BLIZZARD

 

von L.C. Brown ( LCBX5ME@aol.com )

 

aus dem Englischen übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de >

*** überarbeitet 2017 ***

 

Warnung: Diese Story-Serie ist nicht in Reihenfolge geschrieben. "Blizzard" ist irgendwo an Stelle 5 von 9 Stories—zumindest sieht es bis jetzt so aus. Also, vor dieser hier gibt's noch was, Leute, und noch VIEL mehr danach. Diejenigen unter Euch, die "Transfers" gelesen haben, wissen was ich meine.

Noch eine Warnung: Wenn Ihr keine tiefergehendere Beziehung sehen möchtet, solltet Ihr Euch vielleicht nicht mit dieser Story aufhalten. Und wenn Ihr Sex Erster Güte sucht, den gibt's hier nicht. Die Beziehung zwischen den beiden ist noch nicht SO weit.....Meine Version des Standard-Disclaimers ist, sich ganz tief in Richtung Chris Carter zu verbeugen. Er hat sich diese Charaktere ausgedacht, sie gehören Ten Thirteen und Fox benutzt sie (allerdings bin ich mir hier bezüglich der Legalität nicht sicher). Ich leihe mir Mr. Carters Figuren nur aus, und ich versuche, sie so seriengetreu wie möglich zu halten. Natürlich will er nicht, dass sie eine romantische Beziehung eingehen, aber fürs erste möchte ich diesen vorübergehenden Fehltritt ignorieren. Er wird schon zur Vernunft kommen.  :)

Bitte veröffentlicht diese Story nicht ohne meine Erlaubnis - ich werde höchstwahrscheinlich 'ja' sagen, wenn ihr mich gaaaanz lieb bittet, ein großes Bitteschön mit Zucker und Schlagsahne und Kirsche obendrauf. Und, wie jeder Autor, freue ich mich über Kommentare - gute oder schlechte - und wenn ihr wissen möchtet, was davor oder danach passiert.

On with the snow... Ich meine Show.

 

 

 

 

** Kapitel 1 **

 

 

 

Der Schnee fiel jetzt rascher, dichter. Sie blickte kurz hoch in der Hoffnung, ein Stückchen vom Himmel zu sehen, doch alles, was Scully abbekam, war ein weiterer Schwung überraschend schwerer Schneeflocken, die ihre Lider verklebten und in ihren Augen stachen. Sie zog die mit Fell umrandete Kapuze ihres Parkas noch ein wenig weiter über ihr Gesicht. In Aspen wäre dieses Wetter jetzt super. Aber das hier war nicht Aspen. Ihre Stiefel waren nicht sehr hoch und sie konnte mit jedem Schritt den Schnee spüren, der über den Fellrand bis zu dem Ansatz ihrer Jeans reichte.  Eigentlich sollte dieses Schuhwerk wetterfest sein, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie nicht für solch extreme Bedingungen gemacht worden waren.

"Du willst also 'Du bist Schuld' spielen, Mulder?" fragte sie offensichtlich die Ruhe selbst, während sie sich hartnäckig weiter durch den knietiefen Schnee kämpfte.

"Wenn du dich dann besser fühlst, bitte", bekam sie zur Antwort von dem großen Mann neben ihr. "Ich lasse dich sogar anfangen."

"Oh, klasse." Sie wusste, dass sie gereizt klang, aber das war ihr egal.

"Es deine Schuld, Mulder, weil du diesen dämlichen Bigfoot-Fall im eiskalten Nirgendwo angenommen hast. Assistant Director Skinner hat gesagt, dass wir ihn nicht nehmen müssten, wenn wir nicht wollten."

Mulder schüttelte den Kopf. "Es ist deine Schuld, weil wir wegen dir den ersten Flug verpasst haben. Wir könnten nämlich jetzt schon seit drei Stunden auf der Ranger-Station sein."

Scully hoffte, dass ihr Zähneknirschen das Knarren und Knirschen des Schnees nicht übertönen würde, als sie sich ihren Weg durch denselben bahnten.

"Es ist deine Schuld", sagte sie dann, "weil der Mietwagen deiner Wahl den Geist aufgegeben hat."

Sie konnte in der Kapuze seines dunkelblauen Parkas sein Gesicht nicht sehen, aber seine Stimme klang ärgerlich, als er ihr nach einem Moment antwortete. "Nein, es ist deine Schuld, weil du darauf bestanden hast, dass ich weiter versuche ihn wieder zum Laufen zu kriegen, nachdem er abgesoffen ist."

"Ich habe doch gesagt, dass ich etwas Komisches im Motor gehört habe und wenn du gleich auf mich gehört hättest..."

"Hey, weich nicht vom Thema ab", protestierte er, die 'Spielregeln' im Hinterkopf. Er reichte ihr eine helfende Hand, als sie in eine unebene Ritze stolperte.

"Sorry", entschuldigte sich Scully etwas außer Atem. Es wurde zunehmend schwerer, sichere Stellen zum Auftreten zu finden, und sie war jetzt so müde, dass sie kaum vorwärts kam ohne zu schwanken. "In Ordnung. Es ist aber deine Schuld, weil du die Motorhaube geöffnet hast, obwohl ich geraten hatte, es bleiben zu lassen. Ich habe doch gesagt, dass der Motor qualmt, und du hast es mir nicht geglaubt."

Mulder nahm einen tiefen Atemzug der eisigen Luft und blies sie in einer kalten Wolke wieder aus. "Es ist deine Schuld, weil du mich nicht das Zündeln ausmachen lassen hast. Dann hätten wir das Auto jetzt wenigstens als Unterschlupf, auch wenn der Motor nicht funktioniert."

"Du hättest ja nicht mitkommen müssen", bemerkte Mulder und verstummte dann, als Scullys nächster Schritt sie in ein hüfttiefes verstecktes Loch beförderte. Sie fuchtelte mit den Armen in der Luft, um dort herauszukommen und er musste sich zügeln, um den Anflug eines Grinsens auf seinem Gesicht zurück zu halten.

Misstrauisch sah sie ihn an, bevor sie schließlich seine behandschuhte Hand nahm. Mulder zog sie hoch und hielt sie für einen Moment fest, während sie ihre Füße wieder unter sich sortierte und er sich umsah, um sich ein Bild zu machen, wo sie gerade waren. Er hatte seine Arme um sie gelegt, um sie zu stützen, und er merkte, wie sie zitterte. Er war auch müde, aber es war offensichtlich, dass Scully keinen Schritt mehr tun konnte.

Es gab absolut keine Orientierungspunkte in der Landschaft. Der Wald war völlig still bis auf das stetige Fallen der Schneeflocken und die Windböen, die gelegentlich die schweren immergrünen Zweige umher wehten.

Scully seufzte. "Weißt du was? Es ist meine Schuld, dass ich nicht einfach dem FBI-Anwerben den Rücken zugedreht habe und keine hervorragende Chirurgin geworden bin."

Mulder ließ sie los und rieb sich ungeduldig den Schnee aus den Augen. Er drehte sich langsam im Kreis und blickte sich um. "Naja, eigentlich ist es meine Schuld, weil ich dem Bureau beigetreten bin, um Täterprofile von Serienmördern zu erstellen, anstatt selbst einer zu werden. In dem Fall würde ich wahrscheinlich mehr respektiert werden."

"Ohne Zweifel", sagte Scully trocken. "Aber du hast recht. Es ist deine Schuld."

Er warf ihr einen raschen Blick zu und grinste dann schulterzuckend. "Wie auch immer. Jedenfalls glaube ich nicht, dass wir uns noch auf der Hauptstraße befinden."

Scully nickte. "Wir sind wohl schon seit zehn Minuten oder so nicht mehr drauf. Der Schnee ist hier anders, irgendwie nicht so dicht. Vielleicht ist es irgendeine Nebenstraße."

"Und du hast es nicht für wichtig erachtet, etwas zu sagen."

"Hätte keinen Sinn gehabt. Du hättest mir ja ohnehin nicht geglaubt. Vor zehn Minuten warst du noch viel zu sauer über den Wagen, als das du dir irgendwelche Kommentare von mir angehört hättest."

Sein Schweigen war eine stille Akzeptanz ihrer Argumentation.

"Mulder, wie weit war es bis zur Rangerstation von der Stelle, an der das Auto liegt?"

"Ein bisschen weniger als drei Meilen, laut Landkarte."

"Tja, wir haben jetzt ungefähr eine Meile hinter uns, bei der wir uns mächtig viel Zeit gelassen haben. Und jetzt schneit es sogar noch mehr."

"Ich weiß", nickte er. "Und wir sind von der Hauptstraße abgekommen. Ergo, wir schaffen es nicht mehr bis zur Rangerstation."

Sie drehten sich um und sahen auf ihre Spuren, die sie im Schnee hinterlassen hatten und sahen dann auf zum Himmel... wo der Himmel eigentlich beginnen sollte. Die tiefhängenden Wolken waren satt mit Schnee angefüllt, und die Sonne ging schnell unter. Unter den Bäumen standen sie bereits im Zwielicht.

"Sollen wir wieder zum Auto zurück gehen?" fragte Scully, als die Stille zu lang wurde.

"Es wird viel zu dunkel sein, bevor wir überhaupt die Hälfte des Weges hinter uns haben", sagte Mulder wahrheitsgemäß. Es würde auch nichts bringen zu betonen, dass Scully es gar nicht schaffen würde, weil der Schnee immer tiefer wurde. Ihr war das auch klar.  "Ich denke, es ist besser, die Nacht über hier zu bleiben und morgen früh zurück zum Auto zu gehen."

Scully machte sich nicht die Mühe vorzuschlagen, dass er ohne sie zurückgehen sollte und ihr von dort aus helfen sollte, wenn es dunkel werden würde. Sie sah keinen Grund darin, ihre Puste zu verschwenden.

Während Mulder begann, immergrüne Zweige mit seinem Taschenmesser abzuschneiden, sah sich Scully im Umkreis nach einem Unterschlupf um und versuchte, trotz Funkloch in den hohen Bergen ein Telefonsignal in die Außenwelt zu bekommen.

"Wir haben immer noch kein Glück mit dem Telefon", berichtete sie letztendlich, als sie zurück an eine Tanne mit niedrig hängenden Zweigen kam, unter der Mulder abgeschnittene Äste und Zweige aufstapelte. "Und der Wind scheint sich zu drehen."

Ihr Partner sagte nichts, sondern verrückte den Berg von Ästen unter dem Baum, so dass sie besser vom Wind geschützt würden, wenn er in der Nacht stärker werden sollte.

Scully duckte sich, schlüpfte unter die niedrig hängenden Zweige und griff nach einem Ast, den Mulder ihr reichte. Der Schnee fiel auf die Kapuze ihres weißen Parkas, als sie die voll beladenen Äste streifte. Da Mulder zu groß war, um aufrecht unter dem Baum zu stehen, tat Scully ihr Bestes, um mit den Ästen, die er ihr gab, einen Unterschlupf zu bauen. Sie verflocht die abgebrochenen Äste mit den hängenden Ästen zu einem Windabweiser, der gerade so als Dach durchgehen könnte und hielt das Gebilde so klein wie möglich, um die Wärme so gut es geht darin zu halten.

"Es wird den Schnees größtenteils abhalten", sagte sie, als sie etwas später wieder hervor kroch und sich Tannennadeln von den Handschuhen klopfte, "aber meine Pfadfinder-Leiterin wäre wenig beeindruckt."

"Meine auch nicht", stimmte Mulder auf Händen und Knien zu, während er Schnee auf ihre Konstruktion hievte, um es zu stützen und zu isolieren.

"Zum Glück werden sie's nie erfahren."

"Hast du Angst, dein Überlebens-Verdienstabzeichen zu verlieren?"

"Nein. Meine Hausbau-Marke."

Scully lächelte ein wenig und bückte sich, um in die Öffnung des Unterschlupfes zu sehen. "Wir brauchen noch ein paar Astenden für den Bodenbelag. Etwas zwischen uns und dem Schnee zur Isolierung."

Sie richtete sich auf und sah, wie Mulder wieder sein Messer zur Hand nahm und in der beginnenden Dunkelheit reuevoll die Klinge ansah. "Es wird nie wieder so sein wie vorher. Dieses Gehölz ist so hart wie alte Wurzeln."

"Ich kaufe dir ein neues", versprach sie.

"Du hast mir das hier letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt", erinnerte Mulder sie und verschwand zwischen den Bäumen, um noch mehr Äste zu holen.

"Okay, also diesmal denke ich mit und schenke dir eine Machete. Oder möchtest du lieber ein Schwert - ein Samurai-Schwert vielleicht, wie das von diesem Highlander-Typen im Fernsehen."

"Nein, danke. Viel zu groß, um es mit sich herum zu schleppen."

Scully grinste. "Tja, du könntest es dort tragen, wo er es auch trägt", schlug sie vor.

"Das glaube ich weniger." Er zog eine Grimasse und warf ihr einen Blick über seine Schulter zu. "Meiner Meinung nach kann er nie Vater werden, weil er besagtes Schwert immer mit sich herum trägt."

Als Mulder mit einem Arm voll Baummaterial zurückkam, hatte sie bereits ihre Rucksäcke sicher im Unterschlupf verstaut. Sie lagen als Kopfstütze neben dem Baumstumpf. Sie hatte auch so gut es geht den Schnee beiseite geschafft und bemerkte zufrieden, dass die zusätzlichen Zweige den Untergrund etwas weicher machten. Hoffentlich würden die harzigen Zweige ihre Körperwärme nicht in den eisigen Boden entweichen lassen.

Das Problem war, dass der Unterschlupf von außen sehr schlecht zu erkennen war. Der einzige Hinweis, der auf sie schließen könnte, war der niedergetrampelte Schnee und die Bäume in nächster Umgebung, von denen die unteren Zweige abgerissen worden sind. Such- und Rettungsaktionen würden es jedoch nicht vor Anbruch des nächsten Tages schaffen, das war klar. Es war also noch genug Zeit darüber nachzudenken, sich sichtbarer zu machen. Im Moment zitterten ihre Beine so stark, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte. Es war bereits so dunkel, dass sie nur schwerlich Mulders uralte Geste "Ladies first" am Eingang der kleinen Hütte erkennen konnte.

