "Kannst du uns mehr sagen?"

"Noch nicht." Mulder warf Scully einen Blick zu. Er wusste genau, das sie jedes Wort hörte, das er sagte. Er hoffte, dass sie die Schützen nicht hören konnte. "Der Mann, den ich suche, könnte eine extrem große Hilfe sein."

Frohike fiel ein. "Das hat etwas mit ihr zu tun, stimmt's? Ist das irgendein Arzt?"

"Der Mann verdient eine Medaille." Mulder verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln.

"Alles klar, wird gemacht", versprach Byers.

"Fast fünf Minuten. Wir sollten lieber auflegen", warnte Frohike. Nach einer Pause, "Grüß sie von mir, ja?"

"Klare Sache. Bis dann."

Damit hängte Mulder auf. Er nahm Scully beim Arm und führte sie in das Einkaufscenter.

 

Das Gebäude war hohl. Das war das einzige Wort, mit dem Scully das Echo in dem Einkaufszentrum beschreiben konnte. Das Geräusch von hunderten von Füßen auf dem glatten Boden hallte in ihren Ohren. Sie hörte den Lärm von irgendwelchen Maschinen und konnte die unterschiedlichsten Gerüche von Fast Food-Restaurants wahrnehmen. Der blächerne Klang von Muzak lag in der Luft, schwach genug, um fast in dem Getöse aller möglicher Unterhaltungen unterzugehen. Aber jetzt, wo sie sich auf allem möglichen Geräusche eingestellt hatte,  konnte sie den größten Teil der Flötenmusik in der Melodie hören.

"Rick", fragte sie, "gehe ich recht in der Annahme, dass es hier der reinste Alptraum ist?"

"Das ist ein ganz normales vorstädtisches Einkaufszentrum", kam seine Antwort. "Ich hoffe, du hast nicht den Rodeo Drive erwartet."

"Nein", antwortete sie. "Mir reicht es, wenn ich hier irgendwo ein paar frische Klamotten finde."

Sie folgte ihm in einen Laden, in dem laute, moderne Musik spielte, aber trotzdem schien es nicht ganz so hektisch zu sein wie in dem Zentrum selbst. "Wo sind wir hier?"

"Ähm, im Gap", sagte er. "Sieht ganz gut aus. Ich glaube, wir kriegen hier eine brauchbare Tasche. Irgendwo müssen wir die Klamotten ja rein tun."

Scully nickte auf diese Logik hin und folgte ihm, als er die Regale abging. Dann hielt er an und sie tat es ihm nach.

"Ich suche dir gerade etwas Warmes", sagte er. "Zieh das hier mal an wegen der Größe."

Mulder half ihr, die Windjacke auszuziehen und die neue Jacke anzuziehen, die sich anfühlte, als ob sie aus irgendwelchen schweren Segeltüchern gemacht worden war. Sie saß allerdings viel besser als die Windjacke und sie lächelte. "Fühlt sich gut an.. wie sieht es aus? Was hat sie für eine Farbe?"

"Marineblau", antwortete er. "Es sieht auch gut aus. Ist glatt gekauft."

Die Entscheidung war gemacht und Scully folgte Mulder, als er weiter durch die Gänge ging. Er wählte noch zwei Rollkragenpullover für sie aus. Einer war weiß, der andere grau, sagte er ihr. "Das Übliche", sagte er und grinste. Dann ein noch ein Baumwollhemd, das er als "marineblau mit etwas grün und weiß" beschrieb. Sie zuckte die Schultern und fand sich mit seiner Wahl ab.

"Rick", erinnerte sie ihn," ein paar Hosen wären auch nicht schlecht."

Mit einem Arm über ihre Schulter führte er sie in eine andere Abteilung des Geschäftes. Scully hörte das Klappern der Bügel, als Mulder in den Hosen kramte. "Welche Größe?" fragte er.

"Ähhmm, vier, glaube ich", antwortete sie. Einen Moment später seufzte er zufrieden.

"Khakis, Größe vier. Willst du sie anprobieren?"

Sie nickte und ließ sich von ihm zu den Umkleidekabinen führen, wo sie sich in der Reihe der Wartenden anstellten.

 

 

Die für die Umkleiden verantwortliche Verkäuferin winkte sie heran. "Nehmen Sie die Kabine am Ende dort", sagte sie und warf ihr langes braunes Haar über ihre Schulter.

"Danke", sagte Mulder und ging mit Scully zu der besagten Kabine. "Hier ist es", sagte er zu ihr. "Ich warte hier draußen."

Sie nickte und verschwand mit den Khakis und dem weißen Rollkragenpulli in dem kleinen Raum. Mulder lehnte sich an die Wand und wartete. Er wäre zu gerne zusammen mit ihr in der Kabine. Er schloss die Augen und erlaubte sich einen kurzen Moment lang, seinen Phantasien nachzugehen. Ihre Stimme brachte ihn wieder zurück in die Wirklichkeit.

"Rick?"

Mulder konnte versteckte Besorgnis in ihrer Stimme hören. "Lisa? Alles okay?"

"Ja", kam die Antwort. "Aber... kannst du mal reinkommen?"

Mulder betätigte das Drehschloss der Kabine und trat ein. Scully hatte den weißen Pullover an, der ihr wie angegossen passte. Die Hose war allerdings eine andere Sache. Sie hingen lose an ihren Hüften. Sie hatte die Daumen in die Gürtellaschen gesteckt und hielt sie bestürzt von sich.

"Ich glaube, ich habe abgenommen", klagte sie und verzog den Mund zu einem Schmollen. "Haben die auch Größe zwei?"

Mulder grinste. Er konnte nicht anders. Sie sah einfach hinreißend aus, wie sie so da stand. Er konnte nicht widerstehen, schloss die Tür hinter sich und trat an sie heran. Er steckte ebenfalls zwei Finger in ihren Hosenbund, zog sie an sich heran und überraschte sie, als er sich herunter beugte, um einen Kuss zu erhaschen.

"Ich weiß nicht, so schlecht sind die doch gar nicht", nuschelte er, als er sie losließ und mit gewissem Stolz die roten Wangen bemerkte, die sie bekommen hatte.

"Rick, hol' die andere Größe", verlangte sie und versuchte, ernst dabei zu klingen.

"Ich geh' ja schon, ich geh' ja schon..." sing-sangte Mulder und küsste sie noch einmal auf die Stirn, bevor er hinaushuschte.

 

 

Witzig, dachte Scully, sie waren zum ersten Mal in all der Zeit, die sie schon auf der Flucht waren, richtig zusammen einkaufen. Sie fand es fair von Mulder, dass er sie nicht zurückgelassen hatte, wie er es schon so oft getan hatte und sie fand es gut, dass sie sich bis jetzt so an ihr Handicap gewöhnt hatte, dass sie ihm nicht ein völliges Hindernis war. Mit den neuen Sachen am Leibe folgte sie ihm nun, wie er etwas für sich selbst besorgte.

Scully lehnte gegen den Stapel von Kleidungsstücken und hörte Mulder zu, wie er in einer Auswahl von, nahm sie an, Jeans wühlte. Sie fingerte an den Kleidern hinter sich und summte ihre Bewunderung, als sie den weichen Stoff fühlte. "Rick? Was ist das hier? Sweaters?"

"Ja", antwortete er. "Jede Menge davon."

Sie fuhr wieder über die Stoffe und fand ein ganz besonders weichen.

"Welche Farbe hat dieser hier?"

"Braun", sagte er. "Dunkel, fasst wie Schokolade."

"Hmmm", murmelte sie und ließ ihn liegen. Sie kramte weiter und fand einen weiteren. "Und dieser hier?"

"Grün. Ein tiefes Waldgrün."

Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie überlegte und zog das Sweatshirt dann vorsichtig vom Stapel. "Ich mag wie sich das anhört. Ich glaube, den musst du haben."

"Oh, ja, das muss ich, stimmt's?" Scully hörte den neckenden Unterton in seiner Stimme und grinste.

"Ja... ich bin mir sogar sicher."

"Okay, dann...", sagte er, "ich würde nicht im Traum daran denken, dir zu widersprechen."

 

 

Am Ende standen sie in der Schlange an der Kasse, jeder in den neuen Sachen, die sie gerade im Begriff waren zu kaufen. Mulder hatte alle Preisschilder in der Hand und ein paar weitere Sachen in der anderen. Sie kamen an die Reihe und er legte alles auf den Kassierertisch. "Wir nehmen das hier alles, und die hier sind von den Sachen, die wir schon an haben." Der Junge an der Kasse kontrollierte die Zettel, und Mulder zeigte auf eine große Tasche, die hinter der Kasse an der Wand aufgehängt war. "Und das da auch."

Als der Junge damit beschäftigt war, die Tasche von der Wand zu holen, zählte Mulder das Geld, das noch in seiner Brieftasche übrig war. Es waren kaum fünfhundert. Hoffentlich war es genug.

"Das macht dann 373.45 Dollar", nuschelte der Verkäufer und Mulder fiel ein Stein vom Herzen. Er gab dem Jungen die zerknitterten Scheine und als er auf das Wechselgeld wartete, merkte er, wie Scully ihn am Arm stupste.

"Haben wir noch Geld?" flüsterte sie.

"Ja", sagte er. "Warum?"

Sie senkte ihre Stimme noch mehr. "Wir brauchen noch... Unterwäsche..."

Mulder grinste. "Stimmt. Im nächsten Laden, Mrs. Steward?"

Scully lächelte zurück. "Ja... und dann, vielleicht Mittagessen?"

"Wir haben doch gerade erst gefrühstückt!"

"Na und?"

 

 

Der Mann ging langsam und bemessen zu seinem von der Regierung gestellten Sedan. Es war schon lange, viel zu lange her, fiel ihm auf, dass er irgendwelche Neuigkeiten von Christophe gehört hatte und er wurde langsam ein wenig nervös. Es war ein ungewohntes Gefühl für ihn und er versuchte, die Panik zu verdrängen, die an ihm nagte, und die leicht in blanke Angst umschlagen könnte.

Es hätte nie so passieren sollen. Dana Scullys Entführung war damals eine wahrhaft goldene Gelegenheit gewesen. Eine Gelegenheit, Fox Mulder von seiner Arbeit an den X-Akten abzubringen. Seine Untersuchungen drohten, Geheimnisse aufzudecken, die besser geheim bleiben sollten. Und sie war ein Versuchsobjekt für Tests gewesen, jemand, der ihnen ermöglichen konnte, Ergebnisse auf einer Ebene zu erreichen, von deren Existenz er nicht einmal zu träumen gewagt hatte.

Doch alles war schiefgelaufen. Mulders verzweifelte Suche nach seiner Partnerin war nur ein Teil davon gewesen. Wenn es notwendig gewesen wäre, hätten sie ihn umbringen lassen, um ihn aus dem Weg zu schaffen, ungeachtet der Angst der Mitglieder im Konsortium, dass sein Tod ihn zum Märtyrer machen würde. Das wäre kein hoher Preis gewesen.

Das eigentliche Problem war, dass das ganze Vorhaben gescheitert war.

Nach all den Vorbereitungen an Scully, an ihrem Körper und ihrem Gehirn, um sie ihre Befehle ausführen zu lassen, hatte der Test nicht geklappt. Trotz aller Nachforschungen, trotz all den anderen Versuchsobjekten, deren Leben der Wissenschaft vermacht worden war. Trotz der Tatsache, dass das Implantat und die damit verbundenen Programme als hundertprozentig sicher gegolten hatten.

Also hatten sie sie wieder in das Leben gelassen, das sie ihr beinahe gestohlen hatten. Sie hatten sie Mulder und den X-Akten zurückgegeben.

Der Mann verzog seinen Mund zu einem hämischen Grinsen, als er daran dachte, was er heute erfahren hatte, als die Information des Konsortiums endlich zu ihm durchgedrungen war.

Das Experiment, von dem angenommen wurde, dass es gescheitert war, könnte unter Umständen doch geglückt sein.

Der Mann öffnete die Tür zu seinem Wagen, glitt hinter das Steuer und drehte den Zündschlüssel. Er rollte das Fenster herunter, als er seine Zigarette herauswarf und sich gleichzeitig eine neue aus der Innentasche seiner Jacke holte. Er fuhr rückwärts aus der Parklücke und hielt nur an, um sie sich anzuzünden. Er hob eine Augenbraue, als ihm die Ironie dieser Situation klar wurde.

Dana Scully hatte auf der Suche nach denen, die für ihre Entführung verantwortlich waren, ihre Karriere, ihr Augenlicht und beinahe auch ihr Leben geopfert.

Ohne zu wissen, dass genau diese Verantwortlichen sie jetzt unbedingt wieder zurück haben wollten.

Um zu beenden, was sie begonnen hatten.

Der Mann blies eine Rauchwolke aus dem Fenster und fuhr über den Parkplatz auf dem Weg zu seiner trostlosen Wohnung.

Der Vorfall im Labor hatte seine Schatten geworfen, und die Verantwortlichen für diesen unerwünschten Zwischenfall hatten bereits bezahlt. Sie hatten die Falle überlegt aufgestellt, und sie hatte zum größten Teil auch ihren erwünschten Effekt gezeigt. Der Köder war gut genug gewesen, um Scully in das Labor zu locken und ihre Notlage war so groß gewesen, dass Mulder ihr sicher folgen würde. Mulder sollte eigentlich durch die Explosion umkommen, um ihn ein für alle Mal aus dem Weg zu haben.

So dass sie seine Partnerin für sich alleine hatten.

Und doch war den beiden die Flucht gelungen.

Egal, dachte der Mann. Es wird alles wieder in Ordnung gebracht. Und zwar bald.

 

 

"Rick, wie spät ist es?" Scully hob ihren Kopf und hielt seinen Arm fest.

Mulder hob die Hand, um den Ärmel für einen Blick auf die Uhr zurückfallen zu lassen, doch das Gewicht der Tasche erschwerte es ihm. "Zehn nach zwölf", sagte er. "Wir brauchen ein Taxi, wir müssen zurück zum Bahnhof."

Sie nickte ihre Zustimmung und strich sich eine Strähne hinters Ohr.

"Perfektes Timing."

"Hm, wir sind ja immerhin noch nicht da." Mulder hielt an einer Kreuzung an und sah sich nach einem Taxi um. Ohne Erfolg. "Ich sehe überhaupt keine Taxen. Am besten rufen wir an." Es überraschte ihn, dass in dieser relativ bevölkerten Innenstadt von Houston kein einziges Taxi zu finden war. Aber andererseits war es gerade Mittagszeit, was deren Fehlen erklären würde.

Scully sagte nichts, sondern wartete auf seine Entscheidung.

"Lass uns noch einen Block weiter gehen", schlug er vor. "Wenn wir dann keines sehen, rufen wir uns ein Taxi."

"Okay", stimmte sie zu und passte sich seinem Schritt an, als die Ampel grün wurde.

Sie gingen über die Straße und Mulder behielt alle Fußgänger, die an ihnen vorbeigingen, genau im Auge. Es war eine breite Mischung von Leuten, Geschäftsleute in Anzügen gab es genauso viele wie leger gekleidete Touristen. Mulder bemerkte einen Mann, der in gewissem Abstand etwas auf der linken Seite hinter ihnen her ging und runzelte die Stirn. Irgendwie kannte er diesen Mann...

Mulders fotografisches Gedächtnis ließ die Ereignisse des Vormittags in dem Kaufhaus wieder aufkommen und er erkannte, dass er diesen Mann schon einmal in dem Einkaufszentrum gesehen hatte. Gleich neben dem Kaufhaus, in dem sie als letztes gewesen waren.

Mulder sah sich unauffällig noch einmal um und blickte den Mann noch einmal an. Er hatte Jeans an und einen schwarzen Mantel. Er sah nicht anders aus als alle anderen Fußgänger, an denen sie vorbeiliefen, aber es gab etwas an ihm, was Mulders Pulsschlag schneller werden ließ.

"Komm, Lisa", sagte er leise und legte seinen Arm um sie, um sie nahe an sich zu halten, als er seine Schritte beschleunigte.

"Rick?" Scullys Stimme hob sich mit der Frage. "Was ist los?"

"Gar nichts", antwortete er. Er wollte ihr seinen Verdacht nicht mitteilen. "Ich möchte nur nicht, dass wir den Zug verpassen."

Er sah ihr an, dass sie ihm nicht glaubte, aber sie beschleunigte ihre Schritte ebenfalls, als sie die Straße weiter entlang gingen.

Mulder blickte sich noch einmal um und sah, dass der Mann ebenfalls schneller geworden war und alarmierend schnell aufholte. Mulder konnte das Gewicht seiner Waffe an der Hüfte spüren, was ihn ein wenig beruhigte. Er rechnete sich aus, wie schnell er seine Waffe ziehen könnte, wenn es sein musste und wog seine Möglichkeiten gegeneinander ab, wenn der Mann sich als Gefahr herausstellen sollte.

Sie kamen an die nächste Kreuzung und die Ampel schlug gerade von grün nach gelb um. Es waren immer noch keine Taxen zu sehen und Mulder traf eine schnelle Entscheidung. "Lisa... wir müssen laufen, um die Ampel noch zu kriegen. Schaffst du das?"

Sie nickte und presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen, als sie seinen Arm fester griff. Mulder fing an, mit ihr an der Seite über die Straße zu laufen. Sie stolperte zuerst ein wenig, doch dann fand sie seinen Rhythmus. Die große Tasche knallte ihm bei jedem Schritt in die Seite, aber er nahm es kaum wahr. Seine Konzentration war ganz darauf gerichtet, ihr zu helfen, das Gleichgewicht zu behalten, während er ihren Verfolger nicht aus den Augen ließ.

Sie erreichten die andere Straßenseite und die Ampel wurde rot. Mulder half Scully auf den Bordstein und sah sich um. Mit Schrecken musste er feststellen, dass der Mann bei Rot genau in den Verkehr lief. Einige Autos hupten verärgert. Seine schlimmste Ahnung bestätigt, warf Mulder den Träger der Tasche über die Schulter, um eine freie Hand zu haben, um die Waffe zu ziehen. Er fühlte in seiner Hosentasche nach, ob die Diskette auch sicher darin verstaut war und schickte ein Stoßgebet zum Himmel...

 

 

X-3 X-3

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (4/10)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

Scully fühlte Mulders Griff an ihrem Arm fester werden. "Komm, Lisa", sagte er und die überspielte Angst  in seiner Stimme ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er zog sie mit sich und sie versuchte ihr Bestes, um mit ihm mitzuhalten. Sie konzentrierte sich auf seine Bewegungen und fiel mit ihm in Gleichschritt. Das Geräusch der vorbeigehenden Fußgänger wirbelte in ihrem Gehirn und sie zwang sich dazu, es zu ignorieren. Sie vertraute darauf, dass Mulder sie sicher zwischen ihnen hindurch führen würde. Sie konzentrierte sich nur darauf, ohne zu stolpern einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Sie nahmen eine scharfe Kurve nach rechts und der Lärm ebbte auf einmal ab.  Auch die Luft war hier irgendwie anders, stickig und feucht mit dem Gestank von uraltem Müll. Scully konnte die Sonne nicht mehr auf ihrem Gesicht fühlen, und sie nahm an, dass sie in irgendeine Gasse abgebogen waren. Eine Straße, in der die Häuser hoch genug sein mussten, um das Sonnenlicht abzuhalten. In einiger Entfernung konnte sie das Tropfen von Wasser hören wie aus einem verrosteten Wasserhahn.

Dieser Ort war beängstigend, die seltsame Stille war nach der lauten Hauptstraße um so bedrohlicher. Scully konnte das Echo ihrer Schritte hören, als sie die Gasse entlang liefen. Sie wollte es Mulder gleichtun und versuchen, ihre Schritte nicht so laut klingen zu lassen.

"Rick?" flüsterte sie. "Was ist los?"

"Shhhh", machte er und als er nichts weiter sagte, bekam sie richtige Angst.

Nach einem Moment hielten sie an. Das Geräusch des Wassers war hier lauter.  Scully hörte deutlich, wie ein Türgriff betätigt wurde, zweimal hintereinander. Aber ohne den üblichen Klick hinterher, den es gab, wenn die Tür wirklich aufging.

"Verdammt."

Scully entging sein leises Fluchen nicht und sie zog an seinem Arm. "Rick? Was ist los?" fragte sie von der Stille genervt. "Die Tür hier ist zu und das ist eine Sackgasse. Komm mit."

Scully folgte Mulder wieder zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Das Tropfen wurde zunehmend leiser, je näher sie wieder dem Anfang der Gasse kamen. "Hierhin", flüsterte Mulder, und zog sanft an ihrem Arm.  Er schob sie zurück und plötzlich fühlte Scully die kalte Wand hinter sich.

"Runter", befahl er kaum hörbar. Scully gehorchte und hörte das Hämmern ihres Herzens, als sie sich auf den Boden hockte—bereit loszulaufen, wenn es sein musste. Mit der Wand hinter ihr streckte sie eine Hand aus und bekam kaltes, glattes Metall zu fühlen. "Mülltonne", beantwortete Mulder ihre stille Frage.

Mulder nahm ihre Hand und legte sie auf die Tasche, die jetzt vor ihr auf dem Boden lag. "Warte hier", flüsterte er nahe an ihrem Ohr. Er stand auf und Scully hörte das unverwechselbare Klicken seiner Waffe.

"Rick!" rief sie in panischem Flüstern. "Wo gehst du hin?"

"Shhhh", murmelte er und lehnte sich herunter, um seine Lippen an ihre Stirn zu streichen. Es war jedoch wenig beruhigend für sie. "Ich glaube, wir wurden verfolgt..."

"Was?!"

"Warte hier einfach... und keine Sorge. Keiner kann zu dir, ohne dass ich ihn sehe."

Er bewegte sich dann von ihr fort, seine Schritte leicht und immer leiser werdend, als er weiter zurück die Gasse entlang ging. Scully blieb sitzen und verfluchte die Tatsache, dass sie nicht mehr tun konnte, als zu warten. Sie hatte Angst, dass Mulder Recht hatte, und dass ihnen tatsächlich jemand gefolgt war.

 

 

Mulder ging zurück zur Straße, seine Waffe vor ihm schussbereit. Er blickte rasch über seine Schulter und stellte erleichtert fest, dass er weder Scully, noch die Tasche von dieser Seite der Mülltonne sehen konnte. Die Gasse endete an einer Hauswand, weswegen Mulder sicher sein konnte, dass es von der Seite aus keinen Zugang gab. Wenn der Fremde sie wirklich verfolgt hatte, musste er von dieser Seite in die Gasse kommen.

Und Mulder war bereit für ihn.

Mulder erreichte das Ende der Gasse und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand, die Waffe mit beiden Händen auf Schulterebene. Er beugte sich ein winziges Bisschen vor und lugte um die Ecke.

Keine Spur von dem Mann.

Nirgendwo.

Mulder senkte die Waffe und hielt sie vorsichtig hinter sich, als er einen Schritt heraus auf die Straße tat und somit sein Blickfeld vergrößerte.

Soweit er es beurteilen konnte, war die Luft völlig rein.