"Es wird eng da drinnen, Mulder", warnte sie, als sie hinein schlüpfte.

"Das hoffe ich doch."

"Was?" kam ihre gedämpfte Antwort von drinnen.

Mulder kroch vorsichtig durch den Eingang und streckte sich der Länge nach umsichtig, um nicht die Seiten oder das Dach der Konstruktion zu erschüttern, neben ihr auf den Zweigen aus. "Ich sagte, ich hoffe doch, dass es eng wird, um uns warm zu halten. Ich glaube nicht, dass wir heute Nacht erfrieren, aber die Temperatur könnte morgen fallen, wenn der Sturm sich heute Nacht nicht austobt. Hast du Platz, um aufzustehen?"

"Ich denke schon", sagte Scully, während sie es ausprobierte.

"Kannst du diese Äste hier draußen vor den Eingang hängen? Es muss so wetterfest wie möglich sein."

Scully manövrierte ihren Weg an ihm vorbei und er machte sich so klein wie möglich. Als der Eingang effektiv gesichert war, kroch sie zurück und legte wieder sich neben ihn. Die Dunkelheit im Unterschlupf war fast absolut.

"Also, Mulder, hast du irgendetwas zu Essen dabei?"

"Sonnenblumenkerne?" bot er ihr an.

"Das ist kein Essen", sagte sie entschieden. "Ich habe Trail Mix, Rosinen, ein paar Äpfel und einen Schokoladenriegel."

"Schokolade, Scully?" Er hob eine Augenbraue. "Ist die etwa zu medizinischen Zwecken dabei?"

Sie ignorierte ihn. "Und ich habe eine Flasche Evian."

"Noch etwas?"

"Ein Erdnussbuttersandwich."

"Was, kein Kaviar?"

"Okay, Mulder, was hast du?"

"Eine Banane, eine Dose Rosinen, und eine Flasche Wasser. Wieso hast du so viel mit, Scully? Du hast gepackt als ob du wüsstest, was passieren würde."

Er konnte sie in der Dunkelheit überhaupt nicht sehen, aber er spürte, dass sie einen Bruchteil einer Sekunde zögert, bevor sie antwortete.

"Mulder, wenn ich mit die in die Wälder gehe, habe ich gelernt, mich auf das schlimmste vorzubereiten." Ihre Stimme klang übertrieben sorglos. "Und was jetzt?"

"Hast du Hunger?"

"Nein, nicht wirklich. Mir ist nur kalt und ich bin müde."

"Ich auch. Dann heben wir uns das Sandwich für morgen auf. Mach schon mal den Reißverschluss deiner Jacke auf. Ich will sehen, was für ein Verschluss das ist."

Scully hörte das Geräusch des Reißverschlusses und einen Moment lang fühlte sie Mulders Hände ihren Parka öffnen. Mulder grunzte zufrieden.

"Passt er?"

"Ja. Am besten ziehen wir unsere Arme aus den Ärmeln. Komm etwas näher und halt still für eine Sekunde."

Scully tat es und verrenkte sich in dem kleinen Raum, der ihr blieb, um aus den Ärmeln herauszukommen. Sie lehnte sich zu ihm und hielt still, als Mulder die Reißverschlüsse ihrer beider Jacken zusammenschloss. Als das geschehen war, zog er ihr auch ihre Kapuze über den Kopf, legte seine Arme um sie und zog sie nahe an sich heran.

"Okay?" fragte er.

"Ich glaub schon."

"Bald wird's besser. Im Moment ist es noch so, als würde ich einen Eiszapfen festhalten", beklagte er sich, aber sie konnte das Grinsen in seiner Stimme hören.

"Ich weiß, ich bin eingefroren." Ein Zittern durchlief sie, als der Schnee, der sich oben in ihren Stiefeln gesammelt hatte, schmolz und ihren Knöchel herunter rann. "Aber du bist warm", sagte sie ein wenig überrascht und hielt ihn fester in einer dankbaren Umarmung. "Fühlt sich gut an."

Mulder runzelte die Stirn, seine Hände bewegten sich geistesabwesend über ihren Rücken auf und ab in dem Versuch, etwas Wärme in sie zurück zu bekommen. Sie war viel zu kalt.

"Scully, was hast du unter deinem Sweater an?" fragte er nach ein paar Minuten.

"Hmm?" Sie klang verschlafen. "Ähm.... ein Flannelhemd, ein T-Shirt und einen BH. Warum?"

"Und keine lange Unterwäsche unter deiner Jeans?"

"Nein. Warum?"

"Weil ich vermute, dass du viel zu viel Körperwärme verlierst. Du hast eine Menge zu Essen mitgebracht, aber dich nicht dick genug angezogen. Heute Nacht sollte es neben mir eigentlich gehen, aber morgen..." Er zögerte.

"Ja?" hakte sie schläfrig nach einem Moment nach, als er nicht weiter sprach.

"Morgen denken wir uns etwas aus", versprach er und nahm sie enger, als sie wieder zitterte.

Sie müssen morgen da raus, dachte er grimmig. Scully war nicht sehr resistent gegen die Kälte, und ohne ein Thermo-Hemd, um den Schweiß ihrer Wanderung durch den Schnee aufzunehmen, hatte sie sich zweifellos unterkühlt. Wie viel Schnee würden sie heute Nacht noch abbekommen? fragte er sich im Stillen.

Unbewusst verstärkte er den Griff seiner Hände an ihrem Rücken und sie drehte sich etwas und legte ihre Wange an seine Schulter. "Alles in Ordnung, Mulder?" murmelte sie automatisch, um zu sehen, ob er okay war.

"Ja, Scully, mir geht es gut", sagte er versichernd. "Ist dir wärmer?"

"Mmmhmm."

Er lächelte ob dieser Lüge. "Schlaf ein."

Er dachte ein wenig über ihre Möglichkeiten nach - und davon gab es nicht viele - bis er sicher war, dass sie schlief. Als er sich etwas bequemer hinlegte, reagierte sie nicht, und er ließ seine Hände ihren Rücken hinab gleiten zu ihren Hüften, um sie in eine noch engere, intimere Umarmung zu nehmen. Scully regte sich im Schlaf und Mulder ließ sie ein Bein zwischen seine schieben.

Diese extreme Nähe war sowohl angenehm als auch unangenehm für ihn, bemerkte Mulder, und seine Hände ließen ein wenig lockerer, als sie ihr Gesicht auf der Suche nach Wärme in seinem Hals vergrub. Er hatte in der Vergangenheit immer zu vermeiden versucht, in sexueller Hinsicht über Scully zu denken, denn er wollte ihre Freundschaft, ihre Partnerschaft nicht durch Sex ruinieren. Das hatte er auch immer geschafft, gab er zu. Er hatte zwar einen oder zwei Träume gehabt, aber er hatte daran gearbeitet.

Momentan war er jedoch viel zu müde und es war ihm viel zu kalt, als das ihn irgendjemand oder irgendetwas anregen würde. Trotzdem musste er zugeben, dass sie sich sehr gut so nahe und in seinen Armen anfühlte.

Sie seufzte neben seinem Hals und griff für einen Moment enger um ihn, bevor sie sich wieder entspannte. Und dieses Mal waren die Bewegungen seiner Hände an ihrem Rücken weniger wärmend als sie streichelnd, tröstend waren. Nach einer Weile ging ihr Atem wieder ruhig ein und aus und er ließ seine Hände an ihrem unteren Rücken.

Wie ihr Körper so nahe neben seinem lag, fühlte er sich wieder einmal daran erinnert, wie klein seine Partnerin doch war. Er konnte sie fast gänzlich einhüllen, so dass sie in seinen Armen verschwand, dachte er. Aber immer wenn sie im Dienst waren, verschwand er nie viele Gedanken an ihre Größe.  Ihr kompetentes, professionelles und nicht emotionales Verhalten brachte einen dazu, völlig ihre geringe Körpergröße und ihr Geschlecht zu vergessen. Manchmal fragte er sich, was für einen Preis eine Frau wie Scully zahlen muss, um als Bundesagentin genau wie ein männlicher Agent ernst genommen zu werden. Er fragte sich manchmal, ob der Preis dafür nicht zu hoch ist.

Er selbst hatte ihre Kraft und Durchhaltevermögen erlebt, auf die er sich verlassen hatte, vertraut hatte, und manchmal in der Zeit ihrer Partnerschaft für selbstverständlich genommen hatte. Scully arbeitete hart als seine Partnerin, sie war in jeder Hinsicht gleichwertig. Er wusste, dass sie nicht wollte, dass er das Gefühl hat, sie beschützen zu müssen. Er wusste genau, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte, dass sie seine Hilfe nicht brauchte; er musste sich um sie nicht mehr als um andere Agenten sorgen. Und obwohl er einige Male für sie da gewesen war, hatte er immer das Gefühl gehabt, als würde seiner Unterstützung etwas fehlen. Er hatte dieses Gefühl, weil sie eine Frau in einer Männerwelt war, und sie soweit es ging niemals Schwächen zeigen würde. Sie wollte immer eine gewisse Kontrolle über die Situationen haben, in der sie sich befand, und Kontrolle über sich und ihre Emotionen. Er wusste, dass sie es hasste, sich vor ihm oder irgendeinem anderen Mann eine Blöße zu geben.

Und trotzdem hatte sie so viele Male hinter ihm gestanden und ihm geholfen, dass er aufgehört hatte zu zählen. Sie wollte lediglich nicht dasselbe von ihm als Wiedergutmachung. Er kam sich vor, als würde Scully immerzu geben und er immerzu nehmen.

Will sie keine Hilfe, fragte er sich schläfrig, oder hat sie Angst davor?  Hatte sie Angst davor was passieren würde, wenn sie ihre Fassade fallen ließ? Angst davor, was mit ihrem beruflichen Verhältnis passieren könnte - oder mit ihrem privaten?

Er musste in der Dunkelheit in sich hinein lächeln, und legte seine Wange auf ihren Kopf, wo er ihren Duft einsog. Scully würde ihm jetzt sicher die Leviten lesen, wenn sie wüsste, welche Gedanken er gerade hegte. Trotzdem wollte er ihr mehr geben als nur physische Unterstützung - das war für einen Mann immer einfach - sondern eine nicht so leichte Art von Hilfe.  Etwas, das sie annehmen würde. Vielleicht etwas mehr verbal...?

Mulder zuckte innerlich mit den Schultern und schloss die Augen. Er hatte keine Antworten, was die Frage nach seine Beziehung zu Scully betraf. Er war sich nicht einmal sicher, dass es da eine Frage gab. Er machte sich mehr Sorgen über den nächsten Morgen, und ob sie es mit ihm hier raus schaffen würde. Er war müde und die Probleme des nächsten Tages waren näher als ihm lieb war. Schlaf würde helfen. Hoffte er.

 

 

 

 

Scully wachte einmal in der Nacht auf, als ob sie aus tiefem Wasser auftauchen würde. Sie war sich nicht sicher, wo sie sich befand, in ihrem Kopf war alles verschwommen und wirr. Es war viel zu dunkel, um irgendetwas zu sehen, aber sie wusste, das der Geruch in ihrer Nase, das gleichmäßige Atmen neben ihrem Ohr, und die Arme um sie Mulders waren. Sie wusste nicht, warum er so dicht neben ihr lag. Sie hatte nur ein klammes Gefühl, dass ihr kalt war, aber sie wusste, dass Mulder sie fest hielt. Sie war beruhigt und ließ das Wasser wieder über ihrem Kopf zusammenschlagen.

 

 

 

 

 

 

 

 

** Kapitel 2 **

 

 

 

Als sie zum zweiten Mal aufwachte, war es plötzlich aus einem halb-vergessenen Traum.

"Scully?" Mulders Stimme in ihrem Ohr war schlaftrunken. "Scully, was ist los?"

"Nichts. Habe nur geträumt", murmelte sie nach einem Moment, während ihr das Bewusstsein ihrer Lage wieder in den Sinn kam. Für eine kurze Sekunde wollte sie nicht weg von wo sie gerade lag. Sie wusste, dass es wichtig war, dass sie so nahe beieinander schliefen, aber sie fühlte ein leises, schuldbewusstes Vergnügen an dem warmen Gewicht seines Körpers neben ihrem, sogar mit so vielen Lagen Kleidung zwischen ihnen. Sie wollte ihren Kopf nicht von unter seinem Kinn heben, ihr Gesicht vergraben in seinem warmen Hals...

Das waren gefährliche Gedanken, ermahnte sie sich ernst. Sie öffnete die Augen und drehte sich resolut von ihm weg. Sie würde nichts damit gewinnen, weiter darüber nachzudenken. Das war ihr bereits klar geworden, oder?

Als sie zu ihm aufschaute, sah Mulder sie nachdenklich an, sein Gesicht nur Zentimeter über ihrem. Scully behielt ihren Ausdruck neutral, als ob seine Nähe nichts Besonderes sei, lediglich eine Maßnahme, um zu überleben.

"Es ist hell draußen", kommentierte sie, als sie merkte, wie das Tageslicht durch die Ritzen ihres Unterschlupfes kroch.

Offensichtlich glaubte er ihr diese Bemerkung ohne weiteres.  "Warte eine Sekunde", sagte er nur.

Sie rückten ein wenig auseinander und Mulder zog die Reißverschlüsse ihrer Jacken auf. Dann steckten beide hastig die Arme in die jeweiligen Ärmel und zogen die Verschlüsse schnell wieder zu.

Steif setzte sich Scully auf und kroch über Mulders Beine zum Ausgang. Die Äste in der oberen Schicht waren schwer mit Schnee belegt, als sie diese beiseiteschob und hinaus schaute. Sie blinzelte in die weiße Landschaft und fand keine Worte.

Es war wunderschön, weiß und glatt wie Zuckerguss auf einer Hochzeitstorte. Schwer beladenes, gefrorenes Baumwerk zierte die ebene Oberfläche des tiefen Schnees und ein paar der kleineren Bäume bogen sich unter der Last des weißen Schnees. Ihre Spuren waren verschwunden, als ob sie nie existiert hätten. Der Wald war still und zeigte keine Anzeichen, wo der Pfad sein könnte. Es sah alles gleich aus, egal in welche Richtung man sah.

Und immer noch fiel Schnee. Und das, was sie vom Himmel sehen konnte, war ebenfalls schneebeladen.

"Oh, Gott", hauchte sie.

"Scully?"

Sie sah über ihre Schulter zu ihm mit großen Augen und blassem Gesicht. Dann wand sie sich ihren Weg aus dem Unterstand hinaus mit dem Gewissen, dass er direkt hinter ihr sein würde.

Ihre Füße fühlten sich wie Holzklötze an. Sie hätte nicht gedacht, dass sie sie noch einmal fühlen würde, und sie biss vor Schmerzen ihre Lippe, als sie aufstand. Sie schluckte den Schmerz so weit es ging herunter und schob mit den Armen den Schnee vom Eingang fort, so dass sie stehen konnten. Sie hatte ein wenig frei geräumt, und Mulder trat zuerst heraus.

Er sagte kein Wort, als er sah, wie viel es in der Nacht geschneit hatte. Er streckte seine behandschuhten Hände aus, legte sie auf ihre Schultern und zog sie rückwärts an sich heran, als ob er sie davon abhalten würde, ziellos durch den tödlichen Schnee waten zu wollen.

"Sie werden den Wagen finden", sagte er endlich. "Jemand hat bestimmt den Rauch vom Feuer gesehen."

"Ja", erwiderte Scully, doch sie wusste, dass es nur ein Echo seiner Zuversicht war, um sich selbst davon zu überzeugen. "Außerdem wusste man auf der Ranger-Station, dass wir kommen. Die haben sicher schon Such- und Rettungstrupps benachrichtigt."

Seine Hände griffen enger um ihre Schultern. "Sogar ohne Spuren werden sie herausfinden, wo wir sind", versicherte er ihr. "Warte mal kurz."

Er dauerte ein wenig, bis er sich den Weg durch den tiefen Schnee gebahnt hatte, in dem er bis zum Oberschenkel steckte, um einen Weg für seine kleinere Partnerin bis hinter einer Tanne zu schaffen, wo sie ein wenig Privatsphäre hatte. Als er steifbeinig den Schnee zur Seite schaufelte und wieder zum Pfad zurückkam, winkte er ihr, dass sie gehen könne.

"Beeil dich", sagte er kurz. "Und ruf mich, wenn du Hilfe brauchst", fügte er hinzu, als er ihr hinterher sah, wie sie sich den Pfad herunterbemühte, jeder Schritt unsicher und offensichtlich schmerzhaft. Er wusste, dass sie nie um Hilfe bitten würde. Und er wusste, dass sie nie imstande sein könnte wieder zurück zu wandern. Und er würde nie ohne sie gehen. Sie saßen in der Falle.

Während sie weg war, schlüpfte er rasch aus seinem Parka, dann aus dem übergroßen Sweatshirt, dem Flannelshirt und dem Rollkragenpulli darunter.  Ebenso das langärmelige Thermoshirt, und er stand in seinem T-Shirt da. Er rollte sein Unterhemd hoch und hielt es zwischen den Knien fest, während er alles andere wieder anzog. Die Kälte schnitt ihm in die Haut, und er verlor das meiste seiner akkumulierten Wärme.

Er machte gerade wieder den Reißverschluss seines Parkas zu, als Scully stolpernd wieder den Pfad zurück kam.

"Hier." Er drückte ihr das aufgerollte Shirt in die Hand. "Geh rein und zieh das an, über dein T-Shirt, unter dein Flannelshirt."

"Aber Mulder..."

"Keine Widerrede, Scully. Bitte. Ich habe mehr an als du. Also, entweder ziehst du das an, oder ich ziehe es dir an."

"Mulder..."

"Bitte, Scully."

Der Blick seiner Partnerin war in diesem Licht sehr schwermütig, als sie ihn unter ihrer Kapuze hervor ansah, aber nach einem Moment drehte sie sich um, ließ sich auf die Knie nieder und schlüpfte wieder zurück in den Unterstand.

Er zog die Schultern im Inneren seines Parkas zusammen und sah sich um. Es schneite immer noch schleppend vor sich hin. Nicht sehr viel, aber genug, um die Möglichkeit einer Rettung radikal zu senken. Die Bäume wuchsen hier sowieso zu dicht, als dass man sie von der Luft aus hätte sehen können.  Wenn sie gerettet würden, würden sie über die Hauptstraße kommen.

Die Straße, die hier raus führt. Wo war sie?

Mulder schloss für einen Moment die Augen und stellte sich die gestrige Szene vor: seine Lage, Scullys Lage... Er drehte sich langsam nach links, seine Augen immer noch geschlossen. Als die Bewegung und die Szene in seinem Kopf zusammen fielen, öffnete er die Augen. Er sah auf eine Lücke zwischen den Bäumen, die genauso wie ein Dutzend anderer Lücken um ihr Lager herum aussah.

Er zog einen Handschuh aus und die Kälte biss ihm in die Hand, bevor er sie in die Tasche steckte und eine kleine Dose orangefarbenes Markierungsspray herausholte. Gehe nie ohne aus dem Haus, dachte er ironisch, und markierte die Stelle vor ihrem Eingang für die Suchtruppen.

"Scully?"

"Ja?" antwortet sie nach einem Moment, ihre Stimme gedämpft, offensichtlich durch sein Hemd, das sie sich gerade über den Kopf zog.

"Hol' etwas zu Essen raus, okay? Ich bin gleich zurück."

"Mulder, geh nicht zu weit weg", sagte sie ernsthaft.

"Werde ich nicht. Ich will nur so viel vom Weg markieren wie ich ihn erkennen kann."

Er sprühte auf so viele Bäume wie möglich einen Pfeil, der in ihre Richtung zeigte, bevor der stärker werdende Schneefall und die zunehmende Kälte wieder zum Unterstand zurück trieben. Er klopfte so viel Schnee wie möglich von seinen Sachen ab, bevor er hineinkroch.

Scully war wieder vollständig angezogen, und die eng um ihr Gesicht geschnürte Kapuze verdeckte ihre leuchtend-hellen Haare. Wortlos bot sie ihm ein halbes Sandwich und einen Apfel an, als er sich neben ihr zurecht gesetzt hatte.

"Ich habe alles markiert", kommentierte er und biss in sein Sandwich. "Sie sollten keine Probleme haben, uns zu finden."

Scully machten eine unbeteiligte Geste und biss in ihren Apfel. Sie sah ihn an.

Sie sagte nichts, aber er sah, wie ihr Blick nachdenklich über sein Gesicht streifte. Erfrierungen, dachte er. Sie sucht nach ersten Anzeichen auf Nase und Wangen.

"Noch nicht", antwortet er auf ihre nicht geäußerte Frage. "Wir haben dicht genug beieinander geschlafen, um Erfrierungen im Gesicht zu haben und heute waren wir auch nicht lang genug draußen. Aber unsere Füße..." Er sprach den Satz nicht zu Ende.

Sie nickte, knabberte weiter an ihrem Apfelkitsch und versuchte, nicht zu sorgenvoll zu erscheinen. "Die größte Gefahr ist tauen und dann wieder einfrieren", sagte sie. "Und Schwellungen. Wir sollten also nicht unsere Schuhe ausziehen, auch nicht, um Nachzusehen."

Sie saßen einige Minuten wortlos nebeneinander, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, was passieren würde, wenn sie nicht gefunden würden.

"Die Temperatur fällt schon wieder, stimmts?" sagte sie letztendlich.

Mulder nickte und aß die letzten Reste seines Apfelkitsches.

"Noch mehr Schnee?"

Er nickte abermals und sah sie unverwandt in dem halb-dunklen Unterschlupf an.

"Könnten wir ein Feuer machen?"

"Ich habe nach Holz gesucht, als ich eben draußen war. Der Schnee ist zu tief, und die paar Äste, die da sind, sind zu grün oder zu feucht."

Ihr Blick traf seinen und hielt ihm stand. Sie leugnete nicht, dass sie Angst hatte.

Sie seufzte tief. "Hast du Lust auf Rätsel?" fragte sie schließlich. "Es wird uns beschäftigen."

Mulders Blick fiel auf ihren Rucksack, in dem sie kramte und ein abgegriffenes Rätsel-Buch, einen Stift und eine Taschenlampe hervor holte.  Er wusste, dass sie sich nur ablenken wollte, sie beide so lange beschäftigen wollte, wie sie konnte, bevor die Kälte ihnen die letzte Energie und das klare Denken raubte.

"Sogar das ist etwas, wo ich durch muss", sagte sie sarkastisch.

"Ich bin bereit für Stufe drei", sagte Scully mit extra kräftiger Stimme, damit er sich weniger Sorgen macht, und drückte ihm das Buch in die Hand mit einem Lächeln, das ihn mehr erwärmte als jedes Feuer es hätte tun können.

Mulder sah in dem Licht der Taschenlampe auf die aufgeschlagene Seite und las vor: "'Zehn Freunde, von denen jeder in einer andere Stadt zieht...' Scully, das ist doch nicht..."

"Lies weiter, Mulder."

Er seufzte und fuhr fort. "'Fünf von ihnen schicken eine E-Mail zu den anderen fünfen. Die ersten fünf sind drei Männer und zwei Frauen, sie zweiten fünf sind drei Frauen und zwei Männer. Bestimmen Sie von diesen sechs Hinweisen die Absender, die Empfänger und die Stadt eines jeden Senders.' Scully, wenn ich nicht vor Kälte sterbe, dann vor Langeweile."

"Der erste Hinweis", fing sie an und ignorierte sein Motzen, "ist: Rebecca, die einem Mann eine Nachricht schickt, ist nicht diejenige, die die Nachricht nach Reno, Nevada schickt."

 

 

 

Der Tag schlich dahin, und die beiden Agenten arbeiteten sich tapfer durch das Rätsel-Buch. Mulder merkte, dass Scully einen gewissen Spaß darin hatte ihn anzutreiben, und er ließ sie gewähren. Sie schafften es bis Stufe vier, bevor sie sich für die Nacht bereit machten.

Obwohl es ihr nicht passte bei diesem Sturm herauszugehen, wagte er sich kurz heraus, um nachzusehen, ob seine Wegweiser nicht vom Schnee verdeckt waren. Das muss der Höhepunkt des Sturms sein, stellte er optimistisch fest. Er würde bald verstummen.

Als er wieder zurück in den Unterschlupf kroch, kramte er in ihrer Tasche nach dem Schokoriegel und gab ihn ihr wortlos. Sein Gesichtsausdruck in dem schummrigen Licht der Lampe warnte sie, ihm keine Widerworte zu geben. Sie aß ihn ohne Protest und blinzelte hin und wieder, ihr Blick zur mit Eiskristallen bedeckten Decke, um nicht einzuschlafen. Der Dunst ihres Atems war auf den Ästen über ihnen gefroren und der angesammelte Frost glitzerte wie Diamanten, bevor er die Taschenlampe ausmachte.

"Mir ist gar nicht mehr so kalt wie vorher", sagte sie, und wusste, was das bedeutete.

Er nickte wortlos und half ihr dabei, ihre Arme aus dem Parka zu bekommen, bevor er seinen auch auszog und sie für die Nacht wieder zusammen machte. Dieses Mal steckte er ihre Hände und Unterarme unter sein Sweatshirt, so dass sie zwischen ihnen lagen und gewärmt wurden, und zog sie zu sich heran. Sie schlief schon fast bevor er mit der Aktion fertig war.

Ohne darum gebeten worden zu sein, fielen seinem photographischen Gedächtnis laufend sachdienliche Informationen ein, so dass er nicht zu Ruhe kommen konnte.

'Erfrierungserscheinungen sind die Maßnahme des Körpers, um Wärme zu sparen, indem er die Blutzufuhr zu den Extremitäten stoppt. Leider weiß man während des Entstehungsprozesses wegen der starken Lähmung nicht unbedingt, dass man Erfrierungserscheinungen hat.'

'Unterkühlung beginnt bei einer Temperatur von 35,6°C. Zu den Symptomen gehören Schüttelfrost, Lethargie, ein langsamer Puls und verminderte Wachsamkeit.'

Mulder hielt sie die ganze Nacht über fest, wach gehalten von dem Wind, der durch die Bäume pfiff. Es hörte sich an, als ob der Sturm lebte. Als ob er auf der Suche nach ihnen war. Er fürchtete, dass er Scully gefunden hatte.

 

 

 

 

 

Er hatte Mühe, sie am nächsten Morgen zu wecken. Als sie endlich wieder bei Bewusstsein war, machte er sich gar nicht die Mühe, nach draußen zu gehen. Er wusste, dass sie nicht viel länger aushalten würden.

Stattdessen stellte er ihr noch mehr Aufgaben, um sie wach und so aufmerksam wie möglich zu halten. Sie teilten sich den letzten Müsliriegel, und die Stunden schleppten sich dahin. Sie waren bei Stufe sechs angelangt, als er inne hielt - seine behandschuhten Hände waren zu taub, um den Stift noch länger zu halten. Er sah zu Scully, die neben ihm lag.

Ihre Augen waren noch offen, sie blinzelte noch, aber seit Mittag hatte sie nur mit großer Anstrengung Antworten auf seine Fragen gegeben, und während der letzten Stunde hatte sie ihm nur einsilbig geantwortet - wenn überhaupt.

Mulder legte das Rätsel-Buch und den Stift mit langsamen und staksigen Bewegungen weg. Seine Lippen waren fest zusammengepresst vor Wut auf die Hilflosigkeit, als er mit beherrschter Gewalt seine Arme aus dem Mantel zog. Scully reagierte nicht, versuchte nicht ihm zu helfen, als er sie von ihrem Parka befreite und ihre Jacken zum wohl letzten Mal zusammenzippte.

Mit sanften Händen zog er sie abermals in eine innige Umarmung, und versuchte das regelmäßig auftauchende Schütteln zu lindern, das sie durchlief. Er war sich bewusst, dass er selbst nicht weit von diesem Stadium entfernt war - ihm war auch nicht mehr so kalt wie zuvor.