Mulder seufzte erleichtert und steckte die Waffe wieder in seine Hose.  Während er zurück zu Scully ging, dachte er nach. Entweder hatte er sich geirrt, und der Mann war nur ein gewöhnlicher Fußgänger gewesen, ein Einwohner von Houston, der nur zu spät zu einer Verabredung kam und deshalb bei Rot über die Straße gerannt war.

Oder er hatte Recht gehabt mit der Annahme, dass er sie verfolgte.

Die paranoide Seite von Mulder wollte letzteres glauben, aber seine vernünftige Seite sagte ihm, dass es keinen Sinn machte. Die Gasse war das einzige, wo sie hätten hingehen können. Wenn er hinter ihnen her gewesen war, hätte er sie unmöglich verpasst.

Mulder schob diesen Gedanken beiseite, als er zu Scully kam. Sie hockte da, wo er sie verlassen hatte, kreideweiß vor Angst.

"Rick?"

"Ist okay", versicherte er ihr und half ihr auf. "War nur falscher Alarm, glaube ich." Sie zitterte und er nahm sie in die Arme. "Es tut mir Leid...  Ich wollte dir keine Angst machen."

Scully schlang die Arme um ihn und drückte ihr Gesicht an seine Brust. Für ein paar Sekunden sagte sie nichts, und als sie dann sprach, war ihr Stimme gedämpft durch den Stoff seines Pullovers. "Ich hasse es, wenn ich dir nicht helfen kann."

Er wusste nicht genau, was er sagen sollte, also küsste er sie auf die Stirn und beugte sich dann herunter, um die Tasche zu nehmen. "Wir sind beide okay. Das ist die Hauptsache. Lass uns hier verschwinden und zurück zum Zug gehen."

 

 

Walter Skinner trat aus dem Zimmer des Direktors und ließ ein leichtes Gefühl der Zufriedenheit zu. Zwar war sein Antrag auf zusätzliche Agenten noch in Arbeit, aber er hatte sein Ziel wenigstens teilweise schon erreicht. Diesen Nachmittag sollten weitere Bekanntgebungen an diverse Behörden im ganzen Land geschickt werden. Und obwohl die Agenten Mulder und Scully seit dem Tag, an dem sie verschwunden waren, auf der Liste der Gesuchten standen, war sich Skinner sehr wohl darüber bewusst, dass die Wichtigkeit der Suche nach ihnen zunehmend verblasste, je mehr Zeit verstrich. Es waren nun zwei Monate vergangen, in denen fast nichts gefunden wurde, und Skinner befürchtete, dass die beiden vermissten Agenten nicht mehr oben auf der Liste der örtlichen Polizei standen.

Im Moment konnte er diese lediglich anstacheln. Es war immerhin die Polizei gewesen, die all die wichtigen Beweise in New Orleans entdeckt hatte. Und es war vielleicht auch die Polizei, die sie retten könnte.

Skinner wurde sich zunehmend sicherer, dass Quellen und Personal im FBI von dem mysteriösen Raucher und anderen unidentifizierbaren Drahziehern manipuliert worden waren. Als ein Mann, der sein Leben dem FBI gewidmet hatte, fand es Skinner erschreckend, dass es welche innerhalb dieser Organisation gab, deren Intention nicht seiner gleich war. Die außerhalb der Regeln und Verantwortungen operierten. Aber er war keineswegs naiv. Er hatte während seines Dienstes genug gesehen um zu wissen, dass es überall Verschwörungen gab. Nur, weil du paranoid bist, dachte Skinner, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht hinter dir her sind.

Mit diesen Sorgen im Kopf ging Skinner durch das Gebäude. Er stieg in den Aufzug und nahm die Treppen herunter in den Keller. Er ging den Korridor entlang bis zu der unauffälligen Tür am anderen Ende.

Er betätigte den Türgriff und betrat Mulders Büro. Es war so, wie es immer war—ein heilloses Durcheinander von Akten und Blättern. Nur Mulders geübtes Auge würde erkennen, dass sie nicht mehr so lagen, wie vorher. Sie waren vom FBI nach Hinweisen durchsucht worden, die auf seinen jetzigen Aufenthaltsort schließen könnten.

Skinner hielt in der Mitte des Raumes an und blickte sich um. Er war überrascht, dass die schwarzen Aktenschränke mit den X-Akten immer noch da standen, wo sie vorher waren und er stellte sich ehrlich gesagt die Frage, warum der Raucher und seine Freunde sie nicht zerstört hatten.

Vielleicht, dachte er, weil sie wissen, dass Mulder zurückkommen wird.

Das Poster an der Wand zog Skinners Aufmerksamkeit auf sich. Ein unscharfes Bild eines UFOs mit dem Untertitel "I Want To Believe". Es war Mulders Doktrin, sein Glaube, der Grund, warum er lebte. Die Worte hallten in Skinners Gehirn wider.

Ich möchte glauben, dachte er. Ich möchte glauben, dass Sie und Agent Scully gefunden werden.

 

 

Scully ging neben Mulder her und hielt ihn am Arm fest. Sie konnte den Tumult des Bahnhofes um sie herum hören—ein- und aussteigende Passagiere. Mulder macht Halt und sie zog an seinem Arm. "Warum halten wir?"

"Wir müssen in der Schlange warten", antwortete er. "Die prüfen alle Fahrscheine, bevor sie die Leute wieder in den Zug lassen. Scully hörte das Rascheln von Papier und nahm an, dass Mulder ihre Fahrscheine herausholte.  "Lange Schlange?" fragte sie.

"Lang genug."

Zwei oder drei Minuten vergingen. Scully verhielt sich ruhig und ging Schritt um Schritt vorwärts, als sie in der Reihe voran kamen. Sie war immer noch wegen dem Zwischenfall ein wenig aus der Fassung, und sie fragte sich, ob Mulder wohl Recht gehabt hatte. Er hatte ihr alles erzählt, was er während der Fahrt zum Bahnhof gesehen hatte, und obwohl er nonchalant wirken wollte, war ihr die Angst in seiner Stimme nicht entgangen. Sie zitterte und fühlte, wie er ihr Schultern umfasste.

"Ich bin okay", beantwortete sie seine ungestellte Frage. "Ich bin nur ein wenig müde, das ist alles." Und es stimmte. So sehr sie ihren kleinen Ausflug auch genossen hatte, sie war nun wirklich erschöpft. Sie war erstaunt, wie viel Energie es sie kostete, ohne sich auf ihre Augen verlassen zu können. Es war sogar mit Mulders Hilfe, sogar nach all der Zeit, immer noch sehr schwer für sie.

Endlich kamen sie dran und Scully hörte, wie Mulder mit dem Bahnangestellten sprach, als er ihre Fahrscheine überprüfte. Mulder half ihr gerade die Treppen herauf, die zu den Zügen führten, als sie das Rufen hörten.

"Hey, Rick... Lisa... warten Sie!"

Scully erkannte Elliots Stimme, der Mann, den sie am Vormittag in dem Speisewagen getroffen hatten. Sie lächelte. Seine Energie und sein Enthusiasmus erinnerte sie an ihren jüngeren Bruder, und sie fragte sich, wie er wohl aussah.

"So viel also dazu, dass man pünktlich wieder im Zug sein soll", begrüßte Mulder ihn.

Scully hörte, wie Elliot keuchte, als er versuchte, wieder zu Atem zu kommen. "Ich weiß... Eigentlich bin ich gerade erst *ausgestiegen*. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut und ich musste noch jemanden anrufen, bevor wir weiterfahren."

Sie gingen nun den Gang entlang und Elliot ging hinter ihnen her. Scully hoffte, dass ihn ihre Langsamkeit nicht nervte. "Muss ein dringender Anruf gewesen sein", bemerkte sie, als sie mit den Fingern an der Wand entlang strich und im Stillen die Türen zählte. Sie hörte zum dritten Mal das Pfeifen des Zuges und einen Moment später rollte er an und über die Gleise.

"Stimmt", erwiderte Elliot und sie konnte ein Lächeln in seiner Stimme hören. "Meine Freundin, Rebecca, hat heute Nachmittag ein Vorstellungsgespräch. Ich hatte fast vergessen, ihr Glück zu wünschen."

Mulder lachte, als sie um die Ecke gingen. "Hört sich an, als ob Sie nicht oft an Schwierigkeiten vorbeikommen."

Der Gang war eng und Scully hörte, wie die Tasche an der Wand entlang kratzte.

"Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht." Nach einem Moment, "Kann ich Ihnen damit helfen?"

"Ist schon okay", antwortete Mulder und Scully war es plötzlich peinlich, denn sie wusste, dass er leichter die Tasche tragen könnte, wenn ihr nicht durch den Gang helfen müsste.

"Was macht Rebecca?" fragte sie, um das Thema zu wechseln.

"Sie ist Fotografin", sagte Elliot aufgeregt. "Beck ist klasse. Sie hat vor zwei Jahren ihren Abschluss in Kunst gemacht, und bis jetzt hat sie schon eine Menge toller Sachen gemacht."

"Was fotografiert sie denn?" fragte Mulder.

"Sie fotografiert auf Hochzeiten und solchen Sachen, aber eigentlich mag sie es nicht so, Leute zu knipsen. Heute stellt sie sich für ein Projekt des Museums für zeitgemäße Kunst in Santa Fe vor. Es wäre toll, wenn sie den Job bekäme. Es ist nicht weit weg und sie hätte gute Arbeitsbedingungen."

"Nicht weit weg?" fragte Scully. "Wohnen Sie dort?" Elliot bejahte ihre Frage und sie fuhr fort. "Ich wusste gar nicht, dass der Zug in Santa Fe hält."

"Tut er auch nicht", lachte Elliot. "Das ist das Gute an Amtrak.  Es gibt noch einen anderen Zug, den Desert Wind, der dahin fährt. Es ist zwar nicht die schnellst Art zu reisen, aber ich habe immer Zeit zum Zeichnen. Also macht es mir nichts aus."

Für eine kurze Zeit sagte niemand mehr etwas. Alles, was man hören konnte, waren ihre Schritte und das Klappern der Räder auf den Gleisen. Dann hörte Scully Elliot sagen, "Okay, das hier ist mein Abteil", worauf er die Tür desselbigen öffnete. "Vielleicht sieht man sich später noch mal."

"Bis später", echote Mulder und Scully lächelte in Elliots Richtung.

Scullys Finger glitten noch an vier weiteren Türen vorbei, bevor sie die engen Stufen erreichten, die zu der oberen Etage des Zuges führten. Sie folgte Mulder, eine Hand fest an seinem Pullover, als sie eine Stufe nach der anderen hochstieg. Oben angekommen seufzte sie erleichtert, als sie endlich vor ihrer eigenen Tür standen.

 

 

Mulder öffnete die Tür zu ihrem Abteil und schob Scully sanft hinein. Er stellte die Tasche neben dem Tisch ab und beobachtete, wie sie vorsichtig zu den Sesseln ging und sich auf einen setzte, nachdem sie ihn mit den Händen ertastete hatte. "Alles in Ordnung?" fragte er gewohnheitsmäßig.  "Brauchst du irgendetwas?"

Sie schüttelte den Kopf, lehnte sich zurück in die Kissen und schloss die Augen. "Nein. Ich möchte mich nur hier für eine Minute ausruhen."

"Da sagst du was", stimmte Mulder zu. Er machte die Tasche auf und fing an, ihre neuen Sachen auszupacken, die nacheinander in dem kleinen Wandschrank in der Ecke verschwanden. Scully war still und Mulder dachte schon, dass sie eingeschlafen war, bis er ihre Stimme hörte.

"Mulder?"

"Ja?"

"Wer ist Robert Bard?"

Mulder hielt inne. Er musste fast lächeln wegen seiner Leichtgläubigkeit, dass sie seine Frage an die Einsamen Schützen vergessen hatte, weil sie bis jetzt kein Wort darüber verloren hatte. Aber er hatte sich geirrt und der Ernst in ihrer Stimme verlangte eine Antwort. Er wollte ihr so ausweichend wie möglich antworten. "Er ist ein... Forscher. Ich habe seinen Namen gelesen, als ich in der Bibliothek war."

"Welche Art von Forschung?" Scullys Augen waren jetzt offen und sie drehte leicht ihren Kopf. "Hat das etwas mit dem Droperidol zu tun? Oder mit der Diskette?"

Mulder hängte das letzte Hemd auf, als er überlegte, wie er ihr antworten könnte, wie viel er ihr von seinem Wunschtraum verraten sollte. Seine Hoffnungen waren unglaublich hoch, besonders angesichts der Unwahrscheinlichkeit, die ihre Lage mit sich brachte. Er wollte ihre Hoffnungen nicht unnötig hochschrauben, nur damit sie am Ende durch Versagen zerstört wurden.

"Mulder?"

"Keine bestimmte." Mulder durchquerte den Raum und hockte sich neben sie, ihr Gesicht mit seinem auf einer Höhe. Scully hatte ihre Hände in ihrem Schoß gefaltet und er legte seine Hände über ihre. "Er ist ein Arzt, Scully. Ich habe über ihn gelesen."

"Was für ein Arzt?" sagte sie leise, fast flüsternd.

"Ein Augenspezialist", gestand Mulder. "Ein Pionier auf seinem Gebiet. Und ich will... ich will dich zu ihm bringen."

Scully saß absolut still. "Er ist in Los Angeles, habe ich Recht? Er ist der Grund, warum wir dort hingehen."

"Ja."

Scully zog ihre Hände von seinen weg und strich sich frustriert mit den Händen durch die Haare. Ein leises Seufzen entkam ihren Lippen und sie ließ die Schultern fallen. Als sie endlich sprach, klang sie leise und resigniert. "Mulder... du jagst Wunschträumen hinterher. Es gibt nichts, was der Mann für mich tun kann."

Ihre Worte machten ihn ärgerlich und Mulder musste sich dazu zwingen, nicht aufbrausend zu werden. "Wie kannst du so etwas nur sagen, Scully?"

"Wie kann ich so was *sagen*?" Scully spuckte die Worte regelrecht aus. "Ich bin *blind*, Mulder. Warum kannst du es nicht einfach hinnehmen?"

"Ich *will* es nicht einfach hinnehmen!" sagte Mulder. "Und ich kann nicht glauben, dass du es tust." Er griff nach ihrer Hand, doch sie zog sie zurück und sagte ihre nächsten Worte zu ihm wie zu einem Kind. "Das ist nicht irgendein Fall, den du lösen kannst, Mulder. Das hier ist wirklich und nichts kann etwas daran ändern." Mulder flehte leise, fast flüsternd, "Und was, wenn er dir helfen kann?"

Ein Funken Hoffnung blitzte auf ihrem Gesicht, doch verschwand im nächsten Moment gleich wieder. "Was wenn nicht?" fragte sie und die Gleichgültigkeit in ihrer Stimme zerschnitt seine Seele. Er berührte sie. Sie ließ sich von ihm in die Arme nehmen und schlang die Arme um seinen Hals, als sie ihn ganz nah an sich festhielt.

 

 

Christophe hörte dem Mann am anderen Ende der Leitung zu und nahm seine neuen Befehle auf. Als er auflegte, hatte er bereits begonnen, seine Pläne umzuwerfen.

Die Tatsache, dass sie die Frau nun lebend haben wollten, erschwerte die ganze Sache erheblich. Aber mit Schwierigkeiten fertig zu werden war eine von Christophes Spezialitäten. Alles wurde dadurch auch viel interessanter, was Christophe ganz und gar nicht missfiel.

Es war nur schade, dass er Vincents Tod jetzt nicht so rächen konnte, wie er es vor gehabt hatte. Christophe fand es immer noch schwer zu glauben, dass dieser Mann und diese Frau für den Tod einer seiner wertvollsten Mitarbeiter verantwortlich waren. Er fand es geradezu undenkbar, um genau zu sein.

Aber Christophe war ein Mann, der an das Glück und an das Schicksal glaubte. Das Schicksal hatte ihm in seinem Leben schon genügend Hindernisse gestellt, und er hatte es immer wieder geschafft, sie zu seinem Gunsten auszuspielen. Er würde sich zwar nie als besonders abergläubisch bezeichnen, aber er wusste, dass der größte Teil seiner Erfolge nicht unbedingt auf seine eigenen Fähigkeiten zurückzuführen war, sondern vielmehr auf unerwartet gutes Timing oder andere Umstände. Auf Glück.

Deswegen beneidete Christophe den Mann und die Frau nicht um das Glück, durch das sie bis jetzt überlebt hatten.

Denn irgendwann endet jede Glückssträhne.

 

 

Scully saß lustlos Mulder gegenüber in dem Speisewagen und stocherte halbherzig in ihrem Essen herum. Ihr war der Appetit vergangen, und um ehrlich zu sein, wurde ihr durch den Geruch des Essens übel. Trotzdem versuchte sie um Mulders Willen, etwas zu essen, und um spätere besorgte Fragen zu vermeiden.

Er war bereits besorgt um sie. Sie konnte es ihm anhören, doch sie hatte nicht die Energie dazu, ihn zu beruhigen. Sie hatte sich schon den ganzen Vormittag schlecht gefühlt und war die ganze Zeit in einer düsteren Stimmung gewesen. Sie hatte Mulder gesagt, dass sie ein Nickerchen machen wollte. Er hatte sie allein gelassen und war in den Aufenthaltswagen gegangen, um fern zu schauen. Doch anstatt zu schlafen hatte sich Scully in ihrem Bett unfähig sich zu entspannen hin und her gewälzt. Einige Stunden später hatte der Zug in San Antonio gehalten und Mulder war in ihr Abteil gekommen und hatte gefragt, ob sie sich während der zwei Haltestunden die Beine vertreten wolle. Sie hatte abgelehnt und er hatte sich neben sie aufs Bett gelegt. Zuerst hatte er versucht, mit ihr zu reden, doch als sie überhaupt keine Antwort gegeben hatte, hatte er es aufgegeben und sie gehalten, bis der Zug wieder angerollt war.

Wenn Mulder sie nicht an das Abendessen im Speisewagen erinnert hätte, hätte sie sich wahrscheinlich überhaupt nicht vom Bett aufgerafft. Die Idee von Abendessen war gar nicht so schlecht gewesen, aber jetzt, wo sie hier saß, war sie überzeugt davon, einen Fehler gemacht zu haben.

Mulders Bemerkung über den Arzt in Los Angeles hatte sie in eine Art von Depression versetzt, die genauso plötzlich wie überraschend gekommen war und Scully hatte keine Ahnung warum. Es war ja nicht so, dass sie anfangs nicht ebenfalls Hoffnung gehabt hatte. Als Ärztin wusste sie einiges über vorübergehende Blindheit, und sie hatte darauf gehofft, dass die Explosion nicht permanenten Schaden an ihren Augen angerichtete hatte. Aber als die Tage ohne Veränderung verstrichen, hatte sie ihre schwachen Hoffnungen immer weiter von sich geschoben und sie ganz tief in sich an einem Ort verborgen, den sie vergessen wollte.

Jetzt zu hören, dass Mulder an genau denselben Hoffnungen festgehalten hatte, ihn es sagen zu hören, war fast zuviel für sie gewesen. Scully kannte Mulder gut genug um zu wissen, dass er selbst den kleinsten Funken Hoffnung zu einem Feuer schüren konnte, dessen schwaches Licht ihn durch die Dunkelheit brachte. Er hatte es schon zwanzig Jahre lang getan und war davon überzeugt, dass Samantha eines Tages gefunden werden würde, am Leben und unverletzt. Die Hoffnung eines Träumers, eines inständigen Romantikers.  Eines Gläubigen.

Tief in ihrem Herzen fürchtete Scully, dass die Wahrscheinlichkeit von Samanthas Rückkehr genauso groß war, wie das Wiederkehren ihres Augenlichtes. Und diese Furcht fror sie innerlich ein.

"Lisa?" Mulders Stimme brachte sie aus ihren Gedanken. "Möchtest du noch etwas Brot?"

"Nein", antwortete sie und schob ihren Teller von sich weg. "Ich kann nicht mehr."

Er sagte nichts und sie wusste, dass er auf ihren immer noch vollen Teller starrte, aber er verlor kein weiteres Wort darüber. Sie war ihm dankbar dafür.

"Dann lass uns gehen", sagte er und einen Moment später hörte sie, wie er in seiner Brieftasche kramte, um die Rechnung zu bezahlen.

 

 

X-4 X-4

 

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (5/10)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

Mulder stand von seinem Stuhl auf und ging um den Tisch herum, um Scully beim Arm zu nehmen. Sie war schon den ganzen Tag lustlos und kurz angebunden gewesen, und er konnte sich nicht von dem Gedanken abbringen, dass er wieder einmal schuld daran war. Er hatte gewusst, dass es keine gute Idee gewesen war, ihr von dem Arzt zu erzählen, aber es fiel ihm unglaublich schwer, Geheimnisse vor ihr zu haben. Um ehrlich zu sein hatte er gehofft, dass sie die Neuigkeiten vielversprechend finden würde. Das hätte sie vielleicht auch, dachte er. Die Dana Scully, die seine Partnerin beim FBI gewesen war, war immer ruhelos und unnachgiebig wie er selbst gewesen, wenn es um Antworten zu Fragen ging, die beantwortet werden mussten. Es machte Mulder Angst, dass sie sich durch den Unfall so verändert hatte, und dass sie sich zunehmend den Umständen wie sie jetzt waren unterwarf.

"Möchtest du wieder zurück ins Abteil?" fragte er. "Oder lieber etwas durch den Zug gehen?"

"Ins Abteil, vielleicht", antwortete Scully flach. "Okay", sagte er und führte sie durch den Wagen.

Sie näherten sich der Tür, die zu den Gängen führte, und als sie sich öffnete, kam Elliot mit einem Buch unter dem Arm herein. Er grüßte sie mit einem freundlichen Winken. "Hallo, Leute! Wie war das Abendessen?"

"Gut", sagte Mulder und lächelte dem jungen Mann zu. Er fand es witzig, dass Elliot so ununterbrochen guter Laune war. Er änderte Mulders bisherigen Eindruck von Künstlern, die er sich immer als stereotype, gequälte Seelen vorgestellt hatte.

"Sind Sie in San Antonio ausgestiegen? Es ist eine wundervolle Stadt", bemerkte Elliot.

"Nein. Sind Sie?" Mulder war überrascht, dass Scully seine Frage beantwortete. Es war praktisch das einzige, was sie während der letzten Stunden freiwillig von sich gegeben hatte, also hielt er an und wartete auf Elliots Antwort.

"Ja, aber nicht lange", sagte dieser. "Ich bin in der Stadt in einem Buchladen gewesen. Eines der Bücher, die ich während des Sommers gemacht habe, ist kürzlich erschienen." Er hielt Mulder das Buch hin, der es entgegennahm und das Bild auf dem Titel bewunderte. "Das ist klasse", sagte er. "Die Farben sind toll."

Scully streckte ihre Hand aus und berührte mit zwei Fingern das Buch. "Was ist es? Eine Fantasy-Geschichte?"

"Nein", sagte Elliot. "Es ist eine Mystery-Geschichte namens 'The Westing Game'. Es ist von einer Autorin namens Ellen Raskin. Der Verleger macht gerade eine Neuauflage von allen ihren Büchern und er hat neue Zeichnungen für die Hardcovers in Auftrag gegeben. Für ein Jugendbuch ist das ziemlich clever, muss ich sagen."