Sie würden nicht rechtzeitig gefunden werden. Das wusste er jetzt.

Und alles nur wegen einer Bigfoot-Sichtung von zwei Rangern, dachte er bitter. Sogar er glaubte nur halb an Bigfoot. Der Großteil der Beweise war nicht überzeugend und fast alles, das er gesehen hatte, war kaum haltbar und offensichtlich Fälschungen.

Also warum hatte er Scully in die letzte Ecke vom frostigen Niemandsland geschleppt, obwohl sie so wortgewandt dagegen gesprochen hatte, ein Phänomen zu untersuchen, an das er selbst nicht einmal glaubte, und das Verschwinden eines Jugendlichen, das die klassischen Anzeichen einer Familienzwist oder eines Kinderstreiches aufwies? Weil einer der Ranger einen Bruder beim FBI hat, der speziell Mulder für diesen Fall verlangt hatte, was Skinners Hohn gefördert und Mulder sauer gemacht hatte. Scully hatte Recht gehabt. Es war seine Schuld, gab Mulder zu.

Er hob seinen Kopf für einen Augenblick, um sie in dem schummrigen Licht der Höhle anzusehen. Ihr Gesicht war sehr blass, ihre Venen waren blau unter ihrer durchsichtigen Haut an ihren Schläfen und Augenliedern. Sie sah aus, als sei sie aus kaltem, weißem Marmor gemacht.

Er vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge und umfasste ihren Körper enger, schützender, während der Sturm draußen mit einer solchen Kraft fegte, die sie auseinanderziehen könnte. Er nahm an, dass die Intimität der Umarmung genauso emotional war, wie körperlich. Aber es kam zu spät - sie spürte es nicht mehr.

Es gab einige Dinge, von denen er wünschte, ihr gesagt zu haben. Es tat ihm Leid, dass er nicht fähig gewesen war, sie in Worte zu fassen, aber er hoffte, dass sie es auch so wusste. Scully war schon immer gut darin gewesen, ihm Sachen von der Nasenspitze abzulesen. Er hoffte wirklich, dass sie es wusste.

Er konnte nun auch nicht mehr allzu klar denken, merkte er und lächelte schwach. Sein Mund berührte ihr Haar.

Als er langsam in den Schlaf glitt, fragte er sich, ob dieses überwältigende Gefühl der Hilflosigkeit und ohnmächtiger Wut dasselbe war, das Scully in jener Nacht auf dem Schiff in der Nordsee empfunden hatte, als sie mit ansehen musste, wie er einschlief mit dem Gewissen, dass er nicht mehr aufwachen würde, und es nichts gab, das sie tun könnte, um ihm zu helfen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

** Kapitel 3 a **

 

 

 

Licht schien auf seine geschlossenen Augenlider. Diffuses Licht, stellte er betäubt fest. Er wusste, dass er jetzt aufwachen sollte, aber es war so schön warm und der Schlaf war zu angenehm, um die Augen auf zuschlagen.

"Bist du okay, Mulder?" wollte Scully wissen, ein Hauch von Lächeln in ihrer Stimme.

Er schlug die Augen auf. "Ja, ich bin in Ordnung", sagte er automatisch, ohne wirklich davon überzeugt zu sein.

Er saß aufrecht auf einer bequemen Couch neben Scully in, wie es schien, einem Krankenhauswartezimmer. Es war sauber, unpersönlich, ohne Fenster und einer Lichtquelle, die Mulder nicht ausmachen konnte. Hinter der offenen Tür war ein langer leerer Gang, dessen Ende man durch die Dunkelheit nicht sehen konnte. Zahlreiche Stühle, Tische und Sofas standen in dem großen Raum herum, aber er und Scully waren die einzigen Menschen darin. Keine Ärzte, keine Schwestern, keine Patienten, keine wartenden Angehörigen - weder in dem Raum, noch im Gang. Nach der Ruhe zu urteilen musste es mitten in der Nacht sein, nahm er mit seinem benebelten Verstand an.

Erinnerungen an den Sturm überfielen ihn mit einer solchen Plötzlichkeit, die ihn überraschte. Rasch stand er auf, bewegte seine Finger und tat ein paar Schritte. Er fühlte keine Kälte oder Lähmung. Er fühlte sich sogar richtig gut. Er hatte keinen Hunger, er war nicht müde, er war nicht....  Dann schaltete sich sein natürliches Misstrauen ein. Warum fühlte er sich so gut, nachdem er fast erfroren war? Es müssten doch Rückstände geben, selbst wenn sie gerettet worden waren kurz nachdem er das Bewusstsein verloren hatte. Er sah sich in dem Raum um, aber sein Parka und seine Handschuhe waren nirgendwo zu sehen, und als er seinen Ärmel hochkrempelte, um auf die Uhr nach Zeit und Datum zu sehen, war diese verschwunden.

"Meine Uhr ist auch weg", half Scully aus. "Ich bin hier vor einer Weile aufgewacht. Du warst auch hier auf der Couch neben mir, aber du hast so fest geschlafen, dass ich dich nicht wecken konnte. Es hat niemand geantwortet, als ich gerufen habe, und ich wollte dich nicht allein hier lassen, um in diesem Gang da drüben nachzusehen."

Mulder sah sie nachdenklich an. Sie hatte ihren dicken Baumwoll-Sweater, Jeans und Stiefel an, nur ihr Parka und ihre Handschuhe fehlten, um sie so aussehen zu lassen, wie er sie vor... wie lange ist das her gesehen hatte?  Sie hatte auch wieder Farbe im Gesicht, bemerkte er, und die Angst in ihren Augen war ebenfalls fort. Sie sah ruhig aus und ein wenig amüsiert durch seine Verwunderung.

"Okay, ich gebs auf", sagte er schließlich. "Wo sind wir? Was ist passiert?"

"Ich weiß nicht genau, was passiert ist, und ich habe nur eine vage Idee wo wir sind." Sie zögerte, bevor sie weiter sprach. "Ich war schon mal an einem ähnlichen Ort. Damals, nach meiner Entführung, als ich fast gestorben war. Ich glaube, das hier ist eine Art Wartezimmer, Mulder."

Er sagte nichts für einen Moment und versuchte sich daran zu erinnern, dass er derjenige war, der an das Unglaubliche glaubte. "Glaubst du, dass wir tot sind?"

"Nein, glaube ich nicht", antwortet sie langsam, unsicher. "Noch nicht. Auf der Schwelle, jedoch - daher auch das Wartezimmer."

Mulder dachte über ihrer Worte nach, sein Blick auf ihr Gesicht gerichtet, aber er sah nachdenklich ins Leere. "Du denkst, wir sind in einem hypothermischen Koma und es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir wirklich tot sind und es kein Zurück mehr gibt."

"Soweit ich das beurteilen kann, ja", nickte sie. "Mir fällt keine bessere Erklärung ein."

"Hmm. Also das ist ein Erlebnis von Todesnähe" sinnierte er und sah sich mit erhöhtem Interesse um. "Ich habe viel darüber gelesen, aber diese Erfahrung—ein Wartezimmer dieser Art—ist nirgendwo aufgeführt. Es gibt meistens Erfahrungen, den Körper verlassen zu haben oder sich auf ein helles Licht zuzubewegen, wo man seine Lieben findet und all solche Sachen." Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder ihr zu, und sein Blick verschärfte sich, als er sie ansah. "Ich habe mich immer gefragt, was du wohl erlebt hast, als du so lange bewusstlos warst. Jetzt sagst du, du warst an einem ähnlichen Ort. Was hast du gesehen, Scully?"

"Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern", sagte sie ausweichend, rückte etwas umher auf der Couch und nutzte die Gelegenheit, um von ihm weg zu sehen. Sie wollte ihm eigentlich nicht mehr sagen, aber jetzt gab es doch keinen Grund mehr, es vor ihm geheim zu halten, oder? Wo auch immer sie vorher gewesen war, sie war jetzt wieder dort. Nur dieses Mal war Mulder mit ihr da.

"An was kannst du dich erinnern?" fragte er geduldig. "Ein Licht? Außerhalb deines Körpers auf der Intensivstation zu sein?"

"Wie ich schon sagte, ich weiß nicht mehr genau", antwortet sie mit derselben Geduld. "Ich fühle mich ziemlich entfernt von all dem. Ich kann mich an ein Licht erinnern, aber es war nicht das klassische helle Licht am Ende eines Tunnels. Nur ein Licht, das auf mich hinabschien und mich wärmte. Und ich weiß, dass mein Vater mit mir dort war. Und dann wachte ich auf." Die Bilder waren fast augenblicklich verschwunden, erinnerte sie sich. Es war schwer jetzt überhaupt etwas davon wieder heraufzubeschwören. Sie wusste auch, dass es noch viele andere Dinge gab, die sie gesehen und gehört hatte, an die sie sich nun gar nicht mehr erinnern konnte.

"Du hast also ein Licht gesehen und bist einer nahe stehenden Person begegnet." Er runzelte nachdenklich die Stirn. "Warum passiert uns das jetzt nicht? Und warum erfahren wir das hier, was immer das auch ist, zusammen anstatt getrennt?"

Scully zuckte die Schultern. "Ich habe keine Ahnung, Mulder. Ich bin kein Experte in solchen Sachen, abgesehen davon, dass ich es selbst schon einmal erlebt habe."

"Es ist möglich", sagte er langsam, "dass das anderen Leuten auch passiert, aber sie können sich nicht mehr daran erinnern, wenn sie aufwachen."

"Vielleicht wachen sie gar nicht auf", wies sie ihn darauf hin. "Vielleicht gehen sie von hier aus einfach weiter."

Er sah sie einen Moment lang an und fing dann an, den Raum zu durchstreifen, ihn auszukundschaften, und befühlte vorsichtig die nahtlosen Wände. "Glaube ich nicht. Ich glaube, es gibt immer noch eine Möglichkeit, wieder zurück zu kehren."

"Wie? Wenn du eine Möglichkeit siehst, uns aus diesem verdammten Schnee herauszubekommen und sicher wieder aufzutauen, lass es mich wissen, Mulder." Sie wartete auf eine Antwort, doch er blieb still. "Ich glaube nicht, dass wir rechtzeitig gerettet werden. Wir werden sterben.  Es macht keinen Sinn zurück zu gehen, wenn es nichts gibt, zu dem man zurück gehen kann."

"Das wissen wir nicht", sagte er stur. "Menschen haben schon schlimmere Situationen überlebt...."

"Ja", stimmte sie zu, "aber diese Fälle stehen in den Schlagzeilen, weil es so wenige davon gibt."

Ihr Partner kam langsam zurück zur Couch und setzte sich wieder hin, eine Falte zwischen seinen Augenbrauen.

"Wir haben nichts, wohin wir zurück gehen könnten, Mulder", fuhr sie sanft fort.

"Andere Leute werden unsere Plätze einnehmen, unsere Arbeit machen, deinen Untersuchungen nachgehen. Das Leben wird weitergehen. Und wir werden auch weitermachen. An einem anderen Ort."

Ungeduldig fuhr er sich mit seiner Hand durch die Haare. Er wollte sie nicht so reden hören, aber es machte Sinn. Er wusste nicht, wie sie hier rauskommen könnten. Sie waren hier genauso gefangen wie zuvor in dem Schneesturm. Aber er war nicht bereit zu sterben. Er war nicht bereit dazu hier weiterzumachen.

"Ich fühle mich aber nicht tot", sagte er. "Ich fühle mich immer noch lebendig."

"Und?"

"Und ich denke ich würde mich... anders... fühlen, wenn ich sterben würde."

"Hat dir jemand Informationen darüber vom Jenseits geschickt, als ich nicht hingesehen habe?" fragte sie mit einem Grinsen. "Mulder, du weißt nicht mehr über ein Leben danach als der Rest der Lebenden. Wir können gar nicht wissen, was uns erwartet."

"Vielleicht nicht. Aber es gibt gewisse Dinge, von denen ich Erwartungen habe", sagte er dickköpfig.

"Und die wären?"

"Einfach ein paar Dinge." Jetzt wich er aus, merkte er. Er glaubte, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um Vergleichstheorien über das Konzept von Leben und Tod zu diskutieren, ob mit oder ohne religiöse Nebenbedeutungen. Aber das Leben—wenn man es so nennen konnte—in diesem Wartezimmer war anders als er es von einer aus-dem-Körper-heraus Erfahrung erwartet hatte. Erstens konnte er immer noch seinen Körper spüren. Er konnte sein Eigengewicht fühlen, als er umher ging. Er blinzelte. Er konnte seine Muskeln sich spannen fühlen, als er eine Faust machte. Er nahm zu viele Empfindungen wahr, um tot zu sein, oder fast tot zu sein.

Und er hatte unter keinen Umständen vor, sein Leben einfach so aufzugeben. Es gab noch zu viel, das er aus seinem Leben machen wollte, um einfach so hinnehmen zu müssen, was dieses Wartezimmer wohl bedeuten mochte. Er wollte gar nicht wegen seiner Arbeit zurück. Dessen war er sich im Klaren, ohne ein zweites Mal darüber nachdenken zu müssen. Es war nicht einmal Samantha, die ihn davon abhielt, sich mit dieser Situation abzufinden, und das überraschte ihn ein wenig. Der Drang, Samantha zu finden, hatte an diesem Ort seine Stärke aufgegeben. Seine Besessenheit wegen ihr, wegen seiner Arbeit, war verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Es war belanglos, sich um all diese Dinge Sorgen zu machen, weil es doch etwas gab, das ihn viel mehr zu schaffen machte und ihn nachdenken ließ.

Aber was dieses Etwas war, das er in Reichweite spürte, an das er aber doch nicht herankommen konnte, konnte er nicht bestimmen. Er konnte seine Wichtigkeit spüren, er sehnte sich sogar danach, aber er konnte nicht wirklich....

"Mulder?" Sie sah ihn interessiert an, als er mit seinen Gedanken beschäftigt war.

"Eine Sekunde", sagte er kurz, schüttelte den Kopf und versuchte, seine Gedanken zu sortieren.

Es war etwas, über das er vorher auch schon nachgedacht hatte, in dem Unterstand während des Blizzards. Er ging die Zeit darin noch einmal durch, von vorne bis hinten, und siebte seine Erinnerungen nach dem Wichtigen durch, das so stark war, dass es sogar seinen Wunsch überwog, seine Schwester wiederzufinden.

Er schloss die Augen, um sich besser erinnern zu können, sonderte sich von der Sterilität des Wartezimmers ab, um besser das Echo der Kälte hören zu können, besser den Duft der harzigen Äste riechen zu können, aus denen der Unterstand gebaut war. Und er konnte fühlen....

Ruckartig öffnete er die Augen und stand auf. Er wusste jetzt, was er empfunden hatte. Er konnte sich jetzt wieder an das erinnern, das die Neuartigkeit ihrer gegenwärtigen Umgebung kurzzeitig von seinem Gedächtnis verdrängt hatte.

Die Wärme dieser Erinnerung schwand ebenfalls nicht. Sogar hier, offensichtlich nicht mehr in seinem Körper mit dem Wunsch zu sterben, konnte er diese Wärme spüren. Seine klarste Erinnerung war, Scully in seinen Armen zu halten, so dicht er konnte, seine Versuche, sie zu wärmen, seine Angst, dass sie es nicht überleben würde, seine ihr völlig zugewandte Aufmerksamkeit. Trotz der lebensbedrohlichen Situation hatte ein Teil von ihm es genossen, sie zu halten und ihre Nähe willkommen geheißen. Und er konnte sich daran erinnern, dass er ihr all die Unterstützung geben wollte, die sie ihm während ihrer ganzen Partnerschaft gegeben hatte. Und jetzt wollte er ihr noch mehr geben.

Aber sie waren hier und warteten auf den Tod. Und es schien sie nicht zu beunruhigen, fiel ihm auf. Sie war bereit zu sterben? Das war überhaupt nicht ihre Art.

"Scully, warum nimmst du auf einmal alles so leicht hin?" fragte er abrupt und drehte sich zu ihr um. "Warum willst du nicht zurück?"

Sie sah für einen Moment verdutzt aus. "Weil.... weil ich glaube, dass es nichts gibt, wohin ich zurück gehen muss. Ich wünschte, meine Mutter müsste all das nicht durchmachen, aber..." Sie verstummte, suchte nach Worten.

"Damals, als die Ärzte dich aufgegeben hatten, als es sicher schien, dass du sterben würdest, wenn sie das Beatmungsgerät abstellen würden, hast du um dein Leben gekämpft. Du hast nicht aufgegeben. Warum jetzt?" forderte er. "Was ist jetzt anders?"

"Ich... ich weiß nicht genau, worauf du hinaus willst, Mulder. Es gibt keinen Weg zurück...."

"Ich behaupte nicht, dass es einen Weg zurück gibt. Ich möchte nur wissen, warum du damals zurück gekommen bist."

"Ich weiß nicht." Sie klang unsicher. "Vielleicht war damals meine Zeit noch nicht gekommen. Vielleicht war ich nicht bereit zu sterben. Ich weiß es nicht."

"Nicht?"

"Nein", sagte Scully energischer, sich immer noch fragend, wohin das alles führen sollte. Sie befiel ein dumpfes Gefühl, dass sie wirklich nicht wusste, warum sie zurück gekommen war. Sie hatte ein wenig während ihres Krankenhausaufenthaltes darüber nachgedacht. Sie wollte allerdings nicht weiter in dieser Sache herumstochern. Und sie wollte erst recht nicht mit ihrem hartnäckigen Partner darüber reden. "Ich sehe keinen Grund, warum wir das jetzt diskutieren sollten", fügte sie mit Endgültigkeit hinzu.

"Es hat aber vielleicht Auswirkungen...."

"Mulder, warum kannst du es nicht einfach bleiben lassen?" fuhr sie ihn scharf an. Genervt stand sie auf und ging von ihm weg. "Wir sind hier. Wir können nicht wieder zurück."

"Können nicht oder werden nicht?" fragte er. "Oder vielleicht 'wollen nicht'?"

Scully fuhr rasch zu ihm herum. "Was willst du damit sagen?"

"Ich meine, dass du gar nicht zurück gehen willst. Selbst wenn du die Möglichkeit dazu hättest, würdest du nicht zurück gehen."

"Und kann ich daraus schließen, dass du zurück gehen willst?" fragte sie so desinteressiert wie möglich.

Er dachte kurz über eine Antwort nach und sah wie sie versuchte, jegliche Emotionen aus ihrem Gesicht und ihrer Stimme zu verdrängen. "Ja, ich möchte wieder zurück."

"Aber warum, Mulder? Es gibt nichts, das...."

"Doch, für mich gibt es etwas", sagte er nickend mit ruhiger Stimme.

"Zumindest gab es das. Für mich."

Scully zögerte für eine Sekunde, hielt seinen Blick und ging dann zurück zur Couch, um sich zu setzen. Mulder ließ sie den Blickkontakt abbrechen und sah zu, wie sie noch mehr Barrieren auflegte. Ihre Arme waren über ihrer Brust verschränkt, ihre Beine übereinandergeschlagen und ihr Gesicht von ihm abgewandt.

"Ich glaube, dass wir..." begann er, und wusste, dass er nicht weit kommen würde, bevor sie ihn wieder unterbrach.

"Mulder, ich denke nicht, dass ich dieses Gespräch weiterführen möchte", fiel sie ihm ins Wort. "Wir einigen uns darauf, dass wir uns in dieser Sache nicht einig sind, und damit sollte es erledigt sein."

"Was sollte erledigt sein?"

"Diese Unterhaltung, dieses Thema."

"Welches Thema, Scully."

Der Blick, mit dem sie ihn anstarrte, hätte ihn auf der Stelle bis zu den Knochen einfrieren können. Es war einer ihrer besten Versuche, gab er still zu, nur er war mit der Zeit immun gegen diese frostigen Blicke geworden.

"Warum willst du nicht darüber reden?" bestand er darauf. "Wir konnten immer über alles reden. Wir waren uns in der Vergangenheit nicht immer einig. Wir haben uns gestritten, wir waren sauer aufeinander, und sind dann drüber weg gekommen. Aber wir haben immer geredet."

"Ich möchte nicht reden."

"Wie kommt das?"

"Weil ich nicht glaube, dass dieses... dieses Thema, das du im Begriff bist einzuleiten, etwas ist, worüber wir reden müssten. Nicht mehr."

"Und welches Thema wäre das?"

"Ich kenne und hasse dieses Psychospielchen, Mulder", sagte sie ausgeglichen, "also spar dir diese Technik. Warum kannst du nicht einfach akzeptieren, was hier passiert und weiter gehen?"

"Weil ich nicht weiter gehen will. Und ich glaube nicht, dass du das willst."

Scully presste ihre Lippen zusammen, um eine scharfe Erwiderung zu verschlucken und sagte stur gar nichts.

"Sieh mal", begann er, "wenn wir tot sind, wird ein Gespräch darüber auch nichts ändern, stimmts?"

Sie fokussierte ihren Blick auf einen Punkt in der Wand irgendwo hinter ihm, und weigerte sich ihn anzusehen.

"Was auch immer, ich werde darüber reden", sagte er schulterzuckend. "Es gibt nichts, wo du dich verstecken kannst, also wirst du wohl zuhören müssen."

"Auch wenn ich es nicht hören will?" fragte sie bitter. "Lässt es dich kalt, dass ich es nicht hören will?"

"Ich möchte, dass du es hörst, weil es mir etwas bedeutet", antwortete er ruhig und setzte sich wieder auf die Couch, als sie sich etwas von ihm weg drehte und sich ein oder zwei Schritte entfernte. "Scully, ich will wieder zurück wegen dir. Du gehörst nicht hier hin. Du bist noch nicht bereit hierfür."

"Wer gibt dir das Recht darüber zu entscheiden, für was ich bereit bin und für was nicht?"

Er ließ ihre Frage links liegen. "Warum bist du vorher zurück gekommen?" fragte er abermals mit ruhiger und gleichmäßiger Stimme in der Stille des Raums. "Als ich in der Nacht neben deinem Bett gesessen habe, lagst du im Sterben. Ich konnte es in deinem Gesicht sehen. Es hat so weh getan, dort zu sitzen und mit ansehen zu müssen, wie du mir entgleitest. Ich konnte dich nicht festhalten. Ich konnte dich nicht wieder zurück holen." Sie wandte ihm immer noch den Rücken zu, ihre Schultern waren bei seinen Worten angespannt unter ihrem Sweater. "Warum bist du zurück gekommen, Scully?  Wolltest du wegen mir zurück kommen?"

Seine Frage war so leise, dass es fast ein Flüstern war, aber sie konnte sie dennoch klar und deutlich verstehen. Es war etwas, über das sie nicht hatte nachdenken wollen, das sie nicht beantworten wollte, selbst wenn sie sich selbst die Frage gestellt hätte. Diese Frage zu beantworten würde Türen öffnen, die besser geschlossen gehalten werden sollten. Um ihret Willen sollten diese Türen geschlossen bleiben.

"Ich weiß nicht, warum ich wieder zurück gekommen bin", sagte sie letztendlich in der Hoffnung, dass sie überzeugender klang als sie sich fühlte. "Natürlich habe ich gerne mit dir zusammen gearbeitet, Mulder, aber ich glaube nicht, dass...."

"Blödsinn", unterbrach er sie abrupt. "Lüg mich nicht an, Scully. Nach allem, was wir durchgestanden haben, nach all der Zeit, die wir uns kennen -- miteinander arbeiten, was auch immer", fügte er sarkastisch ein, "glaube ich, dass ich die Wahrheit von dir verdiene." Sie zwang sich wieder ihn anzusehen. Er saß auf der Couch, nach vorne gebeugt, und sah sie durchdringend an.

"Ich weiß nicht, was die Wahrheit ist", sagte sie dann, jedes Wort betonend. "Wenn nicht mir nicht irgendjemand einen kosmischen Schlüssel als Antwort auf die Frage meines Lebens gibt, werde ich nie wissen, was 'die Wahrheit' ist. Aber um Himmels Willen, ich glaube, dass damals meine Zeit noch nicht gekommen war. Und gerade, als ich mir dessen bewusst war, wusste ich... wusste ich irgendwie, dass du neben mir saßest—neben meinem Bett. Ich konnte dich nicht sehen. Ich konnte dich nur spüren. Und ich konnte dich nicht den Schmerz leiden lassen, den du wegen mir durchstehen musstest. Ich wusste, dass ich zurück kommen musste, um diesen Schmerz zu beenden. Das ist alles. Ich habe eine schwache Erinnerung daran, wie ich damals auf der Station aufgewacht bin, aber ich kann mich nicht mehr an etwas anderes erinnern." Sie endete und sah von ihm weg auf das hübsche impressionistische Bild einer Landschaft, das hinter der Couch an der Wand hing. "Demzufolge, ja, ich glaube, dass ich wegen dir zurückgekommen bin." Sie blickte ihn wieder an. "Ist es das, was du wissen wolltest?"

"Ja", nickte er und stand auf. "Es beantwortet gleichzeitig auch eine andere Frage."

"Und welche Frage ist das?"

"Warum du jetzt nicht zurück möchtest."

Scully schloss für einen Moment ihre Augen, um ihr Temperament im Zaum zu halten. Dann öffnete sie sie wieder und atmete tief durch. "Mulder, ich werde kein weiteres Wort über persönliche Dinge verlieren. Und ich werde dir auch nicht länger zuhören. Diese Unterredung ist vorbei."

"Was wirst du tun? Dir die Ohren zuhalten? Ich möchte wissen, warum du mit mir nicht über persönliche Dinge sprechen möchtest."

"Weil es keinen Sinn hat", sagte sie kurz angebunden. "Die persönlichen Seiten unseres Lebens liegen hinter uns. Der Teil ist vorüber."

"Das glaube ich nicht. Wir sind noch nicht tot."

Sie zuckte die Schultern. "Wir stehen vor der Tür des Todes."

Genervt fuhr er sich durch die Haare. Am liebsten würde er die Wände hochgehen. Seine Partnerin konnte verdammt stur sein. "Scully, willst du nicht zurück und dein Leben leben? Ein vernünftiges Leben? Ein Leben, das du dir vielleicht vorgestellt hast, bevor du bis zu den Ohren in X-Akten vergraben wurdest?"

Sie schüttelte den Kopf und präparierte sich für das Unumgängliche. Er würde einfach nicht die Klappe halten. Selbst wenn sie hier hundert Jahre verbringen würden, würde er sie immer weiter drängen, bis sie mit ihm über diese persönlichen Dinge sprach. Okay, es würden nicht wirklich hundert Jahre sein, aber es würde ihr so vorkommen. Vielleicht war das gar kein Wartezimmer, dachte sie. Vielleicht war es das Fegefeuer.

"Willst du kein richtiges Leben, Scully?"

Neugierig sah sie ihn an. "Welche Art Leben glaubst du ist das, Mulder? Ein Ehemann, der von neun bis fünf arbeiten geht, zweieinhalb Kinder und ein Haus mit einem weißen Zaun? Glaubst du, dass ich so etwas will? Nein, will ich nicht. Vielleicht habe ich irgendwann einmal darüber nachgedacht, aber Menschen ändern sich, weißt du. Ich habe mich verändert", sie hob die Schultern. "Es mag dich vielleicht überraschen, dass ich mehr oder weniger glücklich war mit dem Leben, das ich hatte.

"Ich weiß nicht, welches Leben ich in Zukunft für mich wollte, aber ich weiß, dass ich jetzt zu sehr daran gewöhnt bin, über Kannibalismus oder riesige blutsaugende Würmer um vier Uhr morgens zu reden. Ich bin zu sehr daran gewöhnt, ans Telefon zu gehen und dich 'Scully, ich bin's.' sagen zu hören. Ich weiß, dass ich nicht über Versicherungen oder Windelausschlag beim Mittagstisch zu zivilisierten Zeiten reden will. Ich weiß, dass ich nicht irgendjemand anderen am Telefon 'Ich bin's' sagen hören will. Und ich weiß, dass ich mich nicht von deinem außergewöhnlichen, komplizierten Leben und Arbeit zurück ziehen möchte." Sie sah zu ihm auf, ein kleines Lächeln um ihre Lippen. "Ich würde mich zu Tode langweilen mit jedem Mann, der unfähig ist, eine intelligente Diskussion über Mutanten zu führen."