Mulder schlug das Buch auf, blätterte durch die Seiten und bewunderte die Zeichnungen. "Sieht wirklich gut aus. Die haben eine Menge verwendet."

Elliot grinste. "Ich wünschte nur, dass sie mir auch eine Menge *zahlen* würden. Ich hab's satt, das Leben eines verhungernden Künstlers zu leben." Dann, "Möchten Sie es behalten?" Sein Grinsen wurde breiter. "Ich signiere es auch, wenn Sie möchten."

Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und Scully antwortete, bevor er irgendetwas sagen konnte. "Danke. Und Sie müssen es unbedingt signieren."

"Unsere eigene kleine Begegnung mit der Glitterwelt", pflichtete Mulder bei und reichte Elliot das Buch. Der junge Mann holte einen Stift aus seiner Tasche und schlug die erste Seite des Buches auf. Mit geschwungenen Buchstaben schrieb er seinen Namen auf die Innenseite des Buchdeckels.

"Bitte schön", sagte er und gab Mulder das Buch zurück, der es unter den Arm klemmte. "Vielleicht können Sie es eines Tages für einen Haufen Geld verscherbeln." Mit einem weiteren Grinsen ging er an ihnen vorbei. "So, jetzt muss ich aber 'was essen, ich bin halb verhungert."

"Auf Wiedersehen, Elliot", rief Scully ihm nach und legt ihre Hand auf Mulders Arm. Mulder verstand ihren stillen Hinweis und führte sie aus dem Speisewagen.

 

 

"Ich mag ihn", sagte Scully, als sie den Gang entlang gingen. "Er scheint wirklich nett zu sein."

"Das ist er", stimmte Mulder zu. "Aber ich bin immer misstrauisch, wenn jemand immer so eine gute Laune hat."

Scully lächelte und war selbst überrascht, dass sich ihre schlechte Laune etwas gebessert hatte. "Du bist wegen allem misstrauisch, Rick. Das ist einer deiner Charakterzüge."

"Oh, wirklich?" Mulder hatte wieder das altbekannte Necken in seiner Stimme, was sie ein wenig aufheiterte. Manchmal konnte Mulders Besorgnis richtig erdrückend sein, und sie fand es viel schöner, wenn sie unbeschwert miteinander umgingen.

"Ja, wirklich. Aber ich habe mich daran gewöhnt, keine Sorge." Sie gingen weiter und plötzlich wollte Scully gar nicht mehr in ihr kleines Abteil zurück. "Ich möchte noch nicht zurück ins Zimmer. Können wir nicht irgendwo anders hingehen?"

Mulder hielt für einen Moment inne, und sie konnte ihn fast denken hören.  "Es gibt zwei Aufenthaltswagen. In dem einen auf dieser Etage ist ein Fernseher. Der andere auf der höheren Ebene heißt 'Aussichtswagen' oder so. Es ist nur ein großer Raum mit vielen Fenstern."

"Lass uns dahin gehen", sagte sie. "Ich möchte nicht im Fernsehraum herumhängen."

Sie folgte ihm durch einige weitere Gänge und dann die Treppe hoch in die obere Ebene. Sie gingen noch ein Stück weiter, dann hörte sie, wie sich eine Tür öffnete. "Da sind wir", verkündete Mulder. Es war sehr still, was sie überraschte. "Sind wir alleine hier?"

"Im Moment ja", kam die Antwort. "Ich glaube, die meisten Leute sind noch beim Abendessen."

Mulder führte an die Seite des Wagens und hielt dort an. Scully streckte vorsichtig ihre Hand aus und fühlte kaltes Metall unter ihren Fingerspitzen. Das Objekt war lang und zylindrisch und sie erkannte, dass sie an irgendeiner Art von Geländer stand. Sie hob eine Hand und bekam wie erwartet Glas zu fühlen. Es war kalt und vibrierte durch die Bewegung des Zuges.

Als sie weiter ihre Umgebung erforschte, blieb Mulder still neben ihr stehen. Scully fragte sich, ob er sich die Aussicht ansah oder sie mit besorgten braunen Augen beobachtete. "Also, Rick, wie sieht es draußen aus?"

" Felder, zum größten Teil. Ich weiß nicht genau welcher Art, es ist schon ziemlich dunkel."

Scully schloss die Augen und stellte sich die Landschaft vor ihrem inneren Auge vor. "Sind da Häuser?"

"Keine, die ich sehen kann. Es ist eine ziemlich verlassene Gegend. Ganz weit hinten sind jedoch viele Lichter—das muss San Antonio sein."

"Kannst du den Mond sehen?"

"Nein, nicht von hier. Vielleicht von dem Fenster auf der anderen Seite. Aber man kann sehr viele Sterne sehen." Eine seltsame Zufriedenheit überkam Scully als sie so da stand und ihm zuhörte, und sie tastete nach Mulders Hand. Sie nahm sie und Mulder rückte näher an sie heran. Sie legte den Kopf an seine Schulter.

Nach einiger Zeit sprach sie ihn mit seinem Alias an. "Rick... Es tut mir Leid wegen vorhin. Ich wollte nicht so launisch sein."

Er seufzte. "Mir tut es auch Leid. Ich wollte dich nicht verärgern mit dem, was ich über den Arzt gesagt habe."

"Du hast mich nicht verärgert", versicherte sie ihm. "Ich war nur... ich glaube, ich habe nur etwas Zeit gebraucht, um mit all dem fertig zu werden. Das ist alles."

"Das verstehe ich." Mulder legte seine andere Hand auf ihre Schulter und drehte sie leicht zu sich. Scully konnte seinen Blick auf ihr fühlen, konnte fühlen, wie er sie ansah und sie lächelte seinetwillen ein kleines Lächeln.

"Es ist bestimmt wunderschön da draußen", sagte sie, um ihn abzulenken.

"Es ist wunderschön hier drin", flüsterte er. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und einen Moment später fühlte Scully seine Lippen an ihren in einem federleichten Kuss.

Ihr Herz schlug schneller und sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen, ihre Hände an seinen Hüften, und erwiderte seinen Kuss.

Nach einem Moment lockerte Mulder seinen Griff an ihr, nur um sie in seine Arme zu nehmen. Sie standen so für eine Weile und das feste und rhythmische Schlagen seines Herzens beruhigte sie. Er strich mit der Hand durch ihr Haar und an ihrem Genick entlang und sie fühlte wie sie ein Zittern ihren Körper durchfuhr, als sie merkte, wie sehr sie seine Nähe genoss.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke und Scully scheute sich nicht, ihn in Worte zu fassen. "Rick? Hast du noch Elliots Buch?"

"Ja, hier", antwortete Mulder, und seine Stimme hallte dumpf in seiner Brust.

"Ließt du es mir vor? In unserem Zimmer?" Mulder musste lachen und er umarmte sie fester. "Es ist ein Kinderbuch, Lisa."

"Na und?" Sie lächelte ihn an. "Was bist du, elitär?"

"Fang bloß nicht mit Schimpfworten an", neckte er und nahm wieder ihren Arm. "Gehen wir."

 

 

Wieder in ihrem Zimmer zogen sie ihre Schuhe aus und setzten sich in einen der Sessel. Scully kletterte auf seinen Schoß und ließ ihre Beine über den Rand der Armlehne baumeln. Er legte einen Arm um sie, um sie bequem an sich zu halten und schlug das Buch auf, so dass es auf ihrem Bauch lag.

"Stört dich das?" fragte er und rückte ein wenig, um den Druck etwas zu lindern.

"Nein", erwiderte sie. Eine ihrer Hände lag auf der Armlehne und die andere legte sie auf seinen Oberschenkel. Die Wärme ihrer Hand drang durch den Stoff seiner Jeans an seine Haut.

"Also gut", sagte er und überschlug die Einleitung, um direkt mit dem ersten Kapitel zu beginnen. Er räusperte sich und fing an zu lesen. Sie seufzte, als sie sich näher an ihn heran schmiegte.

 

"Die Sonne versinkt, wie jeder weiß, im Westen, aber Sonnentürme zeigen nach Osten. Seltsam! Sonnentürme, die nach Osten zeigen und die keine Türme haben. Das glitzernde und glasige Apartment stand einsam fünf Stockwerke hoch am Ufer des Lake Michigan. Fünf leere Stockwerke. Dann, eines Tages (an einem vierten Juli) fuhr ein Boten-Junge in diese Gegend und schob Briefe unter die Türen ausgewählter Mieter. Die Briefe hatten den Absender 'Barney Northup'. Allerdings war der Boten-Junge zweiundsechzig Jahre alt und es gab niemanden mit dem Namen Barney Northup."

 

 

Mulder las und blätterte vorsichtig die Seiten um, als ob er sie nicht mit dem Geräusch stören wollte. Scully saß still mit ihrem Kopf an seiner Schulter auf seinem Schoß und ihre Haare kitzelten sein Kinn. Von Zeit zu Zeit murmelte sie einen leisen Kommentar zu dem, was er gerade las, worauf er ab und zu lachen musste.

Die Zeit verging und Mulder war glücklich, dass er ihr mit dieser kleinen Geste eine Freude machen konnte. Es war so friedlich, so ruhig und ungestört so nahe bei Scully zu sein. Das Rollen der Räder des Zuges auf den Gleisen war beruhigend und eine leise Begleitung seiner Stimme.

"'Hast du nicht irgendein letztes Wort zu sagen?' fragte Sandy Plum. 'Ich meine, wie der Gefangene auch schon sagte, nichts macht einen Sinn.' Der Anwalt las weiter Samuel Westing's Testament vor. 'Elftens: Sinnlos, sagen Sie? Der Tod ist sinnlos, und doch schafft er Platz für die Lebenden. Das Leben ist ebenfalls sinnlos, wenn man nicht weiß, wer man ist und was man will und wo es lang geht. Also, weitermachen. Die Lösung ist einfach, wenn man weiß, nach wem man sucht. Aber sei wachsam! Sei wachsam! Manche sind nicht die, die sie vorgeben zu sein, und manche sind nicht die, die sie behaupten zu sein. Wer immer du auch bist, es ist an der Zeit, nach Hause zu gehen. Gott segne Euch alle, und vergesst nicht: Kauft Westing Papier-Produkte!'"

 

Mulder schlug eine weitere Seite um und Scully regte sich in seinen Armen. Sie hob ihre Hand von seinem Schoß zu seinem Kinn. Er hörte auf zu lesen, als sie zwei Finger an seine Lippen legte. Die Geste war so überraschend wie sie verführerisch war.

"Ich möchte nicht mehr, dass du weiter ließt", flüsterte sie und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.

Seine Kehle war trocken, als er versuchte zu sprechen. Er war sich auf einmal ganz ihrer Berührung an seinen Lippen bewusst. "Nicht?" murmelte er, unfähig, noch mehr zu sagen.

"Nein." Scully schüttelte leicht den Kopf und ihr dunkles Haar schimmerte auf ihren Schultern, durchleuchtet vom gelben Licht der Nachttischlampe.

 

Sie nahm ihre Finger von seinem Mund und legte ihre Hand auf seine Stirn. Dann auch ihre zweite und nach einem Moment ließ sie ihre Finger an seinem Haaransatz entlang streichen, jede Hand an einer Seite seines Gesichts.  Mulder saß absolut still, wie verzaubert durch ihre sanfte Berührung und unfähig wegzuschauen. Ihre verschleierten blauen Augen in ihrem geröteten Gesicht waren weit aufgerissen und sie starrte über seine Schulter hinweg ins Leere.

Sanft und gefühlvoll strich sie über die Konturen seines Gesichts. Seine Stirn, seine Augenbrauen, die empfindlichen Linien an seinen Augen. Scully fuhr mit den Fingerspitzen über seinen Nasenrücken und betastete dann seine Wangen und seinen Kiefer bis zu seinen Ohren. Ihre Finger strichen gegen seinen Bart und streichelten die ungewohnten Haare um seinen Mund und sein Kinn.

Ihre Berührungen waren langsam und sinnlich und unglaublich erotisch. Mulder fühlte, wie die Abstände zwischen seinen Atemzügen immer kürzer wurden, doch er blieb still sitzen und ließ sie durch ihre Hände ein Bild von ihm in ihrem Kopf gestalten. Ihre Augenbrauen waren in ihrer Konzentration zusammengezogen und ihr Mund stand leicht offen und er konnte hinter ihren Lippen ihre makellosen Zähne sehen.

Er war gefangen von ihrer einmaligen Schönheit und dem Gefühl ihrer zarten Hände auf seiner Haut. Nach einer seligen Ewigkeit beendete sie ihre Erkundung, legte ihre Handflächen an die Seiten seines Gesichtes und hielt es nahe an ihres. Auf einmal konnte er nicht mehr still halten. Er beugte sich zu ihr, überwand die Zentimeter, die sie voneinander trennten, mit einer leichten Bewegung und berührte ihre Lippen mit seinen.

 

 

Sein Kuss war unmittelbar, augenblicklich elektrisch und sie erzitterte.  Anders als sie sich bisher an dem Geländer geküsst hatten war dieser Kuss tief und eindringlich und voller Verlangen. Er war inbrünstig und leidenschaftlich und er raubte ihr den Atem. Sie wollte mehr. Sie erwiderte seinen Kuss und versuchte, ihm dadurch alles zu zeigen, was sie dachte, was sie fühlte, was sie wollte.

Scully hörte, wie das Buch auf den Boden fiel, als sich seine Hände hinter ihrem Rücken verschränkten und sie näher an ihn heran drückte. Ihre Hände glitten herunter zu seinen Schultern und fassten den Stoff seines Pullovers, um sich festzuhalten. Ihre Brüste waren voll und schwer und zart, als sie gegen seinen Körper drückten und sie stöhnte leise bei dem Gefühl. Ihre Stimme schien ihn noch mehr zu erregen. Er stieß seine Zunge weiter in ihren Mund und zwang durch die Intensität seines Begehrens ihren Kopf zurück.

Sie stöhnte abermals und bewegte sich auf ihm. Sie genoss seine Wärme, seinen Geschmack, seine Berührung und wollte diesen Moment für immer erleben. Nach einigen Momenten brach Mulder den Kuss und sie schnappte nach Luft, als sie seine Lippen an ihrem Hals fühlte. Er liebkoste die sensible Haut an ihrem Kinn und sie legte die Hände in sein Haar, um ihn nah bei sich zu halten. Seine Lippen glitten ihren Hals entlang und er schob den Kragen ihres Pullovers beiseite, um mit seiner Zunge ihr Schlüsselbein zu erreichen.

"DanaDanaDana..." murmelte er leise und sie fühlte, wie beim Klang seiner Stimme ein warmer Schwall von Verlangen ihren Körper durchflutete.

Sie benutzte ihre Hände, um die Bewegungen seines Kopfes zu führen und Scully brachte seinen Mund wieder an ihren. Sie küsste ihn mit einer Heftigkeit, von der sie nicht wusste, dass sie sie besaß. Seine Zunge glich sich ihrer an und sie fühlte ein Schwindelgefühl, das ihr tief ins Herz stach.

Einer seiner Arme hielt sie fest in seinem unnachgiebigen Griff, während seine andere Hand ihren Körper entlang strich. Seine Finger streichelten ihre Brüste mit einer Gier, die sie vor Erregung seufzen ließ. Seine Hand glitt über ihren empfindlichen Bauch, aber sie war viel zu erregt, um jetzt kitzelig zu sein. Seine Finger erreichten ihren Hosenbund und glitten zögernd darüber, bevor sie sich mit behutsamer Intensität weiter abwärts bewegten. Sie fühlte, wie er ihren Schritt umfasste und schnappte nach Luft, als seine Hand unter ihr Gesäß glitt und sie näher an ihn heran zog.

Seine Lippen waren immer noch auf ihren, strebend, forschend, suchend und plötzlich war alles zu viel für sie. Sie fühlte sich, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen und löste sich ein Stück von ihm. Sie rang nach Atem und stützte ihr Kinn auf seine Schulter, nur um seinen Atem an ihrem Ohr zu hören.

"Ich will dich, Dana", flüsterte er, seine Stimme rau und röchelnd. Sie konnte ihm nicht antworten, konnte nicht die Worte finden, um auszudrücken, was sie sagen wollte.

 

 

Sie erwiderte nichts, sondern stützte ihren Kopf an seine Schulter, so dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Er fühlte, wie sie zitterte und spürte ihre kurzen, hastigen Atemzüge und auf einmal hatte Mulder Angst, dass er zu weit gegangen war.

"Dana?" Er legte die ganze Dringlichkeit in seine Stimme, die er fühlte. "Dana... Es tut mir Leid."

Sie hob ihren Kopf und er drehte mit zwei Fingern an ihrem Kinn ihr Gesicht zu sich, so dass ihre leeren Augen auf seinen besorgten Blick trafen.

"Ich wollte nicht..." Er suchte zögernd nach Worten. "Ich wollte... dich nicht drängen... ich wollte dich nicht ausnutzen."

Ihre blasse Haut war gerötet und ihre Haare waren zerzaust und Mulder konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals schöner ausgesehen hatte.  Sein Verlangen nach ihr drohte, ihn zu überwältigen, doch er zwang sich weiter zu sprechen.

"Dana... ich will dich *wirklich*... mehr als du denkst. Aber ich... ich will nichts übereilen." Er konnte nicht widerstehen und küsste sie sanft auf die Lippen und kämpfte gegen das Drängen seines Körpers an, sie auf der Stelle zu nehmen. "Ich warte auf dich, Dana... ich werde für immer warten, wenn es sein muss."

Sie lächelte, ein langsames träumerisches Lächeln, das zögernd begann und sich dann in etwas tiefergehendes, verführerischeres verwandelte. "Ich möchte nicht warten, Mulder. Ich möchte nicht..."

Er hastete daraufhin auf sie zu, all seine Emotionen wurden in einem Moment purer, hemmungsloser Leidenschaft frei. Ihre Lippen öffneten sich unter seinen und er hörte ihr Stöhnen, als er sie hielt, ihre Arme immer noch an seinem Nacken. Plötzlich wurde der Sessel, auf dem er saß, viel zu unbequem, als das Verlangen ihn überkam, sie überall zu berühren, sie überall zu liebkosen. Mit einem Arm immer noch an ihrem Rücken, stützte Mulder seinen anderen gegen das Polster des Sessels, um sie beide auf den Boden zu legen. Scully reagierte auf ihre veränderte Lage mit einem Geräusch der Überraschung, doch sie gewöhnte sich schnell daran und schlang die Arme um ihn.

 

 

Sie ließ ihre Hände über seinen Rücken gleiten, der Stoff seines Pullovers rau unter ihren Fingern. Scully unterbrach den Kuss, als sie ihre Hände an seine Brust legte und bis hinunter an den Rand seines Pullovers tastete.  Kühn zog sie mit beiden Händen daran. Sie fand seine Lippen wieder mit ihren und deutete ihm ohne Worte, was sie wollte.

Mulder schien zu verstehen und löste sich für einen Moment von ihr. Als er sie wieder in die Arme nahm, fühlte sie den kühlen Stoff seines T-Shirts unter ihren Handflächen. Sie strich über seine Schultern und seine Arme herunter, wobei sie zu ihrer Freude seine Haut fühlen konnte. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über seine Unterarme und fühlte, wie sich seine Muskeln bei ihrer leichten Berührung spannten und entspannten. Mit klopfendem Herzen küsste sie ihn wieder und zog am Saum seines T-Shirts in einem stillen Signal der Zustimmung.

Mulder löste seine Lippen von ihren und platzierte einen sanften Kuss auf ihre Stirn, bevor er sie an ihr Ohr legte. Ein warmer Lufthauch traf ihre Haut, als er in einem heiseren Flüstern sprach.

"Dana... bist du dir sicher?"

"Ich war mir nie sicherer..."

Er beantwortete ihr Flüstern mit quälend langsamen Strichen seiner Lippen über ihrem Gesicht. Scully versuchte zu Atem zu kommen, als seine Lippen über ihre Stirn, ihr Augenlieder, ihre Wangen glitten, bevor er sie wieder lang und eindringlich küsste.

Mulder ließ wieder von ihr ab und sie hörte das Rascheln von Kleidern, als er sein Hemd auszog. Scully saß absolut still, und merkte plötzlich, wie ihr das Blut durch die Adern schoss. Sie *war* sich absolut sicher mit ihrer Entscheidung, bei ihm zu sein. Es gab nichts, was sie mehr wollte. Und trotzdem hatte sie Angst, dass sie im Begriff waren, einen Fehler zu machen.  Dass er einen Fehler machte, indem er sich für sie entschied. Besonders jetzt, nach allem, was passiert war.

Scully wusste, dass sie, wenn sie diese Linie überschreiten würden, nie wieder ohne ihn sein könnte. Sie wusste, dass sie ihn immer brauchen würde, so wie sie Luft zum atmen brauchte und diese einfache, ehrliche Wahrheit erschreckte sie.

Sie fühlte, wie Mulder sie wieder umarmte und dieses Mal war seine Haut völlig unbedeckt. Sie fuhr mit den Händen über seinen breiten Rücken, die Muskeln in seiner Brust, und er nahm sie daraufhin noch enger. Seine Zunge strich über die Linien ihres Ohres und sie erzitterte.

"Mulder..."

"Ja....."

"Bist du.....?"

"Was....."

Sein Mund war immer noch an ihrem Ohr, sein feuchtes, nasses Flüstern gelangte geradewegs in ihr Gehirn und raubte ihr die Fähigkeit zu denken.  Er hatte einen Arm um sie geschlungen und strich mit seiner anderen Hand gemächlich über ihre Brust. Scully wusste, dass sie nahe dran war, sich völlig gehen zu lassen und sie zwang sich zur Konzentration. Sie musste die Frage stellen, die tief in ihrem Innern brannte.

"Bist du....sicher...dass du mich willst? Sogar jetzt? Nachdem...."

 

 

Er hörte bei ihren Worten auf und zog sich ein wenig von ihr zurück, so dass er sie ansehen konnte. Als er es tat, wandte sie ihren Kopf von ihm weg und ihre Haare fielen wie ein Vorhang über ihr Gesicht. Mulder strich ihre dunklen Locken beiseite und streichelte sanft ihre Wange. Ihre Lippen waren von ihren Küssen gerötet und ihre Wangen rot, aber er sah Furcht in ihren Augen, die ihm das Herz brach. Wie kann sie nur zweifeln, dachte er. Weiß sie denn nicht, dass ich der Glückliche bin?

"Dana...." Er sagte es ruhig und fest und in einem Ton, der keine Fragen zuließ. "Du bist die *einzige* für mich. Jetzt....für immer....in alle Ewigkeit...." Er betonte jedes Wort mit drei kleinen Küssen, und sah, wie die Spannung etwas aus ihrem Gesicht wich.

"Aber Mulder, ich..."

"Es macht für mich keinen Unterschied, Dana." Mulder umarmte sie wieder und murmelte leise in ihr Ohr. "Es ist mir egal... der Unfall ändert nichts an meinen Gefühlen für dich.....an dem, was ich schon immer für dich empfunden habe."

"Mulder...."

"Dana, hör mir zu." Mulder strich mit einer Hand über ihr Gesicht auf eine Weise, die ihrer Erkundung vorher ähnelte. "Du bist die unglaublichste Frau, die ich kenne... die unglaublichste Frau, die ich *je* gekannt habe.  Deine Augen haben das atemberaubendste Blau, das ich je gesehen habe und ich würde freiwillig alles opfern, wenn es dir dein Augenlicht wiedergeben würde. Für dich, Dana, nur für dich. Nicht für mich."