Mulder sagte für eine Weile nichts, er sah sie nur an und erwiderte ihr Lächeln etwas. "Ich nehme an, ich habe dich verwöhnt, was?"

Sie zuckte leicht die Schultern und ging auf die Tür zum Gang zu. Sie blieb im Türrahmen stehen und sah die Länge des Korridors herunter. "Vielleicht. Ich weiß es nicht. Alles, was ich weiß ist, dass ich nicht so unglücklich mit dieser Situation bin, wie du es zu sein scheinst." Sie blickte ihn über ihre Schulter hinweg an. "Wie denkst du darüber, Mulder? Du hattest ein Leben dringender nötig als ich. Ist das der Grund, warum du wieder zurück möchtest? Möchtest du versuchen, dir ein anderes Leben aufzubauen? So ähnlich wie ein zweiter Anfang?"

Er steckte seine Hände tief in seine Hosentaschen und schüttelte langsam den Kopf. "Nein, nicht wirklich. So wie die Dinge gelaufen sind, unter den Gegebenheiten, hätte ich nie ein richtiges Leben leben können. Durch die Suche nach Samantha habe ich praktisch die Entscheidung getroffen, alles andere dafür aufzugeben. Meine Schwester zu finden und die X-Akten waren eine lange Zeit die einzig wichtigen Dinge in meinem Leben. Nichts anderes war von Bedeutung." Er machte eine Pause und sah an ihr vorbei in den langen, dunklen Gang. "Und dann wurdest du mir als Partnerin zugewiesen. So durchgeknallt ich auch damals war, es war das Beste, das mit hätte passieren können. Du hast meine Theorien hinterfragt, hast mich dazu gebracht, sie selbst zu hinterfragen und hast mich generell auf dem Boden der Tatsachen gehalten. Ich war nicht immer mit dir einverstanden", fügte er grinsend hinzu, "aber ich war nie gelangweilt.

"Ich war noch nie jemandem so verbunden, wie dir, Scully. Du hörst mir zu, wenn es niemand anderes tut. Du versuchst mich zu verstehen, wenn es niemand anderes tut. Ich vertraue dir, selbst wenn ich mir nicht vertrauen kann, geschweige denn irgendjemand anderem. Du passt zu... zu dem, was als mein Leben durchgeht", sein Mund verzog sich ein wenig, "als ob du ein Teil von mir wärst, von dem ich nicht gewusst hatte, dass er fehlt, bis er mir weg genommen wurde."

Sie sah ihn an, als er aufgehört hatte zu reden. Sie wussten beide, wie wichtig sie füreinander waren, und sie hatten in der Vergangenheit immer einen guten Grund gehabt, es nicht anzusprechen, oder entsprechend zu handeln. Und es war wirklich nie nötig gewesen, die Worte zu sagen. Sie lebten sie jeden Tag von neuem.

"Wir müssen wieder zurück", sagte er dann und wandte sich von der Beobachtung des Korridors ab, um sie an seiner Seite anzusehen. "Wir gehören nicht hierhin."

"Woher willst du das wissen? Wir sind hier und es gibt keinen Ausweg", erinnerte sie ihn matt. "Wir sind schon so gut wie tot. Ich weiß nicht, warum du weiter darauf bestehst, dass wir...."

Er unterbrach sie mit einer Geste, griff plötzlich nach ihrer Hand und hielt sie so fest, dass es unangenehm war. "Fühlst du das?"

"Ja, Mulder! Das tut weh!"

Er lockerte seinen Griff, aber hielt sie immer noch fest. "Du kannst es also fühlen, Scully. Fühle es. Wenn man tot ist, kann man so etwas nicht mehr fühlen. Wir sind nicht tot. Noch nicht. Und wir sind zusammen hier, nicht alleine. Dafür muss es einen Grund geben. Es muss noch einen Weg geben, wie wir wieder zurückkommen."

Scully versuchte, ihre Hand zu befreien, aber er ließ sie nicht los. "Zurück zu was?" schrie sie geradezu und kämpfte um ihre Hand. "Ich dachte, wir hätten dieses Thema abgehakt! Ich will nicht wieder zurück! Es gibt nichts wohin ich...."

Es passierte blitzschnell. Ein rascher Zug an ihrer Hand ließ sie die Balance verlieren und sie stolperte auf ihn zu. Er zog sie dicht zu sich, seine freie Hand nahm ihr Kinn und hob es hoch. Er küsste sie, sein Mund hungrig auf ihrem, eine Erwiderung verlangend, die sie so wenig unterdrücken konnte wie sie hätte aufhören können zu atmen. Ihr stockte der Atem, als er seine Arme fest um sie legte und der Druck seines Kusses ihre Lippen auseinander zwang. Ihre Augenlider fielen zu. Alles, was sie fühlte war Mulder. Alles, was sie schmeckte war Mulder. Ihre Hände bewegten sich wie von selbst nach oben, über seine Schultern, an sein Genick, hielten ihn dort fest. Sie wollte nicht aufhören.

Nur schwach konnte sie ihr eigenes Stöhnen des Wohlgefallens vernehmen, als er ihren Mund durchforschte, ohne Hast, und seine Lippen auf ihren sich bewegen fühlte. Sie spürte seine Leidenschaft, als sie ihn dicht an sich gedrückt hielt und nun selber anfing, seinen Mund zu erkunden. Seine Finger durchstreiften ihr Haar, und sie waren beide außer Atem, als er widerwillig seinen Kopf hob, um den Kuss für den Moment zu beenden. Er ließ sie allerdings nicht los, und machte auch nicht Anstalten, es zu tun, sondern küsste sie leicht auf ihren Mundwinkel.

"Fühlst du dich jetzt lebendiger?" wollte er mit ein wenig heiserer Stimme wissen.

Scully nickte wortlos. Sie zweifelte daran, dass sie einen zusammenhängenden Satz formulieren konnte, aber sie fühlte sich definitiv lebendig. Etwas zu lebendig für ihren Geschmack, wenn sie ehrlich sein sollte.

"Wir sind nicht tot, Scully", flüsterte er und strich mit seinen Lippen über ihr Ohr.

"Nicht wenn wir all das fühlen können. Und wenn wir nicht tot sind, muss es einen Weg zurück geben."

Sie räusperte sich und schloss kurz die Augen bei den Empfindungen, die sein Mund an ihrem Ohr in ihr hervor riefen. "Okay, nehmen wir an, wir finden einen Weg zurück. Sollen wir zurückgehen?"

"Was meinst du?"

"Ich meine - vorausgesetzt wir schaffen es zurück - wir uns entweder an das, was hier passiert ist, erinnern können, oder nicht. Wenn wir uns nicht daran erinnern, sind wir wieder genau da, wo wir aufgehört haben, ohne vernünftiges Leben und all das. Wenn wir uns daran erinnern können, stellt uns das vor eine Menge Fragen."

"Ich will nicht banal sein, Scully, aber Fragen sind dazu da, um sie zu beantworten."

"Wir werden die Antworten vielleicht nicht mögen", sagte sie plötzlich mit ernsten Zügen und löste sich vorsichtig von ihm.

Mulder richtete sich mit einem Seufzen auf, sah auf sie hinunter und strich ihrer Haare glatt, wo seine Finger sie zerzaust hatten. "Ich weiß, was du meinst."

"Was wollen wir also?" sagte sie mit einer hilflosen Geste. "Einen One-Night-Stand? Eine Beziehung? Eine Bindung? Und wie wirkt sich das dann auf unsere Zusammenarbeit aus? Wird unsere Freundschaft beeinträchtigt, wenn wir etwas miteinander anfangen? Wird es das wert sein?"

Mulder zuckte die Schultern. "Ich weiß es nicht, Scully. Ich weiß es wirklich nicht. Aber obwohl ich nicht weiß, was zum Teufel wir machen sollten, weiß ich ganz genau, dass wir irgendetwas von all dem nicht tun können, wenn wir tot sind", erinnerte er sie spitz und löste seinen Blick von ihr, um sich im Raum umzusehen, auf eine Inspiration hoffend. Er blickte auf das Landschaftsgemälde an der Wand hinter der Couch, da es nichts anderes gab, worauf man besser fokussieren konnte.

"Ich würde sagen, daran besteht kein Zweifel", stimmte Scully trocken zu.

"Angenommen, dass wir uns nicht erinnern werden, und trotzdem ich das gerade sehr genossen habe, würde ich vorschlagen, nichts zu überstürzen. Ich habe schon viele Freundschaften gesehen, die unter Sex gelitten haben. Ich glaube nicht, dass es das ist, wo wir und momentan befinden."

Sie nickte in Einverständnis. "Dann ist die Frage 'wo sind wir?'"

"Momentan? Gefangen in einem verdammten Wartezimmer", antwortete er geistesabwesend.

"Mmm." Sie verzog das Gesicht und sah zu ihm hoch.

Aber Mulders Aufmerksamkeit war nicht mehr bei ihr. Sein Blick konzentrierte sich auf einen Punkt hinter ihrem Kopf. Als sie sich umdrehte, konnte sie nur das gerahmte Bild sehen, auf dem eine Art Garten in exzellenter impressionistischer Weise gemalt war, mit einem großen, breiten Tor nicht ganz im Zentrum des Bildes. Ein sehr hübsches Bild, doch sie verstand nicht, warum es so plötzlich das Interesse ihres Partners weckte.

Mulder runzelte die Stirn und deutete auf das Bild. "Scully, sieh nur!"

"Was soll ich sehen?" fragte sie und sah hin, wenn auch etwas gelangweilt.

"Ich sehe nichts außer einem Bild."

"Nein, nein. Sie dir die Reflektion in dem Glas an."

Scully konzentrierte ihren Blick auf die Glasscheibe. Es sah aus wie ein Spiegelbild von ihnen beiden vor einem Bild stehend, mit einem Korridor hinter ihnen und dem hellen Licht der Deckenlampen im Gang, das sie fast wie Silhouetten darstellte.

"Siehst du es?" wollte Mulder wissen.

"Was? Ich sehe uns, den Raum, den Gang...."

Mulder legte einen Arm um ihre Schulter und drehte sie beide zu dem Korridor um, bevor sie ihrer Litanei beenden konnte.

Der Gang lag vor ihnen, nur von drei oder vier Deckenlampen beleuchtet, die die Dunkelheit, die zum Wartezimmer kroch, unterbrach.

Mulders Arm ließ sie los und sie drehte sich wieder halb zurück zu der Reflektion in der Scheibe. Licht. Sie drehte sich zum Gang. Dunkel.

Licht. Dunkel.

"Es ist nicht derselbe Gang", sagte Scully bedächtig.

"Dieser hier", sagte Mulder und zeigte auf das Bild, "ist der klassische Licht-am-Ende-des-Tunnels-Gang."

"Und der hier", Scully deutete auf den wirklichen Gang vor ihnen, "ist was? Wenn das hinter uns der Gang nach... sagen wir mal nach vorne ist.... dann ist der dunkle Gang hier der Weg... zurück, glaubst du?"

"Muss so sein. Hat so zu sein."

"Du glaubst also wirklich wir sollten versuchen wieder zurück zu gehen?"

Es schien ihr seltsam zuwider, das zu sagen, jetzt, wo es wirklich eine Möglichkeit dazu gab.

"Du nicht?" fragte er und sah sie an. "Wir können vielleicht da weitermachen, wo wir aufgehört haben", erinnerte er sie und fasste seinen Arm um ihre Schulter ein wenig enger.

Der Gedanke war verlockend, doch Scully zögerte. Sie löste ihren Blick von Mulder und sah wieder auf das Spiegelbild des Gangs, auf die Wärme des Lichtes, das auf ihr nach oben gerichtetes Gesicht fiel. Sie hatte es schon einmal verlassen und war zurück in ihre Welt, zurück zu Mulder, gegangen. Aber Mulder war dieses Mal hier und sie wollte dem warmen, einlandenden Licht nicht den Rücken zudrehen. Es könnte sie beide willkommen heißen. Die Wärme umgab sie bei dem Gedanken. Sie würden hier zusammen in dem Licht sein, würden nie getrennt. Und es war auch nicht nur das weiße Licht, das sie sah, sondern auch die schönsten aller Farben und Schatten....

 

 

 

 

 

 

 

 

** Kapitel 3 b **

 

 

 

"Sieh nicht in das Licht, Scully", flüsterte seine Stimme auffordernd an ihrem Ohr, doch sie vernahm sie nur sehr schwach, als ob er gar nicht mehr neben ihr stünde.

Aber das Licht war so anziehend.... Er würde ihr folgen. Dessen war sie sich sicher. Und die Wärme streckte sich nach ihr aus...

"Scully...." Seine Stimme war noch weiter weg.

Seine Stimme? Wessen Stimme?

"Scully... Scully!"

Sie fühlte sich plötzlich ohne jegliche Orientierung, verwirrt, die Helligkeit kam und ging... und seine Stimme war lauter, rief ihren Namen, rief sie.... zu sich?

Etwas überrascht merkte sie, dass ihr Mulders Hände an ihren Schultern weh taten, als er sie schüttelte, und ihr Kopf vor und zurück geworfen wurde.

"Hör auf", keuchte sie. "Hör auf, Mulder. Du tust mir weh."

Mit einem erleichterten, dankbaren Seufzen umarmte er sie und hielt ihr Gesicht dicht an seine Schuler, weg von dem Licht. "Oh, Gott. Tu mir das nicht an, Scully. Bleib bei mir." Er senkte seinen Kopf, um sie anzusehen. "Bist du okay?" Ihr Kopf bewegte sich ein wenig an seiner Schulter. "Nein."

Er schob sie ein wenig von sich. Sein Atem war warm, als seine Lippen sanft ihre berührten. "Ich kann die Entscheidung für dich nicht treffen, Dana— aber ich kann es versuchen. Ich möchte, dass du bei mir bleibst. Ich möchte, dass wir versuchen, zurück zu gehen. Aber du musst freiwillig mitkommen, sonst wird es nicht klappen."

Für einen Moment sagte sie nichts, sah ihn nur an. Er lächelte schwach, seine Fingerspitze streichelte ihre Wange, und strich dann eine Locke aus ihrem Gesicht.

"Ich möchte nach Hause, Mulder", sagte sie letztendlich. "Glaubst du, dass wir es schaffen?"

"Wir können es nur versuchen. Sieh nur nicht in das Licht."

Er drehte sie vorsichtig um, mit dem Rücken zum hellen Korridor und seinem Körper zwischen Scully und dem warmen Licht, das von dem Bild ausging. "Eines Tages wirst du dafür bereit ein", versprach er ihr. "Nur nicht heute."

"Warum beeinflusst das Licht nur mich und nicht dich?" fragte sie. "Kannst du es nicht fühlen?"

"Oh ja. Ich bin nicht immun, Scully", sagte er mit Gefühl. "Ich konzentriere mich nur auf etwas anderes. Das ist alles."

"Oh."

"Ja. Ich denke immerzu daran, wie schön es war dich zu küssen. Und ich denke daran, dass ich es wieder tun möchte. Und ich rufe mir immer wieder ins Gedächtnis, dass wenn ich der Versuchung zu bleiben nachgeben würde, all das verschwinden würde."

"Aber Mulder, wenn wir uns an nichts mehr erinnern können...."

"Wenn wir uns nicht erinnern können an das, was hier passiert ist, glaube ich fest daran, dass unsere Beziehung sich entwickeln wird", sagte er bestätigend und behielt einen Arm um ihre Hüfte, um sie im Tempo ihrer Schritte zu halten, als er merkte, dass sie langsamer wurde. "Wir können nicht ignorieren, was wir füreinander empfinden. Eines Tages werden wir etwas deswegen tun." Hoffe ich, fügte er im Stillen hinzu.

Der Korridor schien Mulder endlos lang, als er Scully in die Dunkelheit führte. Er konnte das warme Licht auf seinem Rücken spüren und er wusste, dass Scully es sogar noch stärker fühlte, trotzdem er sie so gut wie möglich davon abschirmte. Ihre Schritte waren immer noch sehr langsam, und wurden allmählich schleppend.

"Was ist? Was ist los?" fragte er.

"Ich glaube, wir sind fast am Ende angekommen", sagte sie matt.

"Warum?"

"Es ist kalt und etwas tut weh. Das war vorher nicht so."

Mulder hielt an, seine Hände auf ihren Armen. "Das ist deine letzte Chance, Dana. Ich will dir keinen Ausweg anbieten, aber ich muss es tun. Willst du mit mir zurück gehen? Ist es das, was du wirklich willst? Oder willst du wieder zurück in das Wartezimmer - und von dort aus weiter machen?"

Sie sah zu ihm auf und versuchte, sein Gesicht in dem Halbdunkel auszumachen.

"Warum stellst du mir diese Frage, Mulder? Ich sagte doch, dass ich mit dir zurück will."

"Du musst dir dessen aber sicher sein. Wenn du nicht wirklich weißt, dass du zurück möchtest, glaube ich nicht, dass du es schaffen wirst."

"Warum glaubst du das?"

"Weil mir nicht kalt ist und mir nichts weh tut. Ich glaube, das ist eine Art Barriere, und sie wird dir im Wege sein, weil du nicht hundertprozentig sicher bist, dass du gehen willst."

Scully zögerte und drehte sich langsam und bedacht zurück, um an Mulder vorbei zu dem Licht am weit entfernten Ende des Ganges zu sehen. Mulder trat zur Seite und blockierte ihre Sicht. Doch das Licht schien um ihn herum, silhouettierte ihn mit seiner Kraft und Wärme, und zwang sie dazu, ihre beiden Möglichkeiten auf einmal zu sehen.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber sie wurde plötzlich aus ihrer andauernden Unentschlossenheit gerissen, wurde sich selbst auf einmal bewusst durch die flüchtige Berührung seines Mundes auf ihrem. Und dann, mit einem Mal, küsste sie ihn mit einer Leidenschaft, die schon fast an Verzweiflung grenzte, ihre Hände hielten ihn fest, verankerten sich an ihm.

Das war was sie wollte, erkannte sie endlich. Sie wollte Mulder. Sie wollte sich mit ihm streiten, mit ihm Theorien aufstellen, mit ihm arbeiten, mit ihm lachen, bei ihm sein. Ihn lieben. Das Licht war keine Option, wenn Mulder nicht mit ihr dort hin gehen würde. Genau wie vorher würde sie wegen ihm zurück gehen. Und dieses Mal, so hoffte sie, würde sie mit ihm und zu ihm gehen.

Endlich lehnte sie sich ein wenig zurück in seiner Umarmung, ihre Lippen noch für eine Sekunde auf seinen, bevor sie die Augen öffnete. Er lächelte sie an. Dieses warme, besondere Lächeln, das sie nicht oft zu sehen bekam.

"Bitte sag mir, dass du mit zurück kommst."

Das Licht würde immer noch da sein. Aber Mulder wollte es jetzt von ihr wissen. Und sie brauchte ihn.

"Scully?"

"Lass uns gehen, Mulder. Ich erfriere hier sonst noch."

Seine Hände umfassten ihre Schultern enger und er küsste sie, energisch, aber kurz, bevor er sich aufrichtete und ihre Hand nahm, um sie weiter zu führen.

"Ich möchte sichergehen, dass wir nicht getrennt werden", erklärte er.

"Keine Sorge", lächelte Scully und drückte seine Hand wie ein Schild gegen die Dunkelheit. "Ich lasse dich so leicht nicht los."

Ohne Vorwarnung. In einem Moment standen sie auf festem Boden, im nächsten befanden sie sich in freiem Fall.

Scully fühlte Mulders Hand nicht mehr, wenn sie sie überhaupt noch festhielt, und sie wusste nicht, ob sie schrie, als sie fiel. Sie konnte nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen. Nichts außer Kälte. Sie schloss ihre Augen vor dem klirrenden Frost.

 

 

 

 

 

 

 

 

** Kapitel 4 **

 

 

 

Eine dumpfe Erinnerung umschwirrte ihn wie das Wasser, in das er eingetaucht wurde. Ein Bild an der Wand. Blitzende Diamanten an der Decke. Sie fest im Arm zu halten, damit der Sturm sie nicht von ihm wegwehen würde. 'Wolltest du wegen mir zurück kommen?' Ein Wartezimmer. Der Wunsch zu sterben. Der Wunsch zu leben. Sie eng an sich gepresst halten und sie küssen, bis ihm schwindelig wurde. 'Fühlst du dich jetzt lebendiger?' Die Tür mit oranger Farbe besprühen. Das Licht war so schön, so warm. Der Schnee war so kalt. Sie starben. Sie zitterte vor Kälte in seinen Armen.

Scully....

"Er hat die Augen geöffnet."

Hatte er? Er hatte es gar nicht gemerkt.

"Mr. Mulder, können Sie mich hören?"

Nur mühsam hob er seinen Blick von dem Wasser vor ihm. Eine Frau, die er nicht kannte, blickte auf ihn hinab. Während er sich noch seinen Weg durch seine Erinnerungen bahnte, fühlte er dieselben schwinden, als er willensstark versuchte, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren. Er kannte diesen klinischen, einschätzenden Blick. Eine Ärztin. "Können Sie mich hören?" wiederholte sie.

Seine Lippen und Zunge bemühten sich um ein Wort. "Ja", krächzte er, und räusperte sich dann mühevoll. Er war an ein Beatmungsgerät angeschlossen.  Seine Brust fühlte sich wie zusammengezogen an und er spürte die unsichtbare Hand an seinem Hals, die er damit in Verbindung brachte.

Mehr und mehr wurde er sich seiner Umgebung bewusst, und jetzt empfand er auch den Schmerz.

Sein Körper brannte. Das war sein erster zusammenhängender Gedanke, der schneidende Schmerz in seinen Händen und Füssen, die ihn innerlich aufschreien ließen. Sein zweite Gedanke, als er den Schmerz etwas unterdrücken konnte, war, dass er sich in Wasser befand. Wasser? Eine Art Wanne? Das Wasser fühlte sich nah der Kälte des langen Falls kochend heiß an... Nein, kein Fall, fiel ihm ein. Sie waren nicht gefallen. Es war der Sturm. Sie waren inmitten eines Blizzards gefangen gewesen. Warum glaubte er, dass sie gefallen waren?

Langsam fielen ihm noch andere Dinge auf. Gedämpfte Unterhaltung, Befehle und Antworten. Bewegung um ihn herum. Nebensächliches Schwirren, Klicken und Piepen von Maschinen. Das leise Plätschern des Wassers um ihn herum, fast bis zu seinem Kinn.

"Innerste Körpertemperatur 31,6°C, Doktor", sagte eine andere Stimme irgendwo hinter ihm.

"Okay, er ist jetzt stabil. Holen wir ihn aus der Wanne. Verlegen Sie ihn in auf die Beobachtungs-Station und beginnen Sie mit der Erfrierungs-Therapie. Beobachten Sie seine Vitalfunktionen...."

"Warten Sie", brachte er heraus, als er hochgehoben wurde und die Luft auf seiner nassen Haut das vorgetäuschte Gefühl von Wärme in seinen Extremitäten kühlte. "Scully.... meine Partnerin. Wo ist Scully?" Für den ersten Moment wurde seine Frage ignoriert, während er warm eingepackt, auf eine Bare gelegt und mit Thermodecken zugedeckt wurde. "Wo ist Scully?" wiederholte er mit dem Versuch, Autorität in seine krächzende Stimme zu legen, was ihm jedoch völlig misslang.

Die dunkelhaarige Krankenschwester schnallte ihn sicher fest und lächelte ihm beruhigend zu. Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf die andere Seite des großen, professionell ausgestatteten Trauma-Raumes. "Keine Sorge, sie ist dort drüben."

".... Sie... Ist sie in Ordnung?"

"Ihre Körpertemperatur steigt nicht so schnell wie Ihre. Sie sind gerade dabei, sie zu stabilisieren."

Als seine Bare ein wenig zur Seite gedreht wurde, um ihn aus dem Traumazimmer zu transportieren, konnte er einen raschen Blick auf das Gesicht seiner Partnerin oberhalb des Wannenrandes erhaschen. Sie sah blutleer aus, weißer als der Schnee, der sie fast umgebracht hatte, ihr Mund wurde durch das Beatmungsgerät aufgezwungen. Er hatte sie schon einmal so gesehen, wie ihr Leben von den Geräten um sie herum abhing, und er hatte den Anblick damals schon nicht gemocht. Es schien nicht richtig, dass jemand, der so sehr die Kontrolle über sein eigenes Leben behalten möchte, so hilflos sein sollte, oder dass jemand so voller Leben so leblos aussah.

Sie hatte ihn gebraucht, um sie zurück zu holen. Zurück aus der Kälte? Oder zurück von.... Er legte die Stirn in Falten, als die Bare kurz angehalten wurde und die Schwester einer Kollegin etwas mitteilte. Zurück von....? Er tastete verzweifelt nach den Erinnerungen. Sie waren in einem Raum gewesen, soviel wusste er. Ein Wartezimmer. Und Scullys Körper war warm gewesen— nicht kalt—neben seinem, als sie ihm versprochen hatte, mit zurück zu kommen. Wo war sie jetzt? fragte er sich mit einem plötzlichen Schwall von Kälte—eine Kälte, die nichts mit der eigentlichen Raumtemperatur zu tun hatte—und stellte sie sich verloren zwischen zwei Welten vor, unfähig den entscheidenden Schritt zurück zu finden. Was würde er tun, wenn sie es nicht.... Er wollte gar nicht daran denken.

Doch als er durch die Tür manövriert wurde, vernahm er ein ruckartiges Luftschnappen hinter ihrem Beatmungsgerät, und als er seinen Kopf drehte, sah er, wie sich zunehmend um Scully gekümmert wurde. Dann wurde er aus dem Raum geschoben und sie war außer Sichtweite.

Er hatte aber genug gesehen. Scully hatte ihren Weg zurück gefunden, lächelte er und die Erleichterung durchströmte ihn wie eine Welle.

Er schloss die Augen vor den Deckenflutern, die erbarmungslos auf ihn herabschienen, als er weiter durch den Gang gefahren wurde. Er ließ es mit sich geschehen. Es war zu anstrengend, sich jetzt erinnern zu wollen. Er spürte keinen Bedarf mehr. Scully würde es schaffen, versicherte er sich selbst müde. Das war das Wichtigste. Sie würde okay sein. Sie würden es beide schaffen.

 

 

 

 

"Wenn die Ärzte und Schwestern nicht dauernd um mich herumschwirren würden, würde es mir besser gehen."

"Hör auf zu jammern, Mulder", sagte Scully mitleidlos und blickte auf ihren Partner, der auf seinem Krankenhausbett saß und seine Füße mit gleichmäßigen, langsamen Bewegungen kreisen ließ, wie es in der Therapie vorgeschrieben war.

"Wir sind am Leben. Und wir werden unsere Zehen behalten, auch wenn wir absolut keine Spaß an dieser Erfrierungs-Behandlung haben."

Fast unwillentlich glitt ihr Blick herüber zu dem mit Vorhängen verhangenen Fenster, das eine wunderschöne Aussicht auf die dahinterliegenden Berge mit ihren weißen Schneekappen und grünen Füssen bot, leicht überzogen von lavendelfarbenen Schatten neuer Sturmwolken, die sich langsam über die Bergsketten bewegten und das blasse Sonnenlicht verdeckten. Sie hatten nur knapp den einen Sturm überlebt, und der neue würde in den Bergen alle Spuren von ihnen verwischen, dachte sie. Als ob sie nie da gewesen wären.