 

 

Scully fühlte das zärtliche Streicheln seiner Hand auf ihrer Haut, seine sanfte Berührung, als er über ihr Gesicht strich und sie hörte ihm zu. Sie hörte auf die Tiefe der Emotionen in seinen Worten und das Zittern in seiner Stimme. Und sie glaubte ihm. Sie glaubte ihm, dass er die Wahrheit sprach, dass es keinen Unterschied für ihn machte. Nur noch eine Frage, dachte sie. Nur noch eine...

"Tun wir auch das Richtige, Mulder?"

"Ja.... oh, ja."

Seine Worte waren heiser vor Verlagen und sie nahmen sie völlig mit. Scully entspannte sich in seinen Armen und gab sich seinen Küssen hin, die er über ihr ganzes Gesicht verstreute. Wieder fasste er ihre Lippen mit seinen und sie stöhnte sanft, als seine Berührung tief in ihr ein Feuer entfachte. Sie wollte ihn besitzen, ihn völlig beanspruchen. Sie wollte völlig von ihm beansprucht werden, sich ihm vollkommen hingeben und alles mit ihm teilen.

Scully löste sich von ihm, um nach den Knöpfen ihrer Strickjacke zu greifen. Sie zog sie über ihre Schultern und warf sie achtlos beiseite.  Dann zog sie ihren Pullover aus ihrem Hosenbund und entledigte sich auch dessen. Als sie ihn wegwarf hörte sie, wie Mulder nach Luft schnappte und sie lächelte.

 

 

X-5 X-5

 

 

 

WICHTIG: der nächste Teil ist Wertung ***NC-17*** (ab 18!!!). Wenn Ihr jünger seid oder nicht auf so etwas steht, lest weiter mit Teil 7. Ich verspreche hoch und heilig, dass Ihr nichts Wichtiges von der Story verpasst!!! Ich muss außerdem noch erwähnen, dass ich Ms. Raskin nicht um Erlaubnis gefragt habe, ihr Buch zitieren zu dürfen, aber ich hoffe, es macht ihr nichts aus.... es ist für einen guten Zweck. <grins>

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (6/10) *NC-17*

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

 

Mulder sah sie an und nahm den Anblick ihrer blassen Haut in sich auf. Er konnte ein paar blasse Sommersprossen auf ihrer Haut genau über dem weißen Büstenhalter sehen, den er zuvor gekauft hatte und er ließ seinen Zeigefinger über die Stelle gleiten. Sie seufzte und dieses Geräusch erregte ihn zunehmend. Er wiederholte die Geste, dieses Mal mit seiner Zunge. Er spürte ihre Hände in seinen Haaren, als er über ihre Brust fuhr und er erkundete weiter die Ränder ihres BHs mit langsamem, zärtlichem Streicheln.

Er griff hinter sie und fingerte nach dem Verschluss des BHs. Er fand ihn und befreite ihre Brüste aus ihrem Zaum. Er warf das Stoffstück beiseite und legte je eine Hand auf ihre Brüste. Scully murmelte leise seinen Namen, als er sie streichelte und ihre Brustwarzen immer härter werden fühlte. Sie machte ein leises, tiefes Geräusch in ihrer Kehle und er beantwortete es mit einem Kuss. Er stieß seine Zunge tief in die Höhle ihres Mundes und nibbelte an ihren Zähnen.

Ihre Hände tanzten auf seinem Rücken und entlang seiner Wirbelsäule und erregten ihn zu einem Punkt, an dem er sich nur noch ihrer Wärme und ihrer Nähe bewusst war. Er küsste sie stärker und sie erwiderte seinen Kuss, indem sie ihre Zunge in den Takt von seiner fallen ließ.

Mulder konnte nicht anders und senkte ihren Körper, bis sie auf dem Rücken auf dem Boden lag und ihre Haare wie Wellen auf den Teppich fielen. Er löste seinen Mund von ihrem und fuhr langsam ihren Hals hinunter bis zu ihrer linken Brust. Als seine Hand ihre andere massierte, nahm er ihre Brustwarze in seinen Mund und versank in der Weichheit ihrer Haut an seiner Wange. Sie wimmerte, ein schwacher Klang aus ihrem tiefsten Innern, und er hörte nicht auf, ihren Körper sanft zu verführen und liebkoste mit immer größer werdenden Intensität mal die eine, mal die andere Seite.

 

 

Scully zitterte hilflos in seiner Umarmung, als seine Hände ihren Körper streichelten. Mulders Berührungen waren bestimmt und überzeugt, seine Finger rau und doch zärtlich an ihrer Haut. Jedes neue Streicheln entfachte eine Welle von Verlangen zu ihrer Mitte hin und sie drängte sich in stiller Ermutigung gegen ihn. Sein Mund verließ ihre Brust und sie seufzte. Alles, was sie fühlte, waren seine Hände, als sie über ihren nackten Oberkörper glitten und wie ihr Körper auf sein erotisches Streicheln reagierte.

Sie fühlte, wie er sich weiter abwärts bewegte, zu dem Ansatz ihrer Hose. Seine Hände spannten sich gegen den Stoff ihrer Jeans und sie seufzte ein leises Murmeln der Zustimmung. Sie spürte, wie seine Finger den Knopf öffneten und hörte dann den Reißverschluss, als er ihn aufmachte. Sie ließ sich völlig erschlaffen, als er sie von ihrer Jeans befreite und die kühle Luft ihre nackten Beine traf. Er zog ihre Socken aus, eine nach der anderen, und streichelte dabei ihre Füße. Obwohl sie die Bewegungen seiner Hände in Hochgefühle versetzte, vermisste sie seine Nähe und sie streckte suchend ihre Hände in die Dunkelheit.

Er kam augenblicklich zu ihr zurück und nahm sie in die Arme. Er küsste jede Stelle an ihr, die er erreichen konnte. Sie konnte die Wärme seines Körpers riechen, seinen unverwechselbaren Duft vermischt mit dem Schweiß, den sie unter ihren Fingerspitzen auf seiner Haut fühlen konnte. Sie küsste seine Brust und schmeckte ihn, salzig und süß zugleich. Sie ertrank in dem Gefühl und fuhr mit ihrer Zunge weiter über seinen Oberkörper.

 

 

Er fühlte ihren Mund auf ihm und stieß ein Stöhnen voller Begehren und Verlangen hervor. "Warte", murmelte er. Sie nickte und ließ ihn lange genug weg, um sich seiner eigenen Jeans und Socken zu entledigen. Er legte sich wieder zurück neben sie und ließ ihre Hände über seinen ganzen Körper gleiten in langen, gemächlichen Zügen. Eine ihrer Hände fingerte ziellos über seine Brust und zu seiner Hüfte, und dann zögerlich noch weiter herunter.

Mulder nahm ihre Hand, führte sie an seine intimste Stelle und hörte sie nach Luft schnappen, als sie den Beweis seines Verlangens für sie unter ihrer Handfläche spürte. Wieder umschloss er ihre Lippen mit seinen, als sie ihn streichelte, jede Pore seines Körpers auf ihre Finger konzentriert.

Er wollte sein Hochgefühl mit ihr teilen. Er glitt mit seiner Hand in ihr Höschen und spielte mit den weichen Locken, die er dort vorfand. Dann steckte er zwei Finger in sie hinein. Freudige Erregung überkam ihn, als er sie feucht und bereit für ihn vorfand und ein leiser Schrei entkam ihren Lippen. Er küsste sie und spiegelte mit seiner Zunge die Bewegungen seiner Finger in ihr wider. Mit seiner anderen Hand streichelte er wieder ihre Brust und spielte mit ihren Brustwarzen. Er drückte sanft ihre Rundungen und frohlockte in dem Stöhnen, das seine Liebkosungen bei ihr erzeugten.

 

 

Scully konnte nicht mehr denken, nicht atmen. Sie ließ ihn los und ihre Hand fiel schwach zu Boden, als sie sich auf den Strom des Verlangens konzentrierte, der ihren Körper durchfuhr. Sie schwelgte in dem einmaligen Gefühl seiner Finger in ihr, seine langsamen Bewegungen hinein und hinaus und sie war hilflos dem sanften Reiben in ihrer Mitte ausgeliefert. Er hatte sie völlig in seinem Bann, er beherrschte sie nur durch seine Berührung, sein Streicheln, seine Zärtlichkeit.

Seine andere Hand glitt von ihren Brüsten zu dem Rand ihres Höschens, das er bis zu ihren Knien herunterzog. Scully fühlte sich plötzlich sehr verletzlich und bloß gestellt, aber zugleich auch vollkommen sicher. Er verstärkte den Druck seiner Streicheleinheiten und sie wimmerte wieder verzweifelt. Sie wollte mehr, sie wollte ihn wie sie noch nie etwas in ihrem Leben gewollt hatte. Plötzlich war sie überwältigt von dem Bedürfnis, bei ihm zu sein, seine Stimme zu hören, und sie rief zu ihm mit Worten, die schwach und gebrochen in ihren eigenen Ohren klangen.

"Mulder.... sprich zu mir...."

"Was.... was soll ich sagen...."

"Ich möchte.... deine Stimme hören...."

Er brachte seinen Mund an ihr Ohr und murmelte leise, als er ihr Inneres erforschte und sie zu dem Punkt brachte, an dem sie glaubte, unter seiner Berührung in tausend Stücke zu zerspringen.

"Soll ich dir sagen, wie schön du bist?"

"Ja...."

"Soll ich dir sagen, wie sehr ich dich will? Wie sehr ich dich brauche?"

"Ja...."

"Soll ich dir sagen, was ich für dich tun will? Wie ich davon geträumt habe, dich zu berühren?"

"Ja...."

"So.... und so...."

"Ahhh...."

 

 

Ihre letzte Antwort war mehr ein Stöhnen als ein Wort und Mulder konnte fast nicht mehr. Er verstärkte die Bewegungen seiner Hand noch mehr, er wollte ihre Befriedigung mehr als seinen nächsten Atemzug. Er war unfähig, seine Augen von ihr zu nehmen. Er war wie im Rausch davon wie sie sich unter ihm wand. Ihre Augen waren geschlossen und ihre dunklen Wimpern lagen auf ihren Wangen. Schweiß hatte sich auf ihrer Stirn gebildet, den er sanft ableckte. Er flüsterte weiter auf sie ein und beschrieb alles, was er machte, während seine Hand sie nie verließ.

Er wusste, dass sie nahe dran war, als sich ihre Wangen weiter röteten und sich ihre Lippen öffneten, als ob sie seine suchten. Er ging auf ihr stilles Bestreben ein und stieß seine Zunge in die warmen Tiefen ihres Mundes. Seine Finger schlossen sich um ihre Klitoris und auf sein sanftes Drücken hin schrie sie auf.

Sie schrie auf und rief seinen Namen in einem Ton, der in seinen Ohren und in seinem ganzen Körper widerhallte. Er hielt sie ganz fest, als ihr Körper von den Krämpfen geschüttelt wurde, bestärkt durch ihr Vertrauen, dass sie sich ihm voll und ganz hingab.

Sie erholte sich erst nach einiger Zeit, seine Finger immer noch in ihr. Er küsste sie sanft und murmelte ihren Namen und eine Reihe aller Zärtlichkeiten, die ihm einfielen, als er sie in seinen Armen hielt.

 

 

Langsam kehrte sie in die Wirklichkeit zurück, in der Mulder sie in seinen Armen hielt und seine Stimme ihre Ohren erfüllte. "...Dana... mein süßer, süßer Engel...."

Scully seufzte zutiefst befriedigt und schmiegte sich an seine Brust.

"Willkommen zurück", hörte sie ihn sagen.

"Hast du mich vermisst?" murmelte sie schwach.

"Ich habe überhaupt nichts vermisst", versicherte er ihr und küsste ihre Wange.

Sie fühlte, wie er seine Hand entzog und stöhnte protestierend. Sie fand seine Schultern mit ihren Händen und benutzte sie als Balance, als sie sich auf ihn legte und versuchte, das Gefühl des Verlustes zu stillen. Sie fühlte, wie seine Arme ihre Hüfte umschlangen und sie an ihn heranzog.  Unter dem Stoff seiner Shorts drückte seine Erektion gegen ihren Bauch. Sie kreiste ihre Hüften auf ihm und genoss den Druck seiner harten Länge.

Er stöhnte und der Klang hallte in seiner Brust. Sie lächelte und wiederholte die Bewegung. "Mmmmm", seufzte sie. "Viel bequemer als der Fußboden. Ich könnte die ganze Nacht hier schlafen."

Noch ein Ruck ihrer Hüften und Mulder flüsterte krächzend, "Ich... ich wüsste einen noch bequemeren Platz..."

"Wirklich?" Sie knabberte an seinem Hals und genoss das unerwartete Gefühl von Macht. "Und wo soll der sein?" Sie fing an, langsam ihren Körper an seinen zu reiben, ganz der Gegensatz zu seinen hämmernden Herzschlägen.

"Ahhh... wenn du damit nicht aufhörst... kommen wir nie da an."

 

 

Scully hob den Kopf und lächelte ein kleines Lächeln und Mulder machte es nicht im Geringsten etwas aus, dass sie ihr Ziel ein wenig verfehlte. Gott, er wollte diese Frau...

Zitternd erhob er sich und blieb neben ihr hocken, um sie hochzuheben. Er erreichte das Bett mit ein paar langen Schritten und riss die Decke zurück, bevor er sie auf die Laken legte. Er zog seine Shorts aus und warf sie auf den Boden, bevor er sich ihr wieder zuwandte.

Sie lag völlig still mit geschlossenen Augen und ihrem dunklen Haar auf den Kissen. Mulder stand wo er war und saugte ihren Anblick in sich auf, die glatten Linien ihrer Kurven. Es kam ihm vor, als zerquetschte es ihm das Herz in der Brust. Es schlug mit einer Wildheit, die er nie zuvor gespürt hatte. Sein Hals war wie zugeschnürt und er kämpfte um jeden Atemzug. Wenn er könnte, würde er die Zeit in diesem Moment unerträglicher Vorfreude anhalten, um die Klarheit des Augenblicks in seiner vorzüglichen Qual des Verlangens nach ihr zu bewahren.

 

 

Die Laken waren kühl an ihrer erhitzten Haut und Scully wünschte sich, dass sie genauso leicht ihr glühendes Gehirn kühlen könnten. Ihre Haut kitzelte an allen Stellen,  an denen er sie berührt hatte, und ihr ganzer Körper wollte mehr. Rief nach ihm mit dem verzweifelten Schmerz des Begehrens. Sie konnte ihn fühlen wie er neben dem Bett stand, still und bewegungslos, und Ungeduld kam zu ihrem Verlangen hinzu.

"Mulder", flüsterte sie. "Was machst du?"

"Ich sehe dich an", antwortete er dunkel und ruhig. Scully fühlte wie eine Welle von Verlegenheit über sie kam. "Sind... ist das Licht an hier drin?"

"Die Lampe... neben dem Sessel. Stört es dich?"

Es war, als ob sie seinen Blick auf jedem Zentimeter ihres Körpers fühlen konnte, als ob er sie durch seinen Blick besitzen würde. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass er sie so kühn anstarrte, während sie es nicht tun konnte. Und doch fühlte sie sich durch die Tatsache, dass er sie ansehen *wollte*, und die Herausforderung in seiner Stimme unglaublich sexy. Sie schwebte auf Wolken.

"Nein..." schnurrte sie, in der Hoffnung, das Klopfen ihres Herzens zu lindern. "Solange es nicht nur beim Ansehen bleibt...."

Er grummelte, ein leiser, wilder Ton, als er über sie her fiel. Seine Küsse waren heftig und aggressiv, aber trotzdem voller Zärtlichkeit, die sie von seiner Berührung gewohnt war. Sie küsste ihn zurück, sie wollte jede Pore seiner Haut schmecken und berühren und sie ließ ihre Hände über seien ganzen Körper gleiten und hielt ihn fest mit aller Kraft. Dann löste er seine Lippen von ihren und biss und saugte an ihrem Hals. Sie konnte seine nackte Erektion an ihrem Schenkel fühlen und sie zitterte. Sie nahm ihn in die Hand und streichelte ihn mit festen Strichen.

 

 

Mulder biss sich auf die Lippe, um nicht laut aufzuschreien. Der Ton, der ihm entwich, war ein leises Stöhnen, als er sich zusammenreißen musste. Grob packte er ihren Kopf, um sie festzuhalten, als er seine Zunge tief in ihren Rachen stieß. Er war noch nie zuvor in seinem Leben so erregt gewesen. Ihr sich windender Körper fühlte sich unglaublich unter ihm an und sie machte ihn heiß vor Verlangen. Sie war so klein, so zerbrechlich, und doch hielt sie ihn mit einer Kraft fest, von der er nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß.

Jetzt, jetzt, jetzt, schrie eine Stimme in seinem Kopf, und er versuchte sich zu konzentrieren, zu vermeiden, dass die Welt um ihn herum mehr und mehr verschwamm und drohte, ihn auf den Ritt purer Empfindungen fort zu tragen.

"Oh.... Mulder...."

Ihre Stimme war ein atemloses Flüstern, das ihr zwischen heftigen Küssen entwich, und doch war es genug, um ihm das letzte Bisschen an Selbstbeherrschung zu rauben.

"Dana.... bitte...."

Ihr Körper bog sich unter ihm, als sie ihre Beine spreizte, ihre Hand immer noch fest um ihn geschlossen. Sie stöhnte, als sie ihn zu sich führte und er zitterte, als er gegen ihre feuchten Locken rieb, die ihren Eingang bedeuteten. Die Luft wich aus seinen Lungen, als er mit einem schnellen, glatten Stoß tief in sei eindrang.

 

 

Er fuhr in sie hinein mit einem massiven Stoß und Scully schnappte nach Luft. Der kurze, stechende Schmerz ging in einem Rausch von Hochgefühl unter, als sein Schaft sie durchdrang und sie unter seinem Gewicht ans Bett nagelte. Als er ihre Lippen mit seinen fasste, schlang sie ihre Beine um seine Hüften und öffnete sich im mehr. Sie hakte ihre Knöchel hinter ihm ein und hielt ihn nah bei sich.

Eine Wolke von Ekstase umschloss Scully. Alles, was sie fühlen konnte, war seine Wärme und seine Nähe, und seine Gegenwart, durch die sie sich ganz und vollkommen fühlte. Es schien ihr, als ob sie etwas gefunden hätte, von dem sie nicht gewusst hatte, dass sie es vermisst hatte. Sie wollte mehr. Das war alles, was sie wollte.

Für einen Moment lag Mulder still auf ihr, überwältigt von der Macht ihrer Vereinigung. Dann begann er sich zu bewegen. Erst langsam, dann schüttelte er ihren Körper mit immer kräftigeren und schnelleren Stößen.

Scully hielt ihn fest umklammert. Sie konnte fühlen, wie seine Muskeln unter ihren Händen im Rhythmus seiner Bewegungen arbeiteten und sie presste ihre inneren Muskeln fest um ihn, als sie mit ihm zum Höhepunkt ritt.

 

 

Sie fühlte sich so gut an. Er wollte sich ganz in ihr verlieren, für immer in ihren warmen Tiefen verschwinden. Mit diesen Gedanken bewegte sich Mulder weiter, die Bewegungen seines Körpers veranlassten ihn, aus ihr heraus zu fahren, nur um das nächste Mal noch tiefer in sie hinein zu tauchen. Leises, gehauchtes Wimmern entkam ihren Lippen, gedämpftes Stöhnen des Hochgefühls, und er begehrte sie noch mehr. Er war  wahnsinnig vor Verlangen nach ihr und im Einklang mit jeder ihrer Bewegungen, mit jedem Stöhnen, das sie im Banne der Leidenschaft hauchte.

Ihre Bewegungen waren weder unbeholfen noch zögerlich. Es war, als ob sie schon vor langer Zeit sie Schritte in diesem uralten Tanz erfahren hätten.  Das hatten sie auf eine gewisse Weise ja auch. Es kam ihm richtig vor, es hier mit ihr zu teilen, miteinander verbunden wie sie es schon auf so viele Arten waren. Der körperliche Akt war wie ein fehlendes Puzzleteil, das sie jahrelang versucht haben zusammen zu setzen. Die Synchronie ihrer Körper zusammen war die natürliche, physische Erweiterung der Verbindung ihrer Seelen.

Diese Gedanken kreisten in Mulders Kopf wie ein Wirbelwind, Fragmente von Bewusstsein fast verloren in der Flut der Emotionen. Er sehnte sich danach, diese Erkenntnis mit ihr zu teilen, seine Inbrunst, seine Leidenschaft und seine Begierde in Worte zu fassen. Ihr seine instinktive Ahnung mitzuteilen, dass sie füreinander geschaffen waren, dass jeder Tag, seit sie in diese Welt gekommen waren, nur Stolpersteine gewesen waren, die zu diesem Moment führten. Und doch konnte er keine Worte finden...

 

 

Scully konnte ihr Zittern spüren, konnte den Schmerz in ihren Muskeln spüren, als sie versuchte, ihn bei sich zu halten aus Angst, ohne ihn in den Abgrund des Deliriums zu stürzen. Seine Arme waren wie aus Stahl, als er sie hielt, seine Hände wie Feuer auf ihrer Haut. Er bewegte sich jetzt sogar noch schneller in ihr, seine Stöße nicht weniger tief oder stark, als sein Rhythmus immer rapider wurde. Sei Atem ging flach und sie hörte, wie er nach Luft schnappte, als er sie verzweifelt küsste, vermischt mit dem Geräusch ihrer aneinander klatschenden Körper. Sie schwebte in seinem Geruch, in seinem Geschmack. Sie schwebte in dem Gefühl von ihm, als er sich über ihr und in ihr bewegte.

Scully schloss die Augen und versuchte verzweifelt, ihn sich vorzustellen. Sie rief sich jedes Bild von ihm ins Gedächtnis, an das sie sich erinnern konnte, und auch die, die sie nur in ihren Träumen von ihm gesehen hatte. Sie versuchte sich auszumalen, wie er jetzt in diesem Moment aussehen musste, wie es sein musste, ihn zu sehen wie er auf sie herab schaute während sie so nahe war, so nahe....

Er musste es ihr sagen, er musste einen Weg finden. "Dana.... Dana.... hör mir zu...."

Seine Stimme war heiser und rasend und zitternd vor Emotionen, und sie führte sie genau an den Rand. "Ich.... ich höre dir zu.... ahhhh...."

Er musste es sagen, er musste es jetzt sagen bevor er völlig die Kraft zum Sprechen verlor. "Dana....ich liebe dich.... oh, Gott....ich liebe dich...."

Seine Worte schwappten über sie, als sie vom Bann der Ekstase erfasst wurde, sie fielen strahlend in ihrer Intensität über ihr Bewusstsein und sie rief zu ihm, als ihr Körper in tausend Stücke zersplitterte.  "Mulder....ich....liebe....dich...."

Und er folgte ihr stöhnend, als er die letzten Bruchstücke seiner Selbstkontrolle fallen ließ, sein Körper zitterte mit der Kraft der Erlösung. Er hielt sie fest umschlungen, als die Wellen der Ekstase ihn davontrugen.

 

 

"...I will be with you tonight

I will be with you 1,000 miles away

I will never leave

Inside of you a piece of me will stay

One little piece of my soul

One little piece of my whole life

I give to you

Take it now..."

 

Melissa Etheridge

 

 

 

X-6 X-6

 

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (7/10)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

Dann lagen sie still beieinander, ihr Atmen abgesehen von dem Rumpeln des Zuges das einzige Geräusch in dem Raum. Mulder hielt Scully in seinen Armen und genoss das Gefühl ihres nackten Rückens an seiner Brust und wie ihr Po genau in seinen Schoß passte. Sie zitterte leicht und er zog die Laken etwas höher, bevor er seine Hand wieder auf ihren flachen Bauch legte.

"Ich glaube nicht, dass ich dich je wieder Kleider tragen lassen werde, Scully", flüsterte er und küsste sie auf die Schulter. "Das fühlt sich viel zu gut an."

"Mmmm...." murmelte sie und legte ihre Hände auf seine Oberarme, als sie sich enger in seine Umarmung kuschelte. "Dann wird mir aber schrecklich kalt sein."

"Zu dem Problem wird uns sicher etwas einfallen." Mulder strich mit einer Hand ein paar Haarsträhnen von ihrem Nacken. Er glitt mit den Fingerspitzen über ihre zarten Schultern und erinnerte sich daran, wie er sie schon vor langer Zeit einmal so berührt hatte, an die Gefühle, die er schon damals für sie gehabt hatte. Sie seufzte. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er wiederholte das Streicheln mit seinen Lippen. "Schön?"

"Ja.... ich frage mich nur, wie es sich ohne den Bart anfühlen würde."

Mulder stöhnte. "Du kannst einem aber auch immer die gute Laune verderben."

Scully lachte und drehte sich in seinen Armen um. Sie legte eine Hand an sein Gesicht und streichelte seine Wange. "Ich habe nicht gesagt, dass ich es nicht mag, Mulder... ich habe mich nur gewundert, das ist alles."

Er überlegte, um einen witzigen Retourspruch zu finden, aber ihr Anblick stahl ihm sein komplettes Vokabular. Sie war so wunderschön... und irgendwie war sie sein. Sie hatte sich dafür entschieden, sich ihm hinzugeben und der Gedanke zog sein Herz zusammen.

 

 

Mulder drückte zärtlich seine Lippen an ihre Stirn und Scully fühlte ein angenehmes Kitzeln an ihrer Wirbelsäule. Wie er sie berührte, wie er sie hielt, wie er zu ihr sprach... sie kam sich dadurch wie etwas Besonderes vor, als ob sie etwas wäre, was man schätzen und beschützen musste. In seinen Armen kam es ihr fast vor, als wäre der Unfall nie passiert. Das erste Mal seit der Explosion fühlte sie sich nicht entstellt, nicht unvollkommen. Er hatte ihr einen Teil von sich selbst wiedergegeben, von dem sie gedacht hatte, dass sie ihn für immer verloren hätte und die Tatsache, dass er die Fähigkeit dazu hatte, erstaunte sie.

Scully fand seine Lippen mit ihren und sie küsste ihn in dem Versuch, ihm ihre Dankbarkeit dafür zu zeigen, dass er sie nie behandelt hatte, als sei sie nicht gleichwertig. Mulder erwiderte ihren Kuss. Sie zog sich zurück und legte ihren Kopf unter sein Kinn. Sie fühlte, wie sie müde wurde und wie ihre Gliedmaßen schwer wurden und als sie sprach, waren ihre Worte leise und klein.

"Mulder... ich meinte, was ich gesagt habe. Ich liebe dich."

"Oh, Dana..." Sein Atem war warm an ihrem Ohr. "Ich liebe dich auch. So, so sehr."

Gestärkt durch die Ehrlichkeit in seinen Worten spürte sie, wie sich seine Arme um sie legten und Scully ließ den Schlaf über sich kommen.

 

 

Es war sein Kuss, der sie weckte, ein kühler Kuss, der schwach nach Minze schmeckte. Mulders Lippen streichelten sanft ihren Mund, als er leise zu ihr flüsterte.

"Hey, aufwachen...."

Scully streckte sich und ließ ihre Augen geschlossen, in der Hoffnung, dass wenn sie sie öffnete, sie ihn vor sich stehen sehen würde. Sie erwiderte den Kuss und genoss das Gefühl seiner Lippen an ihren. Suchend hob sie ihre Arme. Er beugte sich zu ihr, um sie in die Arme zu nehmen und sie war überrascht, ein Flannelhemd anstelle seiner Haut zu finden.

"Mulder?" fragte sie schlaftrunken. "Was ist los? Du bist schon angezogen?"

Er setzte sich aufs Bett und legte seinen Kopf neben sie auf das Kissen. Sie fühlte die Nässe in seinen Haaren. "Geduscht und angezogen. In zehn Minuten werden wir in El Paso sein."

"Mmmmmm...." Sie rieb ihr Gesicht an seins und roch seinen frischen, sauberen Duft. "Warum hast du mich nicht geweckt?"

"Du hast so friedlich ausgesehen." Mulder küsste sie auf die Wange. "Außerdem ist El Paso nur ein kurzer Halt, nur etwa fünfundvierzig Minuten. Ich bin schneller, wenn ich alleine gehe."

 

 

Sie legte bei seinen Worten die Stirn in Falten, aber es beeinträchtigte ihre Schönheit nicht im Geringsten. "Lässt du mich wieder links liegen, Mulder?"

"Das würde ich nie", antwortete er ihr und saß auf, um sie besser anzusehen. Sie war bezaubernd, eine nackte, dunkelhaarige Sirene umgeben von weißen Baumwolllaken. Mulder fühlte ein Ziehen in seinem Unterleib, und er bereute es, dass er Besorgungen machen musste. "Ich bin besessen von dir, Dana Katherine Scully." Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. "Wirklich?"

"Ja", antwortete er ihr ehrlich. "Jetzt... für immer... in alle Ewigkeit..." Wie am Abend zuvor bekräftigte er jedes Wort mit einem Kuss.

Scullys Lächeln wurde breiter und ihre Augenbraue hob sich verführerisch.  Sie fand seine Brust mit ihren Händen und begann, langsam sein Hemd aufzuknöpfen. "Hmm, wenn das wahr ist, solltest du wohl lieber zurück ins Bett kommen."

Ihre Berührung erregte ihn noch mehr und Mulder geriet zunehmend in Versuchung. Doch dann ertönte die Zugpfeife, die ihn wieder zurück auf den Boden brachte. "Es gibt nichts, was ich lieber tun würde", sagte er. "Aber irgendwann wollen wir auch mal essen. Und wenn ich jetzt das Geld nicht abhole, werden wir noch Teller waschen müssen für unseren Lebensunterhalt."

"Wo du Recht hast, hast du Recht", seufzte Scully und zog an seinem Hemd, um ihn noch einmal zu küssen. "Beeil' dich."

"Das werde ich", versprach er und küsste sie zurück. Er fragte sich, wie er die nächste Dreiviertelstunde wohl ohne sie auskommen würde. "Und öffne niemandem außer mir die Tür."

Scully nickte und ließ sich mit einem Gähnen zurück in die Kissen fallen.  Mulder streichelte sanft ihre Wange und stand dann auf, während er sein Hemd wieder zuknöpfte. Er nahm seine Waffe von dem Tisch und steckte sie in seinen Hosenbund. Dann warf er seine Windjacke über und fragte sie, als er mit der Hand an der Türklinke fertig war zu gehen, "Brauchst du irgend etwas aus der Stadt?"

"Nein..."

"Also gut. Ich bin bald wieder da." Mulder warf noch einen letzten Blick auf sie und schloss dann hinter sich die Tür.

 

 

Elliot zog die Tür seines Abteils hinter sich zu und gähnte, dass er Tränen in die Augen bekam. Gott, er hasste es, früh aufzustehen. Sein Gehirn beschäftigte sich mit nichts anderem als dem Gedanken an Kaffee, und er began, den Gang hinunter zu stolpern.

 

"Morgen, Elliot." Es war Rick, der mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht hinter ihm den Korridor hoch kam.

"Morgen", antwortete Elliot und ging langsamer, um ihn aufholen zu lassen. "Gut geschlafen?" Ricks Lächeln wurde breiter. "Aber klar doch. Und Sie?"

"Mmmmmm." Elliot gähnte abermals. "Ja... aber ich bin gestern ziemlich lange wach geblieben. Ich glaube, heute ist Kaffee angesagt. Gehen Sie in den Speisewagen?"

"Nein." Rick schüttelte seinen Kopf. "Ich muss in der Stadt ein paar Sachen abholen."

"Aha." Elliot hielt an der Gabelung an, die zum Speisewagen führte. "Bis später dann."

Rick nickte. "Ja, bis dann." Nach einer Pause, "Oh, und Elliot?"

"Ja?"

"Danke für das Buch." Rick ging an ihm vorbei, sein Lächeln jetzt eher ein Grinsen von einem Ohr zum anderen. Elliot sah ihm verdattert nach, fuhr sich mit der Hand durch seine vom Schlaf wirren Haare und machte sich auf den Weg zum Frühstück.

 

 

Das Abholen des FedEx-Pakets von den Einsamen Schützen war einfacher, als Mulder gedacht hätte. Es lag unter dem Namen Rick Steward abholbereit am Schalter der Amtrak-Station und sein Fahrschein war Bestätigung genug, um es abzuholen.

Wunderbar, dachte er, als er die Station verließ und das Päckchen aufriss. Im Innern fand er wie versprochen zwei neue Ausweise auf den Namen Rick und Lisa Steward. Die Fotos waren Duplikate von denen, die sie vor fast zwei Monaten in Ohio in einem Laden gemacht hatten, nachdem sie aus Washington geflohen waren. Die Ausweise besagten, dass die Stewards Einwohner von Orlando, Florida, waren. Mulder musste grinsen. Er hasste Florida. Aber er musste die Schützen loben—wie sie ihre Arbeit auch erledigten, sie machten sie immer sehr gut. Die Beschriftung und die Aufkleber waren tadellos und Mulder hatte keinen Zweifel daran, dass sie damit überallhin kommen würden.

Mulder nahm der alte Rick Wilder-Ausweis aus seinem Portemonnaie und steckte den neuen hinein. Nach einigen Versuchen schaffte er es, den alten in vier Stücke zu reißen und auf seinem Weg in vier verschiedene Mülltonnen zu werfen. Er nahm Scullys neuen Ausweis und steckte ihn mit dem Gedanken, ihren alten zu vernichten, sobald er wieder im Zug war, in seine Tasche.

Das erledigt, checkte Mulder die Adresse, die ihm der Zugbegleiter von einer nahe gelegenen Western Union-Bank gegeben hatte.

 

 

Scully atmete tief durch und zwang sich zur Geduld. Du weißt, dass sie hier ist. Sei nicht so ungeduldig.

Sie tastete langsam über den Tisch und fand endlich die Bürste, die sie gesucht hatte, und fing an, ihre nassen Haare zu kämmen. Obwohl sie versucht gewesen war, im Bett auf Mulders Rückkehr zu warten, hatte sie zugeben müssen, dass die Dusche doch sehr gut getan hatte. Scully fragte sich, wie lange es schon her war, seit er gegangen war und wünschte sich nicht zum ersten Mal eine Uhr zu haben, die sie lesen konnte. Sie musste lächeln bei dem Gedanken wie Mulder versucht hatte, das Glas ihrer Uhr abzumachen, damit sie sie mit den Fingern lesen konnte. Allerdings hatte er es nicht nur geschafft, das Glas kaputt zu machen, sondern ebenfalls die ganze Uhr, und sie wollten kein Geld mit dem Kauf einer neuen verschwenden.

Angezogen und gekämmt machte Scully sich an die lästige Sucherei nach den Schuhen. Das nächste Mal würde sie sie an einen bestimmten Ort legen, schwor sie sich. Sie fand sie nicht weit weg von den Sesseln in der Ecke, bei dem Stapel der anderen Klamotten, die sie die Nacht zuvor verstreut hatten. Für einen Moment ließ sie Schuhe Schuhe sein und kramte in dem Kleiderberg, bis sie auf Mulders Pullover stieß. Sie hob ihn an ihr Gesicht und inhalierte mit dem Gedanken an den Vorabend tief seinen Geruch ein.

Du benimmst dich wie ein liebeskranker Teenager, dachte sie bei sich und wurde rot. Sie legte den Pullover beiseite und schnürte ihre Schuhe zu, bevor sie die Kleider in einem Schwung auf den Arm nahm und sie aufs Bett warf. Sie begann, sie zu falten, und war angenehm überrascht, dass ihr diese Aufgabe so leicht von der Hand ging.

Sie fand Mulders Jeans und als sie im Begriff war sie zu falten, hielt sie etwa Hartes in seiner Hosentasche davon ab. Sie griff hinein und war überrascht, die Diskette vorzufinden. Gut, dass wir sie nicht in die Wäsche geschmissen haben, dachte sie und steckte das kleine runde Objekt in ihre eigene Tasche. Als sie mit dem Falten fertig war, ließ sie sich in einen der Sessel fallen und wartete.

 

 

Pam warf einen Blick zu Marty, der in dem Beifahrersitz neben ihr saß. Sie runzelte die Stirn. "Ich habe keine Ahnung, was du damit meinst", sagte sie. "Es ist ja nicht so, dass du nicht die Gelegenheit dazu gehabt hättest, es richtig mit ihr anzustellen. "

"Hör zu", entgegnete Marty, "sie ist verrückt. Eine unzurechnungsfähige, durchgedrehte, Erste-Klasse Psychopatin. Glenn Close in diesem Film? Die Rolle hätte Julie glatt spielen können. Ohne Zweifel. "

Pam riss das Lenkrad zur Seite und fuhr um eine weitere Ecke. Warum versuchst du es überhaupt?, fragte sie sich und fuhr sich mit einer Hand durch ihr kurzes braunes Haar. "Du bist ein plumper Neandertaler, weiß du das, Marty?" Sie seufzte und fragte sich, warum sie sich eigentlich mit ihm streiten wollte. Sie verteidigte im Grunde ja nur eine Kollegin, die sie kaum kannte. "Du willst natürlich eine barfüßige, schwangere Frau in der Küche, die dir Montagabend das Bier zum Fußball bringt. "

"Hey! " Marty klang leicht angesäuert. "Das ist überhaupt nicht wahr!" Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und warf zurück, "Ich bin montags abends nicht einmal zu Hause. Ich arbeite—mit dir. "

"Schön", kommentierte sie ironisch. "Das heißt also vielleicht, dass Julie die Glückliche ist."

"Du Ratte."

Die Ampel vor ihnen sprang auf Rot und sie hielten an. Pam erhaschte seinen Blick. "Bastard", ärgerte sie ihn zurück und sie fingen beide an zu lachen. Trotz seiner überschwänglichen männlichen Arroganz musste sie zugeben, dass Marty richtig amüsant war. Und wenn man mal bedenkt, wie lange sie schon zusammen arbeiteten, hätten die Dinge auch viel schlimmer liegen können.  Die Leute nannten sie die Bobbsey-Zwillinge, weil sie sich so ähnlich sahen, dass sie glatt als Bruder und Schwester durchgehen könnten. Sie gingen auch so miteinander um. Unter ihrer Zankerei steckte eine tiefe Freundschaft, für die Pam sehr dankbar war.

"Sieh mal, Pam", argumentierte Marty, "nur weil du dir keinen Mann angeln kannst, muss ich mich noch lange nicht in Höhlen verkriechen."

"Ohhhhhh.... " Pam versuchte, so drohend wie möglich zu klingen. "Du willst doch jetzt nicht wirklich *das* ausdiskutieren, oder?!"

Marty grinste sie an. "Okay, okay. Waffenstillstand. Noch etwas Kaffee?"

Pam warf einen Blick zu ihrem Becher auf dem Armaturenbrett und stellte fest, dass er fast leer war. "Wenn du ihn bezahlst. "

Auf Martys Nicken hin fuhr Pam um eine weitere Ecke und parkte in einer Parktasche. Gleichzeitig stiegen sie aus dem Wagen aus und machten sich auf den Weg zu dem Supermarkt am Ende der Straße, als Marty ihre Pappbecher in den nächsten Mülleimer warf. Marty babbelte wie immer die ganze Zeit ununterbrochen auf sei ein, doch sie hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie musste über seinen Kommentar nachdenken, den er so nebenbei im Auto hat fallen lassen.

Es war gar nicht mal so unwahr, musste sie zugeben. Es war schon fast ein ganzes Jahr her, seit sie mit Steve Schluss gemacht hatte, und obwohl sie wusste, dass ihr Leben nicht gerade für eine solide Beziehung gemacht war, fand es Pam schwer zu glauben, dass so wenige Fische angebissen hatten.  Marty, auf der anderen Seite, schien seine Freundinnen wie Unterwäsche zu wechseln. Sie musste lächeln bei diesem Gedanken und biss sich auf die Lippe, um nicht lauthals loszulachen.

Ein Mann trat gerade aus der Glastür des Geschäftes auf die Straße und Pam sah ihn, wie sie es nannte, mit dem Neugiersblick an. Groß, mit braunen Haaren und einem Bart. Und eine leckere Figur in seinen Jeans. Und völlig in dem Inhalt des Umschlags vertieft, der er in der Hand hielt. Nicht schlecht, grinste sie bei sich, als sie weitergingen.

"Na, jedenfalls hab' ich ihr gesagt, dass ich sie anrufe, aber ich weiß nicht so recht." Martys Gequatsche rang immer noch in ihren Ohren, aber Pam hörte überhaupt nicht hin. Irgendwas störte sie an diesem Typen...

Mit einem Mal fiel ihr der Rundbrief wieder ein, der am Vortag auf der Dienststelle verteilt worden war. Sie sah wieder das Bild vor sich und den Schriftzug darunter. Pam griff nach Martys Arm, damit er mit seiner Quatscherei aufhörte, drehte sich auf dem Absatz um und zog ihre Waffe.

 

 

"Polizei!! Stehenbleiben!!"

Mulder hörte die Worte und hielt tatsächlich an. Für eine Sekunde war er wie gelähmt vor Schreck. Es war, als ob die Zeit still stünde und er blickte wie in Zeitlupe auf.

Eine Polizistin stand in entschlossener Schießhaltung auf der anderen Seite der Straße, ihre Waffe fest in beiden Händen auf ihn gerichtet, und sah ihn unverwandt an. Ihr kräftiger Partner stand ebenfalls seine Waffe ziehend neben ihr. Alle Fußgänger um sie herum blieben erschrocken stehen.

Für einen Moment blickte Mulder die Polizistin an und Spannung und Panik wallte in ihm auf. Er fühlte sich wie Wild im Scheinwerferlicht eines heran rasenden Fahrzeugs. Er hatte sie nicht einmal bemerkt. Wie konnte er nur so unvorsichtig und dumm sein? Die Polizistin trat einen Schritt auf ihn zu. Instinktiv begann Mulder zu laufen.

"Ich sagte stehen bleiben!!" konnte Mulder die Frau hinter sich schreien hören, aber er hielt nicht an und stieß beinahe einige Schaulustige um, als er die Straße herunter rannte. "ANHALTEN!!"

Er konnte es nicht glauben. Er konnte es einfach nicht glauben! Wie konnte so etwas nur passieren? Mulder lief schneller, als die beiden Polizisten ihn mit hämmernden Schritten auf dem Pflaster verfolgten. Es war alles so einfach gewesen... die neuen Ausweise, das Geld... so einfach. Zu einfach.

Ohne eine Ahnung zu haben, wo er hin rannte, stob Mulder um eine Ecke und blickte sich verzweifelt nach einem Versteck um. Er hatte einen kleinen Vorteil, denn obwohl es noch früh am Tage war, waren schon rechte viele Menschen auf der Straße und er bezweifelte, dass die Cops auf ihn schießen würden aus Angst, einen Fußgänger zu treffen. Sie holten jedoch schnell auf und Mulder wusste, wenn ihm nicht schnell etwas einfallen würde, wäre er ihnen ausgeliefert.

Ohne auf den Verkehr zu achten rannte Mulder auf die Straße und hörte ärgerliches Hupen, als er über die Kreuzung hechtete. Ein Wagen wollte nicht langsamer werden und brachte ihn fast zu Boden, als er an ihm vorbei raste. Mulder konnte bei diesem haarscharfen Verfehlen sein eigenes Herz in seiner Brust schlagen hören. Ein weiteres Auto fuhr auf ihn zu und Mulder sprang zur Seite. Hinter sich hörte er Reifenquietschen und das Krachen von Metall. Er erreichte die andere Straßenseite, und als er sich umschaute, sah er, dass sein Manöver ihm etwas Zeit verschafft hatte. Zwei Autos waren ineinander gestoßen. Es sah zwar nicht besonders schlimm aus, aber es hielt doch den Verkehr genauso wie die Cops auf.

Mulder nutzte den Vorsprung und rannte nach einer weiteren Ecke in eine Gasse zwischen zwei Gebäuden. Er geriet in Panik.

<Scullyichkannsiesienichtfindenlassenichkannesnichtzulassen>

Am Ende der Gasse, wo er wieder auf die offene Straße stieß, sah Mulder einen Kanaldeckel. Er zog Scullys neuen Ausweis aus der Tasche und warf ihn in die dunklen Tiefen der Kanalisation. Er warf auch sein Zugticket hinterher, im Moment war es ihm egal, wie er wieder in den Zug kommen würde. Wenn er es überhaupt bis zum Bahnhof schaffen würde. Alles, woran er denken konnte, war, alle Beweise, alle Hinweise loszuwerden, die auf sie schließen könnten.

Mulder fing wieder an zu laufen. Er war außer Atem und suchte nach einem Versteck. Aber noch waren keine großen Geschäfte offen, keine Gelegenheit, in einer Menschenmenge unterzutauchen. Er hörte die Polizisten hinter ihm schreien. Sie zogen die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich und er hatte absolut keine Möglichkeit, sich zwischen ihnen zu verstecken.

Er stob um noch eine Ecke und warf in jedes der Autos, an denen er vorbeilief, einen Blick hinein, in der vagen Hoffnung, in irgendeinem von ihnen einen steckenden Schlüssel zu finden. In der vagen Hoffnung, hier irgendwie herauszukommen.

Die Polizistin schrie ihn wieder an und Mulder konnte deutlich die Wut in ihrer Stimme hören. "HALTEN SIE SOFORT AN!!!"

Mulder erreichte das Ende des Blockes, die Cops waren ihm dicht auf den Fersen, und als er um die Ecke kam, sah er genau in den Lauf der Waffe des Polizisten. "SOFORT ANHALTEN!!" schrie er. "Keine Bewegung—und nehmen Sie die Hände hoch!!"

Nur eine Sekunde später war die Polizistin hinter ihm und Mulder konnte fühlen, wie sich sein Herz bei ihren Worten zusammenzog. "Sie sind verhaftet!"