Mulder sah auf und beobachtete sie mit einem Gefühl von Unbehagen und Unsicherheit, das ihn ergriffen hatte wie ein Gewand seit er in diesem Krankenhaus vor vier Tagen bei vollem Bewusstsein und mit voller Auffassungsgabe aufgewacht war. Scully war zu still, zu abgelenkt. Sie war während sie sich hier erholte zu ruhig und ausweichend gewesen, und war ihm aus dem Weg gegangen wo immer sie konnte.

Irgendetwas war da draußen in den Bergen passiert. Dessen war er sich sicher. Er konnte seinem unüblich unzuverlässigen Gedächtnis die Einzelheiten nicht entziehen, aber er konnte eine Spannung zwischen ihnen fühlen. Und die verletzte ihn fast mehr als diese verdammten Erfrierungen.

"Die lassen einen aber nicht in Ruhe hier", beteuerte noch einmal. Er merkte, dass er es auch hätte ruhiger sagen können, aber er wollte einen gewissen Nachdruck bei ihr hinterlassen. Egal was es brauchte, er wollte wieder seine alte Scully wieder haben. "Sie wecken dich mitten in der Nacht, um zu fragen, ob man auch gut schläft. Sie..."

"Das machen sie bei mir auch", erwiderte sie und wandte sich von ihrer Beobachtung der Landschaft draußen ab. "Hör zu, wir müssen nur noch ein paar Tage hier bleiben. Halt noch ein wenig durch, ja? Hast du irgendetwas über den Auftrag gehört, auf den wir angesetzt waren? Hat ihn irgendjemand anderes übernommen?"

Mulder seufzte und unterdrückte ein Zucken, als er begann, seine Zehen so gut er konnte zu beugen. Er war in einer miesen Stimmung, und sie laufend anzumotzen würde ihm auch nicht helfen. Es würde sie lediglich verärgern, und sie würde zurück auf ihr Zimmer gehen und ihn mit sich selbst alleine lassen. Und er wollte nicht, dass sie ging.

"Mulder", versuchte sie noch einmal mit einer etwas sanfteren Stimme. "Wenn dich etwas stört, sag es mir. Vielleicht kann ich dir helfen. Ist das der Fall?"

Nachdenklich sah er sie an. Sie saß auf dem leeren Bett gegenüber, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, und wartete auf seine Antwort. Sie hörte ihm immer zu, egal wie "weit entfernt" seine Theorien auch waren, egal wie weh diese Erinnerungen taten, sie war immer da und hörte ihm zu. Er schuldete ihr mehr als nur Stillschweigen, nachdem sie wegen ihm fast im Schnee umgekommen war.

"Du wirst mich eher umbringen, als dass du mir helfen wirst", sagte er letztendlich. Sie würde nicht mögen, was er im Begriff war ihr zu sagen. "Ich habe einen Anruf vom örtlichen FBI-Büro bekommen. Das vermisste Junge, den wir gesucht haben, ist wieder aufgetaucht. Er war nach einem Streit mit seinem Vater bei einem Freund in Seattle gewesen. Und die beiden Ranger, die behauptet hatten, dass sie etwas im Wald gesehen haben, tja.... jetzt sind sie sich auf einmal nicht mehr einig, was sie gesehen haben. Einen Bären. Nein, einen Berglöwen. Oder vielleicht war es auch nur ein Schatten von einem Busch oder sowas."

Einen Moment lang konnte sie nicht denken. Sie konnte nur fühlen. Für einen kurzen Moment war sie keine FBI-Agentin mehr, sondern lediglich eine Frau -- und für eine Sekunde wollte sie ihre Hände um Mulders Hals legen und zudrücken, bis er eine nette, attraktive blaue Farbe erhalten hatte. Er hatte sie da raus in diesen Blizzard für gar nichts geschleppt. Sie waren fast gestorben wegen seiner Sturheit.....

Sie riss sich zusammen, warf die Idee ihren Partner auf der Stelle ins Jenseits zu befördern zurück in das kleine Kämmerlein, aus dem sie hin und wieder hinaus schaute, und schüttelte den Kopf. Sie hatte sich dazu entschieden, mit ihm auf diese Phantomjagd zu gehen—Wilde-Tiere-Jagd fügte sie mit einem innerlichen Grinsen hinzu. Es war nicht ganz allein seine Schuld.

Scully ließ das ironische Lächeln seinen Weg um ihren Mund finden und sagte, "Was du mir damit also sagen willst, dass die ganze Aktion, der ganze Weg hier raus und die Tatsache, dass wir fast erfroren sind... für die Katz war. Kein vermisstes Kind. Kein Bigfoot. Nur wir im Schnee."

"Das umreißt die ganze Sache in etwa, ja." Er sah hinunter zu seinen Füßen und wackelte gedankenabwesend mit den Zehen. "Scully, es tut mir Leid. Wirklich. Es hat nicht genügend Beweise gegeben, um die ganze Aktion zu fundieren, und meine Ungestümheit hätte dich fast umgebracht. Ich habe mich von meiner Begeisterung leiten lassen, habe sie über professionelle Urteilskraft gestellt, und wir haben ja gesehen, was dabei herauskommt. Und ich bin stinksauer auf mich selbst deswegen." Er verstummte und wartete auf das Donnerwetter, das ihn wohl erwartete—und das er verdiente.

"Dann habe ich wohl das Es Ist Deine Schuld Spiel gewonnen", sagte sie schulterzuckend. Er sah auf und war überrascht, dass sie immer noch lächelte. Dann schüttelte sie den Kopf. "Nein, Mulder, das stimmt nicht ganz. Es war genauso meine Schuld mitzukommen. Einen Fall für ermittlungswert zu erklären, von dem ich wusste, dass es nicht genügend Hinweise gab, um überhaupt anzufangen. Wenn ich stärker protestiert hätte, meinen Standpunkt dir oder Skinner deutlicher gemacht hätte, würden wir jetzt nicht hier sitzen."

"Du sollst mich, sagen wir, im Zaum halten, richtig?" willigte Mulder ein und etwas von seiner Spannung in ihm löste sich. Sogar ein Lächeln fing an sich auf seinem Gesicht zu formen. Scully war nicht sauer. Sie hatte jedes Recht, ihn in der Luft zu zerreißen, aber sie war nicht wütend.

"Ich bräuchte eine Peitsche und einen Stuhl, um dich im Zaum zu halten, Mulder", sagte sie trocken, stand auf und verlagerte langsam ihr Gewicht auf ihre Füße.

"Willst du schon gehen?" fragte er und etwas in ihm zog sich zusammen bei dem Gedanken. "Ich hab einen Stuhl und ich kann mich nach einer Peitsche erkundigen. Könnte lustig werden", sagte er und zwang sich zu einem Grinsen.

"Es war in letzter Zeit schon lustig genug mit dir, danke sehr. Ich gehe besser zurück auf mein Zimmer. Es gibt gleich Mittagessen."

"Oder etwas, das ein Mittagessen darstellen soll."

Scully zögerte. Mulder wollte nicht allein sein; sie konnte es fühlen. Und sie konnte nicht anders als sich zu wünschen, dass sie das, was ihm so zusetzte, beenden könnte. Vielleicht konnte sie es aus ihm herausbekommen. Aber auf die lockere Art und Weise, sagte sie sich. "Vielleicht magst du ja mit mir essen", schlug sie nach einem Moment vor.

So sehr er nicht wollte, dass sie ging, hatte er irgendwie ein beängstigendes Gefühl bei ihr zu sein. Er hatte keine Ahnung warum, aber irgendwo in seinem Gehirn schwirrten Erinnerungen, gerade außerhalb seiner Reichweite, die dieses Unbehagen verursachten.

"Nein, vielen Dank", antwortete er mit Aufwand, aber genauso locker klingend. "Ich werd mal sehen, ob die Schwester sich von mir hat erpressen lassen und mir ein paar Hotdogs bringt."

"Guten Appetit." Er hatte Angst, dachte Scully. "Wenn du es dir anders überlegst, du weißt, wo ich bin. Der Essenswagen rollt schon an", endete sie und bemühte sich langsam, Schritt für Schritt, zur Tür.

"Ja, verpass ihn bloß nicht", rief Mulder, der sich gar nicht darauf freute, wieder allein mit seinen Gedanken zu sein, und trotzdem seltsam verspannt war, wenn sie mit ihm im gleichen Zimmer war. Er mochte dieses Angstgefühl überhaupt nicht, das er empfand, zusammen mit Erinnerungen an die Kälte und an ein warmes Licht. Und diese Angst war immer da, nagte immerzu an ihm.

Angst, Scully zu verlieren.

Aber sie war doch hier, widersprach er sich selbst. Sie war warm und am Leben und vor allem hier. Er konnte sie sehen. Er sollte nicht ihre Hand nehmen wollen, um zu sehen, ob es ihr gut ging. Der Drang nach ihr überraschte ihn, das Verlangen nach ihr erschreckte ihn.

Mulder beobachtete seine Partnerin, die durch das Zimmer zur Tür schlurfte. Ihre Schritte sahen schmerzhaft aus - er wusste aus Erfahrung, dass es weh tat. Er fühlte sich manchmal an, als würde man auf heißen Kohlen gehen. Ist es nicht das, was er in Bezug auf Scully gerade tat? Auf heißen Kohlen gehen? Er wollte nicht, dass sie merkte, was er fühlte....

Scully erreichte die Tür und hielt an. Sie drehte sich zurück, um ihm etwas zu sagen, doch Mulder hörte es nicht. Ihr Anblick, ihre Silhouette vor dem beleuchteten Korridor ließ ihn aufspringen und halb durch den Raum stürzen, bevor der Schmerz in seinen halb-verheilten Füssen ihn aufhielt.

"Scully...." Mulder hielt an, stolperte, zögerte. Seine Erinnerungen waren stückweise, nicht in Reihenfolge und mit fehlenden Bindegliedern. Und mit keiner Übertreibung seiner exzellenten Phantasie hätte er sie als zusammenhängend bezeichnen können. Aber die Tür in seinen Gedanken war aufgegangen und er wusste es einfach. Er erinnerte sich an den Warteraum. Er erinnerte sich an das Gefühl, sie in den Armen zu halten. An den Geschmack ihres Mundes.

Sie wartete im Türrahmen, ihre Augenbrauen fragend erhoben bei der plötzlichen Dringlichkeit in seiner Stimme.

Er stand da, barfuß, in dem Krankenhauspyjama und -mantel, inmitten des Zimmers, aufgeregt, seine Augen auf sie gerichtet—doch sein Blick war in sich gekehrt.

Vielleicht war alles nur eine Halluzination, ermahnte er sich. Vielleicht hatte er sie aus seinem eigenen Unterbewusstsein hinaufbeschworen, und seine eigenen unterdrückten Gedanken und Wünsche auf die Ähnlichkeit projiziert. Was wäre, wenn es nicht real gewesen war? Was wäre, wenn er es erlebte hätte, aber sie nicht?

Er musste sie fragen. Er musste es wissen. "Nachdem wir in dem Unterstand das Bewusstsein verloren haben", sagte er endlich langsam und befeuchtete seine trockenen Lippen, "während du ohnmächtig warst, hast du...  geträumt... oder etwas ähnliches?"

Scully steckte die Hände in die Manteltaschen und lehnte sich an den Türknauf. "Oder etwas ähnliches", sagte sie nach kurzem Nachdenken.

Die Stille zwischen ihnen zog sich immer länger, wurde geradezu greifbar, eine dritte Partei in dem Zimmer.

Er musste es wissen, dachte er entschlossen. Er musste wissen, ob.... Er konnte es nicht in Worte fassen, selbst nicht in seinen Gedanken.

"An was... an was erinnerst du dich?" fragte er schließlich einfach, und verachtete den ungeduldigen Ton in seiner Stimme.

Er sah, wie Scully für einen langen Moment schwieg, ein abwesender Blick in ihren Augen. Er musste sich daran erinnern zu atmen, und fragte sich, was er tun würde, wenn sie sich an das erinnern konnte, was er getan hatte, wenn sie es aussprechen würde. Wenn sie es wusste, würde es sich auf ihre Partnerschaft, so wie sie momentan war, auswirken? Womöglich eine unerträgliche Spannung über ihre Freundschaft legen? Vielleicht waren einige Wahrheiten nicht dazu da, um sie auszusprechen, dachte er und ihm war plötzlich seltsam kalt. Noch nicht. "An was..." Sein Hals schnürte sich zusammen und er konnte die Frage nicht zu Ende stellen.

Scully lächelte jetzt schwach und strich sich mit einer Hand die Haare aus ihrem Gesicht. "Ich kann mich an genug erinnern, Mulder."

Er nickte langsam, sein Blick auf ihrem Gesicht, und sagte nichts weiter, als sie sich umdrehte und in dem Korridor verschwand, und sich schlurfend auf den Weg in ihr Zimmer machte. Er schloss die Augen und konnte fühlen, wie die Spannung aus ihm hinaus floss, aus seinen Schultern, seinem Genick. Ihre Worte hatten die Enge in seiner Brust vertrieben.

Heute würde also nicht der Tag werden, an dem sie den großen Sprung machen würden, lächelte er ein wenig neckisch. Ein kleiner Schritt war mehr als genug. So wie er für Scully fühlte, war es genauso viel, wie er im Moment ertragen konnte.

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie beide mehr brauchen würden. Bis sie zu einem zweiten Schritt bereit waren. Oder zweien.

Mulder fühlte sich nun wieder besser—und hungrig—und öffnete die Augen. Er sah sich um in dem bescheidenen Raum und bemerkte das Mittagstablett, das jemand für ihn hingestellt hatte. Na Klasse, während er inmitten des Zimmers gestanden hatte und mit geschlossenen Augen wie ein Idiot gegrinst hatte. Stellen wir den Grad einer Psychose fest, sagte er sich und bediente sich von dem Tablett.

Alleine in diesem öden Zimmer essen zu müssen schien ihm jetzt nicht mehr so angenehm. Mittagessen mit Scully—selbst wenn es Krankenhausessen war -- hörte sich mit jeder Sekunde besser an.

Mulder grinste abermals, als er nun selbst einen schlurfenden Gang in Richtung des Zimmers seiner Partnerin begann.

 

 

ENDE BLIZZARD