Mulder hob langsam die Arme, seine Augen auf der Waffe, die auf ihn gerichtet war. Seine Gedanken wirbelten in einem einzigen Karussell und er versuchte innerlich, all das zu verarbeiten, was in den letzten Momenten geschehen war. Während seine Partnerin ihre Waffe genau auf Mulders Kopf hielt, stieß ihn der Polizist gegen die kalte Mauer des nächsten Gebäudes. Er hörte, wie sie ihre Pistole wieder wegsteckte und gleich darauf das unverwechselbare Klappern der Handfesseln, als die Frau sie aus ihrem Gürtel zog.

"Sie haben das Recht zu schweigen", begann die Polizistin, als sie Mulders Hände hinter seinen Rücken riss und die Handschellen zuschnappen ließ.  "Alles, was Sie sagen kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden..."

Während die Polizistin ihm seine Rechte vorlas, hörte Mulder, wie ihr Partner nach Verstärkung funkte. Mulder stand gefesselt da, leistete überhaupt keinen Widerstand und fühlte, wie ihn die kalte Verzweiflung überkam. Der Cop durchsuchte ihn und nahm seine Brieftasche, seine Waffe und den Umschlag mit dem Geld, das er gerade erst bekommen hatte. Erst jetzt fiel Mulder ein, dass er die Diskette gar nicht bei sich hatte. Ich muss sie im Zug liegen gelassen haben, dachte er verblüfft. Er schloss die Augen, als blanke Furcht ihn ergriff.

<ohDanaDanaDananeinneinnein>

 

 

X-7 X-7

 

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (8/10)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

Scully bekam erst beim dritten Pfiff des Zuges Panik. Sie war lange genug in dem Zug gewesen, um den Rhythmus zu verstehen. Der erste Pfiff war eine Zehn-Minuten-Warnung, der zweite ertönte fünf Minuten vor der Abfahrt und erst beim dritten stand die Weiterfahrt des Zuges unmittelbar bevor. Prompt konnte sie in der nächsten Sekunde hören, wie die Maschinen angeworfen wurden und der Zug über die Gleise rollte.

Ganz ruhig, sagte sie sich und versuchte, ihre flammenden Nerven zu beruhigen. Er kommt wahrscheinlich gerade durch den Gang und trödelt nur ein bisschen.

Doch sobald ihr dieser Gedanke kam, verwarf sie ihn auch gleich wieder. Sie kannte ihn besser. Sie wusste, dass er sich nicht aufhalten würde, sie wusste, dass er sich im Klaren war, dass sie sich Sorgen machte.

Und doch konnte sie nicht glauben, dass der Zug wahrhaftig ohne ihn abfuhr und Scully wartete mit gekreuzten Beinen in dem Sessel auf sein Klopfen.

Auf ein Klopfen, das nicht kam.

Als sie feststellte, dass sie schon volle fünf Minuten unterwegs sein mussten, stand sie auf und suchte an der Tür nach dem Knopf für den Zugbegleiter. Als sie ihn fand, drückte sie dreimal kurz hintereinander drauf. Ein kalter Angstschauer lief ihr über den Rücken.

 

 

Einer der jüngeren Polizisten öffnete die Tür zum Büro und Russell Hackett sah von den Akten auf, die er in der Hand hielt. "Sie haben ihn hierher gebracht, Sir", sagte der Junge.

Rusty nickte und stand auf. Er strich sich durch das feuerrote Haar, dem er seinen Spitznamen verdankte. Es nahm den Papierkram mit, als er dem jungen Polizisten zu den Zellen im Untergeschoß folgte.

Als der Polizeichef von El Paso in Texas, bekam es Rusty eigentlich fast nur mit Betrunkenen oder hilflosen Leuten zu tun, gelegentlich auch mit welchen, die es unerlaubt über die Grenze versucht haben, und selten gab es auch Fälle von Totschlag. In seinen siebzehn Dienstjahren, sechs davon als Polizeichef, war er noch nie in die Festnahme eines Gesetzesflüchtigen verwickelt gewesen.

Einmal ist immer das erste Mal, dachte er.

Rusty kam an die letzte Zelle und grüßte mit einem kurzen Nicken zwei Officer, die davor Wache standen. Einer der Männer öffnete die äußere Tür und ließ Rusty in das Innere der Zelle. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, stand er ein paar Sekunden ruhig da und blickte auf den Mann, der auf der Pritsche in dem Gefängnis saß.

Obwohl er saß, war es offensichtlich, dass der Mann recht groß und ziemlich dünn für seine Größe war. Er hatte einen kurzen Bart und braune Haare, die unbedingt mal geschnitten werden mussten. Alles in Allem hatte er nicht sehr große Ähnlichkeit mit dem Foto, das in Rustys Akten war. Mit Ausnahme der Augen.

Der Mann hatte bei Rustys Eintreten aufgesehen und ihn unmittelbar in seinem feurig intensiven Blick gefangen. Genau dieselben Augen starrte Rusty von dem Bild in seinen Händen an. Für Rusty waren diese Augen mehr Beweis als jeder Fingerabdruck, dass der Mann vor ihm tatsächlich Fox William Mulder war.

 

 

Scully brauchte nicht lange zu warten, bis sie ein starkes Klopfen an der Tür ihres Abteils hörte, gefolgt von einer heiteren Frauenstimme. "Hallo?" Ohne die Tür zu öffnen fragte Scully, "Sind Sie die Zugbegleiterin?"

"Ja, die bin ich", antwortete die Frau. "Mein Name ist Sheila—kann ich Ihnen bei irgendetwas helfen?"

Scully zögerte einen Moment und öffnete dann langsam die Tür. Sie hörte, wie die Frau überrascht die Luft einzog und dann die Worte, "Ist alles in Ordnung, Ma'am?"

"Mein... mein Mann ist noch nicht zurück. Ich... befürchte, dass er den Zug verpasst hat."

Sheila war sichtlich verwirrt. "Sind Sie sich sicher? Er könnte noch auf dem Weg zurück zum Abteil sein."

Scully schüttelte heftig den Kopf. "Nein, das glaube ich nicht. Er... er kommt nie so spät."

"Tja, es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Vor allem nicht bei einem so kurzen Halt." Sheila lachte ein wenig. "Ich bin mir sicher, dass er, wenn er den Zug verpasst hat, bereits am Bahnhof in El Paso Bescheid gesagt hat. Ich kann mal nachfragen, wenn Sie möchten."

"Das wäre wirklich nett", antwortete Scully und eine schwache Hoffnung baute sich in ihr auf. "Wenn das der Fall ist, was passiert dann?"

"Das beste wäre, wenn Sie im nächsten Bahnhof auf ihn warten", antwortete Sheila. "Ein anderer Zug fährt heute noch diese Strecke. Er kann den nehmen und Sie dann treffen."

Ist ja gar nicht so schlimm, dachte Scully. Damit wirst du fertig. Dann sagte sie zu Sheila, "Wunderbar. Könnten Sie bitte fragen, ob es so gewesen ist?"

"Kein Problem", kam die Antwort. "Ich bin gleich wieder zurück."

Scully hörte, wie sich die Schritte der Frau entfernten, als sie die Tür schloss und sich mit einem erleichterten Seufzen dagegen lehnte. Sie hoffte stark, dass die Frau Recht hatte.

 

 

"Ich möchte meinen Anruf machen", verlangte Mulder und nahm seine Augen nicht von dem rothaarigen Officer.

"Das geht leider nicht", nuschelte der Polizist. Mulder sah an dem Abzeichen an seiner Uniform, dass der Mann einen höheren Rang hatte, vielleicht war er hier sogar der Vorgesetzte und er hoffte, dass er vielleicht mit ihm verhandeln könnte.

"Ich kenne meine Rechte", entgegnete Mulder und versuchte, nicht allzu aufbrausend zu klingen. "Ich habe das Recht, einen Anruf zu machen und einen Anwalt zu konsultieren."

Der Officer schwenkte die Blätter in seiner Hand und schüttelte den Kopf.  "Meine Zuständigkeitsbereich als Polizeichef wurde von der Regierung eingeschränkt." Er las bedächtig den Zettel in seiner Hand vor. "Der Flüchtige darf mit niemandem sprechen, der nicht für seine Verhaftung zuständig ist. Keine Anrufe oder externe Kontakte sind erlaubt." Er verstummte und fuhr mit dem Finger über das Blatt, bevor er weiter sprach.  "Da steht noch mehr, aber im Grunde sagt alles dasselbe aus. Wir sollen Sie also nur festhalten, bis das FBI hier auftaucht."

Mulder sagte nichts. Er dachte nach. Er hatte nicht wirklich geglaubt, dass er den Anruf machen könnte, und im Nachhinein war er sich auch nicht sicher, ob es überhaupt eine so gute Idee war. Aber ein Teil von ihm wollte unbedingt die Schützen anrufen, und ihnen auf eine verschlüsselte Art und Weise klar machen, was geschehen war.

Der Polizeichef beobachtete ihn neugierig durch die Gitter. "Sie haben ein großes Problem, Junge. Ich hoffe, Sie sind sich darüber im Klaren."

Du hast ja keine Ahnung, dachte Mulder und sein Magen zog sich zusammen.

Der Polizeichef fuhr sich mit einer Hand durch seine kurzen Haare. "Die haben mir verboten, Sie zu befragen, was okay ist was mich betrifft. Aber sie haben mich etwas gefragt, was ich nicht beantworten konnte. Also frage ich Sie das jetzt."

Mulder blieb sitzen, er verhielt sich absolut still.

"Wo ist sie? Wo ist das Mädchen?" Nach einer Pause, "Was ist ihr passiert?"

Mulder hatte große Mühe, Augenkontakt mit dem Mann zu bewahren. Er brauchte all seine Kraft um nicht loszuschreien, dass er es nicht wusste. Dass er sich nicht sicher war. Dass er zu ihr zurück musste, jetzt sofort, in diesem Augenblick!

<DanaDanaDanaDanaDana>

Er gab ihm keine Antwort.

 

 

Als sie das Klopfen hörte, sprang Scully vom Bett und ging rasch zurück zur Tür. "Sheila?" rief sie und hoffte, dass sie sich richtig an ihren Namen erinnerte.

"Ja", kam die Antwort und Scully zog die Tür zurück. "Ist er am Bahnhof?" fragte Scully leicht außer Atem.

Sheila antwortete nur eine Sekunde zu spät, in der Scullys Herz brach.  "Nein, ist er nicht. Zumindest nicht, soweit wir wissen. Es hat sich niemand in El Paso gemeldet."

Scully merkte, wie sie eiskalte Angst zu übermannen drohte und zwang sich dazu, die Kontrolle zu bewahren. "Oh... okay, danke fürs Nachschauen."

"Kann ich irgendwas für Sie tun?" fragte Sheila sichtlich besorgt und Scully wusste, dass sie es wegen ihrer Blindheit tat. "Gibt es jemanden, den wir benachrichtigen können?"

"Nein, nein..." Scully schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. "Ich komme schon klar, ich... ich treffe meine Mutter in—" Sie hielt inne und suchte krampfhaft nach einem Namen auf der Strecke, die Mulder ihr erklärt hatte. "In Tucson. Ich treffe sie in Tucson, wenn wir dort ankommen. Es ist also okay."

Sheila sagte nichts und für eine Sekunde fürchtete Scully, dass sie ihre Lüge durchschaut hatte.

"Gut, dann..." sagte Sheila letztendlich. "Wenn Sie sich sicher sind..."

"Das bin ich. Glauben Sie mir."

"Also schön." Scully konnte hören, wie Sheila zögerte, aber zum Glück drängte sie sie nicht weiter. "Klingeln Sie einfach, wenn Sie noch etwas brauchen. Ich habe den ganzen Tag Dienst."

"Danke. Das werde ich." Damit schloss Scully wieder die Tür und ließ sich aufs Bett fallen, als die Panik sie übermannte.

 

 

Der Mann sagte nichts und nach einem Moment zuckte Rusty die Schultern. "Auch egal. Die werden es schon herausfinden."

Dann wandte sich der Mann von ihm ab und legte sich mit verschränkten Armen auf die Pritsche. Verhör vorbei, dachte Rusty trocken und kam sich vor, als ob er von dem Gefangenen regelrecht entlassen wurde.

Rusty drehte sich um und klopfte an die Außentür der Zelle. Als er auf Antwort wartete, warf er noch einen Blick auf den Festgenommenen. Irgendetwas an der Art, wie er auf dieser Pritsche lag, wie gespannt sein Körper war, brachte Rusty ein wenig aus der Ruhe. Es war, als ob der Mann auf der Lauer lag, jede Sekunde bereit aufzuspringen. Er zeigte überhaupt nicht die Feindseligkeit oder Wut, die Rusty von all seinen anderen Gefangenen kannte. Der Mann schien sich aber auch nicht mit der Situation abzufinden.  Er schien von Unsicherheit und Trauer gequält.

Konzentriert, dachte Rusty. Der Typ ist vollkommen konzentriert. Irgendwie machte ihm der Gedanke Angst und er war erleichtert, wieder hinaus in die Halle zu treten und den Gefangenen hinter sich zu lassen.

"Alles in Ordnung?" Die Frage kam von einem der Wachmänner. Rusty nickte.

"Ja, alles in Ordnung." Rusty sah auf die Blätter, die ihm von Washington DC zuvor gefaxt worden waren und blickte zu den Wachen. "Er gehört Ihnen. Passen Sie auf ihn auf." Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu, "Und seien Sie wachsam. Ich traue ihm nicht das kleinste Bisschen."

Die beiden jungen Männer nickten. Rusty machte kehrt und ging wieder die Treppen hinauf.

 

 

"Das ist mit egal—rufen Sie sie wieder an!" schrie Skinner in den Hörer.  "Ich will, dass das absolut klar ist—niemand redet mit Mulder bis ich da bin!!" Er wartete auf eine Antwort und knallte den Hörer dann auf die Gabel.

Die Tür zu seinem Büro öffnete sich und Holly steckte ihren Kopf hinein.

"Sir, Ihr Wagen wartet."

"Ich bin gleich unten", gab er zurück. Sie nickte und schloss wieder die Tür.

Skinners Augen streiften über den Schreibtisch, um sicher zu gehen, dass er nichts Wichtiges vergessen hatte. Er entdeckte eine ganz bestimmte Akte, die er aufhob und in seine Tasche steckte.

Nach all dieser Zeit....

Als er den Anruf bekam, war Skinner förmlich erstarrt gewesen. Er hatte es einfach nicht glauben können, dass Fox Mulder endlich gefunden worden ist.  Verhaftet von zwei Streifenpolizisten in irgendeinem Kaff in El Paso, Texas. In Gewahrsam genommen nach einer Verfolgungsjagd, die fast zwei Monate gedauert hatte und zwar dank purem Zufall und nicht aufgrund irgendwelcher scharfsinnigen Untersuchungen.

Mulder ist gefunden worden.

Allein.

Skinner stürmte aus seinem Büro, seine Gedanken ein konfuses Durcheinander.  Es gab keine Spur von Dana Scully. Er war in die Stadtmitte gebracht worden und eine Horde von Streifenpolizisten hatte die Straßen auf der Suche nach Mulders vermisster Partnerin durchkämmt. Erfolglos.

Wo war sie?

Sie hatten nichts an Mulder gefunden, was auf ihren Aufenthaltsort hinweisen könnte, und soweit Skinner wusste, redete Mulder nicht.

Was war ihr passiert?

Skinner nahm an, dass die Antwort da lag, wo Mulder auf seinem verhängnisvollen Trip in die Stadt her gekommen war. Vielleicht hielt sie sich in irgendeinem Motel versteckt, dachte er, obwohl er wusste, dass alle Motels und Hotels und dergleichen bereits nach dem Namen Steward, der auf Mulders gefälschtem Ausweis stand, durchsucht worden waren.

Sie hätte natürlich auch alleine verschwinden können. Doch Skinner verwarf diesen Gedanken sofort. Aus zwei Gründen.

Erstens, weil er wusste, dass Dana Scully ihren Partner nie alleine lassen würde, zumindest nicht freiwillig.

Der zweite Grund waren die Gerüchte, die er gehört hatte. Wenn sie stimmten, war Dana Scully blind.

Was Option Eins unmöglich machte.

Skinner erreichte das Erdgeschoss und verließ das Gebäude, indem er zwei Stufen auf einmal nahm. Wie Holly versprochen hatte, wartete tatsächlich ein Wagen auf ihn, in den er jetzt einstieg und dem Fahrer befahl, auf ihrem Weg zum Flughafen nicht auf die Geschwindigkeitsbegrenzung zu achten.

Walter Skinner war aus ersichtlichen Gründen in Eile.

 

 

Elliot hielt die Zeichnung eine Armeslänge von sich gestreckt und beäugte sie mit geübtem Auge. Noch etwas mehr Orange, entschied er, hob den Stift auf und begann, sie noch etwas mehr aufzufüllen. Das Klopfen an der Türe überraschte ihn und er riss den Stift zur Seite, so dass ein fetter orangefarbener Strich auf dem Blatt zurückblieb.

Elliot fluchte und durchquerte den Raum, um die Tür zu öffnen. Seine Augen wurden weit, als er sah, wer davor stand. "Lisa! Was machen Sie denn hier?  Wie haben Sie mein Abteil gefunden?"

"Die Treppe herunter, vierte Tür links", antwortete sie flach. "Kann ich für eine Minute hereinkommen?"

"Sicher", sagte Elliot und trat zur Seite, um sie hineinzulassen. Er warf einen Blick in den Korridor und wunderte sich, dass Rick nirgends zu sehen war. "Was liegt an?"

Lisa antwortete nicht. Sie ging langsam durch das Abteil und Elliot merkte, dass sie in dem unbekannten Zimmer nach einem Stuhl suchte. "Hier", sagte er und nahm sie sanft am Arm, um sie zu dem Sessel zu führen.

"Danke", sagte sie und ließ sich in die Kissen fallen.

Elliot ging zurück, um die Tür zu schließen und setzte sich dann in den anderen Sessel. Lisa blieb still. Ihre Hände zappelten nervös in ihrem Schoß und sie sah verloren aus. Elliot wartete, bis die Stille zu überwältigend wurde.

"Lisa? Was ist los?" Er hielt inne. "Wo ist Rick?"

Als er den Namen ihres Ehemanns erwähnte, setzte sich Lisa aufrecht hin.  "Elliot, ich brauche Ihre Hilfe", sagte sie und strich sich eine Strähne hinters Ohr.

Elliot war verwirrt. "Wobei?"

"Rick.... er.... er hat den Zug verpasst."

Elliot seufzte vor Erleichterung und lächelte. "Kein Problem", sagte er. "Das passiert immer wieder. Er wird Sie beim nächsten Bahnhof einholen."

Sie schüttelte grimmig den Kopf. "Sie verstehen nicht. Rick, er.... er hat nie im Leben aus Versehen den Zug verpasst. Es... es ist einfach nicht so passiert."

Elliot sah sie genau an und versuchte zu verstehen, was sie ihm sagen wollte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie meinte, was er dachte, dass sie meinte. Er hatte noch nie zwei Menschen gesehen, die sich mehr liebten.

Aber andererseits.... Elliot konnte einfach nicht den Striemen in ihrem Gesicht ignorieren. Er war zwar nicht mehr so dunkel wie an dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten, aber er war immer noch deutlich sichtbar. Er fand es schwer zu glauben, dass ein Mann wie Rick zu einer solchen Gewalttat fähig war, aber er war alt genug, um nicht naiv zu sein.

Vorsichtig wählte er seine Worte. "Hat er... Denken Sie, dass... dass er Sie verlassen hat? Absichtlich?"

Elliot sah für den Bruchteil einer Sekunde eine Mischung von Zweifel, Angst und Verzweiflung auf ihrem Gesicht. Aber nur so kurz, dass er sich nicht sicher war, ob er es sich nicht vorgestellt hatte. Dann hob sie ihren Kopf und sagte mit zusammengebissenen Zähnen, "Rick würde mich *nie* verlassen.  *Niemals*." Lisa verstummte und stand auf. "Es tut mir Leid—Ich hätte Sie nicht belästigen sollen. Es war eine dumme Idee."

"Nein, nein!" Die Worte stolperten über seine Lippen und Elliot griff nach ihren Armen, um sie wieder zurück in den Sessel zu drücken. "Lisa.... es tut mir Leid. Ich.... ähm.... ich habe es nicht so gemeint. Ich.... ich musste es einfach fragen."

 

 

Scully hörte den Ernst in Elliots Stimme und sie beruhigte sich etwas. Sie setzte sich wieder und versuchte, sich zusammenzunehmen. Bloß nicht in Panik geraten, dachte sie. Du kommst hier nie raus, wenn du in Panik gerätst.

"Ich weiß", sagte sie und war erleichtert über den normalen Klang ihrer Stimme. "Ich wollte nicht überreagieren."

Für ein paar Sekunden herrschte Stille und Scully wusste, dass Elliot nachdachte. "Also", sagte er letztendlich langsam und bedacht. "Wenn Sie davon überzeugt sind, dass Rick den Zug weder aus Versehen noch absichtlich verpasst hat... Sie wollen sagen, dass Sie glauben, dass ihm etwas zugestoßen ist?"

Scully nickte.

"Darf ich fragen warum?" Nach einer Pause, "Ich meine, wenn es mir passieren würde, würde ich es nicht direkt annehmen."

Scully kämmte ihre Finger durch ihre Haare und überlegte, wie viel sie ihm sagen könnte. Genug, um aus diesem Zug zu kommen, nicht mehr, entschloss sie sich.

"Ich möchte nicht darüber reden", antwortete sie. "Rick und ich.... es gibt da.... einige Leute, die nach uns suchen. Gefährliche Leute. Und wenn—" Sie musste tief atmen bei dem Gedanken und sie zwang sich fortzufahren.  "Wenn sie Rick gefunden haben.... könnte er.... könnte er in großen Schwierigkeiten stecken."

"Warum rufen Sie nicht die Polizei?"

Noch eine schwer zu beantwortende Frage. Scully versuchte eine Ausrede zu finden, aber ihr fiel keine ein. Also sagte sie ihm die Wahrheit. "Das kann ich nicht. Die sucht uns nämlich auch."

"Was ist mit.... was ist mit Ihren Eltern?"

Scully wollte lachen und gleichzeitig weinen bei der Einfachheit dieses Vorschlags. Wenn es doch nur so einfach wäre...

"Elliot, ich.... ich kann nicht. Sie müssen mir glauben. Es ist nicht....  es ist einfach nicht möglich, nicht jetzt. Wenn Rick in Schwierigkeiten steckt, würde es das nur verschlimmern."

Scully hörte ihn seufzen. "Wie soll ich Ihnen dann helfen, Lisa?"

 

 

Als sei es die normalste Sache der Welt sagte Lisa, "Ich möchte Sie bitten, mir aus dem Zug zu helfen." Elliot massierte sich mit einer Hand die Schläfe, als er fragte, "Und dann was?"

"Bringen Sie mich in ein Hotel, irgendwo weg vom Bahnhof."

"Und was werden Sie dann tun?"

Der Ausdruck auf ihrem Gesicht verriet Elliot, dass sie keine Ahnung hatte, obwohl sie ihre Unsicherheit mit fester Stimme zu verbergen suchte.

"Dann... dann sehe ich weiter. Ich muss hier nur weg. Früher oder später finden sie heraus, dass Rick in diesem Zug war. Und ich kann ihm nicht helfen, wenn sie mich hier finden."

Das kann gar nicht passieren, dachte Elliot. Das ist einfach nicht wahr.

Und doch war es wahr. Lisa saß ihm gegenüber, eine kleine Gestalt in T-Shirt und Jeans. Eine blinde Frau, die ihn bat, sie aus dem Zug zu schmuggeln und sie irgendwo in irgendeinem Texas-Hotel zu lassen, wenn wer-weiß-wer hinter ihr her war. Auf einmal kam Elliot sich vor, als sei er zu einem der Charaktere aus den Büchern geworden, die er während der letzten paar Jahre illustriert hatte.

Als ob seine Schweigsamkeit ihr Angst machte, fragte Lisa leise, "Werden Sie.... mir helfen?"

"Natürlich", antwortete er ohne weiter darüber nachzudenken.

Lisa lächelte ein zögerndes Lächeln der Erleichterung. "Danke... Sie wissen nicht, wie sehr ich Ihre Hilfe schätze."

"Eine Frage hätte ich allerdings." Sie nickte und Elliot fuhr fort. "Ich will nicht wissen, wer diese Leute sind oder warum sie Sie verfolgen. Aber die Sache mit der Polizei... in welcher Art von Schwierigkeiten stecken Sie? Haben Sie und Rick... weswegen klagt man Sie an?"

Lisas Gesicht verdunkelte sich, als sie sich erinnerte. Als sie wieder sprach zitterte ihr Kinn und Elliot fürchtete, dass sie in Tränen ausbrechen würde. "Es sind einige Dinge passiert.... schlimme Dinge. Und Rick und ich, wir waren darin verwickelt. Aber..." Sie nahm einen tiefen Atemzug. "Aber es war nicht unsere Schuld. Es war nicht unsere Schuld."

Elliot merkte, dass Lisa den letzten Satz wiederholte, als ob sie sich selbst davon überzeugen wollte, aber für ihn reichte es fürs erste.

"Ich glaube Ihnen." Elliot blickte sie an und überlegte immer noch. Er sah sie alleine in irgendeinem billigen Motel vor sich, und wieder sprach er ohne Nachzudenken.

"Ich werde Ihnen aus dem Zug helfen, Lisa, aber ich werde Sie nicht alleine lassen." Sie sah verwirrt aus. "Was soll das heißen?"

Das ist verrückt, dachte Elliot, aber er konnte nicht anders. "Ich kann Sie nicht allein lassen. Es wäre nicht richtig."

In dem Moment, in dem er die Worte sagte, wusste er, dass er sie meinte. Er würde sich nie wieder im Spiegel ansehen können, wenn er diese Frau im Stich lassen würde, obwohl sie immer noch eine Fremde für ihn war. Aber er musste an Beck denken und daran, dass er wollen würde, dass es jemand anderes für sie tun würde, wenn sie in einer solchen Situation wäre. Und Lisa schien ehrlich, aber auch verzweifelt. Er glaubte ihr.

Mit der Zuversicht, die man hat, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, sagte Elliot, "Sie sollten mit mir kommen. Nach Santa Fe."

 

 

X-8 X-8

 

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (9/10)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

Elliots Worte schossen wie Eiswasser durch ihre Adern, als Scully an die Entfernung zwischen El Paso und Santa Fe dachte. Zu weit, dachte sie, viel zu weit weg.

"Das geht nicht", protestierte sie. "Ich muss.... ich muss hier bleiben. In der Nähe von El Paso."

"Lisa." Scully hörte eine Bestimmtheit in Elliots Stimme, die völlig neu für sie war und die etwas von ihrer Panik weichen ließ. "Sie können im Moment nicht klar denken. Es gibt nichts, was Sie alleine tun können. So wenig Sie es auch wollen, aber Sie müssen zugeben, dass sie Hilfe brauchen."

Scully verachtete die Wahrheit in seinen Worten. Sie biss die Zähne zusammen und antwortete nicht.

"Ich würde ja bei Ihnen bleiben, wenn ich könnte, aber ich muss wieder nach Hause. Also sollten Sie mit mir kommen. Zumindest bis Sie wissen, was Sie tun wollen."

Scully atmete tief durch und versuchte sich zu entscheiden. Etwas in ihr protestierte gegen die Idee, sich so weit von Mulder zu entfernen, so weit von dem Ort, an dem sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Aber ihre vernünftige Seite sagte ihr, dass Elliot Recht hatte. Sie wusste, dass sie sich außer Gefahr bringen musste. Dass sie sich irgendwo verstecken musste, wo sie niemand finden konnte. Um sicher zu sein, zumindest fürs erste.

Sie wusste, dass es Mulder so wollen würde.

Mulder...

Bei dem Gedanken an ihn wurde ihr schwindelig. Sie schloss die Augen und versuchte, die Furcht zu unterdrücken, die drohte, sich in ihr auszubreiten.

<MulderMulderMulderbittebitteseiokay>

 

 

Sie wurde blass, und als sie anfing zu zittern, geriet Elliot in Panik. Er tätschelte versichernd ihren Arm. "Lisa... es ist in Ordnung, wirklich. Ich wollte Ihnen keine Angst machen." Gut gemacht, dachte er. Sie denkt bestimmt, du bist irgendein Serienmörder, der sie in irgendeine verlassene Ecke locken will. "Wenn Sie möchten, dass ich Sie in ein Hotel bringe, dann werde ich das. Ich werde es tun. Ich wollte Ihnen nur helfen."

Lisa schlug die Augen auf und schüttelte ihren Kopf. "Sie haben mir keine Angst gemacht, Elliot. Ich habe nur.... nachgedacht. Und Sie haben wahrscheinlich Recht. Es ist besser, irgendwohin zu gehen, wo sie mich nicht suchen werden, bis ich mir etwas einfällt."

Elliot lehnte sich erleichtert zurück. "Also gut. Abgemacht." Er blickte auf die Uhr. "Wir sollten allerdings unsere Sachen packen. Wir werden in zwanzig Minuten in Las Cruces sein und da müssen wir umsteigen."

"Wir sollten lieber nicht einen anderen Zug nehmen."

"Was?" fragte Elliot durcheinander. "Warum nicht?"

Lisa seufzte. "Wenn... wenn jemand herausfindet, dass Rick in diesem Zug war, werden sie ihn durchsuchen und auch alle Anschlusszüge. Gibt es von hier aus einen anderen Weg nach Santa Fe?"

"Ja, per Bus. Wir können einen nach Albuquerque nehmen. Da wären wir sowieso ausgestiegen. Ist das versteckt und heimlich genug?" versuchte er zu witzeln.

Wenn sie den Witz verstanden hatte, zeigte sie es nicht. "Ich glaube schon", antwortete sie ernst. "Elliot..." sie verstummte und suchte nach Worten. "Das hier ist nicht Ihr Problem. Und ich möchte Sie da nicht mit reinziehen, ohne dass Sie wissen, wie gefährlich es werden kann. Diese Leute... das sind welche von der Sorte, die erst schießen und dann Fragen stellen."

Elliot drehte sich bei ihren Worten der Magen um. Er erkannte plötzlich, wie Lisa an den Bluterguss in ihrem Gesicht gekommen sein könnte. Obwohl er sich für nicht gerade feige hielt, fürchtete er, zu weit zu gehen. Du bist ein Künstler, du Idiot, und nicht James Bond, dachte er.

Aber wie könnte er sie nur im Stich lassen?

Elliot schluckte den Kloß in seinem Hals und antwortete, "Verstanden." Nach einer Sekunde, "Ich bin dabei. Jetzt müssen wir aber packen und dann raus hier."

 

 

"Wo sind Sie jetzt?" Der Mann zündete sich mit vor Aufregung zitternder Hand noch eine Zigarette an.

"In der Nähe von Austin." Christophes Stimme drang durch das Handy an seine Ohren. "Ich werde in ungefähr zwanzig Minuten dort sein."

"Gut." Der Mann inhalierte und war zufrieden mit der Antwort. "Ein Flugzeug wird auf der Privatbahn außerhalb der Stadt auf Sie warten."

Nach einer Stille in der Leitung, "Wie soll ich vorgehen?"

"Das", sagte der Mann, als er eine Wolke von Rauch aus seinen Lungen ließ, "ist Ihnen überlassen. Sie wissen, was wir brauchen. Ich werde Ihnen hinsichtlich der Vorgehensweise keine Ratschläge erteilen."

"Verstanden", erwiderte Christophe. "Ich melde mich wieder sobald ich kann."

"Ich warte darauf." Mit diesen Worten trennte der Mann die Verbindung und merkte wieder einmal, wie sein Ziel in greifbare Nähe rückte.

 

 

Pam balancierte vorsichtig ein Tablett in ihren Händen, als sie den Gang hinunter ging. Sie wusste, dass sie gegen die Regeln verstieß, aber im Moment war sie zu neugierig, als das ihr das etwas ausmachen würde. Momentan war sie nicht im Dienst, was normalerweise heißen würde, dass sie sich auf dem schnellsten Weg von diesem Gebäude entfernen würde, um so viel ihrer Freizeit wie möglich zu genießen. Doch stattdessen war sie auf der Wache geblieben und hatte einen der Polizisten im Dienst bestochen, damit sie diejenige sein konnte, die dem Gefangenen sein Essen brachte.

Wenn sie müsste, würde Pam es ihrer Neugier beimessen, dass ihr ein Gesetzesflüchtiger in ihrer Dienstzeit noch bevorstand. Tief in ihrem Innern fand sie den Mann von dem Augenblick an, in dem sie ihn verhaftet hatte, faszinierend. Er hatte etwas Seltsames an sich, dass ihre Neugier weckte und sie musste ihn einfach wieder sehen, wenn auch nur für einen Moment.

Sie kam an seine Zelle und grüßte die Wache mit einem Nicken. "Hey Sam", grüßte sie ihn. "Lässt du mich rein?"

Sie sah, wie Sam sie überrascht anblickte, weil sie ihm sein Essen brachte, aber er hatte einen nicht so hohen Dienstgrad wie sie und stellte keine Fragen. "Sicher", sagte er und öffnete die Außentür.

Der Gefangene saß mit dem Rücken an der Wand auf der Pritsche. Er hatte die Augen geschlossen, doch öffnete sie bei dem Quietschen der Tür. Ausdruckslos sah er sie an. Er sah anders aus als zu dem Zeitpunkt, in dem sie ihn verhaftet hatte, was definitiv nicht nur an dem blauen Gefängnis-Klamotten lag, die sie ihm verpasst hatten. Seine Haare waren geschnitten und sein Bart war abrasiert und er sah jetzt viel jünger und verletzlicher aus als der Mann, den Pam auf der Straße gesehen hatte.

"Ich habe Ihnen Essen gebracht", sagte sie und stellte das Tablett auf das Regal auf der anderen Seite der Gitterstäbe.

Der Mann sagte nichts, er starrte sie nur an. Pam zuckte die Schultern, als sie den Verschluss der Klappe öffnete und das Tablett durch den Schlitz auf die andere Seite schob.

Der Mann blieb wo er war. Wider Erwarten stand er nicht auf und nahm das Tablett an sich. Seine Stille brachte ein Kribbeln auf Pams Haut. "Brauchen Sie noch etwas?" fragte sie.

Der Manns schüttelte seinen Kopf mit einer kleinen, fast unmerklichen Bewegung, aber Pam verstand.

"Also gut," sagte sie und klopfte auf die Außentüre.

Wieder zurück im Gang überkam Pam eine unerklärliche Erleichterung, den Mann wieder los zu sein, und sie nahm einen tiefen Atemzug. Neugierig genug gewesen, dachte sie bei sich. Fürs erste hatte sie definitiv genug von ihm gesehen.

 

 

Mit seinem sperrigen Rucksack in einer Hand klopfte Elliot an Lisas Abteil.  Nachdem er ihr gesagt hatte, wer er war, öffnete sie die Tür gerade als der Pfiff zum dritten Mal ertönte und die Ankunft in Las Cruces ankündigte.  "Fertig?" fragte er. Sie nickte und ließ ihn herein.

"Ich glaube, ich habe alles", sagte sie und deutete auf ihre Tasche auf dem Bett. "Aber könnten Sie bitte noch einmal nachsehen, um sicher zu gehen?"

"Kein Problem", erwiderte Elliot und sah sich rasch im Raum um. Er fand nichts, was sie vergessen haben könnte. "Ich sehe nichts mehr herumliegen." Dann, "Wir sollten los."

Lisa nickte und Elliot sah, dass sie nun einen dunkelgrünen Pullover an hatte, in dessen Größe ihre kleine Gestalt völlig verloren schien. Sie ging zu dem Sessel an der Wand und nahm die Navy-Jacke, die dort lag.

Elliot schulterte seinen Rucksack, den Rucksack, den er vor fünf Jahren für seinen Europa-Reise nach dem College gekauft hatte, den Rucksack, für den Beck ihn jedes Mal strafend ansah.

<NormaleLeutenutzenKofferundkeineRucksäckeDuTrottel>

Doch diesmal war Elliot froh, dass er ihn hatte, denn so konnte er ihre Tasche mit einer Hand tragen und sie mit der anderen führen. "Santa Fe, wir kommen", rief er, als sie durch den Korridor Richtung Ausgang gingen.

 

 

Als sie aus dem Zug auf den Bahnhof stiegen, versuchte Scully sich an seine Schritte anzupassen. Er war nicht so groß wie Mulder, aber er hatte einen schnelleren Schritt und sie fragte sich, wie viel Mühe sich Mulder jedes Mal geben musste, sich ihrem Schritt anzupassen. Elliot war auch nicht so wachsam wie Mulder und sie war schon zweimal gestolpert, weil er vergessen hatte ihr zu sagen, dass er die Richtung wechselte.

"Sorry", hörte sie ihn murmeln, als sie wieder einmal das Gleichgewicht verlor.

"Ist schon in Ordnung", erwiderte sie und nahm ihn fester beim Arm. "Man muss sich erst einmal daran gewöhnen."

Mulder hat allerdings nicht so lange dafür gebraucht, dachte Scully und wurde von einem Schütteln ergriffen, als sie wieder Angst um ihn bekam. Gleich von Anfang an waren seine Bewegungen geradezu natürlich auf ihre abgestimmt gewesen und das instinktive Vertrauen, das sie in ihn setzte, hatte ihre Furcht zu fallen deutlich gelindert.

<MulderMulderMulderichbrauchedich>

Scully verdrängte den Gedanken an Mulder und zwang sich, sich auf ihre momentane Situation zu konzentrieren. "Elliot, sehen Sie sich um", sagte sie leise.  "Sehen Sie irgendetwas Außergewöhnliches?"

"Was zum Beispiel?" Sie hörte die Verwirrung in seiner Stimme und versuchte zu erklären.

"Verdächtige Leute—irgend jemand, der uns anstarrt.... Oder Polizei. Leute in Uniform."

 

 

Elliot blickte sich auf dem Bahnhof um. Es war ziemlich voll, und jeder schien damit beschäftigt zu sein, in Eile oder Ruhe sein eigenes Ziel zu erreichen. Soweit er es beurteilen konnte, gab es niemanden, der sie besonders beachtete. "Ich sehe nichts Auffälliges", sagte er und sah zu ihr hinunter.

Lisa sah gespannt und besorgt aus. "Sind Sie sicher?"

"Ganz sicher", bekräftigte er. "Das einzige, was ich sehen kann, ist ein Sicherheitsmann von Amtrak. Aber er ist auf der anderen Seite und sieht gar nicht in unsere Richtung."

"Lassen Sie ihn nicht aus den Augen", war alles, was sie sagte, aber der Ton ihrer Stimme sagte ihm alles.

Elliot führte sie durch die Tür aus dem Bahnhof auf ein Taxi zu, das am Rand des Parkplatzes stand. "Wir müssen bis zum Busbahnhof ein Taxi nehmen ", erklärte er. Sie nickte und hielt neben ihm an.

"Wohin?" fragte der Taxifahrer, als er aus dem Wagen stieg, um ihr Gepäck zu nehmen.

"Busbahnhof", antwortete Elliot. Der Fahrer nickte und öffnete den Kofferraum. Elliot öffnete die Autotür und wartete, dass Lisa einstieg. Erst nach einem Moment merkte er, dass sie auf seine Hilfe wartete. Er half ihr hinein und murmelte eine Entschuldigung. Das wird nicht einfach, dachte er und kletterte neben sie auf den Rücksitz.

 

 

 

Mulder ging ruhelos in seiner Zelle hin und her. Jeder Muskel in ihm protestierte gegen die Gefangenschaft. Die Zelle war nicht groß und schon nach wenigen Schritten erreichte er das Ende und machte kehrt, um in die andere Richtung zu gehen.

Sein Gehirn arbeitete sogar noch schneller als seine Beine. Er dachte nur an eine Möglichkeit zur Flucht und dachte an alle möglichen Optionen. Jede schien düsterer als die vorherige.

Wenn sie sie gefunden hätten, würdest du es wissen...

Der Gedanke rotierte in Mulders Kopf, aber er wusste, dass es genügend Gründe gab, jegliche Information von ihm fernzuhalten.

Wenn sie sie gefunden hätten, würdest du es wissen...

Geh einfach davon aus, dass sie sie nicht gefunden haben, sagte er sich. Geh einfach davon aus, dass sie es nicht herausgefunden haben, und dass Scully immer noch im Zug ist.

<ichmußhierrausichmußzurückzuihrichmußichmuß>

Mulder seufzte und fuhr sich mit der Hand durch seine kurz geschnittenen Haare. Obwohl der Besuch des Frisörs ein wenig überraschend gekommen war, verstand er voll und ganz den Sinn dahinter. Beseitigen jeglicher Art von Verkleidung. Beseitigen jeder Möglichkeit, dass er ihnen entwischen könnte.

Wenn sie sie gefunden hätten, würdest du es wissen...

Wenn nicht, was wird sie dann ohne dich machen?

Der Gedanke warf sich in ihm wie ein Jojo auf und ab und pulsierte quälend in seinem Gehirn. Mulder sank zurück auf die Pritsche und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Wieder überkam ihn eine Welle von Schuldgefühlen, die ihn zutiefst erschütterte.

<Mulderichmeintewasichgesagthabeichliebedich>

Bevor er etwas dagegen tun konnte, rollte eine einsame Träne seine Wange herunter, die er ärgerlich mit dem Handrücken wegwischte. Für so was habe ich keine Zeit, dachte er. Überhaupt keine Zeit.

 

Scully saß neben Elliot auf dem unbequemen Sitz des Busses und lehnte ihren Kopf gegen das kühle Fenster. Ihre Augen waren geschlossen und sie war sich sicher, dass Elliot dachte, sie sei eingeschlafen, was ihr ziemlich gut passte. Er hatte den ersten Teil ihres Trips ununterbrochen auf sie eingeredet, und obwohl sie sich zuerst über die Ablenkung gefreut hatte, war sie jetzt froh, ihren eigenen Gedanken nachsinnen zu können.

Doch so sehr sie es auch versuchte, Scully konnte das enorme Gewicht der Schuldgefühle nicht von ihren Schultern nehmen, seit Elliot ihr seinen Plan vorgeschlagen hatte. Irgendwie schien es ihr nicht richtig, Mulder zurückzulassen. Nachdem sie tausend Ängste durchstehen musste, dass er sie verlassen könnte, konnte sie nicht glauben, dass sie ihm jetzt genau das antat.

Er könnte tot sein, flüsterte eine dunkle Stimme in ihrem Kopf. Sie haben ihn vielleicht umgebracht.

Scully verschluckte ein ärgerliches Schluchzen und versuchte, diesen hässlichen Gedanken zu verdrängen, in der Hoffnung, dass sich die Stimme irrte. Tief, ganz tief in ihrem Inneren, war sie sich sicher, dass er am Leben war. Vielleicht in Schwierigkeiten, aber am Leben.

Wenn er stürbe, würde ein kleiner Teil von ihr mit sterben.

Und das würde sie fühlen.

"Lisa? Alles in Ordnung?"

Scully hörte die Besorgnis in seinen Worten und versuchte zu lächeln.  Elliot war so nett zu ihr gewesen, so unglaublich rücksichtsvoll. Als sie am Busbahnhof angekommen waren, hatte sie gemerkt, dass sie ja keinen Cent Geld bei sich hatte. Und er hatte ohne zu zögern auch ihr Ticket mitbezahlt. "Ja", antwortete sie dankbar. "Wie weit ist es noch?"

"Hmmmm", machte Elliot und sie nahm an, dass er auf die Uhr schaute. "Noch etwa zwei Stunden. Wir haben gerade die Hälfte hinter uns."

Sie seufzte. "Wohnen Sie gerne so weit draußen?"

Elliot grinste. "Es ist gar nicht so weit. Besonders nicht, wenn man mit dem Flugzeug reist." Nach einer Pause, "Außerdem ist Santa Fe wunderschön und wir haben ein sehr schönes Haus."

"Wir?" Obwohl Scully nicht gerade in der Stimmung für eine Unterhaltung war, wollte sie sich von ihren dunklen Gedanken ablenken. "Sie und...."

"Rebecca", beantwortete Elliot ihre Frage. "Beck und ich und Coop—Cooper ist ein Freund von uns, mit dem wir zur Schule gegangen sind." Noch ein leises Lachen. "Die Miete ist ziemlich teuer, wissen Sie? Um so mehr um so lustiger, besonders, wenn man noch Schulden von der Schule abzuzahlen hat."

Plötzlich fiel ihr etwas ein. "Wie alt Sind Sie, Elliot?"

"Siebenundzwanzig", kam die Antwort. "Im Januar werde ich achtundzwanzig."

Er ist genauso alt wie Charles, dachte sie. "An welchem Tag?"

"Am dreißigsten", sagte Elliot. "Wassermann."

Sie verstummten beide und Scully konnte sich vage an irgendwelche Horoskope und astrologische Zeichen erinnern. An das ganze Zeug, an das Melissa so geglaubt hatte. Wassermann... ein Luftzeichen... Luftzeichen waren Schwerter...

Mit einem Mal fiel ihr alles mit einer schockierenden Klarheit wieder ein und Scully erinnerte sich an Lucys Prophezeiung, die Frau, die sie in New Orleans getroffen hatten. Sie erinnerte sich wieder an die Erklärung, die sie Mulder während der Lesung gegeben hatte.

"Der Ritter ist ein Mann in Lisas Leben... das könnten Sie sein, aber die Stellung der Karte weist auf zukünftige Ereignisse hin, also ist es nicht sicher. Jemand, der intelligent ist, mutig und fähig, der Probleme schnell und effektiv löst. Jemand, der ihr enger Verbündeter sein wird auf der langen Strecke, die vor Ihnen liegt."

Es machte jetzt alles einen unheimlichen Sinn, und Scully zitterte. Sie tastete nach unten auf dem Sitz neben ihr und suchte Elliots Hand. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und fühlte, wie er ihre Hand drückte.  Beruhigt, zumindest für den Moment, ließ Scully ein Seufzen der Erleichterung aus ihren Lungen.

 

 

"Sir?"

Rusty Hackett befand sich gerade mitten in einem Telefongespräch, als sich die Tür öffnete und der Blick der jungen Polizistin ihn den Anruf schnell beenden ließ. Er hatte kaum den Hörer aufgelegt, als sie es ihm sagte.

"Die Leute vom FBI sind hier, Sir. Sie fragen nach Ihnen."

Mit einem Wink entließ er die Frau, die den Raum verließ und die Tür hinter sich zuzog. Rusty blickte auf das Durcheinander auf seinem Schreibtisch und seufzte lang und tief. Naja, immerhin sind die nicht hier, weil ich einen Preis bei Schöner Wohnen gewonnen habe, dachte er.

Einen Moment später kehrte die Polizistin zurück und hielt die Tür für drei Männer in Anzügen auf. Der Mann, der zuerst das Büro betrat, war ohne Zweifel der kommandierende Agent, und Rusty bemerkte mit Anerkennung sein formales, wenn nicht geradezu militärisches Auftreten.

 

 

Rusty stand auf und begrüßte die Männer. "Guten Tag, die Herren. Ich bin Chief Hackett."

Als er ihm seine Hand entgegenstreckte, stellte sich der Mann mit "Walter Skinner, Assistant Director" vor, doch er erwähnte nicht die Namen der anderen beiden, die neben der Türe stehen blieben. Rusty nickte ihnen zu.  "Ich möchte mich bei Ihnen für die Diskretion bedanken, die sie in dieser Angelegenheit ausgeübt haben."

"Nun ja", gab Rusty zurück, "die Befehle waren ja deutlich. Und ich kann Ihre Vorsicht unter diesen Umständen voll und ganz verstehen."

"Was das angeht", erklärte Skinner, "möchten wir ihn fürs erste zurück nach Washington bringen und der ganzen Sache auf den Grund gehen." Nach einer Pause. "Ich möchte ihn sehen. Jetzt gleich."

Rusty sah ein erleichtertes Funkeln in Skinners Augen, das ihn nicht im Mindesten überraschte. Immerhin hatten sie bereits enorm viel Zeit und Aufwand in die Suche nach ihm investiert. Aber trotzdem lag noch etwas mehr in seinem Blick, etwas, dass ganz nach Aufregung aussah, und Rusty für einen Moment zögern ließ.

"Sicherlich, Sir", antwortete er. "Zuerst einmal allerdings—dürfte ich Ihre Ausweise sehen?" Er sah ihn nicht an. "Wie ich bereits sagte, die Befehle sind deutlich."

Skinner nickte, griff in die Innentasche seines Mantels und holte seinen FBI-Ausweis hervor. "Natürlich", sagte er und übergab Rusty seine ID.

Rusty schlug sie auf und las den Text auf der Innenseite. Assistant Director Walter S. Skinner stand da unter den Worten Federal Bureau of Investigation. Und das Bild war unumstritten das des Mannes, der vor ihm stand.

"Danke", bedankte sich Rusty und gab ihm den Ausweis zurück. "Wenn Sie mir bitte folgen wollen, er ist unten."

 

 

Mulder hörte das Geräusch der Außentür. Er saß auf und versuchte, nicht mehr an Scully zu denken, um seine Aufmerksamkeit dieser Unterbrechung zuzuwenden. Er versuchte sich zu konzentrieren und wachsam zu bleiben. Er wusste, dass er sich keine weiteren Fehler leisten konnte.

In dem Stück Korridor, das durch die halb offene Tür für ihn sichtbar war, konnte Mulder den rothaarigen Polizeichef sehen. Er redete mit einem Mann in einem Anzug, aber Mulder konnte nicht viel von ihrem Gespräch verstehen.

".... einen Moment alleine", sagte der Mann im Anzug.

"Sicher..." Die Stimme des Chiefs ging im Quietschen der Türe unter. Dann hörte Mulder ihn sagen, "... gleich hier draußen."

Der Mann im Anzug betrat die Zelle alleine und ließ die Außentür hinter sich zufallen. Mulder sah ihn neugierig an. Er war sich sicher, dass er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Er war groß und gut gebaut mit leicht europäischen Zügen. Er hatte volle schwarze Haare und dunkle, stechende Augen. Er war durch seinen olivfarbenen Teint und seine Gesichtszüge gewiss attraktiv, aber er hatte etwas Bedrohliches an sich, das sein gutes Aussehen zu etwas Düsterem und Unheilverkündendem machte.

"Viel Zeit ist vergangen, Agent Mulder", sagte der Mann, als er näher an die Gitterstäbe herantrat.

Mulder antwortete nicht und versuchte, das Spiel des Mannes zu durchschauen.

Erst als er ganz dicht an den Stäben stand, hielt der Mann an. "Haben Sie nichts zu sagen?" Er bewegte kaum seine Lippen, als er im Flüsterton fortfuhr. "Wenn Sie ihr helfen wollen, spielen Sie mit."

 

 

Christophe bemühte sich, das Grinsen nicht über sein Gesicht huschen zu lassen, als alle Farbe aus Mulders Gesicht verschwand. Dieser einfache Satz hatte eine noch bessere Wirkung, als er angenommen hatte.

Er sah zu, wie Mulder von der Pritsche aufstand und sich zusammennehmen musste, um in einem normalen Ton zu sprechen. "Wir haben eine Menge zu bereden, Sir. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll", zischte Mulder in demselben Ton wie Christophe, als er an die Trennung zwischen sich und dem Mann trat.

"Wo ist sie?"

Christophe lies sich nicht dazu herab, diese Frage zu beantworten, denn der Erfolg seines Plans hing von Mulders Bereitschaft ab, mitzumachen. Er ignorierte das Flehen in Mulders Augen und trat zurück. "Ich denke, wir werden auf unserem Weg  zurück nach Washington genug Zeit haben."

Mulder sagte nichts. Er sah verblüfft aus, also gab Christophe ihm noch einen Hinweis. "Ich musste an verdammt vielen Fäden ziehen, um Sie hier raus zu holen, Mulder. Aus irgendeinem Grund glauben die, dass ich ein viel zu nachsichtiger Assistant Director bin, um Sie sicher zurück zu schaffen."

Mulder verstand. In seinen Augen stand Misstrauen und für einen Moment fürchtete Christophe, dass er die Sehnsucht des Mannes, das Mädchen zu finden, überschätzt hatte.

Nach einigen langen Sekunden antwortete Mulder langsam. "Sie sind immer fair gewesen, Sir. Und unter den Umständen ist das alles, wonach ich sie bitten kann."

Christophe nickte sein Einverständnis. "Dann lassen Sie uns hier verschwinden."

 

 

X-9 X-9

 

 

 

 

ÜBER DEN GLEISEN (10/10)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

6/5/96

 

 

 

Der Bus kam ohne Zwischenfälle in Albuquerque an und Elliots innerliche Spannung wich, als sie in die Station einfuhren. Bald zu Hause, dachte er und lächelte bei dem Gedanken an Beck. Er half Lisa aus dem Bus und führte sie an eine ruhige Stelle, wo sie darauf warteten, dass der Fahrer ihr Gepäck aus dem Bauch des Busses holte.

"Und jetzt?" fragte Lisa, als sie ihre Taschen erhalten hatten.

"Das letzte Stück", gab Elliot zurück und sah auf die Uhr. "Wir werden zum Abendessen in Santa Fe sein." Sie nickte und er nahm sie beim Arm. "Komm", sagte er, "es ist nicht weit bis zum Parkplatz."

Er führte sie zu dem Parkhaus, wobei er sich zwang langsam zu gehen, damit sie mithalten konnte. Lisa schien äußerst nervös, sie erschrak bei jedem ungewohnten Geräusch. Elliot sah ihr an, dass sie müde war. Er war auch richtig erschöpft von der Reise und von der unterschwelligen Angst, die sie auf ihrem Weg begleitete.

Sie nahmen den Aufzug bis zum dritten Stock des Gebäudes und gingen dann auf die andere Seite der Parkfläche. "Hier sind wir schon", kündigte Elliot letztendlich an und stellte ihre Tasche auf den Boden, bevor er den Rucksack von seinen schmerzenden Schultern nahm.

Lisa streckte vorsichtig ihre Hand aus. "Elliot? Das ist kein Auto", sagte sie und die Überraschung stand ihr im Gesicht geschrieben.

"Nein", antwortete er und bewunderte stolz das Gefährt. "Es ist ein Motorrad."

"Ein Motorrad?"

Elliot konnte die Angst in ihrer Stimme hören und beeilte sich, ihr zu versichern. "Ja, ein Motorrad. Eine glänzende Harley. Aber keine Sorge. Sie ist in sehr guter Verfassung und mein ganzer Stolz. Und ich bin ein sehr guter Fahrer."

Lisa nickte schwach und sagte nichts.

"Vertrau mir, es wird nichts passieren." Elliot hob den Rucksack auf und machte ihn auf dem Gepäckträger des Motorrads fest. Dann nahm er auch ihre Tasche und befestigte sie sicher daneben. "Du solltest dir allerdings deine Jacke anziehen. Es wird ziemlich kalt auf dem Freeway."

Lisa nahm seinen Rat an und zog ihre Jacke an, so dass der Saum ihres Pullovers noch darunter sichtbar war. Es war alles ziemlich groß an ihr, aber es schien ihr nichts auszumachen.

Als Elliot mit dem Festzurren des Gepäcks fertig war, öffnete er den Sitz und holte die beiden Helme hervor. Zum Glück hatte er Becks auch mitgenommen. Er zog seinen Helm an und ließ den Verschluss unter seinem Kinn zuschnappen, dann wandte er sich Lisa zu.

"Du musst auch einen Helm anziehen, okay? Es ist nicht erlaubt ohne Helm zu fahren."

"Okay", antwortete sie. "Hilfst du mir?"

"Sicher", gab Elliot zurück. Lisa hielt still, als er ihr den Helm anzog und den Verschluss zu machte. Nicht zu eng. "In Ordnung so?"

Lisa nickte und Elliot war auf irgendeine Art überwältigt, wie viel Vertrauen sie in ihn setzte. Vertrauen, dass alles klappen würde. Naja, dachte er, immerhin hat sie nicht gerade die große Wahl.

Und genau dieser Gedanke ließ Elliot erkennen, dass wer immer sie auch war, Lisa war sehr, sehr mutig.

"Auf geht's", sagte Elliot und fühlte, wie Bewunderung für sie in ihm aufstieg. Er half Lisa auf den hinteren Sitz des Motorrads und setzte sie so, dass sie gegen das Gepäck lehnte. Dann kletterte er selbst hinauf und drehte den Schlüssel.

"Leg Deine Arme um meine Hüften", sagte Elliot, "und halt dich fest. Wir werden im Null-Komma-Nichts da sein." Er ließ den Motor aufheulen und lenkte das Motorrad aus dem Parkhaus.

 

 

Mit einigen anderen Agenten des FBI an seiner Seite ging Skinner mit festen Schritten in die Polizeistation von El Paso und hielt nur an, um an dem Empfang nach dem Weg zu fragen. "Ich bin hier, um mit Chief Russell Hackett zu sprechen", informierte er die Polizistin am Tisch mürrisch.

Sie blickte ihn etwas perplex an. "Und Sie sind?"

"Assistant Director Walter Skinner vom FBI."

Die Frau hob den Telefonhörer und wiederholte diese Information ruhig. Sie wartete einen Moment und legte dann auf. "Chief Hackett wird sogleich hier sein, Sir."

"Danke." Skinner trat von dem Empfang zurück, stellte sich neben die anderen Agenten an die Wand und versuchte seine Ungeduld abzuschütteln. Immer mit der Ruhe, sagte er sich. Du bist ja jetzt hier.

Bereits nach ein paar Minuten öffnete sich dir Tür und ein muskulöser, rothaariger Mann tauchte auf. Er hatte die Statur eines Profi-Footballers und einen hellen, intelligenten Blick. "Kann ich Ihnen helfen?"

"Ich suche nach Chief Hackett", sagte Skinner, der die Frage- und Antwort-Spielchen langsam satt hatte.

"Ich bin Hackett", erwiderte der Officer. "Und Sie sind?"

Skinner explodierte, unfähig, sich zu zügeln. "Skinner! Vom FBI! Mir wurde gesagt, dass Sie mich erwarten!"

"Kann ich Ihren Ausweis sehen?"

Die Antwort des Chiefs war so unerwartet, dass Skinners Wut etwas nachließ.  Er riss ein wenig überrascht seinen Ausweis aus seiner Innentasche und warf ihn dem Mann zu.

Hackett schlug ihn auf und las das Papier. Nach einer halben Ewigkeit gab er Skinner den Ausweis zurück. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Sir."

"Was Sie sagen *können* ist", fauchte Skinner und betonte jedes Wort, "dass sie mich auf der Stelle zu Agent Mulder bringen."

"Das kann ich nicht, Sir." Hackett erblasste.

"Und warum nicht?" brüllte Skinner, aber sein Tonfall war ihm jetzt egal.

"Weil wir ihn bereits entlassen haben—in Ihren Gewahrsam."

 

 

Sie sprachen auf der kurzen Fahrt kein Wort mit ihm, obwohl sich Mulder mehr als einmal darum bemüht hatte, ein Gespräch mit den Männern anzufangen. Doch als er einen Schlag ins Gesicht kassierte, hatte er es aufgegeben. Der Mann, der in seine Zelle gekommen war, saß diagonal vor ihm auf dem Beifahrersitz, und obwohl er von Zeit zu Zeit sich nach Mulder umwandte, sagte er, genau wie der Fahrer, kein Wort. Der dritte Mann neben ihm auf dem Rücksitz war ebenso schweigsam, doch Mulder verstand voll und ganz die Bedeutung der Waffe, die der Mann an seine Seite hielt. Gefesselt und immer noch im Gefängnisoverall, konnte er nicht mehr tun als warten.

Als der Wagen anhielt stellte Mulder überrascht fest, dass sie sich auf einem kleinen Flughafen befanden, auf dem ein Gulf Stream-Jet bereits mit laufenden Maschinen wartete. Mulder fegte der Wind um die Ohren, als der große Typ und der mit der Knarre ihn aus dem Wagen zu dem Flugzeug und die Treppen hoch führten. Mulder blickte über die Schulter und sah, dass der Fahrer bereits wieder mit dem Auto davon stob. Höchstwahrscheinlich in großer Eile, den fahrbaren Untersatz wieder loszuwerden.

Es waren keine weiteren Passagiere an Bord. Wie so viele andere kleine private Flugzeuge war dieses ausgestattet mit einigen komfortablen Sitzgelegenheiten und auch Sessel mit Tischen, die ideal zum Besprechen von Geschäftsangelegenheiten oder Brettspiele waren, je nach dem Zweck des Fluges. Der Mann mit der Waffe führte Mulder zu einem der Tische und drückte ihn in einen der Sessel. Er selbst setzte sich auf den daneben und hielt die Waffe weiterhin auf ihn gerichtet.

Der Große setzte sich Mulder direkt gegenüber, aber sagte nichts, bis das Flugzeug vom Boden abhob. Dann sprach er leise, kaum laut genug, um den Lärm der Motoren zu übertönen.

"Und, Mulder, wie fühlen Sie sich wieder auf dieser Seite der Schwedischen Gardinen?"

Mulder hatte keine Lust auf seine Spielchen und kam direkt zur Sache. "Wer sind Sie und was wollen Sie?"

"Sie können mich Christophe nennen", lächelte der Große. "Und Sie und ich, wir wollen beide dasselbe. Das Mädchen."

Jetzt sagte Mulder nichts mehr und wenn er nicht gefesselt wäre, hätte er große Mühe gehabt, sich davon abzuhalten, über den Tisch zu lehnen und das Lächeln aus seinem Gesicht auszuquetschen.

Christophe fuhr, augenscheinlich nicht durch Mulders Schweigen aus der Ruhe gebracht, fort. "Lassen Sie mich genauer sein. Sie wollen das Mädchen— wir die Diskette."

"Sie hat sie nicht."

"Da bin ich mir aber nicht so sicher", sagte Christophe ruhig und bemessen.  "Entweder hat sie sie bei sich oder sie hat sie irgendwo versteckt. Sie hatten sie ja nicht dabei, als Sie geschnappt wurden."

"Woher wollen Sie wissen, dass *ich* sie nicht versteckt habe?" konterte Mulder und sah einen winzigen Bruchteil einer Sekunde Unsicherheit in den Augen des Mannes.

"Das könnte natürlich sein", sagte Christophe. "Wenn dem aber so wäre, bräuchten Sie mir nur zu sagen, wo ich sie finden kann. Sagen Sie's mir und ich verschwinde—wie klingt das?"

Für einen Moment dachte Mulder daran zu bluffen. Er dachte daran, Christophe auf eine blinde Jagd auf der Suche nach der Diskette zu schicken, aber das bösartige Blitzen in den Augen des Mannes sagte ihm, dass er nicht drauf hereinfallen würde. Er traute Christophe nicht ein Stück, aber er war hundertprozentig davon überzeugt, dass er fest entschlossen war, die Diskette zu finden. Und dazu musste er Scully finden.

Mit oder ohne Mulders Hilfe. Mulder wurde schlecht. Er hatte keine Wahl.

Als ob es für Christophe die einfachste Sache der Welt wäre, seine Gedanken zu lesen, sagte er grinsend, "Mir scheint, dass es besser für Sie wäre, wenn wir Partner werden würden, Mulder. Ich werde Ihnen die Polizei so lange vom Hals halten, bis Sie sie gefunden haben. Dann geben Sie mir die Diskette und wir sind quitt."

"Ich weiß nicht einmal, wo sie ist", sagte Mulder und ihm wurde die schmerzliche Wahrheit in seinen Worten bewusst.

"Vielleicht nicht." Christophe lächelte hämisch. "Aber ich habe gehört, Sie seien ein ausgezeichneter Ermittler. Und Sie kennen sie besser als jeder andere. Ich bin sicher, dass Sie sie finden können."

Mulder wusste ohne Frage, dass er einen fatalen Fehler begehen würde, wenn er Christophe zu Scully führen würde. Er wusste, dass der Mann sich nicht einfach mit dem Erhalt der Diskette zufrieden geben würde. Er ahnte, dass Christophes Job erst beendet sein würde, wenn sie beide tot waren.

Aber andererseits, was könnte er sonst tun? Er war jetzt zumindest aus dem Gefängnis raus. Er hatte jetzt zumindest eine gewisse Freiheit, um nach ihr zu suchen.

Bitte, dachte Mulder und schloss für einen Moment die Augen. Bitte lass mich sie finden.  Am Leben. Und unversehrt.

"Haben wir einen Handel?" Christophes eiskalte Worte rissen ihn aus seinen Gedanken. Mulder öffnete die Augen und starrte in die Augen des Mannes.

Mulder wusste genau, worauf er sich einließ und antwortete letztendlich mit vor Qualen erstickter Stimme.

"Ja. Wir haben einen Handel."

 

 

Scully hielt sich an Elliot so fest sie konnte. Sie hatte die Arme um seinen Hüften geschlungen und ihr Gesicht in seinem Rücken vergraben. Der Kraft des Windes machte ihr Angst und sie fühlte sich, als würde sie jeden Moment von dem Motorrad geweht werden. Scully fühlte, wie es sich von einer Seite zur anderen lehnte, als sich Elliot seinen Weg an den vorbeifahrenden Autos vorbei bahnte. Ihr wurde schwindelig. Sie wusste, wie einfach er die Kontrolle über das Motorrad verlieren könnte und sie durch den Verkehr schlittern und gegen das nächste Hindernis knallen könnten, doch sie versuchte, nicht daran zu denken.

Die Tatsache, dass sie nicht sehen konnte, wo sie hinfuhren, machte alles nur noch schlimmer, und sie bangte, dass nicht nach jeder Ecke ein Unfall auf sie wartet. Die Geschwindigkeit und der Wind machten jede Unterhaltung unmöglich, also saß Scully zusammengerollt hinter Elliot und stellte sich vor, dass sie sich lediglich in irgendeinem dunklen Vergnügungspark befand, wie Space Mountain in Disney World, wo die Wagen jedes Mal sicher am Anfang der Strecke ankamen.

Nach einer halben Ewigkeit fühlte Scully, wie sie langsamer wurden und der Lärm des Windes und des Verkehrs ebbte langsam ab. Wir müssen da sein, dachte sie erleichtert. Nach etwa einer Minute merkte sie, wie sie anhielten und sie ließ Elliot los. "Sind wir schon da?" fragte sie aufgebracht.

"Noch nicht", erhielt sie als Antwort und ihr Herz zog sich zusammen. "Ich muss nur tanken."

"Oh", war alles, was sie sagen konnte.

Elliot drückte freundschaftlich ihre Schultern, als er abstieg und Scully zwang sich zu einem kleinen Lächeln. Sie wollte ihn nichts von ihrer Angst merken lassen, die sie wegen der Motorradfahrt hatte. Sie blieb still sitzen und wartete, als er den Tank füllte.

"Lisa?" fragte Elliot kurze Zeit später. "Ich muss rein gehen und bezahlen. Kommst du eine Minute alleine klar?"

"Sicher." Sie nickte.

"Ich lasse dich nicht aus den Augen. Die Wände des Kassiererhäuschens bestehen nur aus Fenstern."

"Alles gut, Elliot", sagte sie und hörte, wie sich seine Schritte entfernten.

Als er weit genug weg war, knöpfte Scully ihre Jacke auf und hob den Pullover darunter an ihr Gesicht. Sie zog die Luft ein und roch einen schwachen Hauch von Mulder und für einen Moment, einen kurzen Moment nur, konnte sie fast seine Arme um sich fühlen, die Erinnerung so lebhaft, dass es fast wirklich war.

<ichbinbesessenvondirDanaKatherineScully>

Sein Geruch, seine Hände, seine Stimme....

<jetztfürimmerinalleEwigkeit>

Scully fühlte die brennende Nässe in ihren Augen und sie kämpfte gegen die Tränen an. Sie knöpfte ihre Jacke wieder zu und hörte einen Moment später schon wieder Elliots Schritte.

"Alles klar", sagte er und schwang sich wieder auf das Motorrad. "Alles in Ordnung?"

Scully zwang die Worte durch ihren trockenen und zugeschnürten Hals. "Ja...  fahren wir weiter."

Sie fasste Elliot wieder um die Hüften und stützte sich, als das Motorrad wieder aufheulte. Erst als sie wieder inmitten der rasenden Autos auf dem Freeway waren, ließ Scully ihren Tränen freien Lauf. Aber sie weinte nur für einen Moment, sie wollte auf keinen Fall völlig zusammenbrechen. Nicht hier, dachte sie. Nicht jetzt.

Sie hatte Angst, ihren Griff um Elliot zu lösen, um ihre Tränen fort zu wischen, also hob Scully den Kopf und ließ den Wind ihr Gesicht trocken, ein stilles Gebet in ihrem Herzen, als sie die Straße hinunter preschten.

Mulder....

 

 

 

Ähhmmmm, das wär's für diesen Teil, Leute!! <Nic duckt sich, weil diverse Objekte durch den Cyberspace an ihren Kopf fliegen> Was??? Man sollte immer aufhören, wenn es am schönsten ist... außerdem sind meine Finger lahm.  <grins> Danke an alle, die dabei geblieben sind—ich hoffe, dass Ihr genauso großen Spaß beim Lesen hattet, wie ich beim Schreiben!! Wie immer, *bitte* e-mailt mir—Feedback makes the world go round!!!! :-)